LG Dortmund, Urteil vom 03.06.2020 - 36 Kls 7/20
Fundstelle
openJur 2020, 79005
  • Rkr:
Tenor

Der Angeklagte wird wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in sechs Fällen, wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewandte Vorschriften: §§ 242 Abs.1, Abs.2, 244 Abs.1 Nr.3 a. F., 22, 23, 25 Abs. 2, 53, 54 StGB

Gründe

I.Persönliche Verhältnisse des Angeklagten

Der Angeklagte wurde am 00.00.1989 in dem albanischen Dorf M1 (zugehörig zu der Gemeinde H1) als jüngstes von insgesamt drei Kindern geboren.

Sein heute 63-jähriger Vater arbeitet trotz gesundheitlicher Probleme bis heute körperlich schwer im Kalkabbau in Albanien. Seine 56-jährige Mutter ist Hausfrau. Sein Bruder lebt in Albanien und seine Schwester mit ihrer Familie in Griechenland.

Die Kindheit des Angeklagten in Albanien war von Armut geprägt. Im Alter von sechs Jahren wurde er regelgerecht eingeschult. Bis zur sechsten Klasse bestritt er einen unauffälligen schulischen Werdegang. Im Alter von elf Jahren zog der Angeklagte mit seiner Familie in eine größere Stadt in Albanien. Seine schulischen Leistungen nahmen fortan ab, er schwänzte zunehmend den Unterricht und fiel durch Störungen des Unterrichts negativ auf. Mit Ende der siebten Klasse verließ er die Schule, wobei er unter Anrechnung von acht Jahren Schulzeit einen Schulabschluss erhielt.

Erste Erfahrungen mit Betäubungsmitteln machte der Angeklagte im Alter von zwölf Jahren: Er konsumierte gemeinsam mit Freunden in Albanien Alkohol und Haschisch. Bei dem Angeklagten stellte sich schnell ein Konsum in der Größenordnung von 2 bis 3 Gramm Haschisch pro Tag ein. Mit sechzehn Jahren begann er, Kokain zu sniefen und später - inspiriert durch eine Bekannte in Belgien - auch zu rauchen. Abhängig von seiner finanziellen Situation konsumierte er zwischen 2 bis 3 Gramm Kokain pro Tag. Mit dem Beginn des Kokainkonsums verringerte sich die Haschischdosierung des Angeklagten auf circa 1 Gramm pro Tag.

Im Alter von circa dreizehn Jahren begann der Angeklagte, Metall zu stehlen und dieses an Schrotthändler zu verkaufen. Von dem Erlös kaufte der Angeklagte Haschisch und Alkohol.

Mit sechzehn Jahren ging der Angeklagte zusammen mit einem Freund nach Griechenland. In Griechenland beging er - auch instrumentalisiert durch die dort lebenden Verwandten seines Freundes - Diebstähle und konsumierte regelmäßig Drogen (Kokain und Haschisch) und Alkohol. Nach etwa einem Jahr wurde der Angeklagte wegen eines Taschendiebstahls für circa ein Jahr in Griechenland inhaftiert. Während seiner Haftzeit steigerte der Angeklagte seinen Drogenkonsum.

Im Alter von achtzehn Jahren kehrte er für circa zwei Monate zurück nach Albanien, wo er erneut Diebstähle beging und Haschisch konsumierte. Anschließend ging er mit dem zuvor erwähnten Freund erneut nach Griechenland. Dort lebten sie auf der Straße und in unbewohnbaren Häusern. Kurze Zeit später siedelten der Angeklagte und sein albanischer Freund nach Italien über. Dort lebten sie in einer Ruine ohne Strom. Den Lebensunterhalt und Rauschmittelkonsum finanzierte der Angeklagte durch die Begehung von Taschendiebstählen und Wohnungseinbrüchen.

Etwa fünf Jahre später, im Jahr 2014, reiste der Angeklagte nach Belgien, wo er erneut Kontakt zu Rauschmittelkonsumenten aufbaute und Straftaten aus dem Bereich der Beschaffungskriminalität beging.

Im Juni 2015 reiste der Angeklagte erstmalig nach Deutschland ein. Er verfügte hier über keinen festen Wohnsitz. Am 30.06.2015 stellte der Angeklagte einen Antrag auf Asyl, der am 18.08.2015 abgelehnt wurde.

