VG Köln, Urteil vom 02.11.2020 - 22 K 2379/20
Fundstelle
openJur 2020, 78994
  • Rkr:
Tenor

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. April 2020 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Zahlung von Gebühren für die Außerbetriebsetzung eines Kraftfahrzeugs.

Am 6. März 2020 ging beim Beklagten die Mitteilung der E. B1. W. -B2. ein, dass der Versicherungsschutz für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen 00-00 0000, dessen Halter der Kläger ist, seit dem 21. Februar 2020 erloschen sei. Mit Ordnungsverfügung vom 9. März 2020, dem Kläger am 11. März 2020 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt, untersagte der Beklagte mit sofortiger Wirkung den weiteren Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr (Ziffer 1). Gleichzeitig forderte er den Kläger auf, unverzüglich nach Zustellung der Ordnungsverfügung die Kennzeichenschilder zur Entstempelung sowie den Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung Teil I) zur Entwertung vorzulegen (Ziffer 2). Ziffer 4 der Ordnungsverfügung wies folgenden Wortlaut auf:

"Sollten Sie meiner Aufforderung nicht unverzüglich (vgl. Nr. 2) nachkommen, ordne ich an, das oben genannte Fahrzeug auf Ihre Kosten durch meinen Außendienst zwangsweise außer Betrieb zu setzen."

Am 17. März 2020 beauftragte der Beklagte seinen Außendienst mit der zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs. Zugleich leitete der Beklagte die polizeiliche Fahndung ein. Der Außendienst führte am 3. und am 9. April 2020 jeweils einen Hausbesuch durch. Weder der Kläger noch das Fahrzeug konnten angetroffen werden. Am 15. April 2020 wurde das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 28. April 2020, dem Kläger am 30. April 2020 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt, Gebühren für die durchgeführten Maßnahmen in Höhe von insgesamt 208,54 Euro fest, wobei sich diese Gebühr wie folgt zusammensetzt:

Gebühren-Nr.

Gebührenbezeichnung

Summe

254

Ordnungsverfügung

36,00 €

254

Auftrag Außendienst

26,00 €

254

Einleitung Fahndung

15,00 €

§ 2 Ziff. 4

Postzustellungsurkunde

6,24 €

§ 2 Abs. 1

Auslagenersatz Außendienst

5,10 €

254

Vor- und Abschlussarbeiten Außendienst

20,00 €

398

Androhung Zwangsmittel OV

10,20 €

254

2 Besuche Außendienst (je Besuch 45,00 €)

90,00 €

Rechnungsbetrag:

208,54 €

Zur Begründung nimmt er u.a. Bezug auf die Dienstanweisung des Beklagten über die Festsetzung von Verwaltungsgebühren zu den Rahmengebühren gemäß Anlage 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Darüber hinaus führte er aus, dass die Gebühren-Nr. 254 GebOSt einen Rahmen von 14,30 € bis 286,00 € vorsehe. In Ausübung des ihm zustehenden Ermessens habe er den entstandenen Verwaltungsaufwand danach bewertet, ob sich die Amtshandlung als einfach, durchschnittlich oder aufwändig darstelle. Im vorliegenden Fall handele es sich um einen durchschnittlichen Fall. Dieser bestehe aus dem Erlass einer Ordnungsverfügung, der Beauftragung des Außendienstes, der Einleitung der polizeilichen Fahndung, ein bis zwei Außendienstbesuchen sowie Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten.

Der Kläger hat am 16. Mai 2020 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Zwar treffe es zu, dass es seine Pflicht gewesen sei, sein Fahrzeug abzumelden, da die Versicherung erloschen sei. Allerdings sei ihm dies nicht möglich gewesen. Wegen der Corona-Pandemie seien sämtliche Kfz-Zulassungsstellen in C. und I1. geschlossen gewesen. Er habe das Fahrzeug daher nicht bewegt und auf die erste Möglichkeit gewartet, das Fahrzeug abzumelden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. April 2020 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Gebührenbescheid sei dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig. Zwar habe der Amtsbetrieb unter den pandemiebedingten Einschränkungen nur unter erschwerten Bedingungen erfolgen können. Jedoch habe es stets eine Anlaufstelle für dringende Anliegen und umzusetzende Maßnahmen gegeben. So seien beide Zulassungsstellen bis einschließlich 16. März 2020 geöffnet gewesen. Am 17. und 18. März 2020 sei nur die Zulassungsstelle I1. geöffnet gewesen. Am 19. und 20. März 2020 seien beide Zulassungsstellen geschlossen, aber per E-Mail erreichbar gewesen. Ab dem 23. März 2020 seien beide Zulassungsstellen dann wieder für Notfälle geöffnet gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Die Klage ist begründet.

Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. April 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Gebührenbescheid ist zunächst insoweit rechtswidrig, als darin Gebühren für die Androhung eines Zwangsmittels in Höhe von 10,20 € auf der Grundlage der Tarifstelle Nr. 398 der Anlage 1 zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) vom 25. Januar 2011 (BGBll. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528) geändert worden ist, festgesetzt werden. Die Festsetzung verstößt insoweit gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Gebühren und Auslagen des Bundes (Bundesgebührengesetz - BGebG) vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 417) geändert worden ist. Nach dieser Vorschrift werden Gebühren, die bei richtiger Behandlung der Sache durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die Gebührenfestsetzung setzt somit die Rechtmäßigkeit der betreffenden Amtshandlung, hier der Zwangsmittelandrohung in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. März 2020, voraus. Der Rechtmäßigkeit der betreffenden Amtshandlung steht indes deren Bestandskraft grundsätzlich gleich. Die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung kann jedoch auch trotz ihrer rechtlichen Unangreifbarkeit von Bedeutung sein, wenn die Verwaltung das materielle Recht offensichtlich und eindeutig verkannt hat.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 14. Juli 2014 - 9 E 289/14 - juris, Rn. 6 ff., m. w. N.

So liegt der Fall hier. Da der Kläger die ihm am 11. März 2020 zugestellte Ordnungsverfügung vom 9. März 2020 nicht mit Rechtsmitteln angegriffen hat, ist diese insgesamt mit Ablauf des 14. April 2020 (der 11. April 2020 fiel auf Ostersamstag, so dass der nächste Werktag der darauffolgende Dienstag war) in Bestandskraft erwachsen. Die Zwangsmittelandrohung stellt sich jedoch wegen Verstoßes gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW als offensichtlich rechtswidrig und damit zugleich als nichtig im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG NRW dar.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz VwVG NRW ist dem Betroffenen in der Androhung des Zwangsmittels zur Erfüllung der Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen. Daran fehlt es hier. Die mit "unverzüglich" gesetzte Frist ist im Hinblick auf die Zwangsmittelandrohung nicht ausreichend bestimmt. Es ist mit diesem Begriff kein genauer Zeitpunkt für die Pflichterfüllung der Anordnung gesetzt. Der Ablauf einer mit "unverzüglich" bestimmten Frist lässt sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt fixieren. Das gilt auch in Ansehung der gesetzlichen Definition in § 121 Abs. 1 BGB. Danach wird der Begriff "unverzüglich" legaldefiniert als "ohne schuldhaftes Zögern". Diese Legaldefinition vermag das Ende der gesetzten Frist jedoch ebenfalls nicht zu bestimmen. Insbesondere das Ende der eingeräumten Frist ist wegen des zu beachtenden Verschuldensaspekts nicht im Vorhinein bestimmbar, sondern vielmehr vom Verhalten des Betroffenen abhängig. Der Betroffene vermag nicht zu erkennen, ab wann mit Vollstreckungsmaßnahmen zu rechnen ist. Der Zweck der Fristbestimmung nach § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, den Betroffenen verbindlich wissen zu lassen, bis zu welchem Termin er seiner Handlungspflicht nachkommen muss, kann in diesem Fall nicht erreicht werden.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Januar 2012 - 16 L1319/11 -, juris, Rn. 30, unter Verweis u.a. auf OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 1991 - 4 B 3581/90 -, juris, Rn. 14.

Eine Fristsetzung auf "sofort" ist vom Beklagten ersichtlich nicht erfolgt und ausweislich der Klageerwiderung auch nicht gewollt. Vielmehr geht aus den Ausführungen des Beklagten - regelmäßig - hervor, dass dem Betroffenen einer zwangsweisen Außerbetriebsetzung wegen fehlenden Versicherungsschutzes zur Vorlage der Kennzeichenschilder und des Fahrzeugscheins (Nr. 2 der Ordnungsverfügung) eine Frist von drei Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Ordnungsverfügung zugedacht wird. In den Verfügungen, insbesondere in den Zwangsmittelandrohungen des Beklagten hat dies jedoch bislang keinen Niederschlag gefunden.

