VG Augsburg, Urteil vom 23.07.2020 - Au 2 K 19.636
Fundstelle
openJur 2020, 80158
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des 1.156 m<sup>2</sup> großen Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Anwesen ... Weg) gegen seine mit Bescheid der Beklagten vom 28. März 2017 erfolgte Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage "... Weg" in Höhe von 10.185,10 EUR. Aufgrund der Anrechnung einer Vorausleistung der Rechtsvorgängerin in Höhe von 7.290,00 EUR wurde ein noch zu zahlender Beitrag von 2.895,10 EUR errechnet. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. April 2017 bei der Beklagten Widerspruch, über den nicht entschieden ist.

Das klägerische mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des am 18. November 1983 in Kraft getreten Bebauungsplans Nr. ... "...straße" in der Fassung der am 3. Juli 2009 in Kraft getretenen Änderungssatzung und liegt mit einem Teil seiner südlichen Grundstücksgrenze unmittelbar an der Erschließungsanlage "... Weg" an. Der "... Weg" weist eine Gesamtlänge von ca. 185 m auf und mündet an seinem westlichen Ende in die ...straße. Ausweislich der Widmungsunterlagen der Beklagten ist der "... Weg" (Fl.Nr. ...) seit 20. April 2013 als Orts straße gewidmet. Der Bebauungsplan Nr. ... "...straße" setzt für die Verkehrsfläche (Fahrbahn) der Erschließungsstraße eine Breite von ca. 7,00 m fest. An seiner Ostseite endet der "... Weg" sackgassenartig an zwei (herausnehmbaren) Pfosten als Abtrennung zu der dort in Nord/Süd-Richtung vorbeiführenden "...". Der "... Weg" weist aufgrund des nicht möglichen Grunderwerbs abweichend von der Festsetzung des Bebauungsplans vor der Einmündung in die ...straße über eine Länge von ca. 35 m eine Verengung der Fahrbahn auf ca. 3,80 m Breite auf.

Am 3. Mai 2019 ließ der Kläger gegen den Erschließungsbeitragsbescheid vom 28. März 2017 (Untätigkeits-)Klage erheben mit dem Antrag,

den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 28. März 2017 aufzuheben.

Zur Begründung wurde zunächst dargelegt, dass der Kläger gegen diesen Bescheid mit Schreiben vom 15. April 2017 Widerspruch erhoben habe, über den bislang noch nicht entschieden worden sei. Deshalb sei die Erhebung der Untätigkeitsklage veranlasst gewesen.

Mit Schriftsatz vom 9. August 2019 wurde zur weiteren Begründung der Klage ausgeführt, dass sich der Kläger gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für den "... Weg" in Höhe von 10.185,10 EUR wende. Berechnungsgrundlage sei eine Grundstücksgröße von 1.156 m<sup>2,</sup> eine Geschossfläche von 724 m<sup>2 </sup>und ein Beitragssatz von 10,8352127 EUR/m<sup>2 </sup>gewesen. Zu Gunsten des Klägers sei eine Eckgrundstücksvergünstigung gewährt worden, so dass sich ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 10.185,10 EUR ergeben habe.

Der Kläger habe mit notariellem Kaufvertrag vom 25. Februar 2010 an die Beklagte verschiedene Teilflächen aus dem Grundstück Fl.Nr. ... bzw. aus dem ursprünglich bestehenden Grundstück Fl.Nr. ... (alt) veräußert. Unter Nr. VIII des notariellen Kaufvertrags sei geregelt, dass Erschließungsbeiträge aufgrund des Baugesetzbuches, die ab heute festgesetzt werden, der Käufer zu tragen habe. Die Beklagte habe dem Kläger auf seinen Widerspruch mit Schreiben vom 24. Juli 2018 mitgeteilt, dass sich nach ihrer Auffassung sämtliche Kaufvertragsregelungen und Vereinbarungen, wie insbesondere die Vereinbarung über die Tragung von zukünftig anfallenden Erschließungsbeiträgen, explizit auf die erworbenen vier Teilflächen bezogen hätten und eine Übernahme der Erschließungsbeiträge für das gesamte Grundstück durch die Beklagte nicht vereinbart worden sei. Der festgesetzte Erschließungsbeitrag berücksichtige deshalb nur die im Eigentum des Klägers stehende Grundstücksfläche. Die nunmehr als Verkehrsflächen dienenden und jetzt im Eigentum der Beklagten befindlichen Teilflächen seien bei der Berechnung des Beitrags nicht angesetzt worden. Der Erschließungsbeitragsbescheid sei rechtswidrig, da der Beitragserhebung entgegenstehe, dass sich die Beklagte gegenüber dem Kläger im Rahmen des notariellen Kaufvertrags vom 25. Februar 2010 unter Nr. Z. VIII verpflichtet habe, u.a. Erschließungsbeiträge, die ab dem Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses festgesetzt werden, zu tragen. Der Kläger sei aufgrund des Ergebnisses der Kaufvertragsverhandlungen davon ausgegangen, dass sämtliche zukünftig entstehenden Erschließungsbeiträge seitens der Stadt übernommen würden. Dies umso mehr, als im notariellen Kaufvertrag die Grundstücksflächen zu einem Grundstückspreis von 70,00 EUR/m<sup>2</sup> veräußert worden seien, der übliche Grundstückspreis zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits bei 275,00 EUR/m<sup>2</sup> gelegen habe.

