OLG Schleswig, Urteil vom 27.11.2020 - 1 U 44/20
Fundstelle
openJur 2021, 143
  • Rkr:

Der Eigentümer einer Lichtwellenleitung kann bei der Beschädigung eines Teilstücks Anspruch auf Ersatz der Kosten für den Austausch eines längeren Teils der Leitung zwischen zwei bestehenden Muffenverbindungen haben, auch wenn das mit hohen Kosten verbunden ist und die Leitung nach Austausch nur des beschädigten Teilstücks mit zwei neuen Muffenverbindungen technisch funktioniert.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.03.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck teilweise geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den zugesprochenen Betrag hinaus weitere 20.341,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 21.902,60 € seit dem 15.06.2016 bis zum 06.07.2017 und auf 20.341,75 € seit dem 07.07.2020 sowie 984,60 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es von der Beklagten angegriffen worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung einer Lichtwellenleitung.

Die Klägerin betreibt eine Lichtwellenleitung zur Datenübermittlung zwischen dem Umspannwerk X und dem Kernkraftwerk Y. Die Leitung hat eine Gesamtlänge von 28.225 Metern. Ursprünglich waren neun Muffen im Abstand von jeweils ca. 4.000 Metern vorhanden.

Am 20.03.2014 beschädigten Mitarbeiter der Beklagten bei Erdarbeiten in Z die Leitung. Es wurden vier bis sechs Meter herausgerissen. Am 21.03.2014 ließ die Klägerin etwa 87 Meter Kabel ersetzen, die mit zwei Muffen mit dem bisherigen Kabel verbunden wurden. Sie machte dafür mit Rechnung vom 16.12.2014 (Anlage B 1, AB) 4.575,34 € geltend, die von der Haftpflichtversicherung der Beklagten gezahlt wurden.

Nachdem die Klägerin hinreichende Mengen Lichtwellenleiter beschafft und sich mit ihren Kunden abgestimmt hatte, ließ sie im Februar 2016 2.525 Meter Lichtwellenleiter austauschen. Das betraf die Strecke zwischen einer am 21.03.2014 im Bereich der Beschädigung gesetzten Muffe und einer Bestandsmuffe. Eine der am 21.03.2014 geschaffenen Muffenverbindungen ließ die Klägerin bestehen, weil diese in der Nähe eines Autohauses lag, das sie als Kundin zu gewinnen hoffte. Hier ließ sie lediglich die Muffe austauschen, um die Möglichkeit einer Abzweigung zu schaffen. Gleichzeitig mit den Arbeiten im von der Beklagten beschädigten Abschnitt ließ die Klägerin in zwei anderen Abschnitten, in denen das Kabel am 29.07.2014 und 28.11.2014 beschädigt worden war, Lichtwellenleiter austauschen und legte die Verbindung im Bereich einer neu gebauten Brücke um.

Für die Arbeiten wurden der Klägerin 19.000,00 € netto in Rechnung gestellt, für das Kabel zahlte sie 2.902,60 € netto (Anlagen K 1 - K 3, AB).

Die Klägerin hat behauptet, bei der Reparatur vom 21.03.2014 habe es sich nur um eine Notreparatur gehandelt. Es habe seinerzeit den Regeln der Technik entsprochen, die Regelbaulänge zwischen zwei bestehenden Muffen auszutauschen. Jede Muffe sei eine mögliche Fehlerquelle und verschlechtere das Dämpfungsbudget der Gesamtstrecke.

Die Klägerin hat die Zahlung von 21.902,60 € nebst Zinsen und Kosten begehrt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 1.560,85 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach § 249 BGB würden die Kosten erstattet, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens angemessen und zweckmäßig seien. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Reparatur im Februar 2016 zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Lichtwellenleiterkabels aus technischer Sicht nicht erforderlich gewesen. Zwar werde das Signal durch jede Muffe gedämpft, aber nur um 0,03 dB, was sich auf die Gesamtlänge so gut wie nicht auswirke. Die Leitung habe mit den im Jahr 2014 gesetzten Muffen ganz normal funktioniert. Nur für den möglichen Anschluss des Autohauses sei eine andere Muffe notwendig gewesen. Zwar sei jede Muffe eine mögliche Fehlerquelle, aber die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls sei gering.