Das Fehlen einer hinreichend bestimmten Frist stellt einen schwerwiegenden und auch offensichtlichen Fehler im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG NRW dar, der zur Nichtigkeit der Zwangsmittelandrohung führt. Denn die Gesetzeslage lässt ein Absehen von einer Fristsetzung nur dann zu, wenn eine Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll. Dies ist bei Ziffer 4 der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. März 2020 jedoch offenkundig nicht der Fall.

Die Nichtigkeit der Zwangsmittelandrohung hat zugleich zur Folge, dass sich der angefochtene Gebührenbescheid auch insoweit als rechtswidrig erweist, als darin Gebühren für zwei Außendienstbesuche in Höhe von 90,- € sowie für Vor- und Abschlussarbeiten des Außendienstes in Höhe von 20,- € auf der Grundlage der Tarifstelle Nr. 254 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt festgesetzt werden. Die Gebührenfestsetzung verstößt auch insoweit gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 BGebG. Denn mangels Zwangsmittelandrohung stellen sich auch die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen, hier die Außendienstbesuche sowie die hierfür erforderlichen Vor- und Abschlussarbeiten, als rechtswidrig dar. Darüber hinaus erweisen sich diese Vollstreckungsmaßnahmen auch deshalb als rechtswidrig, da es hier an einer Festsetzung der angedrohten Zwangsmittel gemäß § 64 VwVG NRW fehlte.

Die abgegoltenen Vollstreckungsmaßnahmen stellen sich auch nicht mit Blick auf § 55 Abs. 2 VwVG NRW als rechtmäßig dar. Nach dieser Vorschrift kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Insbesondere waren die Vollstreckungsmaßnahmen hier nicht zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig.

Die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, wenn die Verkehrsbehörde vom Erlöschen des Versicherungsschutzes für ein bei ihr zugelassenes Fahrzeug erfährt, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beantworten. Zwangsmaßnahmen bedeuten einen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des Halters. Die möglichen Verkehrsopfer genießen allerdings innerhalb des ersten Monats, nachdem der Versicherer der zuständigen Stelle das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses angezeigt hat (§ 117 Abs. 2 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz - VVG), weiter Versicherungsschutz. Der den zuständigen Behörden zur Verfügung stehende Zeitraum, in dem die Stilllegung des fraglichen Fahrzeugs erreicht werden sollte, ist mit einem Monat zwar knapp bemessen, so dass zügiges ordnungsbehördliches Handeln geboten ist. Insbesondere sind die Behörden vor diesem Hintergrund nicht gehalten, nach Eingang der Mitteilung des Versicherers weitere Nachforschungen anzustellen, um die Richtigkeit der Meldung zu überprüfen.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 3 C 3/15 -, juris, Rn. 34.

Andererseits kommt angesichts des den Behörden zur Verfügung stehenden Zeitraums von einem Monat die sofortige zwangsweise Außerbetriebsetzung eines nicht versicherten Fahrzeuges nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht, denn eine "gegenwärtige Gefahr" im Sinne von § 55 Abs. 2 VwVG NRW dürfte hier regelmäßig zu verneinen sein. Daher ist es grundsätzlich geboten, den Halter zunächst unter Androhung des Verwaltungszwanges aufzufordern, binnen einer knapp zu bemessenden Frist eine neue gültige Versicherungsbestätigung einzureichen oder seiner Pflicht aus § 25 Abs. 3 FZV nachzukommen und den Fahrzeugschein abzuliefern sowie das Kennzeichen entstempeln zu lassen.

Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 28. November 2014 - 6 K 5643/13 -, juris, Rn. 50 f. mit Verweis auf BGH, Urteil vom 2. Juli 1981 - III ZR 63/80 -, juris, Rn. 19.

