AG Bielefeld, Urteil vom 20.10.2020 - 404 C 56/20
Fundstelle
openJur 2021, 193
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 921,90 € nebst Zinsen in Höhe von 9% über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 58% und die Beklagte zu 42%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilig vollstreckenden Partei wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die jeweilig andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung entrichteter Messegebühren in Anspruch.

Am 02.05.2019 meldete die Klägerin ihre Teilnahme an der von der Beklagten geplanten Jobbörse an, welche vom 13.03.2020 bis zum 15.03.2020 im Messezentrum Bad T. stattfinden sollte. Die Parteien vereinbarten, dass die Klägerin in dem vorgenannten Zeitraum einen Eckstand (G 31) in einer Größe von 12 qm belegen dürfen sollte.

Der Anmeldung waren die Messe- und Aufstellungsbedingungen der Beklagten zugrunde gelegt, welche unter Ziffer 4 u.a. wie folgt lauten:

"Unvorhergesehene Ereignisse, die eine planmäßige Abhaltung der Messe/Ausstellung unmöglich machen und nicht vom Veranstalter zu vertreten sind, berechtigen diesen die Messe/Ausstellung vor der Eröffnung abzusagen. Muss die Absage mehr als 6 Wochen, längstens jedoch 3 Monate vor dem festgesetzten Termin erfolgen, werden 25% der Standmiete als Unkostenbeitrag erhoben. Erfolgt die Absage in den letzten 6 Wochen vor Beginn, erhöht sich der Unkostenbeitrag auf 50%. Außerdem sind die auf Veranlassung des Ausstellers bereits entstandenen Kosten zu entrichten. Muss die Messe/Ausstellung infolge höherer Gewalt oder auf behördliche Anordnung geschlossen werden, sind die Standmiete und alle vom Aussteller zu tragenden Kosten in voller Höhe zu bezahlen. ..."

Auf die Rechnungen der Beklagten vom 09.05.2019 und 07.01.2020 zahlte die Klägerin eine Standmiete in Höhe von 1.723,80 € (netto), eine Marketingpauschale in Höhe von 429,00 € (netto) und einen Heizkostenbeitrag in Höhe von 60,00 € (netto).

Am 11.03.2020 musste die Beklagte die Messe aufgrund behördlicher Anordnung wegen der anhaltenden Corona-Pandemie absagen.

Mit Schreiben vom 02.04.2020 verweigerte die Beklagte die von der Klägerin begehrte Erstattung der verauslagten Gebühren.

Die Klägerin behauptet, dass sie den Zugang zu dem streitgegenständlichen Mietobjekt, nämlich der Standfläche, zu keinem Zeitpunkt erhalten habe. Insoweit meint die Klägerin, dass sie auch nicht das Verwendungsrisiko in Bezug auf das Mietobjekt trage. Jedenfalls könne die Klägerin auf Grundlage der Ziffer 4 der Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten, soweit diese als überraschende Klausel überhaupt wirksam sei, die Hälfte der gezahlten Gebühren zurück verlangen, da die Messe bereits im Vorfeld und nicht erst nach deren Beginn abgesagt worden sei. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte durch die Absage nicht unerhebliche Aufwendungen erspart habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.212,80 € nebst Zinsen in Höhe von 9% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Übergabe der Standfläche faktisch stattgefunden habe, da die Klägerin bereits auf der Fläche einen von ihr ausgesuchten und bestellten Teppichboden verlegen ließ. Ferner habe die Klägerin noch am 11.03.2020 ab 8:00 Uhr die Möglichkeit gehabt mit dem Aufbau des Standes zu beginnen. Dementsprechend ist die Beklagte der Auffassung, dass die Klägerin das Verwendungsrisiko des Mietobjekts trage. Ferner seien die der Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten wirksam in den Vertrag einbezogen worden, insbesondere liege keine unangemessene Benachteiligung vor. Schließlich behauptet die Beklagte, dass sie hohe Summen für Werbung investiert und auch die Miete für die Messehalle gezahlt habe. Dagegen habe sie keine Aufwendungen erspart, da die Absage erst kurz vor der geplanten Öffnung der Messe erfolgt sei.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrags in Höhe von 921,90 € aus § 812 Abs.1 S.1 BGB i.V.m. Ziff.4 der Messe- und Ausstellungsbedingungen.

1.

Die Klägerin, welche unstreitig sämtliche Messegebühren verauslagt hat, kann zunächst die Erstattung der hälftigen Standmiete von 861,90 € verlangen. Nach den als AGB zu qualifizierenden Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten hat der Aussteller einen Unkostenbeitrag von 50% zu leisten, wenn die Absage der Messe in den letzten 6 Wochen vor Beginn der Veranstaltung erfolgt. Die Jobbörse, welche vom 13.03.2020 bis 15.03.2020 stattfinden sollte, wurde unstreitig am 11.03.2020 gegenüber der Klägerin aufgrund behördlicher Anordnung wegen der der anhaltenden Corona-Pandemie abgesagt. Diese Pandemie stellt nach Auffassung der Gerichts auch unzweifelhaft eine sämtliche Beteiligten unvorhergesehenes Ereignis dar.