Am 10.12.2019 wurde der Angeklagte im Rahmen der grenzpolizeilichen Überwachung in einem Flix-Bus von den Niederlanden kommend vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 08.02.2018 (Az. 703 Gs 257/18) in Untersuchungshaft, zunächst in der Justizvollzugsanstalt T1 und nunmehr in der Justizvollzugsanstalt L1.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

II.Feststellungen zur Sache

Der Angeklagte hielt sich im festgestellten Zeitraum illegal in Deutschland auf. Er verfügte über keinen festen Wohnsitz und beging Einbrüche, um seinen Lebensunterhalt sowie seinen Betäubungsmittelkonsum (insbesondere Kokain) zu finanzieren. Mit dem Verkauf der Beute verschaffte er sich eine dauerhafte und nicht unerhebliche Einnahmequelle. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:

1. Angeklagte Tat 1) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 1)

Am 05.08.2015 begab sich der Angeklagte zu den Räumlichkeiten der Heilpraxis im Hause [...], wobei sein Tatentschluss darauf gerichtet war, irgendetwas zu stehlen. Durch ein auf Kipp stehendes Fenster drang er in die Räumlichkeiten der Heilpraxis ein und entwendete Bargeld in Höhe von 20,00 Euro.

2. Angeklagte Tat 2) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 2)

Am 28.07.2015 begab sich der Angeklagte zum Wohnhaus [...]. Durch ein aufgebrochenes Dachbodenfenster drang er auf den Dachboden ein. Als er die Leiter/Dachluke zum Wohnbereich herunterlassen wollte, verursachte dieses eine sehr laute Geräusch, woraufhin der Angeklagte unfreiwillig die weitere Tatbegehung abbrechen musste, um nicht entdeckt zu werden.

3. Angeklagte Tat 3) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 3)

Am 27.08.2015 hebelte der Angeklagte das Fenster zum Hauswirtschaftsraum des Einfamilienhauses [...] auf, drang in die Wohnräume ein und entwendete ein Mobiltelefon sowie drei Schmuckschatullen mit Bastelschmuck, wobei die Gegenstände den Angaben der Geschädigten nach einen Wert von circa 500 Euro (Swarowski-Steine) und 120 Euro (Mobiltelefon) hatten.

4. Angeklagte Tat 4) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 4)

Zwischen dem 19. und 20.09.2015 begab sich der Angeklagte zum Wohnhaus [...]. Durch eine aufgebrochene Terrassentür drang er in die Wohnräume ein, brach einen Tresor auf und entwendete Gold- und Silberschmuck, welcher den Angaben der Geschädigten zufolge einen Wert von ca. 818,14 Euro aufwies.

5. Angeklagte Tat 5) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 5)

Zwischen dem 10. und 11.10.2015 drang der Angeklagte durch ein aufgehebeltes Kellerfenster in die Wohnräume im Einfamilienhaus [...] ein, durchwühlte die Wohnräume, fand jedoch keine mitnehmenswerten Gegenstände.

6. Angeklagte Tat 6) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 6)

Zwischen dem 02. und 04.10.2015 hebelte der Angeklagte ein Fenster des Wintergartens im Haus [...] auf, durchwühlte die gesamten Wohnräume und entwendete insbesondere Schmuck, der den Angaben der Geschädigten nach einen einem Anschaffungswert von circa 6374 DM hatte.

7. Angeklagte Tat 8) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 8)

Zwischen dem 06. und 07.06.2015 drang der Angeklagte durch ein mittels einer Gehwegplatte eingeworfenes Küchenfenster in die Wohnräume im Haus [...] ein und entwendete Schmuck, Bargeld und Handtaschen, wobei die Gegenstände den Angaben der Geschädigten zufolge einen Wert von 4.260,00 Euro hatten.

8. Angeklagte Tat 9) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 9)

Zwischen dem 05. und 06.07.2015 drang der Angeklagte gemeinsam mit dem gesondert verfolgten U1 durch eine aufgebrochene Holzeingangstür in das Haus [...] ein. Sie entwendeten dort Bargeld, Goldbarren, einen Laptop, eine Armbanduhr und einen Fernseher im Gesamtwert - nach Angabe der Geschädigten - von 14.882,50 Euro.

9. Angeklagte Tat 10) der Anklageschrift vom 03.02.2020 (Fallakte 10)

Zwischen dem 16. und 17.10.2015 drang der Angeklagte durch ein aufgehebeltes Kellerfenster in das Wohnhaus [...] ein und entwendete 800,00 Euro Bargeld sowie Schmuck und Bekleidung im Gesamtwert - nach Angabe der Geschädigten - von 120,00 Euro.

Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war im gesamten Tatzeitraum weder vermindert noch aufgehoben.

III.Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Lebensweg des Angeklagten und zu seinem Betäubungsmittelkonsum beruhen auf den Angaben des Sachverständigen und Zeugen Diplom-Psychologe C1, der den Angeklagten in den Räumlichkeiten der Justizvollzugsanstalt L1 exploriert hat. Die Feststellungen zum ausländerrechtlichen Status basieren auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Gesamtauskunft des Bundesverwaltungsamts (HA, Band II, B. 265 ff.). Ferner hat die Kammer den Inhalt des internationalen Haftbefehls aus Italien vom 09.03.2020 (HA, Band III, Bl. 440) sowie den Inhalt der E-Mail der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 26.05.2020 in der Hauptverhandlung bekannt gegeben.

Die Kammer hat den Bundeszentralregisterauszug vom 09.10.2019 in der Hauptverhandlung verlesen.

Die Feststellungen zur Sache basieren insbesondere auf der geständigen Einlassung des Angeklagten, der die Taten - soweit er sich im Einzelnen erinnern konnte - wie festgestellt, glaubhaft eingeräumt hat.

Der Angeklagte hat sich vollumfänglich geständig gezeigt. Er hat sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er konkrete Erinnerungen jedoch - auch vor dem Hintergrund der Vielzahl gleichgelagerter Taten und des lange zurückliegenden Zeitraums - lediglich an die Wohnungseinbrüche betreffend die von der Kammer festgestellten Taten II. 4) und 7) (Fallakten 4 und 8) habe. Bei der Tat vom 19./20.09.2015 in [...] erinnere er sich an den Tresor. Hinsichtlich der Tat vom 06./07.06.2015 habe er konkrete Erinnerungen an die Bauweise des Hauses, das sich in der Nähe seiner damaligen Wohngegend in [...] befunden habe.

Der Angeklagte räumte im Hinblick auf die jeweils aufgefundenen DNA-Spuren glaubhaft ein, an den Tatorten gewesen zu sein. Es sei auch kein anderer Grund denkbar, weshalb seine DNA an den Tatorten sichergestellt worden ist. In Belgien habe er eine Speichelprobe abgegeben.

In neun Fällen sei er allein unterwegs gewesen; bei einer Tat sei eine Person, deren Name er nicht nennen wolle, dabei gewesen. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte hinsichtlich des von der Kammer verlesenen Aktenvermerks (FA 9, Bl. 70) dahingehend eingelassen, dass es möglich sei, dass bei der Tat am 05./06.07.2015 in [...] ein weiterer Täter dabei gewesen sei.

Auch gegenüber dem Sachverständigen und Zeugen C1 hat sich der Angeklagte im Rahmen der Exploration dahingehend eingelassen, dass er die in der Anklageschrift vorgeworfenen Taten sämtlich begangen habe.

Die Kammer hat das Geständnis überprüft.

Sie ist vor dem Hintergrund der jeweils an den Tatorten vorgefundenen DNA-Spuren des Angeklagten davon überzeugt, dass der Angeklagte die Taten, wie festgestellt, begangen hat. Dies ergibt sich aus einem Vergleich zwischen der jeweils am Tatort aufgefundenen und sichergestellten DNA und den Ergebnissen der DNA-Analyse-Datei (DAD) sowie aus dem Gutachten des Landeskriminalamts vom 00.00.2019.

Hierzu hat die Kammer jeweils die molekulargenetischen Gutachten betreffend die an den Tatorten vorgefundenen DNA-Spuren - mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten - durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt [Molekulargenetische Spurengutachten vom 11.05.2017 (FA 1, Bl. 22 ff. betreffend DNA-Abrieb an dem Bilderrahmen), vom 08.12.2015 (FA 2, Bl. 31 ff. betreffend DNA-Abrieb an der Jalousie), vom 09.11.2015 (FA 3, Bl. 25 ff. betreffend DNA-Abrieb an der Fensterscheibe), vom 05.11.2015 (FA 4, Bl. 49 ff. betreffend DNA-Abrieb an der Spitzhacke), vom 02.02.2016 (FA 5, Bl. 31 ff. betreffend DNA-Abrieb an dem Kellerfenster) vom 11.12.2015 (FA 7, ohne Blattzahl betreffend DNA-Abrieb an der Haustür), vom 27.06.2016 (FA 8, Bl. 80 ff. betreffend DNA-Abrieb an dem Taschentuch), vom 07.09.2015 (FA 9, Bl. 59 ff. betreffend DNA-Abrieb an dem Schraubendreher), vom 14.12.2015 (FA 10, Bl.43 ff. betreffend DNA-Abrieb an der Herrenhandtasche)].