Es könne dahinstehen, ob es sich bei der Norm VDE-AR-E-2888-1 aus dem August 2012 um eine Regel der Technik handele. Jedenfalls seien die Kosten der Reparatur im Jahr 2016 nicht als angemessen und zweckmäßig anzusehen, da nach der Reparatur im Jahr 2014 die betriebliche Unversehrtheit hergestellt gewesen sei. Die Dämpfung durch die Muffen sei nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit hinzunehmen gewesen.

Es habe zwar zwei weitere Schadensereignisse gegeben und unter Umständen ergebe sich in der Summe eine andere Bewertung hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Reparatur, das dürfe aber nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Beschädigung durch die Beklagte habe die erste Beeinträchtigung dargestellt. Seinerzeit habe noch keine höhere Schadensgeneigtheit bestanden.

Nach der Reparatur im Jahr 2014 habe die Klägerin noch Anspruch auf Ersatz der Kosten für Material, Messungen, Bestandspläne und eine Abnahme, die sich nach der Schätzung des Sachverständigen auf insgesamt 720,85 € netto beliefen. Zudem könne die Klägerin den Ersatz von Kosten der Vorhaltung einer Systemreserve verlangen. Von dem Dämpfungsbudget von 5 dB seien durch zwei Muffen 1,2 % verbraucht. Die Kosten der beschädigten Strecke seien auf 70.000,00 € zu schätzen. 1,2 % davon seien 840,00 €.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingereichte und begründete Berufung der Klägerin. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Wirtschaftlichkeitsgebot zwinge nicht dazu, die Naturalrestitution in einer Weise vorzunehmen, die nicht den Regeln der Technik entspreche. Sie sei gegenüber ihren Kunden und nach § 68 TKG verpflichtet, ihr Netz entsprechend den Regeln der Technik zu betreiben. Es könne nicht offen bleiben, ob der Austausch der Regellänge den Regeln der Technik entsprochen habe. Sie habe Anspruch auf eine Wiederherstellung, die die Nutzung ohne Einschränkung ermögliche. Das Wirtschaftlichkeitsgebot müsse hinter dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Naturalrestitution zurücktreten.Was als zweckmäßig und angemessen anzusehen sei, habe der Normgeber vorweg genommen. Dies sei der Austausch der Regellänge. Sie habe den Austausch als zweckmäßig angesehen, weil sie ihn sonst unterlassen hätte. Es sei klar gewesen, dass sie sich eine Kompensation erst habe erstreiten müssen. Auch andere Netzbetreiber seien so verfahren, auch wenn kein ersatzpflichtiger Schädiger vorhanden gewesen sei.

Bei den VDE-AR-E-288-1 handele es sich um eine Regel der Technik. Der Sachverständige habe bestätigt, dass der Austausch der Regellänge in der Norm vorgesehen sei. Dies sei auch in der Nachfolgeregelung DIN CLG/TS 80621 aus dem Jahr 2017 der Fall. Der Sachverständige sei ein Gegner der Norm. Das belege nur einen Meinungsstreit ab dem Jahr 2013. Die abweichende Auffassung habe sich auch im Jahr 2017 nicht durchgesetzt. Die Gegner befänden sich in der Minderheit. Auch für den Sachverständigen seien die Argumente, die für den Austausch der Regellänge sprächen, vertretbar, er habe sie nur anders gewichtet. Auch die T sei seinerzeit noch nach der Norm vorgegangen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Lübeck vom 13.03.2020, Aktenzeichen 2 O 102/17, die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 20.341,75 € sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 21.902,60 € seit dem 15.06.2016 bis zum 06.07.2017 und aus 20.341,75 € seit dem 07.07.2020 sowie 984,60 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Die Beklagte wendet sich ihrerseits mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Anschlussberufung gegen das Urteil. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Klägerin habe die Muffe bei dem Autohaus belassen und so bewusst die Faserdämpfung von 0,3 dB in Kauf genommen. Damit stehe ihr insoweit kein Entschädigungsanspruch zu. Aber auch wegen der zweiten bei der Reparatur 2014 eingebauten Muffe stehe der Klägerin kein Entschädigungsanspruch wegen des Verbrauchs des Dämpfungsbudgets zu, weil sie diese Muffe wieder entfernt habe.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Senat würdigt den Sachverhalt anders als das Landgericht es getan hat.

Die zulässige Anschlussberufung hat in der Sache unter keinem Gesichtspunkt Erfolg.

