VG Würzburg, Beschluss vom 10.12.2020 - W 3 E 20.1819
Fundstelle
openJur 2020, 79815
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Kostenübernahme für eine Elternassistenz.

Die Antragstellerin beantragte am 19. Oktober 2020 beim Bezirk ... eine Elternassistenz für 24 Stunden am Tag. Sie leide seit Ende 2018 an Morbus Menière in Zusammenhang mit einer starken Migräne sowie einem dauerhaften Tinnitus und einem mittelschweren Hörverlust links. Die Antragstellerin sei in einer besonderen Notlage, da sie schwanger sei (Geburtstermin 20.11.2020) und alleinerziehend sein werde. Die Antragstellerin wolle ihr Kind auf keinen Fall in Gefahr oder eine Notsituation bringen und sie sei daher auf schnelle Hilfe angewiesen. Sie habe einen Grad der Behinderung von 40, fordere aber einen höheren Grad ein. Nach der Geburt ihres Kindes werde sie einen Pflegegrad beantragen, da sie neben der Unterstützung zur Versorgung ihres Kindes selbst auf Hilfestellungen im Alltag angewiesen sei. Sie leide aufgrund ihrer Erkrankung tagtäglich unter Symptomen wie Schwindelanfällen, Übelkeit, Erbrechen, Orientierungslosigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Sprachschwierigkeiten, Druck im Ohr und Summen oder Piepsen im linken Ohr. Sie sei dadurch täglich in unterschiedlich starker Intensität bettlägerig und gezwungen, sich auszuruhen sowie Stress zu vermeiden. Es sei ihr nicht möglich, ohne Begleitung das Haus zu verlassen. Sie sei nicht mehr in der Lage, ihren Alltag ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Sie benötige Unterstützung bei allen gewöhnlichen und regelmäßigen Verrichtungen des täglichen Lebens (häusliche Tätigkeiten, Versorgung, Mobilität und Körperpflege). Sie leide des Weiteren unter einer Durchblutungsstörung des linken Fußes und der Wade. Alle täglichen Verrichtungen seien aktuell nur möglich, weil sie eine Haushaltshilfe über die Krankenkasse beziehe. Dies ende mit der Geburt ihres Kindes. Sie benötige rund um die Uhr Unterstützung u.a. bei der Pflege und Versorgung ihres Kindes, Haushalt und Kochen, Betreuung und Begleitung bei Terminen. Dem Antrag waren eine Bescheinigung des Zentrum Bayern Familie und Soziales, Landesversorgungsamt, vom 25. September 2020 über den Grad der Behinderung und ein Attest von Dr. K ..., Facharzt für HNO-Heilkunde, vom 25. September 2020 nebst Arztbriefen beigefügt.

Der Bezirk ... leitete den Antrag der Antragstellerin vom 19. Oktober 2020 mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 nach § 14 SGB IX an die AOK Bayern Direktion Würzburg weiter mit der Bitte, in eigener Zuständigkeit über die beantragten Leistungen zu entscheiden. Der Bezirk ... sei für diese Leistungen nicht zuständig, da die Antragstellerin nicht wesentlich behindert bzw. von einer solchen Behinderung bedroht sei. Es ergebe sich keine Zugehörigkeit zum dortigen Personenkreis.

Darüber hinaus leitete der Bezirk ... den Antrag der Antragstellerin vom 19. Oktober 2020 "für Leistungen das Baby betreffend" mit Schreiben vom 22. Oktober 2020 nach § 14 SGB IX an das Landratsamt M.-S., Kreisjugendamt, weiter mit der Bitte, in eigener Zuständigkeit über die betreffenden Leistungen zu entscheiden. Nachdem von der Krankenkasse Haushaltshilfe bis zum Entbindungstag bewilligt sei, habe der Bezirk ... den Antrag für eine Weitergewährung an die AOK Würzburg als die zuständige Krankenkasse weitergeleitet. Für Leistungen das Kind betreffend liege die Zuständigkeit beim Jugendamt. Da die Antragstellerin aufgrund ihrer Erkrankung Morbus Menière nicht in der Lage sein werde, das Kind zu betreuen, liege eine Einschränkung in der Elternkompetenz vor. Nach den dort vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei die Antragstellerin nicht wesentlich behindert bzw. von einer solchen Behinderung bedroht und es sei eine Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht gegeben. Daher kämen generell keine Leistungen der Eingliederungshilfe seitens des Bezirks ... nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 99 SGB IX in Betracht.