Mit Einverständnis sämtlicher Verfahrensbeteiligten hat die Kammer die Mitteilung des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 00.00.2017 (DNA-Analyse-Datei, Ermittlungshinweis nach Zuordnung aus der DAD-Z und Internationaler DNA-Abgleich mit der Datenbank von Belgien-Vertag von Prüm, HA, Band I, Bl. 34-50), die Treffermittelung (HA, Band I, Bl. 50) sowie das Gutachten des Landeskriminalamts vom 00.00.2019 (HA, Band III, Bl. 339) im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt.

Die Kammer hat zudem den vorläufigen Schlussvermerk (FA 6, Bl. 64-69), aus dem sich ergibt, dass die Tatorte betreffend die angeklagten Taten 6. und 7. nebeneinander liegen und der Tatzeitraum nahezu identisch ist, in der Hauptverhandlung verlesen. Vor dem Hintergrund besteht auch hinsichtlich der von der Kammer gemäß II. 6. festgestellten Tat kein Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten.

Die im Einzelnen zu den jeweiligen Tatmodalitäten, den entwendeten Gegenständen, deren Wert und die durch den Angeklagten verursachten Sachschäden getroffenen Feststellungen beruhen auf den mit Einverständnis der Verfahrensbeteiligten verlesenen jeweiligen Schadensaufstellungen der Geschädigten, auf den jeweils verlesenen Strafanzeigen und den von der Kammer in Augenschein genommenen Lichtbildern der Tatorte in den jeweiligen Fallakten.

Der Sachverständige Diplom-Psycholge C1 hat in der Hauptverhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass keine Hinweise auf eine relevante Minderung oder gar Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit während der Taten bestanden habe. Insbesondere könne der kombinierte schädliche Konsum von Kokain, Alkohol und Cannabis bei dem Angeklagten - insbesondere zu den jeweiligen Tatzeitpunkten - aus sachverständiger Sicht nicht als krankhafte seelische Störung gewertet werden. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der Angeklagte nicht unter einem derart hohen Suchtdruck während des Tatzeitraums gelitten habe, dass seine Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Dagegen spreche, dass er ihm vielmehr nachvollziehbar geschildert habe, dass er vielfach vor den Taten - aus dem Bewusstsein heraus, Unrecht zu tun - darüber nachgedacht habe, hiervon abzulassen, es schlussendlich dann jedoch "durchgezogen" habe.

IV.Rechtliche Würdigung

Nach den vorstehend unter II. getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (II. 3., 4., 6., 7., 8. und 9.) gemäß §§ 242 Abs.1, 244 Abs.1 Nr.3 in der bis zum 21.07.2017 geltenden Fassung StGB in sechs Fällen, wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls (II. 2. und 5.) gemäß §§ 242 Abs.1, Abs.2, 244 Abs.1 Nr.3, 22, 23 StGB in zwei Fällen sowie wegen Diebstahls (II.1.) gemäß § 242 Abs.1 StGB strafbar gemacht.

Hinsichtlich der unter II.1. getroffenen Feststellungen sind zwar die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen eines Regelfalls eines Diebstahls im besonders schweren Fall gemäß § 243 Abs.1 Nr.1 und 3 StGB gegeben. Der Angeklagte handelte gewerbsmäßig, da er über keine legale Einnahmequelle verfügte und beabsichtigte, sich durch die wiederholten Diebstähle eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Jedoch ist ein besonders schwerer Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs.2 StGB ausgeschlossen, weil sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht. Wenn der Täter - wie hier - noch keine bestimmten Vorstellungen hat, was er stehlen möchte, ist § 243 Abs.2 StGB gegeben, wenn er nur geringwertige Sachen mitnimmt (vgl. Fischer, 66. Auflage, § 243, Rn. 26,).

V.Strafzumessung

Die Zumessung der Strafe beruht auf folgenden Erwägungen:

Bei den Fällen des Wohnungseinbruchsdiebstahls hat die Kammer gemäß § 244 Abs.1 StGB (in der bis zum 21.07.2017 geltenden Fassung) einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zugrunde gelegt. In minder schweren Fällen beträgt der Strafrahmen drei Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Die Kammer hat im Ergebnis in keinem der festgestellten Fälle einen minder schweren Fall angenommen.

Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn bei der gebotenen gesamtschauenden Betrachtung der wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände das gesamte Tatbild einschließlich der subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.

Dabei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten gewürdigt, dass er sich bereits am ersten Hauptverhandlungstag geständig eingelassen hat und die Taten zur Überzeugung der Kammer ernsthaft bereut. Die Kammer hat sein kooperatives prozessuales Verhalten während der Hauptverhandlung positiv gewertet. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und als Erstverbüßer von Untersuchungs- und Strafhaft und insbesondere als Ausländer, der die deutsche Sprache nicht beherrscht, besonders haftempfindlich. Zudem war in die Erwägungen einzubeziehen, dass die Taten lange zurückliegen und dem Angeklagten auch ausländerrechtliche Konsequenzen drohen.

Demgegenüber war zu seinen Lasten zu würdigen, dass - mit Ausnahme von den versuchten Fällen - eine jedenfalls durchschnittliche und in den festgestellten Fällen II. 6. und 8. sogar erhebliche Tatbeute zu verzeichnen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der Anzahl der von der Kammer festgestellten Taten innerhalb des relativ kurzen Tatzeitraums und im Hinblick darauf, dass der Angeklagte "gewerbsmäßig" handelte, kam die Annahme eines minder schweren Falls - auch bei den Fällen des Versuchs (II.2. und 5.) - nicht in Betracht.

Für die Fälle des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls hat die Kammer von der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 23 Abs.1, 49 Abs.1 StGB Gebrauch gemacht und ist von einem Strafrahmen, der Freiheitsstrafe von einem Monat bis sieben Jahre und sechs Monate vorsieht, ausgegangen.

Der Diebstahl wird gemäß § 242 Abs.1 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

Bei der konkreten Strafzumessung hält die Kammer nach Gewichtung und Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden tat- und täterbezogenen Umstände, auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Höhe der jeweils verursachten materiellen Schäden folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen und zur weiteren Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich:

Für die festgestellte Tat II.1 6 Monate Freiheitsstrafe

Für die festgestellte Tat II.2 6 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.3 1 Jahr Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.4 1 Jahr und 2 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.5 6 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.6 1 Jahr und 4 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.7 1 Jahr und 4 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.8 1 Jahr und 6 Monate Freiheitsstrafe,

für die festgestellte Tat II.9 1 Jahr und 2 Monate Freiheitsstrafe.

Insgesamt hielt die Kammer unter erneuter Würdigung sämtlicher Strafzumessungskriterien und unter besonderer Berücksichtigung der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten, in Anwendung der §§ 53 Abs.1, 54 Abs.1 S.1, 3 StGB nach angemessener Erhöhung der verwirkten Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von

3 Jahren und 3 Monaten

für tat- und schuldangemessen.

VI.Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB war nicht anzuordnen.

Die Kammer hat angesichts der Besonderheiten in der Person des Angeklagten sowie in der Gesamtschau der nachfolgend dargelegten Umstände von einer Anordnung nach § 64 StGB ausnahmsweise abgesehen.

Zwar ist die Kammer in Ansehung der Ausführungen des Sachverständigen C1 in dessen Gutachten, das sich die Kammer nach eigener Prüfung zu Eigen gemacht hat, davon überzeugt, dass der Angeklagte die Taten mitursächlich aufgrund seines Hangs, Betäubungsmittel (insbesondere Kokain) in schädlichem Übermaß zu konsumieren, begangen hat und seine Legalprognose zum aktuellen Zeitpunkt als ungünstig zu bewerten ist.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C1 habe bei dem Angeklagten im relevanten Tatzeitraum eine Kokainabhängigkeit gemäß den diagnostischen Leitlinien des ICD-10 (F14.2) vorgelegen. Objektivierbare Kriterien hierzu hätten zwar nicht zur Verfügung gestanden; die von dem Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben zum Rauschmittelkonsum und der empfundenen Rauschwirkung seien jedoch schlüssig, so dass zweifelsfrei davon ausgegangen werden könne, dass der Angeklagte im Laufe seines Lebens Rauschmittel (inklusive Kokain) konsumiert habe. Als objektivierbarer Anknüpfungspunkt sei lediglich sein desolater Zahnzustand als mögliche physische Langzeitfolgen des Kokainkonsums zu berücksichtigen.