So liegt der Fall auch hier. Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise eine Vollstreckung im Wege des Sofortvollzugs nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW verhältnismäßig gewesen wäre, sind nicht gegeben. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse spricht vielmehr dagegen. So ging hier die Anzeige der Versicherung beim zuständigen Straßenverkehrsamt des Beklagten am 6. März 2020 ein. Die Stilllegungsverfügung wurde unter dem 9. März 2020 und damit drei Tage später erlassen. Die Beauftragung des Außendienstes sowie die Ausschreibung des Fahrzeugs zur Fahndung erfolgten dann weitere acht Tage später am 17. März 2020. Dementsprechend hat hier der Beklagte richtigerweise das gestreckte Verfahren gewählt, wobei vor Beauftragung des Außendienstes noch die förmliche Festsetzung des angedrohten Zwangsmittels gemäß § 64 VwVG NRW erforderlich und ohne weiteres auch möglich gewesen wäre. Ein "Wechsel" in den Sofortvollzug nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW war hier vom Beklagten weder gewollt, noch wäre dieser rechtmäßig gewesen.

Der angefochtene Gebührenbescheid erweist sich ferner auch insoweit als rechtswidrig, als darin Gebühren für den Erlass der Ordnungsverfügung vom 9. März 2020 in Höhe von 36,- €, für die Beauftragung des Außendienstes in Höhe von 26,- € sowie für die Einleitung der Fahndung in Höhe von 15,- € jeweils auf der Grundlage der Tarifstelle Nr. 254 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt festgesetzt werden.

Zwar ist die Gebührenfestsetzung insoweit dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Sie beruht zutreffenderweise auf § 6a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt. Auch kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass die Kfz-Zulassungsstellen des Beklagten nicht erreichbar gewesen wären. Dem Kläger ist die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9. März 2020 am 11. März 2020 zugestellt worden. Die Kfz-Zulassungsstellen waren bis einschließlich 16. März 2020 geöffnet. Angesichts der Tatsache, dass dem Kläger in der Ordnungsverfügung aufgegeben wurde, "unverzüglich nach Zustellung dieser Verfügung" die Kennzeichenschilder entstempeln zu lassen und den Fahrzeugschein abzuliefern, bestand zwischen dem 11. und dem 16. März 2020 ausreichend Zeit, diesen Handlungspflichten nachzukommen. Dass dem Kläger dies in dem genannten Zeitraum nicht möglich gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Gebührenfestsetzung erweist sich jedoch der Höhe nach als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Die Tarifstelle Nr. 254 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt eröffnet dem Beklagten ein Rahmenermessen, soweit darin ein Gebührenrahmen von 14,30 € bis 286,- € vorgesehen ist. Die Ausübung des Rahmenermessens ist immer dann notwendig, wenn - wie hier - nicht lediglich die Mindestgebühr festgesetzt wird.

OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2017 - 9 E 197/17 -, juris, Rn. 8; Beschluss vom 12. April 2017 - 9 B 384/17 -, juris, Rn. 7, und Beschluss vom 12. April 2019 - 16 E 322/18 -, juris, Rn. 4, jeweils m. w. N.

Die Behörde kann dieses Rahmenermessen einzelfallbezogen oder typisierend durch den Erlass von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ausüben. Das Gericht hat jeweils nur zu prüfen, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt worden ist, oder ob es dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt worden ist und ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet worden sind (§ 114 Satz 1 VwGO).

Im vorliegenden Fall stellt sich die Ermessensausübung als fehlerhaft dar.

Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte - wie hier - eine vorweggenommene Ermessensausübung vornimmt, indem bestimmte Maßnahmen regelmäßig in Anlehnung an den mit ihnen verbundenen Aufwand einer bestimmten Gebührenhöhe zugeordnet werden. Dabei ist es der Gebühren erhebenden Behörde nicht verwehrt, zur Verwaltungsvereinfachung pauschalierend bestimmte Gebührenstufen zu bestimmen, solange eine hinreichende Differenzierung möglich ist. In Ausübung ihres Rahmenermessens hat sie - so die Rechtsprechung des OVG NRW - die vom Gebührentatbestand erfassten Amtshandlungen innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens als einfache, mittlere oder aufwändige Fälle einzuordnen. Dabei soll, wenn der Verordnungsgeber nichts Abweichendes bestimmt, die Rahmenmitte - wenn auch nicht rechnerisch exakt - in etwa den Verwaltungsaufwand in einem Fall mittlerer Art abbilden.

OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2017 - 9 A 2655/13 -, juris, Rn. 91, 108; Beschluss vom 24. März 2017 - 9 E 197/17 -, juris, Rn. 10; Beschluss vom 12. April 2019 - 16 E 322/18 -, juris, Rn. 4.

Vorliegend hat der Beklagte - unter Berücksichtigung der nach seiner Dienstanweisung zur Tarifstelle Nr. 254 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt in der Fassung vom 1. Januar 2019 ab dem 15. April 2019 geltenden Regelsätze - eine Zuordnung von einfachen, durchschnittlichen und aufwendigen Fällen zu einer unteren, mittleren und oberen Gebühr vorgenommen. Dies geht aus den Ausführungen auf Seite 2 des Kostenbescheides hervor, die aufgrund der formularmäßigen Darstellung erkennen lassen, dass in Ausübung des Rahmenermessens im Regelfall eine Zuordnung anhand der dort aufgeführten Fallgruppen vorgenommen werden soll. Jedoch hat der Beklagte im Rahmen seiner damit vorweggenommenen Ermessensausübung bei der Bildung der Fallgruppen ermessensfehlerhaft den Gebührenrahmen im unteren Bereich nicht hinreichend ausgeschöpft. Denn aufgrund der gewählten Formulierung für den einfachen Fall ist dieser dahingehend zu verstehen, dass er stets den Erlass einer Ordnungsverfügung, die Beauftragung des Außendienstes sowie die Einleitung der polizeilichen Fahndung umfasst (so Sätze 1 und 3 zu Fall I). Dies hat zur Folge, dass die einfache Gebühr immer erst bei 77,- € und damit bei rund 28,35 % des insgesamt zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens einsetzt. Wegen dieser eindeutigen Formulierung kann auch in Ansehung des Satzes 2 zu Fall I nicht angenommen werden, dass insoweit eine denkbare Gebührenspanne von beispielsweise 36,- € bis zu 77,- € bestimmt worden ist. Damit wurde hier mehr als ein Viertel des vorgegebenen Gebührenrahmens nicht ausgeschöpft.

Diese weitgehende Außerachtlassung des unteren Segments des Gebührenrahmens stellt einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip dar.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 7. Februar 2018 - 23 K 7439/15 -, juris, Rn. 25, zu einer fehlenden Abbildung der unteren 31 % des Gebührenrahmens der Tarifstelle Nr. 206 GebOSt.

Da hier eine vorweggenommene Ermessensausübung in Rede steht, kommt eine nachträgliche Heilung des Mangels nicht in Betracht.

Da sich die Gebührenfestsetzung in Bezug auf die Tarifstellen Nr. 254 und 398 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt als rechtswidrig erweisen, kann auch die Festsetzung der Auslagen nach § 2 GebOSt keinen Bestand haben.

Der angefochtene Gebührenbescheid war nach allem insgesamt aufzuheben. Zwar wirkt sich insbesondere der vorstehend festgestellte Ermessensfehler nicht auf die Mindestgebühr in Höhe von 14,30 € aus, so dass dem Kläger ein Aufhebungsanspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich nur insoweit zusteht, als der Gebührenbescheid des Beklagten mehr als 14,30 € festsetzt, denn nur insoweit ist der Kläger in seinen Rechten verletzt.

Vgl. in diesem Sinne etwa das obiter dictum im Urteil des OVG NRW vom 14. Februar 2017 - 9 A 2655/13 -, juris, Rn. 108.

Allerdings wäre eine Gebührenfestsetzung lediglich in Höhe der Mindestgebühr objektiv rechtswidrig, da der Beklagte nicht zuletzt aus rechtsstaatlichen Gründen gehalten ist, Gebühren zu erheben, wenn die Voraussetzungen eines Gebührentatbestandes erfüllt sind. Ein Absehen von einer Gebührenerhebung ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig. Würde das Gericht somit den Gebührenbescheid nur teilweise aufheben, würde es dem Beklagten einen objektiv rechtswidrigen Rest-Gebührenbescheid gleichsam "aufdrängen". Dies erscheint dem Gericht weder aus Gründen der Praktikabilität noch aus sonstigen Gründen geboten. Im Gegenteil erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vorzugswürdig, dass der Beklagte die Gelegenheit erhält, die Gebühr unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gerichts insgesamt von neuem festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

Ferner ergeht der

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

208,54 €

festgesetzt.

Gründe:

Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.