Die Antragstellerin teilte einer Mitarbeiterin des Amtes für Jugend und Familien des Antragsgegners nach den Akten des Antragsgegners am 28. Oktober 2020 telefonisch mit, dass sie einen Antrag auf Feststellung eines Pflegegrads gestellt habe, aber darauf hingewiesen worden sei, dass sie diesen erst mit der Geburt des Kindes bzw. mit Beendigung der Haushaltshilfe stellen solle. Die Mutter der Antragstellerin habe sich für zwei Wochen nach der Geburt freigenommen und könne sie unterstützen, was aber langfristig keine Lösung sei.

Die Antragstellerin teilte einer Mitarbeiterin des Antragsgegners bei einem Hausbesuch am 12. November 2020 mit, dass sie derzeit noch eine Haushaltshilfe erhalte, die von der AOK finanziert werde. Diese komme von montags bis freitags täglich für mehrere Stunden nach Hause, um sie im Alltag zu unterstützen. Die Hilfe werde von der Krankenkasse für Akutsituationen für maximal 26 Wochen, die sie mit Eintritt der Geburt dann komplett ausgeschöpft habe, bewilligt. Am Wochenende werde sie derzeit von ihren Eltern unterstützt. Im Optimalfall wünsche sie sich eine Unterstützung für 24 Stunden täglich sieben Tage die Woche. Sie könne sich alternativ vorstellen, zumindest tagsüber von ca. 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr eine Unterstützung zu erhalten, benötige dann dennoch nachts eine Art Rufbereitschaft, um bei Bedarf eine Unterstützung zu haben. Der Kindsvater, von dem sich die Antragstellerin während der Schwangerschaft getrennt habe, habe die Vaterschaft anerkannt. Die derzeitige Haushaltshilfe werde durch die Großmutter väterlicherseits übernommen. Diese könne die Antragstellerin als Rentnerin prinzipiell am Wochenende unterstützen, jedoch keine dauerhafte 24 Stunden-Unterstützung sicherstellen. Eine außerhäusliche Unterbringung sei für die Antragstellerin keine Option, da sie gemeinsam mit ihrer Tochter im gewohnten Umfeld verbleiben wolle. Sie werde zum 1. Februar 2021 umziehen, da die Wohnung dann nicht mehr durch das Jobcenter finanziert werde. Der Kaiserschnitt sei am 20. November 2020 geplant.

In einer Helferkonferenz des Amtes für Jugend und Familie des Antragsgegners am 12. November 2020 wurde der Bedarf für eine zeitintensive Unterstützung der Antragstellerin hinsichtlich der Versorgung ihres Kindes von den Beteiligten bejaht. Das Amt für Jugend und Familien werde als zweitangegangener Träger vorerst die Kosten für eine Elternassistenz übernehmen. Die Einsatzleitung der Familienpflegestation der Diakonie Lohr teilte einer Mitarbeiterin des Antragsgegners am 12. November 2020 telefonisch mit, dass die Antragstellerin aufgrund des Kaiserschnitts einen Anspruch auf Haushaltshilfe (Familienpflege) habe, die von der Krankenkasse übernommen werden müsse. Eine tägliche Unterstützung für mehrere Stunden könne nicht dauerhaft durch die Familienpflege geleistet werden.

Am 12. November 2020 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Würzburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Sozialgericht Würzburg nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 18. November 2020 an das Verwaltungsgericht Würzburg verwies (Az. ... ... ).

Die Antragstellerin beantragte sinngemäß:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Kosten einer 24-stündigen Elternassistenz nach § 78 Abs. 1 und 3 SGB IX ab der Geburt ihres Kindes (Termin für den Kaiserschnitt 20.11.2020) zu übernehmen.

