VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 11.12.2020 - 22/20 EA
Fundstelle
openJur 2020, 80030
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

A.

Die Antragstellerin betreibt eine Fitnessstudiokette mit einem Studio in X [Land Brandenburg] und ... Studios in Berlin. Sie wendet sich im Wege der Verfassungsbeschwerde, verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gegen die im Zuge der Corona-Pandemie verordnete Untersagung des Sportbetriebs in Fitnessstudios.

I.

§ 12 SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 lautete:

(1) Der Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen ist untersagt. Dies gilt insbesondere für Gymnastik-, Turn- und Sporthallen, Fitnessstudios, Tanzstudios, Tanzschulen, Bolzplätze, Skateranlagen und vergleichbare Einrichtungen.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1. den Individualsport auf und in allen Sportanlagen allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts; die Ausübung von Kontaktsport mit Personen eines anderen Haushalts ist untersagt,

2. den Schulbetrieb sowie für Lehrveranstaltungen in der Sportpraxis an Hochschulen,

3. den Trainings- und Wettkampfbetrieb der Berufssportlerinnen und -sportler, der Bundesligateams sowie der Kaderathletinnen und -athleten der olympischen und paralympischen Sportarten an Bundes-, Landes- oder Olympiastützpunkten, der im Rahmen eines Nutzungs- und Hygienekonzeptes des jeweiligen Sportfachverbandes stattfindet.

Die Geltungsdauer der angegriffenen Verordnungsvorschrift war gemäß § 25 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV bis zum 30. November 2020 beschränkt. Die 2. SARS-CoV-2-EindV vom 30. November 2020 (GVBI. II/20, Nr. 110), die für den Zeitraum vom 1. bis zum 21. Dezember 2020 Geltung beansprucht (§ 27 2. SARS-CoV-2-EindV), beinhaltet in § 12 eine entsprechende Regelung.

Die Antragstellerin beantragte beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung.

Das Oberverwaltungsgericht lehnte es mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11. November 2020 ab, § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die Vorschrift halte einer Prüfung im Normenkontrollverfahren voraussichtlich stand. Sie verstoße nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung (§ 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz) seien erfüllt. Die Maßnahme sei voraussichtlich auch verhältnismäßig und verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Der Antrag sei überdies auch unbegründet, sofern die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen einzustufen seien. Die vorzunehmende Folgenabwägung falle zulasten der Antragstellerin aus. Die erheblichen wirtschaftlichen Folgen des vorläufigen Gewerbeausübungsverbots seien durch die Geltungsdauer der Verordnungsvorschrift von knapp einem Monat begrenzt, sowie dadurch, dass die wirtschaftlichen Verluste nach einer Übereinkunft der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder bei Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats, bei größeren Unternehmen unter Berücksichtigung weiterer Maßgaben, abgefedert werden sollen. Im Falle einer Außervollzugsetzung der Vorschrift könnten alle Fitnessstudios in Brandenburg betrieben werden, was die Effizienz des beschlossenen Maßnahmenpakets der SARS-CoV-2-EindV erheblich minderte. Der gegenwärtige Stand des Infektionsgeschehens erfordere jedoch ein effizientes Handeln. Eine Beschränkung der aktuellen Eindämmungsmaßnahmen könne überdies dazu führen, dass künftig noch gravierendere und nachhaltigere Beschränkungen erforderlich werden könnten.

II.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 30. November 2020 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Anwendung des § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV vom 30. Oktober 2020 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Sie ist der Meinung, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletze sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV, Gleichbehandlungsgrundsatz) und Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 LV (Berufsausübungsfreiheit).

