LG Potsdam, Beschluss vom 20.07.2020 - BRH 2/18
Fundstelle
openJur 2020, 80014
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit vom 27. April 1962 bis zum 31. August 1963 zu Unrecht im Jugendwerkhof F. untergebracht war.

2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Der Betroffene beantragt seine Rehabilitierung hinsichtlich seiner Unterbringung in den Jugendwerkhof F. in der Zeit vom 27. April 1962 bis zum 31. August 1963.

Der Jugendwerkhof F. befand sich zu DDR-Zeiten im ehemaligen Kreis Angermünde im Bezirk Frankfurt/Oder.

Der Betroffene wurde am 00. Juni 1945 im städtischen Krankenhaus in Potsdam geboren, seine Mutter ... wurde am 20. November 1920 in Goldbeck/Pommern geboren. Der Vater ist unbekannt.

Bereits als Säugling kam der Antragsteller in die Heimunterbringung. Er befand sich zunächst in dem Kinderheim Geltow, dann in Kinderheimen in Sacrow, Treuenbrietzen, Brandenburg/Havel und Luckwitz.

Am 02. September 1961 wurde er im Internat J.-Werk untergebracht, wo er bis zum 27. April 1962 in der Betriebsberufsschule VEG P. J. - Werk eine Ausbildung in der Landwirtschaft absolvierte. Im April 1962 wurde er in den Jugendwerkhof F. eingewiesen. Es erfolgte dort eine Beschäftigung im VE-Gut C.- F. im Zeitraum vom 14. Mai 1962 bis zum 31. Dezember 1962 und im Anschluss eine Ausbildung in der Betriebsberufsschule des VEG C. F. vom 1. Januar 1963 bis zum 31. August 1963. Am 31. August 1963 wurde er aus dem Jugendwerkhof F. entlassen.

II.

Der Antrag ist begründet.

Nach Neufassung des Gesetzes über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) in der Fassung vom 17. Dezember 1999 (neu gefasst durch Gesetz vom 22. November 2019) wird vermutet, dass die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, wenn eine Einweisung in ein Spezialheim oder in eine vergleichbare Einrichtung, in der eine zwangsweise Umerziehung erfolgte, stattfand (§ 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG n.F.). Auch der Jugendwerkhof F. ist als "vergleichbare Einrichtung" i.S.d. § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG anzusehen.

Als Grund für die Verlegung in den Jugendwerkhof vermutet der angehörte Betroffene seinen damaligen Kontakt aus dem Internat J.-Werk zu Bewohnern des angrenzenden Aufnahmeheims für Übersiedler aus dem westlichen Europa ("Ost-West Migranten").

Allein der Kontakt zu Übersiedlern aus der Bundesrepublik oder anderen Personen aus westlichen Ländern rechtfertigt keine Unterbringung in einen Jugendwerkhof. Die Verlegung in den Jugendwerkhof F. hat danach sachfremden Zwecken gedient.

Damit liegen Gründe, die die gesetzliche Vermutung des § 10 Abs. 3 S. 1 StrRehaG entkräften könnten, nicht vor, so dass der Antrag begründet ist.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 2 S. 1 StrRehaG.

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