Die Antragstellerin beantragte zugleich Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte ... ... ... ... Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Antragstellerin möchte ihr Kind in ihrem gewohnten Umfeld in ihrer eigenen Wohnung versorgt wissen und von einer Fremdunterbringung ihres Kindes beispielsweise bei einer Tagesmutter absehen. Sie werde nach der Geburt ihres Kindes einen Pflegegrad beantragen, da sie neben der Unterstützung zur Versorgung ihres Kindes selbst auf Hilfestellungen im Alltag angewiesen sei. Die Krankenkasse habe eine Weiterbewilligung der Haushaltshilfe über die Geburt hinaus abgelehnt. Außerdem ersetze die von der Krankenkasse finanzierte Haushaltshilfe nicht den Unterstützungsbedarf bei der Betreuung ihres Kindes. Weiteres Abwarten bedeute eine schwere Notlage für die Antragstellerin und ihr Kind. Gegen den Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Landesversorgungsamt, vom 25. September 2020, mit dem festgestellt wurde, dass der Grad der Behinderung ab dem 18. November 2019 40 beträgt, werde vor dem Sozialgericht geklagt.

Auf das Schreiben des Sozialgerichts Würzburg vom 16. November 2020, in dem mit Verweis auf eine bestehende Rechtsschutzversicherung mit voller Kostenerstattung um Stellungnahme gebeten wurde, ob der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgenommen wird, hat die Antragstellerin nicht reagiert.

Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen und führte hierzu im Wesentlichen folgendes aus: Der Bezirk ... habe den Antrag der Antragstellerin als erstangegangener Träger zunächst an die AOK Bayern gemäß § 14 SGB IX weitergeleitet. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2020 sei eine weitere Weiterleitung an den Antragsgegner erfolgt. Die AOK Bayern sei daher zweitangegangener Träger und der Antragsgegner drittangegangener Träger. Für einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Antragsgegner fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der erstangegangene Träger den Antrag taggleich an die AOK weitergeleitet habe. In der Sache selbst führe die Antragstellerin hauptsächlich einen Bedarf aus, der in ihrer eigenen Person begründet sei und bereits vor Geburt des Kindes mit einer Haushaltshilfe über die Krankenkasse sichergestellt werde. Es sei daher davon auszugehen, dass dieser Bedarf unabhängig von der Betreuung des Kindes bestehe. Da die Antragstellerin das 28. Lebensjahr vollendet habe, könne der Antragsgegner für den höchstpersönlichen Bedarf der Antragstellerin kein Rehabilitationsträger sein. Es werde geprüft, auf welche Weise der Antragsgegner die Antragstellerin kurzfristig unterstützen könne, um eine Gefährdung für das Kind auszuschließen, und inwieweit die Antragstellerin Hilfe zur Erziehung benötige.

Der Antragsgegner teilte mit Schriftsatz vom 24. November 2020 mit, dass eine genaue Einschätzung ärztlicherseits über die konkreten Einschränkungen/Behinderungen der Antragstellerin noch nicht vorläge. Der Hilfebedarf sei ausschließlich in der Person der Antragstellerin begründet und nicht bei ihrer am ... ... 2020 geborenen Tochter M. Die von der Antragstellerin gewünschte Unterstützung zu Hause in Form einer 24 Stunden-Assistenz könne nicht geleistet werden. Die Familienpflege könne bis zu acht Stunden täglich Hilfestellung anbieten, was nicht den geschilderten Bedarf durch die Antragstellerin decke. Die Antragstellerin, die ohnehin gezwungen sei, ihre derzeitige Wohnung im Februar aufzugeben, habe die Unterbringung in einem Mutter/Kind-Heim abgelehnt. Die Antragstellerin habe im Hinblick auf den geplanten Kaiserschnitt einen erneuten Antrag an die AOK gerichtet und die Kostenübernahme einer Betreuung zu Hause, durchgeführt wie bislang durch die Urgroßmutter des neugeborenen Kindes, bis 5. Januar 2021 erreicht. Damit sei zumindest bis 5. Januar 2021 eine Unterstützung der Antragstellerin im ähnlichen Umfang wie während der Schwangerschaft gewährleistet und fehle es derzeit ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, die Kosten einer Elternassistenz ab der Geburt ihrer am ... ... 2020 geborenen Tochter M. zu übernehmen.