1. Der Klägerin steht nach § 831 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz in der eingeklagten Höhe zu. Mitarbeiter der Beklagten haben bei der Ausführung von Arbeiten für die Beklagte die im Eigentum der Klägerin stehende Lichtwellenleitung beschädigt.

a) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Geschädigte in erster Linie Anspruch auf Naturalrestitution. Nach § 249 Abs. 2 BGB kann er bei der Beschädigung einer Sache den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen.

aa) Der Geschädigte hat Anspruch darauf, dass er wirtschaftlich möglichst so gestellt wird, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (BGH NJW-RR 2015, 275, 277, Rn. 25). Gibt es mehrere Möglichkeiten der Naturalrestitution, hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot die Möglichkeit zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert (BGH NJW 2009, 3713, Tz. 7; BGH, Urteil vom 12.02.2019, VI ZR 141/18, Rn. 21 bei juris). Zur Herstellung erforderlich ist der Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH NJW 2015, 1298, 1299, Rn. 14; BGH NJW-RR 2017, 918, 919, Rn. 9). Von diesen Maßstäben ist zutreffender Weise auch das Landgericht ausgegangen.

Bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist Rücksicht auf die Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine Erkenntnismöglichkeiten (BGH NJW-RR 2017, 918, 919, Rn. 9). Der Geschädigte muss nicht zu Gunsten des Schädigers die kostengünstigste Möglichkeit zur Wiederherstellung wählen. Das Ziel der Wiederherstellung ist vielmehr, den Zustand herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht (BGH NJW 2015, 1298, 1299, Rn. 13).

bb) Nach den soeben genannten Grundsätzen durfte die Klägerin die Kosten der Reparatur im Jahr 2016 für erforderlich halten. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage. Es ist daher nicht von Bedeutung, dass der Sachverständige in seinem Gutachten eine abweichende Auffassung vertreten hat. Er hat die Situation aus technischer Sicht betrachtet.

Das Landgericht hat auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens festgestellt, dass jede Spleißverbindung der Lichtwellenleitungen innerhalb einer Muffe zu einer Dämpfung des Signals führt. Der Sachverständige hat diese mit etwa 0,03 dB pro Muffe beziffert, wobei dies ein Wert von 2017 ist, während im Jahr 2012 noch mit einer Dämpfung von 0,1 dB zu rechnen war. Ferner hat der Sachverständige ausgeführt, dass es in jedem Leitungsnetz eine Reserve für die Dämpfung gibt, die er mit 5 dB ansetzt. Aus technischer Sicht ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei der Reparatur im Jahr 2014 eingesetzten Muffen den Betrieb der Leitung der Klägerin nicht wesentlich beeinträchtigt habe.

Dennoch war durch die Reparatur im Jahr 2014 wirtschaftlich gesehen nicht dieselbe Lage hergestellt wie ohne die von der Klägerin zu verantwortende Schädigung. Vor der Schädigung war die Leitung der Klägerin intakt. Ihr stand die gesamte Dämpfungsreserve für Störungs-, Wartungs- und Alterungsprozesse zur Verfügung. Nach der Beschädigung und dem Einbau der beiden Muffen war das Dämpfungsbudget beeinträchtigt, auch wenn dies mit etwa 1,2 % nur geringfügig der Fall war.

Auch durch die verhältnismäßig geringfügige Belastung des Dämpfungsbudgets wurde indes die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin eingeschränkt. Sie muss ihren Kunden gegenüber für die störungsfreie Funktion der Leitung einstehen. Dazu muss sie eine Reserve einplanen, damit zukünftige Veränderungen durch die Alterung des Kabels oder dessen Beschädigung aufgefangen werden können und nicht die Signalübertragung auf der gesamten Strecke stören. Dass diese Risiken tatsächlich bestehen, zeigen die beiden weiteren im Jahr 2014 erfolgten Beschädigungen. Die Klägerin muss nicht hinnehmen, dass ihr Dämpfungsbudget durch jeden Schadensfall und jede dadurch erfolgte Reparatur durch den Einsatz von Teilstücken aufgezehrt wird, so dass irgendwann das Budget aufgebraucht ist. Das würde bei der jahrzehntelangen Nutzung der Lichtwellenleitung eine zunehmende Leistungseinbuße bedeuten.

Ferner muss es der Klägerin unternehmerisch frei stehen, Abzweigungen für neue Kunden zu schaffen, was durch den nötigen Einbau einer Muffe zu einer Dämpfung führt. Auch deswegen muss sie weitere Beeinträchtigungen des Dämpfungsbudgets durch Reparaturen von Beschädigungen nicht hinnehmen. Dass dies praktisch werden kann, zeigt die Entscheidung der Klägerin, die bei der Reparatur gesetzte Spleißverbindung in der Nähe des Autohauses zu belassen.