Zur Begründung macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend: Sie habe für das hier in Rede stehende Fitnessstudio ein umfangreiches, im Einzelnen von ihr vorgestelltes Hygienekonzept erarbeitet, mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmt und umgesetzt. Zusätzlich habe sie CO2-Messungen durchgeführt, wobei die Richtwerte stets unterschritten worden seien. Sie habe zudem weniger Personen in ihren Studios trainieren lassen, als der Richtwert von zehn Quadratmetern pro Person es vorgesehen habe. Seit der Wiedereröffnung ihrer Fitnessstudios nach der ersten Schließphase im Frühjahr 2020 sei es in den Studios nicht zu einer bekannten Ansteckung gekommen. Weltweit sei faktisch belegbar, dass im Umfeld von Fitnessstudios kein hohes Infektionsrisiko gegeben sei, vielmehr ihr Besuch die körperliche und psychische Gesundheit fördere und die Immunabwehr stärke. Die Schließung von Fitnessstudios sei weder erforderlich noch das mildeste Mittel. Als mildere Mittel hätten etwa die Mitgliederzahl pro Quadratmeter erneut reduziert oder weitere Hygieneauflagen verhängt werden können. Das Argument, die Maßnahme sei zeitlich befristet, sei angesichts des Umstandes, dass sie bereits jetzt bis zum 20. Dezember 2020 verlängert worden sei, obsolet.

Aufgrund der pandemischen Gesamtsituation und der Stigmatisierung der Fitnessstudios im Allgemeinen erfahre die Antragstellerin eine bisher nicht dagewesene Kündigungswelle seitens ihrer Mitglieder; Neuabschlüsse gebe es kaum. Die verordnete Schließung ihres Betriebes verursache einen nicht wieder aufzuholenden irreversiblen, existenzbedrohenden Schaden in beträchtlicher Höhe und gefährde eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, u. a. von 174 Mitarbeitern und 354 freiberuflichen Kurstrainern. Aufgrund der Studioschließungen sei die Antragstellerin nicht berechtigt, Mitgliedsbeiträge zu erheben. Es würden somit keine Einnahmen zur Deckung der laufenden Geschäftskosten erzielt. Einnahmen fielen nicht nur im jeweiligen Zeitraum der Schließung aus, sondern auch danach, da die Antragstellerin Mitglieder längerfristig verliere. Die monatlichen laufenden Gesamtkosten der Fitnessstudios der Antragstellerin betrügen mindestens 1.600.000,00 Euro. Die angekündigten staatlichen "Novemberhilfen" würden nicht helfen, zumal die bisherigen Absichtserklärungen nicht justiziabel seien und die beihilfenrechtliche Zulässigkeit nicht abschließend feststehe. Selbst im Falle einer unterstellten Entschädigung in Höhe von 1.000.000,00 Euro käme die Antragstellerin in Anbetracht ihrer monatlichen Kosten schon aufgrund des Minderbetrages von mindestens 600.000,00 Euro in eine existenzbedrohende Lage. Allein die Mieten für die von ihr betriebenen Studios beliefen sich im November auf mindestens 500.000,00 Euro. Bei Ausbleiben der Zahlungen bestünde die Gefahr fristloser Kündigungen, zumal sich das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 nicht auf den Monat November 2020 erstrecke. Bei der Antragstellerin fielen Lohnkosten in Höhe von mindestens 300.000,00 Euro am Ende des Monats an. Eine Erstattung des Kurzarbeitergelds sei frühestens nach Ablauf von zwei Monaten zu erwarten. Ferner seien bei der Antragstellerin 92 nicht kurzarbeitergeldfähige Mitarbeiter beschäftigt.

Anders als etwa in zwei Shoppingmalls sowie in den öffentlichen Verkehrsbetrieben in Berlin halte sich bei der Antragstellerin im Falle der Öffnung eine geringe Anzahl an Menschen unter Wahrung der Hygieneregeln in einem sicheren Bereich auf.