Der Verwaltungsrechtsweg ist für das vorliegende Verfahren eröffnet. Das Sozialgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 18. November 2020 den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen. Der Beschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

Der Antrag ist zulässig. Dem Antrag fehlt insbesondere nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses wird zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige, welcher mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat und beim Fehlen eines solchen Interesses das prozessuale Begehren als unzulässig abgewiesen werden muss (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Vorbem. § 40 Rn. 30). Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn das Rechtsschutzziel durch den Antragsteller nicht mehr erreicht werden kann.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht dadurch entfallen, dass der Bezirk ... den Antrag der Antragstellerin vom 19. Oktober 2020 mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 an die AOK Bayern weitergeleitet hat. Die Frage, ob der Antragsgegner durch die Weiterleitung des Antrags der Antragstellerin vom 19. Oktober 2020 nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 [BGBl. I S. 3224], zuletzt geändert durch Gesetz v. 9.10.2020 [BGBl I S. 2075]) - SGB IX - zuständig geworden und damit richtiger Antragsgegner ist, betrifft die Passivlegitimation und ist damit die Begründetheit des Antrags.

Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht dadurch, dass die AOK Bayern nach Mitteilung des Antragsgegners einen erneuten Antrag auf Kostenübernahme einer Betreuung zu Hause bis 5. Januar 2021 bewilligt hat. Die Antragstellerin begehrt die Übernahme der Kosten einer Elternassistenz ab der Geburt des Kindes. Die AOK Bayern hat nach Aktenlage jedenfalls keine entsprechenden Leistungen über den 5. Januar 2021 hinaus bewilligt. Die Frage, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist, betrifft - soweit dies zu entscheiden ist - auch hinsichtlich des Zeitraums, für den die Übernahme der Kosten einer Elternassistenz begehrt wird, die Begründetheit des Antrags.

Der Antrag ist mithin zulässig, aber unbegründet.

Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, also die Eilbedürftigkeit, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 45 ff.). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 54, 51). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsanspruchs ist derjenige der Entscheidung des Gerichts (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 46 i.V.m. § 113 Rn. 55).

Es entspricht dem Wesen der einstweiligen Anordnung, dass es sich um eine vorläufige Regelung handelt und der Antragsteller nicht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das erhalten soll, worauf sein Anspruch in einem Hauptsacheverfahren gerichtet ist; das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll also nicht die Hauptsache vorwegnehmen. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 - 12 CE 16.66 - BeckRS 2016, 44855 Rn. 4; B.v. 18.2.2013 - 12 CE 12.2104 - juris Rn. 38; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 14; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a).

Die Antragstellerin hat nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).

Der Anordnungsanspruch ist der zu sichernde oder regelnde materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers aus einem Hauptsacheverfahren (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 46).

Der Antragsgegner muss für den Anspruch passivlegitimiert sein. Die Passivlegitimation ist eine Frage des materiellen Rechts. Passivlegitimiert ist also derjenige Rechtsträger, der nach materiellem Recht der Schuldner des Hauptsacheanspruchs ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 78 Rn. 1, § 123 Rn. 47).

Die Antragstellerin hat das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs auf Elternassistenz nach § 78 Abs. 1, Abs. 3 SGB IX gegen den Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsgegner ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung für Leistungen der Elternassistenz an die Antragstellerin nicht zuständig (geworden) und insofern kein richtiger Antragsgegner, mithin nicht passivlegitimiert.

Nach § 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. § 78 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung nun, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Die Leistungen für Assistenz umfassen nach § 78 Abs. 3 SGB IX auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder. Die Assistenzleistungen sind Leistungen zur sozialen Teilhabe (vgl. § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX, § 113 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3). § 78 IX SGB IX ist eine vor allem auf das Wohnen bezogene Regelung innerhalb der Leistungsgruppe der sozialen Teilhabeleistungen (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 76 Rn. 35, § 78 Rn. 12; Jacob Joussen in Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Aufl. 2019, § 78 Rn. 2; Winkler in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Auflage 2020, § 76 Rn. 4, § 78 Rn. 3).

Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können für Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5 SGB IX) unter anderem die Träger öffentlichen Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe sein (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB IX). Die Vorschriften gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Zuständigkeit und Voraussetzungen der Teilhabe richten sich - mit Abweichungen insbesondere hinsichtlich § 14 SGB IX und § 15 SGB IX in § 7 Abs. 2 SGB IX - nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).

Der Antragsgegner ist im vorliegenden Fall weder nach § 14 SGB IX noch nach § 15 SGB IX für die Leistung zuständig geworden.

Wird bei einem Träger eine Leistung zur Teilhabe beantragt und stellt dieser fest, nicht er, sondern ein anderer Träger sei für die Leistung insgesamt zuständig, so leitet er gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, dem der Antrag weitergeleitet worden ist, den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente für die Bedarfsermittlung unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistung.

Dies bedeutet, dass durch eine wirksame und ordnungsgemäße Weiterleitung eines Antrags auf Gewährung einer neuen Rehabilitationsleistung der zweitangegangene Träger - abgesehen von den Fällen einer zulässigen Zweit- bzw. Teilweiterleitung - im Außenverhältnis zum Antragsteller im Wege einer aufdrängenden Verweisung endgültig und abschließend zuständig wird. Der zweitgegangene Träger ist an die Entscheidung des erstgegangenen Trägers gebunden, kann sich nicht darauf berufen, dass er eine andere Entscheidung getroffen sowie den Antrag an einen anderen, aus seiner Sicht zuständigen Träger weitergeleitet hätte, und darf weder an den erstangegangenen Träger zurück- noch an einen dritten Träger weiterverweisen (vgl. Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 88; Götze in Hauck/Noftz, SGB IX, 05/19, § 14 Rn. 27). Inhaltlich bewirkt die Weiterleitung, dass sich die Leistungspflicht des zweitangegangenen Trägers nicht mehr allein nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen und der vorgegebenen materiell-rechtlichen Zuständigkeit bestimmt, sondern auf alle Anspruchsgrundlagen des Sozialgesetzbuchs erstreckt, die in der jeweiligen Bedarfssituation überhaupt in Betracht kommen (vgl. Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 14, 17, 39 ff., 90).

Die Vorschrift des § 14 SGB IX ist im vorliegenden Fall anwendbar. Die Regelung des § 14 SGB IX ist immer anzuwenden, wenn Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen (§ 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Satz 1 SGB IX) gegenüber einem Rehabilitationsträger ein Rehabilitationsbegehren zum Ausdruck bringen. Der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger hat dabei zunächst Feststellungen darüber zu treffen, ob eine Behinderung vorliegt oder einzutreten droht (vgl. Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 43, 107). Nicht erforderlich ist insofern, dass die Voraussetzungen des § 99 SGB IX i.V.m. § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung tatsächlich in der Person der Antragstellerin vorliegen. Die Antragstellerin hat hier Leistungen zur Teilhabe i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX beantragt. Sie hat ausdrücklich Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX beantragt und dabei auf Teilhabebeeinträchtigungen und den Grad der Behinderung verwiesen, so dass § 14 SGB IX im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen zur Teilhabe anwendbar ist. Davon ging offenbar auch der Bezirk ... aus, als er den Antrag nach § 14 SGB IX weitergeleitet hat.

Der Antragsgegner ist indes weder als erst- noch als zweit- oder drittangegangener Träger zuständig geworden.

Der Antrag wurde am 19. Oktober 2020 beim Bezirk ... gestellt, der mithin erstangegangener Träger i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist.

Der Antragsgegner ist auch nicht als zweitangegangener Träger zuständig geworden. Der Bezirk ... hat den Antrag der Antragstellerin am 19. Oktober 2020 an die AOK Bayern weitergeleitet. Zweitangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ist daher die AOK Bayern.