In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen sieht die Kammer grundsätzlich auch die nach § 64 S.2 StGB für die Anordnung der Maßregel erforderliche hinreichend konkrete Aussicht auf einen Erfolg der Suchtmittelentwöhnungsbehandlung. Der Angeklagte verfügt über eine gut ausdifferenzierte intellektuelle Leistungsfähigkeit. Außerdem hat er seine uneingeschränkte Therapiemotivation gegenüber dem Sachverständigen und der Kammer zum Ausdruck gebracht.

Auch die Sprachunkundigkeit des Angeklagten ist - isoliert betrachtet - nicht ohne Weiteres ein Grund, um von einer Unterbringung nach § 64 StGB abzusehen. Der Sachverständige C1 hat zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass die auf zwei Jahre ausgelegte Therapie auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die sprachlichen Barrieren, was die aktive Teilnahme an Gruppensitzungen erschweren würde, vorwiegend von den einzeltherapeutischen Sitzungen (unter Zuhilfenahme eines Übersetzers oder mit einem muttersprachlichen oder einem italienischsprachigen Therapeuten) profitieren könnte.

Die Kammer hat hier jedoch im Rahmen des ihr zustehenden eingeschränkten Ermessensspielraums bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ausnahmsweise von einer Anordnung der Maßregel gemäß § 64 StGB abgesehen.

Durch die Gesetzesnovelle vom 16.07.2007 wurde die ursprünglich vorgeschriebene Rechtsfolge der Unterbringung in eine Soll-Vorschrift umgestaltet, wodurch dem Tatrichter die Möglichkeit eingeräumt wird, von einer Unterbringung in Ausnahmefällen abzusehen. Dabei ist der Sinn und Zweck der Verhängung einer Maßregel - nämlich das Sicherungsbedürfnis der staatlichen Gemeinschaft - sowie der wachsende Belegungsdruck im Maßregelvollzug in den Blick zu nehmen. Nach der Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf sollte gerade bei ausreisepflichtigen Ausländern die Möglichkeit eröffnet werden, von einer Unterbringung gemäß § 64 StGB Abstand zu nehmen (vgl. BT-Drucks 16/5137 S.10). Dies gelte insbesondere dann, wenn noch erhebliche sprachliche Verständigungsprobleme hinzukommen (vgl. BT-Drucks 16/5137 S.10).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Kammer hat angesichts der Besonderheiten in der Person des Angeklagten von der Anordnung der Maßregel abgesehen, weil ihrer Auffassung nach unter Würdigung der Gesamtheit aller Umstände der Sinn und Zweck der Maßregel hier nicht erreicht werden kann.

Im Einzelnen:

Der Angeklagte ist unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten ausreisepflichtig, da er nach einem abgelehnten Asylantrag unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.

Zudem würde dem Angeklagten - auch bei Bestehen eines Aufenthaltstitels - die Abschiebung drohen. Außerdem hat die Vertreterin der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptverhandlung mehrfach daraufhin hingewiesen, dass - entsprechend der gängigen Praxis - auch in strafprozessualer Hinsicht nach Verbüßen von Halb- oder Zweidrittelstrafe mit der Abschiebung des Angeklagten zu rechnen sei.

Im Hinblick auf die bereits vollstreckte und anzurechnende Untersuchungshaft von mittlerweile sechs Monaten und die vorstehenden Gesichtspunkte betreffend die ausländerrechtlichen Besonderheiten ist der Zweck der Maßregel, die nach Angabe des Sachverständigen C1 jedenfalls zwei Jahre dauern müsste, ungeachtet der aufgezeigten sprachlichen Barrieren, die auch zu einem geänderten Therapiekonzept führen würden, nicht zu erreichen.

Zudem besteht die naheliegende Möglichkeit, dass der Angeklagte nach Vollstreckung nach Italien ausgeliefert wird, da während der Untersuchungshaft in Deutschland insgesamt vier europäische Haftbefehle aus Italien betreffend eine Auslieferung vorliegen. Auch dieser Gesichtspunkt - die mögliche Auslieferung zum Zwecke der Verbüßung einer Strafhaft nach durchgeführter Maßregel - würde den Erfolg einer Maßregel ernsthaft gefährden. Diesem Umstand soll im "Normalfall" der Anordnung einer hohen Freiheitsstrafe neben der Maßregel nach dem gesetzgeberischen Willen gerade mit der Möglichkeit der Anordnung des Vorwegvollzugs Rechnung getragen werden, was in diesem Fall nicht möglich wäre.

VII.Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

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