Die verordnete Schließung von Fitnessstudios und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg behandelten die Antragstellerin entgegen Art. 12 Abs. 1 LV ungleich gegenüber anderen Personenkreisen, obwohl an anderen Orten eine höhere Infektionsgefahr bestehe, wie zum Beispiel bei Einzelhandels- oder Friseurbetrieben, Gottesdiensten, auf Baustellen, in Schulen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Die beanstandete Verordnung erlaube zudem ein Zusammentreffen von bis zu 50 Personen in geschlossenen Räumen ohne erprobtes Hygienekonzept. Es handle sich bei Fitnessstudios nicht lediglich um Freizeiteinrichtungen. Sie seien vielmehr Teil eines bedeutsamen Wirtschaftszweiges. Problematisch seien nicht Fitnessstudios, sondern die Infektion in der privaten Wohnung sowie Begegnungen in der Öffentlichkeit durch die Gesamtheit der sozialen Kontakte und das gesellschaftliche Leben. In Anbetracht des weiterhin geöffneten Einzelhandels und des sozialen Lebens in einer Vielzahl von Bereichen sei eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens insgesamt unwahrscheinlich. Auch bleibe die in § 12 Abs. 2 SARS-CoV-2-EindV vorgesehene Privilegierung von Individualsport, Schulsport und Training von Profis bzw. Kaderathleten sachlich ohne Rechtfertigung. Die angegriffene Regelung lasse sich auch nicht auf eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende Ermächtigungsgrundlage zurückführen. Bundes- und Landesgesetzgeber hätten inzwischen genügend Zeit gehabt, die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Die Rolle der Bundesregierung beim Erlass von Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie sei bedenklich.

Die Landesregierung hat zum Verfahren Stellung genommen. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, da eine Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ausfalle. Sie habe bereits nicht hinreichend konkret dargelegt, dass die Regelung sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohe. Die Angaben zu ihrer wirtschaftlichen Situation bezögen sich auf sämtliche von ihr betriebenen [...] Fitnessstudios, von denen lediglich ein einziges im Land Brandenburg angesiedelt sei. Sie erlaubten keine schlüssige Bewertung der wirtschaftlichen Lage des von ihr geführten Betriebs im Geltungsbereich der angegriffenen Verordnung. Erreichbare staatliche Hilfen ließen eine Existenzgefährdung als ausgeschlossen erscheinen. Die Antragstellerin sei antragsberechtigt für die außerordentliche Wirtschaftshilfe für November. Diese könne seit dem 25. November 2020 beantragt werden; die Auszahlungsmodalitäten seien inzwischen öffentlich einsehbar und die Europäische Kommission habe am 20. November 2020 die beihilfenrechtliche Genehmigung für Beihilfehöchstwerte zwischen 1 und 4 Millionen Euro erteilt. Die Novemberhilfe werde auch für den Dezember fortgesetzt. Ferner scheine die Antragstellerin über Einkünfte aus Mitgliedsbeiträgen zu verfügen. Ausweislich einer Mitteilung auf ihrem Internetauftritt würden Mitglieder dazu aufgerufen, den Mitgliedsbeitrag weiterhin zu zahlen, um das Fitnessstudio zu unterstützen.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht geht zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass dieser sich auch auf § 12 Abs. 1 2. SARS-CoV-2-EindV vom 30. November 2020 bezieht.

Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ob die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg vorliegen, ist grundsätzlich, soweit sich das Begehren in der Hauptsache nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet darstellt (1.), nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen (2.) (z. B. Beschluss vom 3. Juni 2020 - VfGBbg 9/20 EA -, Rn. 38, https://verfassungsgericht.brandenburg.de).

1. Die Verfassungsbeschwerde erweist sich im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Zweifelhaft mag zwar sein, ob die Antragstellerin dem Darlegungserfordernis genügt, da ihr Vortrag keine Präzisierung enthält, welche wirtschaftliche Belastung für sie aus den Beschränkungen gerade der Brandenburgischen SARS-CoV-2-EindV resultieren. Der überwiegende Teil der von ihr betriebenen Fitnessstudios [...] befindet sich im Land Berlin und wird daher von der hier angegriffenen Regelung nicht erfasst. Einen insoweit differenzierenden Vortrag enthält die Antragsschrift nicht. Hieraus allein ergibt sich allerdings noch keine manifeste, offenkundige Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens, so dass das Gericht auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden hat.