Der Antragsgegner konnte auch nicht durch eine weitere Weiterleitung durch den Bezirk ... an den Antragsgegner am 22. Oktober 2020 als zweitangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX zuständig werden. Der Rehabilitationsantrag darf - abgesehen vom Fall des § 14 Abs. 3 SGB IX - nur einmal weitergeleitet werden (vgl. Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 38, 80). Durch die Weiterleitung haben andere Leistungsträger - vorbehaltlich der Regelung in § 14 Abs. 3 SGB IX und § 15 SGB IX - ihre Entscheidungsbefugnis über die Gewährung von Teilhabeleistungen nach dem für sie geltenden Leistungsrecht verloren (vgl. Jabben in BeckOK Sozialrecht, SGB IX, 58. Ed., 1.9.2020, § 14 Rn. 5 für den Fall, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit fälschlicherweise erklärt oder die fristgemäße Weiterleitung versäumt).

Der Bezirk ... hat den Antrag der Antragstellerin vom 19. Oktober 2020 auch nicht dergestalt gesplittet, dass er den die Antragstellerin selbst betreffenden Teil nach § 14 SGB IX an die AOK Bayern und den das Kind der Antragstellerin betreffenden Teil nach § 14 SGB IX wirksam an den Antragsgegner weitergeleitet hätte. Der Bezirk ... hat den Antrag am 19. Oktober 2020 insgesamt an die AOK Bayern weitergeleitet. Damit hat er jegliche Weiterleitungsbefugnis verloren, so dass keine erneute Weiterleitung mehr möglich war. Dies gilt auch für eine Aufteilung des Antrags in zwei Teile und Weiterleitung beider Teile an unterschiedliche Träger, die ohnehin nicht zulässig gewesen wäre. Die in § 15 Abs. 1 SGB IX eröffnete Möglichkeit einer Teilweiterleitung bei zusätzlichem Rehabilitationsbedarf ist im Übrigen der einzig zulässige Fall einer Antragssplittung (Ulrich in in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 15 Rn. 9, 37; Jabben in BeckOK Sozialrecht § 15 Rn. 3; Jacob Joussen in Dau/Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 5. Aufl. 2019, § 15 Rn. 4).

Der Antragsgegner ist auch nicht nach § 14 Abs. 3 SGB IX als drittangegangener Träger zuständig geworden.

Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag nach § 14 Abs. 3 SGB IX im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten. Nach dieser Vorschrift kann der zweitangegangene Rehabilitationsträger den Antrag ausnahmsweise im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung materiell-rechtlich verpflichteten Träger an diesen weiterleiten. Dies schließt sowohl die nochmalige Befassung des erstangegangenen Trägers als auch eine Anrufung eines dritten Trägers ein (vgl. Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 81).

Die Voraussetzungen einer wirksamen Weiterleitung nach § 14 Abs. 3 SGB IX liegen nicht vor. Der Antrag wurde am 22. Oktober 2020 nicht durch den zweitangegangenen Träger (die AOK Bayern) an den Antragsgegner weitergeleitet. Der Antragsgegner hat im Übrigen nach Aktenlage auch sein Einvernehmen nicht erteilt. Dem steht auch der Aktenvermerk des Antragsgegners vom 12. November 2020 nicht entgegen. In einem Aktenvermerk des Antragsgegners ist festgehalten, dass das Amt für Jugend und Familien "als zweitangegangener Träger" vorerst die Kosten für eine Elternassistenz übernehme. Hierbei handelt es sich lediglich um einen internen Besprechungsvermerk über eine Helferkonferenz am 12. November 2020. Eine vorläufige Übernahme der Kosten ist aber nach Aktenlage weder dem Bezirk ... noch der AOK Bayern noch der Antragstellerin, deren Antragsschrift auf den gleichen Tag datiert, mitgeteilt worden.

Der Antragsgegner ist mithin für die Leistung an die Antragstellerin nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 4 oder Abs. 3 SGB IX zuständig geworden.

Der Antragsgegner ist auch nicht nach § 15 SGB IX zuständig geworden.

Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 SGB IX sein kann, leitet er den Antrag nach § 15 Abs. 1 SGB IX insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu, der über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit entscheidet. Die Möglichkeit einer Teilweiterleitung bei zusätzlichem Rehabilitationsbedarf beinhaltet den einzigen zulässigen Fall einer Antragsplittung. Dennoch verbleibt die Koordinierungsverantwortung für die rechtzeitige Entscheidung über den gesamten Antrag bei dem nach § 14 SGB IX zuständigen Träger, der das Teilhabeplanverfahren nach § 19 SGB IX durchzuführen hat (Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 15 Rn. 9). Die Zuständigkeit des durch Teilweiterleitung einbezogen Rehabilitationsträgers bezieht sich nur auf den zusätzlichen Rehabilitationsbedarf, über den dieser nach dem für ihn geltenden Leistungsrecht zu entscheiden hat. Im Übrigen verbleibt es bei der Leistungspflicht des erst- oder zweit- bzw. durch einvernehmliche Zweitweiterleitung zuständig gewordenen Trägers. Entsprechendes gilt, wenn eine Teilweiterleitung trotz erfüllter Voraussetzungen zu spät erfolgt oder unterbleibt; über den zusätzlich erforderlichen Rehabilitationsbedarf ist dann von dem nach § 14 SGB IX zuständigen Träger zu entscheiden (Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 15 Rn. 37 f.).

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 SGB IX liegen hier nicht vor. Die AOK Bayern ist als Rehabilitationsträger, an den der Antrag der Antragstellerin nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX weitergeleitet wurde, zwar nach § 6 Abs. 1 SGB IX kein Rehabilitationsträger für Leistungen zur sozialen Teilhabe nach § 5 Nr. 5 SGB IX. Der leistende Rehabilitationsträger hat indes nicht festgestellt, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst. Mögliche Leistungen, die das Kind der Antragstellerin betreffen, sind insofern keine zusätzlichen Rehabilitationsleistungen i.S. des § 15 Abs. 1 SGB IX. Der Antrag wurde im Übrigen am 22. Oktober 2020 durch den Bezirk ... und damit auch nicht durch den leistenden Rehabilitationsträger i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IX weitergeleitet.

Der Antragsgegner ist insofern nicht für die geltend gemachten Leistungen zur Teilhabe zuständig und insofern nicht passivlegitimiert.

Die Antragstellerin hat auch nicht das Bestehen eines Anspruchs auf die geltend gemachten Assistenzleistungen gegen den Antragsgegner glaubhaft gemacht, soweit kein Rehabilitationsbedarf besteht (vgl. zu sonstigen Anträgen auf Sozialleistungen - mit Blick auf die Regelungen des § 14 SGB IX und § 43 SGB I - Ulrich in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 43; zu weiteren Abgrenzungsfragen Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 10 Rn. 38d ff.; Schönecker/Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 10, Rn. 52 ff.; zum Anspruch nach § 19 SGB VIII Bay. VGH, B.v. 8.8.2007 - 12 CE 07.1443 - juris Rn. 23; Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 10 Rn. 72).

Die Antragstellerin kann die Übernahme der Kosten nur geltend machen, wenn sie einen entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 28.9.2000 - C 29.99 - juris Rn. 9 ff.; U.v. 17.2.20112 - 5 B 43/10 - juris Rn. 6; U.v. 11.8.2005 - 5 C 18.04 - juris Rn. 19; B.v. 22.5.2008 - 5 B 130.07 - juris Rn. 3 f.; Nellisen in Schlegel/Voelzke, 2. Aufl. 2018, jurisPK-SGB VIII, § 27 Rn. 65) und auch die übrigen - sachlichen - Voraussetzungen erfüllt sind.

Ob die Antragstellerin einen entsprechenden Antrag - außerhalb des Rehabilitationsrechts - beim Antragsgegner gestellt hat, möglicherweise durch Antrag beim Bezirk ..., kann hier offenbleiben. Unabhängig hiervon ist nämlich keine Anspruchsgrundlage erkennbar, auf die die Antragstellerin einen Anspruch auf Assistenzleistungen stützen könnte und der nicht im Rehabilitationsrecht wurzelt.