Die Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten wurden auch wirksam in das streitgegenständliche Vertragsverhältnis einbezogen. Die streitgegenständliche Klausel unter Ziff.4 ist nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs.1 BGB, da Bestimmungen, welche die Abwicklung des Vertragsverhältnisses bei höherer Gewalt regeln, in Gewerbemietverträgen in keiner Weise unüblich sind. Es liegt auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 307 Abs.2 BGB vor. Vielmehr mildert Ziff.4 der Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten das nach den gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich bestehende Verwendungsrisiko des Mieters (§ 537 BGB), hier der Klägerin, sogar deutlich ab, indem sie das Risiko der höheren Gewalt auf beide Vertragsparteien im Rahmen einer Staffelung verteilt. Während der Mieter im Fall einer sehr frühzeitigen Absage lediglich 25% der Standmiete als Unkostenbeitrag entrichten soll, verschiebt sich das Risiko erst sukzessive auf den Mieter, je näher die Eröffnung der Veranstaltung zeitlich naht.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Bestimmung berufen, nach welcher die Standmiete vom Aussteller in voller Höhe zu tragen ist. Nach dem Wortlaut dieser Regelung sollte dies nur dann gelten, wenn die Messe infolge höherer Gewalt bzw. auf behördliche Anordnung "geschlossen" werden muss. Dies setzt denklogisch voraus, dass die streitgegenständliche Jobbörse überhaupt erst eröffnet wurde, was unstreitig im Zeitpunkt der Absage noch nicht der Fall vor, sondern erst am 13.03.2020 erfolgen sollte. Schließlich gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305c Abs.2 BGB zu Lasten des Verwenders, hier der Beklagten.

2.

Die Klägerin kann dagegen nicht die Rückzahlung der geleisteten Marketingpauschale in Höhe von 429,00 € beanspruchen. Nach Ziff.4 der Messe- und Ausstellungsbedingungen der Beklagten sind unabhängig von der gestaffelten Standmiete von dem Aussteller die von ihm veranlassten Kosten zu entrichten, die bereits entstanden sind. Vorliegend entspricht es schon der allgemeinen Lebenserfahrung, dass das Marketing bzw. die Werbung für die streitgegenständliche Jobmesse im Zeitpunkt der Absage, nämlich drei Tage vor der Eröffnung, weitestgehend durchgeführt wurde. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte auch dezidiert dargelegt, dass sie u.a. 1000 Plakate hat drucken und aufhängen sowie mehrere Anzeigen in lokalen Zeitungen hat schalten lassen. Das pauschale Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen ist vor diesem Hintergrund unerheblich, insbesondere da die Werbung, u.a. Plakate und Anzeigen, der Wahrnehmung der Klägerin bzw. deren Geschäftsführer ohne weiteres zugänglich war. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Beklagte das Entgelt für die entsprechenden Dienstleistungen nicht entrichtet haben soll.

3.

Schließlich kann die Klägerin jedoch den entrichteten Heizkostenbeitrag in Höhe von 60,00 € erstattet verlangen. In diesem Zusammenhang ist nach verständiger Würdigung nicht ersichtlich, dass drei Tage vor der Eröffnung der Veranstaltung schon nennenswerte von der Beklagten zu tragenden Heizkosten entstanden sind. Solche Kosten hat die Beklagte selbst nicht im Rahmen ihrer Auflistung von Auslagen für die Jobbörse dargelegt.

II.

Die Klägerin hat dagegen keinen weiteren Rückzahlungsanspruch auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen. In diesem Zusammenhang kann es auch dahinstehen, ob im konkreten Fall das Mietobjekt, mithin die Standfläche, der Klägerin bereits zum vertragsgemäßen Gebrauch überlassen worden ist.

Im Falle einer solchen Gebrauchsüberlassung hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Mietminderung gemäß § 536 BGB. Eine solche Mietminderung kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. In diesem Zusammenhang können insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen auch durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel darstellen, allerdings nur dann, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 181/09). Dagegen fällt das Verwendungsrisiko in den Bereich des Mieters, da der Vermieter nur verpflichtet ist, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/29). Vorliegend wurde die Jobbörse gerade nicht aufgrund einer mangelhaften Beschaffenheit der gemieteten Standflächen des Messezentrums abgesagt, sondern aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie, wobei der Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren im Mittelpunkt stand.

Auch wenn angenommen wird, dass die streitgegenständliche Mietsache der Klägerin tatsächlich noch nicht überlassen wurde, hat sie aus den vorgenannten Gründen keinen Erstattungsanspruch aus §§ 326 Abs.1, Abs.5, 346 Abs.1 BGB. Eine Unmöglichkeit der Leistungsbewirkung der Beklagten i.S.d. § 275 Abs.1 - Abs.3 BGB liegt gerade nicht vor. Der Vermieter muss lediglich die Gebrauchsmöglichkeit in Bezug auf die Mietsache verschaffen. Der Mieter bleibt dagegen aufgrund des nach § 537 BGB bestehenden Verwendungsrisikos zur Mietzahlung verpflichtet, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann. Es können allenfalls solche Störungen zu einer Unmöglichkeit führen, die in der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache begründet sind (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/29). Die ist vorliegend - wie bereits dargelegt - nicht der Fall.

Eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs.1 BGB kommt mangels Anwendbarkeit schon deswegen nicht in Betracht, da die Parteien für den Fall einer behördlich angeordneten Schließung bzw. höherer Gewalt ausdrückliche Regelungen getroffen und vereinbart haben.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs.1, Abs.2, 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.212,80 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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