Zudem sei die Beitragserhebung rechtswidrig. Der "... Weg" sei von der Beklagten nicht nach den gesetzlichen Vorgaben abgerechnet worden, da die Herstellung der Erschließungsanlage nicht rechtmäßig im Sinn von § 125 BauGB erfolgt sei. Die maßgebliche Bebauungsplan Nr. ... sehe beginnend ab der Einmündung von der ...straße eine einheitliche Breite der (Straßen-)Verkehrsfläche von 7 m vor. Tatsächlich weise der "... Weg" im Bereich der Grundstücke Fl.Nr. ... und Fl.Nr. ... eine deutlich geringere Straßenbreite auf. Die festgesetzte Breite einschließlich Gehweg weise die Straße erst ab dem klägerischen Grundstück auf. Die Beklagte räume zwar beim Ausbau Abweichungen vom Bebauungsplan ein, gehe jedoch davon aus, dass die Verengung im Westteil der Straße - auch wenn die Anlage hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans zurückbleibe - mit den Grundzügen der Planung vereinbar sei. Der "... Weg" weise im Bereich der Grundstücke Fl.Nr. ... und Fl.Nr. ... eine Breite von 3,80 m auf und verbreitere sich ab der Fl.Nr. ... um ca. 3,20 m, so dass er erst ab der Höhe des klägerischen Grundstücks die erforderliche Breite von 7 m aufweise. Durch diese Abweichung liege keine rechtmäßige Herstellung der Erschließungsanlage vor. Aufgrund der erheblichen Verengung der Straße seien die Anforderungen an eine ausreichende wegemäßige Erschließung der an den "... Weg" angrenzenden Grundstücke nicht mehr gegeben. So entspreche es der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass Straßen mit einer Breite von unter 6 m auch in ländlichen Gemeinden zur reibungslosen Abwicklung des Begegnungsverkehrs nicht den Anforderungen an eine ausreichende Erschließung gerecht würden. Diese erhebliche Abweichung von den planerischen Vorgaben sei mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar.

Mit Schreiben der Beklagten vom 22. Oktober 2019 wandte sich diese gegen das Klagebegehren. Für sie ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die erhobene Untätigkeitsklage bereits deswegen unzulässig sei, weil die Überlastung der Behörde infolge der KAG-Novelle und einer vorübergehenden besonderen Geschäftsbelastung dazu geführt habe, dass die Sache nicht der Regierung von ... als zuständige Widerspruchsbehörde habe vorgelegt werden können.

Mit Kaufvertrag URNr. ... vom 25. Februar 2010 habe der Kläger vor dem Hintergrund des Ausbaus der Erschließungsanlagen "... Weg" und "...straße" Teilflächen aus dem Grundstück Fl.Nr. ... an die Beklagte als Baulastträgerin veräußert. Im Rahmen des Kaufvertrags sei u.a. vereinbart worden, dass Erschließungsbeiträge nach dem BauGB, welche ab dem Tag der Vertragsbeurkundung festgesetzt werden, seitens des Käufers, also der Stadt, zu tragen seien. Diese Regelung sei ausschließlich mit dem Kaufgegenstand in Verbindung zu bringen. Etwaige Ableitungen in Bezug auf die verbliebene Restfläche des Grundstücks könnten hieraus nicht entnommen werden. Der veranschlagte Kaufpreis in Höhe von 70,00 EUR/m<sup>2</sup> basiere auf einer Westfeststellung des Stadtvermessungsamts.

Gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB werde die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Erschließungsanlage durch Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht berührt, wenn die Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar seien und die Erschließungsanlagen hinter den Festsetzungen zurückblieben. Eine Abweichung sei mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt werde, wenn die Abweichung also noch im Bereich dessen liege, was der Plan gewollt habe oder zumindest gewollt hätte. Eine planabweichende Herstellung einer Erschließungsanlage sei mit dem Planungskonzept vereinbar, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein "Aliud" gegenüber der Planung vorliege. Bei einer Ausbaulänge von ca. 185 m weise die Fahrbahn im westlichen Bereich eine Verengung auf einer Länge von ca. 35 m und somit eine Abweichung von den Festsetzungen im Bebauungsplan auf. Im übrigen Bereich entspreche die Fahrbahnbreite den Festsetzungen des Bebauungsplans. Im Bebauungsplan Nr. ... seien die Erschließungsstraßen als verkehrsberuhigte Bereiche (Wohnstraßen) vorgesehen. Bei dem Bebauungsplan handle es sich um einen sog. "Angebotsbebauungsplan", daher bestehe ein Vollzugsrecht, aber keine Vollzugspflicht. Hinsichtlich der Straße sei von dem vorgesehenen Querschnitt abgewichen worden, da u.a. die ursprünglich festgesetzte massive Bebauung zu Gunsten lockerer Wohnbebauung geändert worden sei. Dadurch sei das Verkehrsaufkommen nicht erheblich. Zwar sei im unmittelbaren Knotenbereich der Straße ein Begegnungsverkehr von Kraftfahrzeugen grundsätzlich sinnvoll, allerdings sei es wegen der Grundstücksverhältnisse im konkreten Fall nicht möglich gewesen, eine Ausweichstelle herzustellen. Angesichts des geringen Verkehrsaufkommens sei die bestehende Lösung jedoch unproblematisch. Die Erschließungsanlage "... Weg" sei im Jahr 2012 endgültig hergestellt worden. Auch die Asphaltdeckschicht sei aufgebracht.

Mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 9. Januar 2020 wurde ergänzend ausgeführt, dass die Untätigkeitsklage zulässig sei, da die Beklagte über den mit Schreiben vom 15. April 2017 eingelegten Widerspruch des Klägers bis zum heutigen Tage nicht in angemessener Frist und ohne zureichenden Grund sachlich entschieden habe. Mitwirkungspflichten des Klägers seien von diesem nicht verletzt worden. Auch hätten keine Vergleichsverhandlungen geschwebt. Eine hohe Arbeitsbelastung des zuständigen Sachgebiets könne keinen zureichenden Grund für die Nichtentscheidung über den Widerspruch darstellen. Im Übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die vorhandene Breite von lediglich 3,80 m über eine nicht unerhebliche Länge der Erschließungsanlage den Anforderungen an eine ausreichende Erschließung entspreche. Die Straße könne ihre Funktion zur Bewältigung des Verkehrs nicht gerecht werden, da die Bebauung am "... Weg" unter Berücksichtigung der nördlich gelegenen beiden Stichstraßen als massiv einzustufen sei.

Das Gericht hat am 5. Mai 2020 Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.

Mit Schriftsatz der Beklagten vom 16. Juni 2020 wurde ausgeführt, dass verengte Fahrbahnen die Funktionsfähigkeit einer Erschließungsanlage nur in Frage stellen könnten, wenn sie zu einer erheblichen und dauerhaften Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs führten. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sei es für die Funktionsfähigkeit einer Anlage bei geringem Verkehrsaufkommen ausreichend, wenn auf einer Länge von ca. 25 m kein Kfz-Begegnungsverkehr und auf einer Länge von ca. 46 m nur Begegnungsverkehr von vergleichsweise schmalen Pkw bei geringer Fahrgeschwindigkeit möglich sei und die Engstelle von Verkehrsteilnehmern, die sich ihr näherten, in voller Länge überblickt werden könne. Sei das Verkehrsaufkommen gering, so führten einzelne Engstellen aufgrund beengter innerörtlicher Verhältnisse nicht zur Funktionsunfähigkeit der Erschließungsanlage. Bei der im Bereich des "... Wegs" möglichen und realisierten Bebauung handle es sich ausschließlich um Wohnen mit geringer Dichte. Die im Westabschnitt vorliegende Straßenbreite von ca. 3,80 m reiche zur Erfüllung der Erschließungsfunktion aus. Kurz vor dem östlichen Ende des "... Wegs" sei eine Wendeplatte für ein Fahrzeug in der Größe eines dreiachsigen Müllfahrzeugs hergestellt. Für Wohnstraßen werde gemäß den gültigen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) standardmäßig dieses Fahrzeug, das auch einem Feuerwehrfahrzeug oder einem normalen Lkw entspreche, zugrunde gelegt. Somit sei trotz der Abweichung vom Bebauungsplan eine für eine Wohn straße ausreichende Wendemöglichkeit gegeben.

Mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 9. Juli 2020 wurde abschließend vorgetragen, dass die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung nicht anwendbar sei, da diese verlange, dass Verkehrsteilnehmer die Engstelle in voller Länge überblicken könnten. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Die Engstelle befinde sich im Einmündungsbereich der ...straße und weder für die von Osten kommenden Fahrzeuge noch für die von der ...straße kommenden sei die Engstelle überblickbar. Der "... Weg" weise unter Berücksichtigung der beiden Sackgassen, die nördlich abzweigten, ein erhebliches Verkehrsaufkommen auf. Ergänzend sei anzumerken, dass die Müllabfuhr wegen der Straßenverhältnisse bereits zu Problemen geführt habe. Für Müllfahrzeuge bestehe allein die Möglichkeit, den "... Weg" in westlicher Richtung zu verlassen, wenn keine Autos links in der unmittelbaren Nähe auf der ...straße geparkt seien. Hineinfahren und Ausfahren nach Osten sei nicht möglich. Dieses Problem sei bereits mit dem Tiefbauamt besprochen worden. Die Müllabfuhr habe daraufhin eine Sondergenehmigung erhalten, wonach es erlaubt sei, die Absperrung von der "...straße" zu entfernen und somit eine Möglichkeit für das Einfahren zu schaffen. Soweit die ...straße zugeparkt sei, würden die Müllfahrzeuge über die "...straße" rückwärts in den "... Weg" einfahren und auch auf dieser Seite wieder herausfahren. Damit könne von einer mit den Grundzügen der Planung vereinbaren Abweichung nicht die Rede sein.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2020 äußerte sich die Beklagte unter Vorlage von Richtlinien bzw. Ausbauempfehlungen nochmals zur Vereinbarkeit des planunterschreitenden Ausbaus der Erschließungsanlage mit den Grundzügen der Planung und wies darauf hin, dass der "... Weg" aufgrund der vorhandenen Wendestelle auch für Versorgungsfahrzeuge befahrbar sei.

Am 23. Juli 2020 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien unter Einsichtnahme in die vorliegenden Planunterlagen und Fotos in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers und die Vertreterin der Beklagten wiederholten die bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über den Augenscheinstermin Bezug genommen.

Gründe

Die nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO zulässigerweise erhobene (Anfechtungs-)Untätigkeitsklage ist unbegründet, da der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 28. März 2017 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Der streitgegenständliche Erschließungsbeitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5a KAG, § 125 Abs. 3 Nr. 1, §§ 128 ff. BauGB i.V.m. der am 1. Oktober 2009 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags in der Stadt ... vom 2. September 2009 (Erschließungsbeitragssatzung - EBS).

Die im notariellen Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 25. Februar 2010 (URNr. ...) unter Nr. VIII. enthaltene Regelung, dass abweichend von § 436 BGB u.a. Erschließungsbeiträge aufgrund des Baugesetzbuchs, die ab dem Tag der Beurkundung festgesetzt werden, der Käufer, d.h. die Stadt, zu tragen habe, schließt die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für das Grundstück Fl.Nr. ... nicht aus, da sich diese Abrede ersichtlich nur auf den Kaufgegenstand, also die mit dem genannten notariellen Kaufvertrag vom Kläger an die Beklagte veräußerten vier Teilflächen, bezieht. Ein darüberhinausgehender auch das übrige Grundstück Fl.Nr. ... erfassender Verzicht auf die Erhebung eines Erschließungsbeitrags lässt sich dieser Vereinbarung nicht entnehmen.

Die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage "... Weg" ist auch durch den planunterschreitenden Ausbau der Verkehrsanlage nicht ausgeschlossen, da dieser im vorliegenden Fall mit den Grundzügen der Planung (noch) vereinbar erscheint und die Erschließungsanlage damit rechtmäßig hergestellt ist (§ 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB).

Nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB muss eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans bei der sog. Planunterschreitung, d.h. wenn die Erschließungsanlagen hinter dessen Festsetzungen zurückbleiben, mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Diese gesetzliche Regelung impliziert, dass bei der Herstellung der Erschließungsanlagen im Sinn von Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 BauGB aufgrund der in § 125 Abs. 1 BauGB vorgesehenen Bindung an den Bebauungsplan nicht jede Planabweichung zulässig ist, da der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, rechtliche Beachtung verlangt. Entscheidend ist, dass trotz der Planabweichung das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d. h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (BayVGH, U.v. 4.5.2017 - 6 B 17.141 - ZKF 2017, 237; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 125 Rn. 3). Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d. h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein "Aliud" gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.3.2000 - 4 B 18.00 - NVwZ-RR 2000, 217; BayVGH, B.v. 21.5.2014 - 6 ZB 12.377 - juris Rn. 6; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 20 ff.). Umgekehrt ist die abweichend hergestellte Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 m.w.N.).

Das im vorliegenden Fall gegebene Zurückbleiben der Erschließungsanlage "... Weg" (Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG, § 127 Abs. 2 Nr.1 BauGB) hinter den Festsetzungen des am 18. November 1983 in Kraft getreten Bebauungsplans Nr. ... "...straße" in der Fassung der am 3. Juli 2009 in Kraft getretenen Änderungssatzung in Bezug auf die Ausbaubreite der ca. 185 m langen Anbau straße, die statt der vorgesehenen Breite von 7 m auf einer Länge von ca. 35 m nur eine Breite von 3,80 m aufweist, ist mit den Grundzügen der Planung (noch) vereinbar, da die Straßenbreite hier nur einen untergeordneten Gesichtspunkt der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde darstellt und keinen wesentlichen Grundzug der Planung. Auf Grund der vorhandenen und auch planerisch vorgesehenen nur mäßig verdichteten Wohnbebauung stellt die Verringerung der festgesetzten Breite der Verkehrsfläche von 7 m um 3,20 m auf 3,80 m über eine Länge von etwa 35 m eine nicht unerhebliche Planunterschreitung dar, führt aber nicht dazu, dass die Anbau straße die ihr zugedachte Erschließungsfunktion nicht mehr erfüllen kann und erscheint daher auf Grund der Umstände des Einzelfalls noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar (s. hierzu z.B. OVG BW, U.v. 20.3.2015 - 2 S 1327/14 - KStZ 2015, 195; U.v. 10.7.2014 - 2 S 2228/13 - juris Rn. 44 ff.; OVG Hamburg, U.v. 12.5.2016 - 1 Bf 118/14 - ZKF 2016, 286).

Die Festsetzung einer Straßenbreite von 7 m resultiert aus der Zeit der Geltung des Bebauungsplans Nr. ... "...straße" in seiner ursprünglichen Fassung, in dem sich auf einer größeren Fläche im Plangebiet noch ein gewerblicher Autoverwertungsbetrieb befunden hat und es die Erschließungsstraße deshalb ermöglichen musste, auch den durch den Gewerbebetrieb ausgelösten erheblichen (Güterschwerlast-)Ziel- und Quellverkehr aufzunehmen. Die dadurch notwendigen funktionellen Anforderungen an die straßenmäßige Erschließung sind planerisch und bautechnisch dadurch gewährleistet worden, dass eine (durchgängige) Breite der Erschließungsstraße mit 7 m festgesetzt wurde. Auf Grund der späteren Absiedlung des Gewerbebetriebs und der im Jahr 2009 durch die Änderung des Bebauungsplans erfolgten Zulassung von nur mäßig verdichteter Wohnbebauung an dessen Stelle besitzt die Erschließungsanlage "... Weg" nur mehr die Funktion, den Verkehr eines Wohngebiets aufzunehmen. Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Verengung der Erschließungsstraße mit den Grundzügen der Planung ist abgesehen von diesem Aspekt auch von Bedeutung, dass die Erschließungsstraße keinen Durchgangsverkehr zu bewältigen hat, da der "... Weg" als Sackgasse endet und nach den Vorgaben der RASt 06 eine Wendemöglichkeit auch für Versorgungsfahrzeuge in ausreichendem Umfang vorhanden ist. Straßenverkehrsrechtlich liegt ein sog. "verkehrsberuhigter Bereich" vor, der Schrittgeschwindigkeit vorgibt. Das Zu- und Abfahren von Entsorgungsfahrzeugen ist nach den Einlassungen der Parteien darüber hinaus im Bedarfsfall auch durch die Beseitigung der Absperrpfosten am östlichen Ende des "... Wegs" und das Benutzen der "...straße" durch diese Fahrzeuge möglich. Die im westlichen Teil des "... Wegs" unter Abweichung von der planerischen Festsetzung auf einer Länge von ca. 35 m vorhandene reduzierte Straßenbreite von 3,80 m lässt zwar keinen Begegnungsverkehr von Pkw zu, ermöglicht aber immerhin Begegnungsverkehr eines Pkw mit einem Radfahrer (vgl. Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen - EAE 85/95) und ist aufgrund des geradlinigen Verlaufs für heranfahrende Straßenbenutzer in voller Länge einsehbar.