Die Vorschrift des § 20 SGB VIII begründet insofern keinen Anspruch auf die geltend gemachten Assistenzleistungen.

Nach § 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII soll das Kind im elterlichen Haushalt versorgt und betreut werden, wenn ein alleinerziehender Elternteil aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen ausfällt und Angebote der Förderung des Kindes in Tageseinrichtungen oder in Kindertagespflege nicht ausreichen und wenn und solange es für sein Wohl erforderlich ist.

Mit Ausfall eines Elternteils aus gesundheitlichen Gründen meint die Norm ein Ausfallen für einen vorübergehenden Zeitraum. Die Vorschrift erfasst schon nach dem Wortlaut nicht die Fälle, in denen der ausfallende Elternteil zu keinem Zeitpunkt die Betreuung und Versorgung seines Kindes ohne fremde Hilfe sicherstellen konnte und wird sicherstellen können (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 13.9.2019 - 10 LA 321/18 - juris Rn. 19; Hess. VGH, U.v. 20.12.2016 - 10 A 1895/15 - juris Rn. 29; VG Minden, B.v. 31.7.2009 - 6 L 382/09 - juris Rn. 35 ff. m.w.N.; B.v. 20.10.2009 - 6 L 493/09 - juris Rn. 9; U.v. 25.6.2010 - 6 K 1776/09 - juris Rn. 32; LSG, U.v. 23.2.2012m - L 9 SO 26/11 - juris Rn. 64; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 20 Rn. 8; Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 20, Rn. 6, 16).

Ein Anspruch auf die begehrten Assistenzleistungen ist nach §§ 27 ff. SGB VIII ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ein Personensorgeberechtigter hat nach § 27 Abs. 1 SGB VIII bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Voraussetzung ist demnach ein mit den Mitteln der Jugendhilfe zu behebendes Erziehungsdefizit des sorgeberechtigten Elternteils (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2014 - 5 C 32.13 - juris Rn. 15; B.v. 12.7.2005 - 5 B 56.05 - juris Rn. 5; Bay. VGH, B.v. 30.6.2016 - 12 C 16.1162 - juris Rn. 22 f.; OVG Lüneburg, B.v. 13.9.2019 - 10 LA 321/18 - juris Rn. 15; Hess. VGH, U.v. 20.12.2016 - 10 A 1895/15 - juris Rn. 32; Tammen/Trenczek in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Aufl. 2019, § 27, Rn. 6 ff.; Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar, LPK-SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 27, Rn. 2).

Ein solches Defizit ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin ist körperlich beeinträchtigt. Ein Erziehungsdefizit ist nicht vorgetragen. Die von der Antragstellerin begehrte Assistenz bedeutet gerade keine eigenverantwortliche Übernahme von Erziehungsaufgaben (vgl. VG München, U.v. 30.3.2016 - M 18 K 14.4527 - juris Rn. 22 f.).

Damit ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Assistenzleistungen gegen den Antragsgegner hat.

Ob das Bestehen eines Anordnungsgrunds glaubhaft gemacht wurde, kann insoweit offenbleiben.

Der Antrag kann daher keinen Erfolg haben. Dennoch ist die Antragstellerin nicht rechtlos geworden, da sie sich an die zuständig gewordene AOK wenden kann und hierüber belehrt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Der Antragstellerin ist nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie sich aus der Erklärung der Antragstellerin und den dazu vorgelegten Unterlagen ergeben, keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Soweit eine Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage abgibt, führt dies zur Versagung der Prozesskostenhilfe. Vor der Gewährung von Prozesskostenhilfe hat sich ein Rechtsschutzversicherter um Kostenübernahme durch die Versicherung zu bemühen (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 166 Rn. 6).

Die Antragstellerin hat in ihrer Erklärung zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen angegeben, dass eine Rechtsschutzversicherung in voller Höhe besteht und im Übrigen in der Erklärung von weiteren Angaben abgesehen. Auf das Schreiben des Sozialgerichts Würzburg vom 16. November 2020, in dem mitgeteilt wird, dass kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht, hat die Antragstellerin nicht reagiert.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.