2. a. In diesem Rahmen sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Erfolgs der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtung im Sinne des Gesetzes nicht gewichtig genug sind ("schwere Nachteile") bzw. keinen gleichwertigen "anderen" Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (st. Rspr., jüngst Beschluss vom 13. November 2020 - VfGBbg 20/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

b. Diese Folgenabwägung fällt gegen die vorläufige Außerkraftsetzung des durch § 12 Abs. 1 2. SARS-CoV-2-EindV vom 30. November 2020 statuierten Verbots des Sportbetriebs auf und in Sportanlagen und mithin zu Lasten der Antragstellerin aus.

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, ist es der Antragstellerin weitgehend unmöglich, ihr in Brandenburg gelegenes Fitnessstudio bis mindestens zum 21. Dezember 2020 zu betreiben. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass Erhebliches dafür sprechen dürfte, dass das Studio zumindest für Individualsport allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts offen gehalten werden könnte. § 12 Abs. 2 Nr. 1 2. SARS-CoV-2-EindV dürfte - entgegen der Auffassung der Antragstellerin und im Unterschied zu der von der Antragstellerin angeführten ehemaligen bayerischen Regelung (§ 10 Abs. 4 8. BayIfSMV vom 30. Oktober 2020) - ausnahmsweise Individualsport durch den genannten Personenkreis auf und in Sportanlagen, wozu ausweislich § 12 Abs. 1 2. SARS-CoV-2-EindV auch Fitnessstudios zählen (vgl. auch https://mbjs.brandenburg.de/kinder-und-jugend/weitere-themen/corona-aktuell.html, unter "Sport", Stand 7. Dezember 2020), zulassen. Für die Folgenabwägung fällt dies jedoch nicht ins Gewicht. Denn in jedem Fall resultieren aus § 12 Abs. 1 2. SARS-CoV-2-EindV erhebliche Einschränkungen, die eine Studioöffnung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verhindern dürften. Auch in einer überwiegenden Betriebsuntersagung nach § 12 Abs. 1 2. SARS-CoV-2-EindV liegt ein schwerwiegender Eingriff in ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Dies gilt schließlich nicht zuletzt deshalb, weil die ursprünglich bis zum 30. November 2020 befristete Regelung nunmehr durch § 27 2. SARS-CoV-2-EindV vom 30. November 2020 zeitlich auf etwa sieben Wochen ausgedehnt wurde. Unter Berücksichtigung dieser Verlängerung vertieft sich der Eingriff und verliert der vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg noch zu Recht gegebene Hinweis auf die kurze Befristung an Gewicht.

Der Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der sie treffenden wirtschaftlichen Folgen weist bereits erhebliche Mängel auf. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind für das Gericht ohne substantiierten, an die Schließung des in Brandenburg gelegenen Fitnessstudios anknüpfenden Vortrag der Antragstellerin, nicht abschätzbar. Die von der Antragstellerin gemachten Ausführungen belegen eine Existenzbedrohung nicht.

Das Verfassungsgericht verkennt nicht, dass das Verbot des regulären Betriebs von Sportanlagen, zumindest bis zum Erhalt der nach einem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 28. Oktober 2020 angekündigten "Novemberhilfe" und der nach weiterer Übereinkunft vom 25. November 2020 auch im Dezember fortzusetzender Wirtschaftshilfe von bis zu 75 Prozent des Umsatzes der Wochen des Vorjahresmonats, deren Betreiber grundsätzlich hart treffen kann.