Eine bei der Herstellung der Erschließungsanlagen in Kauf genommene Abweichung von den planerischen Vorgaben hat erschließungsrechtlich minderes Gewicht, wenn die vom Bebauungsplan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d. h., wenn angenommen werden kann, die Abweichung liege (noch) im Bereich dessen, was die planende Kommune gewollt hat oder gewollt hätte, wenn sie die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes der Abweichung gekannt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2014 - 6 ZB 12.377 - juris Rn. 6). Ergibt sich aber unter Berücksichtigung des sich aus den Gesamtumständen ergebenden (mutmaßlichen) Willens der planenden Gemeinde, dass die Abweichung etwas tangiert, was dieser bei der Planung unter Berücksichtigung der angestrebten städtebaulichen Ordnung wichtig gewesen ist, so ist sie mit den Planungsgrundsätzen unvereinbar. Das ist insbesondere dann zu bejahen, wenn hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage ein "Aliud" gegenüber den Festsetzungen des maßgeblichen Plans vorliegt (BayVGH, U.v. 4.5.2017 - 6 B 17.174 - juris Rn. 23; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 23).

Dies vorausgesetzt ergibt sich aus der im Jahr 2009 durch die Absiedlung des Autoverwertungsbetriebs ausgelösten Änderung des Bebauungsplans Nr. ... "...straße" und deren städtebaulicher Begründung, dass nach der dabei zugrundeliegenden (verkehrs-)planerischen Konzeption der Beklagten auch beim Festhalten am vorhandenen partiell planunterschreitenden Ausbauzustand der Straße für das überplante Wohngebiet die Mindestanforderungen an eine Erschließungsstraße als erfüllt angesehen wurden. Der Stadtrat der Beklagten hat in der Begründung zur Änderung des Bebauungsplans - unter gleichzeitiger Änderung des hier im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden ursprünglichen Bauprogramms (s. hierzu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 7 Rn. 66) - ausdrücklich dargelegt, dass er die auf einer Teilstrecke von ca. 35 m reduzierte Straßenbreite für planerisch akzeptabel hält ("da künftig die gewerbliche Nutzung entfällt, wurde in Abstimmung mit dem Tiefbauamt vereinbart, den ... Weg in geringerer Breite als im Bebauungsplan Nr. ... "...straße" festgesetzt, herzustellen"). Der Stadtrat der Beklagten hat sich also mit der Problematik des planunterschreitenden Ausbaus befasst und ist im Zusammenhang mit dem Wegfall des Gewerbebetriebs und der vorgesehenen Umwidmung dieses Bereichs zur Wohnbaufläche zu dem Ergebnis gelangt, dass die verringerte Straßenbreite noch den zu bewältigenden planerischen Anforderungen an die Verkehrserschließung des Gebiets genügt.

Unter Berücksichtigung des darin zum Ausdruck kommenden planerischen Willens des Stadtrats der Beklagten und der oben dargestellten tatsächlich gegebenen örtlichen Verhältnisse stellt die vorliegende partielle Reduzierung der Ausbaubreite der Anbau straße und damit die von den normativen Vorgaben des Bebauungsplans abweichende Herstellung der Erschließungsanlage "... Weg" eine mit den Grundzügen der städtebaulichen Planung (noch) vereinbare Planunterschreitung im Sinn von § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB dar und steht aufgrund der damit zu konstatierenden rechtmäßigen Herstellung der Erschließungsanlage der Erhebung des im angegriffenen Bescheid geltend gemachten Erschließungsbeitrags nicht entgegen.

Da sonstige Gründe, die für eine Rechtswidrigkeit des angegriffenen Erschließungsbeitragsbescheids sprechen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich sind, konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a Abs. 1 VwGO).