AG Straubing, Beschluss vom 06.08.2020 - 1 M 733/20
Fundstelle
openJur 2020, 79352
  • Rkr:
Tenor

1. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Straubing vom 11.03.2020 wird dahingehend geändert, dass die beiden Kinder N. K. 1, geb. ... (11 Jahre) und Name Kind 2, geb. ... (15 Jahre) des Schuldners bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens nur teilweise als Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen sind (§ 850c Abs. 4 ZPO).

Bei der Feststellung des nach der Tabelle zu § 850c Abs. 3 ZPO pfändbaren Betrages bleibt die Unterhaltspflicht des Schuldners gegenüber den Kindern zu 49% außer Betracht.

2. Im Übrigen hat der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11.03.2020 in vollem Umfang Bestand.

Gründe

Dem Antrag der Gläubigerpartei vom 10.07.2020 auf Abänderung des unpfändbaren Einkommensteils des Schuldners war zu entsprechen.

Von der Gläubigerpartei und dem Schuldner wurde glaubhaft gemacht, dass der Schuldner seinen 2 Kindern (Name Kind 1, geb. ... (11 Jahre), Name Kind 2, geb. ... (15 Jahre)) zum Unterhalt verpflichtet ist, jedoch die beiden Kinder bei der Kindsmutter in ... leben. Aufgrund der Minderjährigkeit verfügen die Kinder zwar über kein eigenes Einkommen, aber bekommen von Ihrer Mutter, Name Mutter, Naturalunterhalt. Und der Schuldner leistet an die beiden Kinder monatlichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.000,00 EUR. Das unentgeltliche Wohnen und die freie Kost des durch die Mutter geleisteten Naturalunterhalts ist gleichwertig mit dem vom Schuldner geleisteten Barunterhalt. Zwischen der Art der Unterhaltsgewährung gibt es keinen sachlichen Grund zu unterscheiden (BGH, Beschluss vom 16.04.2015, AZ: IX ZB 41/14).

Laut den Angaben der Gläubigerin verdient der Schuldner netto 1.705,88 EUR.

Die Höhe des Einkommens der Kindsmutter ist der Gläubigerin nicht bekannt.

Der Kindsmutter wird somit unterstellt, dass sie den Regelsatz gem. SGB II bzw. XI i. H. v. 432,00 EUR zzgl. Kindergeld i. H. v. je 204,00 EUR sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung (angemessene Kosten dafür dürften sich auf min. 500 EUR beziffern lassen) bezieht. Der Regelsatz für Kinder beträgt (0 bis 6 Jahre: 245,00 EUR, 6 bis unter 14 Jahre: 302,00 EUR und 14 bis unter 18 Jahre: 322,00 EUR = i. d. F. 302,00 EUR [Name Kind 1 (11 Jahre) ] bzw. 322,00 EUR [Name Kind 2 (15 Jahre]), zzgl. Mehrbedarf für jedes Kind von rd. 50,00 EUR.

Mithin, ergibt dies ein angenommenes Gesamteinkommen der Kindsmutter in Höhe von 1.656,00 EUR.

Die Kinder sind somit nur anteilig zu berücksichtigen, da ihr Unterhaltsanspruch zu Teilen von beiden Elternteilen gedeckt ist.

Das Einkommen der beiden Elternteile steht damit in einem Verhältnis (1.730,17 EUR Schuldner: 1.656,00 EUR Kindsmutter) von 51:49 zueinander.

Die beiden Kinder des Schuldners sind daher bei der Feststellung des unpfändbaren Einkommensteils des Schuldners nur zu 51% zu berücksichtigen, nachdem sie von ihrer Mutter - aus deren Einkommen - anteilig Unterhalt in Form von Naturalleistungen gewährt bekommen und der Naturalunterhalt durch die Mutter der Kinder, 49% des Anspruchs der Kinder deckt.

Beispiel zur Berechnungsweise:

Der monatliche Freibetrag des Schuldners bei einem monatlichen Einkommen von 1.705,88 EUR würde sich wie folgt berechnen:

Der Schuldner verdient monatlich 1.705,88 EUR netto. Er ist ledig und hat zwei minderjährige unterhaltsverpflichtete Kinder. Das Vollstreckungsgericht ordnet auf Antrag eines Gläubigers an, dass die beiden Kinder bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens zu 49% unberücksichtigt zu bleiben haben.

Der Drittschuldner hat die gerichtliche Bestimmung ab der nächsten, auf die Anordnung folgenden Zahlung zu beachten.

Die Anordnung des Gerichts hat zur Folge, dass statt 0 EUR (Pfändungstabelle zu § 850c ZPO bei zwei Unterhaltsverpflichtungen) nunmehr 178,85 EUR ((364,99 EUR - 0 EUR) : 100 x 49 + 0 EUR) pfändbar sind (Stand: 1.7.2019, gültig bis 30.06.2021).

Es sind 49% des Differenzbetrages zwischen dem bei keinem Unterhaltsberechtigten und dem bei zwei Unterhaltsberechtigten pfändbaren Einkommensteil, zu dem bei zwei Unterhaltsverpflichtungen pfändbaren Betrag zu addieren (vgl. BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 850c Rn. 36.1, geändert auf 49% Nichtberücksichtigung).

Der Schuldner wurde zum Antrag der Gläubigerpartei angehört.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage war dem Antrag stattzugeben.