Bezüglich der nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergäben, ist auf Folgendes hinzuweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 11. November 2020 - 1 BvR 2530/20 -, Rn. 15, www.bverfg.de - zur aktuellen Situation in der Bundesrepublik ausgeführt:

"Zudem sind die Gefahren der Covid-19-Pandemie weiterhin sehr ernst zu nehmen. Die Zahl der Neuinfektionen ist seit mehreren Wochen auf einem hohen Niveau und nimmt weiter zu, sodass mit erheblichen Belastungen des Gesundheitssystems zu rechnen ist, die sich insbesondere in den Krankenhäusern bei der Behandlung von Menschen mit schweren Krankheitsverläufen zeigen werden. Die Ursachen für den bundesweiten Anstieg der Infektionen sind insoweit nach bisherigem Kenntnisstand diffus, wobei Häufungen im Zusammenhang mit dem Freizeitverhalten der Menschen zu beobachten waren. In den meisten Fällen ist die genaue Infektionsquelle jedoch nicht bekannt."

Diese Einschätzung gilt auch für das Land Brandenburg. In der Begründung zur 2. SARS-CoV-2-EindV (https://msgiv.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/2SARS-CoV-2-EindV_30112020_Begruendung.pdf, Stand 8. Dezember 2020, PDF S. 2 f) führt der Verordnungsgeber aus:

"Das andauernd hohe Infektionsgeschehen führt zu einem kontinuierlichen Absinken der freien intensivmedizinischen Kapazitäten. Die Anzahl der COVID-19-geeigneten intensivmedizinischen Plätze betrug am:

- - 2. November 2020: 257 (davon 184 frei und 73 belegt)

- - 9. November 2020: 273 (davon 200 frei und 73 belegt)

- - 16. November 2020: 253 (davon 156 frei und 97 belegt)

- - 23. November 2020: 250 (davon 141 frei und 109 belegt)

- - 26. November 2020: 232 (davon 120 frei und 112 belegt)

Damit ist das eigentliche Ziel der SARS-CoV-2-EindV in Gestalt einer deutlichen Reduktion der Neuinfektionen bisher nicht erreicht. Zudem zeigt sich, dass die Indikatoren zur Überlastung des Gesundheitssystems noch keinen Grund zur Entwarnung geben."

Dem zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts sogar noch weiter angestiegenen Infektionsgeschehen versucht der Verordnungsgeber u.a. durch den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen § 12 Abs. 1 SARS-CoV-2-EindV zu begegnen und damit der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit Rechnung zu tragen. Dem Verordnungsgeber steht bei der Festlegung der Maßnahmen prinzipiell eine weite Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative zu, die vorliegend nicht überschritten ist.

Die Entscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Lebensbereiche und mit diesen zusammenhängende Betriebe stark einzuschränken, beruht auf einem Gesamtkonzept. In dessen Rahmen sollen insbesondere Schulen und Betreuungseinrichtungen für Kinder sowie eine große Zahl von Betrieben und Unternehmen geöffnet bleiben; Einschränkungen werden dafür im Bereich der privaten Freizeitgestaltung vorgenommen. Der Verordnungsgeber hat mit seinem Konzept bei der Auswahl der Bereiche, denen Einschränkungen auferlegt werden, an die Perspektive bzw. Motivation der Nutzer bestimmter Einrichtungen angeknüpft und dieses Konzept - u. a. im Hinblick auf die in § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 2. SARS-CoV-2-EindV vorgesehenen Ausnahmen - stimmig verfolgt. Wenngleich der Betrieb der Antragstellerin ohne Zweifel als wirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren ist, sucht der Großteil der Personen das Fitnessstudio als Teil seiner Freizeitgestaltung auf. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin besteht insoweit kein Bruch im Gesamtkonzept des Verordnungsgebers, das geeignet erscheint, Bewegungen im öffentlichen Raum einzuschränken und somit gesundheitliche Risiken zu verkleinern.

Das grundrechtlich geschützte Interesse der Antragstellerin an der ungestörten Ausübung ihres Berufs ist zwar von erheblichem Gewicht. Nach dem strengen Maßstab, der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung anzuwenden ist, überwiegen die Interessen der Antragstellerin jedoch das Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit durch die vorliegend angegriffenen Maßnahmen nicht. Der Antrag hat daher keinen Erfolg.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar, § 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg.

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