Es kommt hinzu, dass jede Muffenverbindung eine mögliche Fehlerquelle darstellt. Der Sachverständige hat das bestätigt und nur gemeint, dass das Auftreten von Fehlern unwahrscheinlich sei (Prot. v. 13.12.2019, S. 6 f., Bl. 173 f. d. A.). Die Klägerin, die auf die ordnungsgemäße Funktion der Leitung angewiesen ist, muss nicht hinnehmen, dass die Fehleranfälligkeit durch Reparaturen steigt. Die Nutzung der Leitung ist auf Jahrzehnte angelegt. Auch wenn ein Ausfall einer Muffenverbindung für sich betrachtet unwahrscheinlich sein mag, fällt das Risiko bei dem Ansteigen der Anzahl von Muffenverbindungen und über die Nutzungszeit ins Gewicht.

Die Klägerin hat sich nicht dadurch widersprüchlich verhalten, dass sie die Spleißverbindung in der Nähe des Autohauses bei der Reparatur im Jahr 2016 belassen hat. Das beruhte auf ihrer freien unternehmerischen Entscheidung. Die Klägerin kann im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung der Leitung selbstverständlich die Entscheidung treffen, für den möglichen Anschluss von Kunden Muffenverbindungen zu schaffen. Daraus folgt nicht, dass sie Beeinträchtigungen durch die Beschädigung der Leitung hinnehmen muss.

Die Höhe der für die Reparatur im Jahr 2016 angefallenen Kosten im Verhältnis zu den Vorteilen der Reparatur für die Klägerin ist kein Argument gegen die Ersatzfähigkeit. Denn der Geschädigte muss den Schädiger bei der Wiederherstellung des wirtschaftlich vergleichbaren Zustandes nicht schonen und sich mit einer preiswerten Lösung zufrieden geben.

cc) Nach den dargelegten Grundsätzen kann die Auffassung der Verkehrskreise für die Beurteilung dessen herangezogen werden, was der Geschädigte für erforderlich halten darf. Denn es kommt auf seine Situation und insbesondere seine Erkenntnismöglichkeiten an. Ferner kann ein Indiz sein, wenn der Geschädigte die Kosten für die Schadensbeseitigung zunächst selbst übernimmt (für Kosten eines Sachverständigengutachtens BGH NJW 2017, 1875). Denn er zeigt damit, dass er den Kostenaufwand auch dann für notwendig hält, wenn er die Kosten selbst tragen muss.

Von Bedeutung ist insoweit die von der Klägerin angeführte, zurzeit der Reparaturen geltende VDE-Regel VDE-AR-E 2888-1, auch wenn diese nur die Empfehlung zum Ersatz der Regellängen ausspricht. Es kann offenbleiben, ob es sich bei dieser Regel um eine anerkannte Regel der Technik handelte.

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass weite Kreise der Netzbetreiber dieser Regel folgten. Das gilt insbesondere für die T AG. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat diese erst in den Jahren 2012 bis 2018 eine andere Vorgehensweise erprobt und sich erst im Jahr 2019 dazu entschieden, von dem Austausch der Regellängen abzuweichen und von Fall zu Fall zu entscheiden (Stn. v. 23.04.2019, S. 3; Prot. v. 13.12.1919, S. 7, Bl. 174 d. A.). Unstreitig tauschten Netzbetreiber, unter anderem die Klägerin, auch dann Regellängen aus, wenn ihnen kein ersatzpflichtiger Schädiger zur Verfügung stand und sie die Kosten selbst tragen mussten. Das spricht dafür, dass die Klägerin auch in diesem Fall den Austausch für erforderlich halten durfte.

dd) Die Beklagte muss auch die Kosten für den Austausch der Muffe in der Nähe des Autohauses tragen, auch wenn die dort im Jahr 2016 eingesetzte Muffe der Vorbereitung des möglichen Abzweiges zu dem Autohaus diente. Denn zwar war diese für die Wiederherstellung der Leitung nicht erforderlich. Hätte sich die Klägerin allerdings im Jahr 2016 nicht entschlossen, die Muffe dort zu belassen, hätte sie nach dem oben Dargelegten den Austausch des Teilstücks von etwa vier Kilometern Länge für erforderlich halten dürfen. Das wäre teurer geworden als der Austausch der einzelnen Muffe. Nach dem Angebot der ausführenden Firma fielen für die Lieferung und Montage dieser Muffe 45,10 € und 84,00 € netto an (Anlage K 2, AB). Dagegen wären für weitere etwa 1.500 m Kabel nach der Rechnung der Lieferantin (Anlage K 3, AB) bei einem Meterpreis von 1,15 € weitere 1.725,00 € netto angefallen.

ee) Die Klägerin muss sich die Kosten der Reparatur von 2014 nicht gegenrechnen lassen, da diese zur kurzfristigen Ausbesserung der Leitung ebenfalls erforderlich waren. Die Klägerin hat substantiiert und plausibel dargelegt, dass die Reparatur - bereits einen Tag nach dem Schadensereignis - schnell erfolgen musste, um die Nutzung der Leitung wieder zu gewährleisten, und dass die endgültige Reparatur durch einen Austausch einer größeren Kabellänge eine längere Vorlaufzeit brauchte. Die Vorlaufzeit war erforderlich, um die Abschaltung der Leitung mit den Kunden abzustimmen und das längere Kabel zu beschaffen.

Die Beklagte hat das nicht bestritten. Sie hat nur bestritten, dass es sich im Jahr 2014 um eine Notreparatur handelte in dem Sinne, dass beide Maßnahmen in den Jahren 2014 und 2016 erforderlich waren, und dass eine Planungszeit von zwei Jahren erforderlich war in dem Sinne, dass nach ihrer Auffassung die Arbeiten im Jahr 2016 nichts mit der Beschädigung im Jahr 2014 zu tun haben. Nach dem oben Dargelegten durfte die Klägerin beide Maßnahmen für erforderlich halten. Ob ein Vorlauf von zwei Jahren erforderlich war oder die Planung auch schneller hätte abgeschlossen werden können, ist unerheblich. Erheblich ist nur, dass der im Jahr 2016 vorgenommene Austausch eines Teilstücks des Kabels einen Tag nach der Beschädigung noch nicht möglich war.

ff) Einen von der Klägerin auszugleichenden Vorteil gibt es nicht. Denn die Leitung ist nicht modernisiert, sondern wiederhergestellt worden.

b) Zinsen kann die Klägerin nach § 288 Abs. 1 BGB ab dem 15.06.2016 verlangen. Die Beklagte ist nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dadurch in Verzug geraten, dass ihre Versicherung mit Schreiben vom 14.06.2016 (Anlage K 5, AB) die Zahlung verweigert hat. Diese Weigerung muss sich die Beklagte zurechnen lassen, weil sie die Versicherung mit ihrer Vertretung betraut hat, nachdem die Klägerin ihr gegenüber die Kosten für die Reparatur mit Rechnung vom 31.05.2016 (Anlage K 4, AB) geltend gemacht hatte.

Die Anwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung durch Schreiben vom 15.12.2016 (Anlage K 7, AB) kann die Klägerin nach §§ 831, 249 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen. Nachdem die Versicherung einen Eintritt abgelehnt hatte, war die Klägerin berechtigt, zur Verfolgung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt einzuschalten.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Da die Klägerin nach dem oben Dargelegten Anspruch auf Schadensersatz in der eingeklagten Höhe hat, kommt es auf die Begründung des Landgerichts für das Zusprechen eines Teils der Forderung nicht mehr an.

Es ist so ohne Bedeutung, dass die Anschlussberufung selbst dann unbegründet ist, wenn man der Begründung des Landgerichts folgt. Da das Landgericht die Kosten für die tatsächlich durchgeführte Reparatur der Leitung nicht als ersatzfähig angesehen hat, hat es der Klägerin den hypothetischen Schaden zugesprochen, der verblieben wäre, wenn es bei der Reparatur im Jahr 2014 geblieben wäre. Dagegen kann die Beklagte nicht einwenden, dass die Klägerin sich entschieden hat, die eine im Jahr 2014 geschaffene Spleißverbindung zu belassen und die andere zu beseitigen. Sie kann sich nicht erfolgreich sowohl gegen den Ersatz der dabei entstandenen tatsächlichen Kosten als auch gegen den Ersatz des sonst verbliebenen Minderwerts wehren. Auch die Spleißverbindung in der Nähe des Autohauses wäre ohne die Beschädigung der Leitung durch die Mitarbeiter der Beklagten nicht geschaffen worden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind geklärt.

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