VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.11.2020 - 9 S 2421/20
Fundstelle
openJur 2020, 78907
  • Rkr:

1. Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 (Kontrollverordnung) dürfte im Falle der Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB keine Anwendung finden.

2. In Anlehnung an die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB dürfte eine unverzügliche Information der Öffentlichkeit im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB ein behördliches Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" voraussetzen. Dabei dürfte der zuständigen Behörde eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen sein.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.07.2020 - 10 K 2331/20 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen, welche anlässlich einer Betriebskontrolle in ihrer Filiale in D. von Bediensteten des Antragsgegners am 06.05.2020 festgestellt wurden. Sämtliche beanstandeten Lebensmittel wurden noch während der Kontrolle freiwillig entsorgt.

Mit Schreiben vom 26.05.2020 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu der gemäß § 40 Abs.1a Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB - beabsichtigten Veröffentlichung der festgestellten Verstöße im Internet an und räumte eine Frist zur Stellungnahme bis 10.06.2020 ein. Am 10.06.2020 beantragte die Antragstellerin Akteneinsicht und bat um Fristverlängerung, die bis 29.06.2020 gewährt wurde. Mit Schreiben vom 29.06.2020 nahm die Antragstellerin Stellung. Daraufhin kündigte der Antragsgegner unter dem 01.07.2020 an, die Veröffentlichung frühestens am 14.07.2020 vorzunehmen. Am 13.07.2020 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Am 14.07.2020 hat der Antragsgegner dem Verwaltungsgericht fernmündlich mitgeteilt, dass eine Veröffentlichung während des anhängigen Eilverfahrens nicht erfolgen werde. Mit Beschluss vom 30.07.2020 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner gemäß § 123 VwGO im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die Ergebnisse der Betriebskontrolle der Filiale der Antragstellerin in D. vom 06.05.2020 zu veröffentlichen, ganz überwiegend abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthafte sowie fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO) Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern sein soll und auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin zu Unrecht überwiegend abgelehnt hat (grundsätzlich zum vorläufigen Rechtsschutz in diesen Fällen vgl. die Senatsbeschlüsse vom 21.05.2019 - 9 S 584/19 - und vom 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, beide juris).

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe weit überwiegend keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, begegnet auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens keinen rechtlichen Bedenken.

1. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Antragstellerin (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9.11 -, BVerwGE 141, 329; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.11.2006 - 1 S 2321/05 -, VBlBW 2007, 340; Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 - 9 S 2637/19 -, juris, vom 21.05.2019 und vom 28.01.2013, jeweils a. a. O.). Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff in dieses Grundrecht darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2012, a. a. O.).

Als den Eingriff rechtfertigende Befugnisnorm kommt allein § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs vom 23.04.2019 (BGBl. I S. 498) in Betracht, der in dem hier gegenständlichen Anwendungsbereich nicht wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 28.11.2019 - 9 S 2662/19 -, juris).

Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

2. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht entschieden, die unmittelbar bevorstehende Information der Öffentlichkeit durch Veröffentlichung von Betriebsbezeichnung, Anschrift, Feststellungstag, Sachverhalt/Grund der Beanstandung, Rechtsgrundlage sowie Hinweisen zur Mängelbeseitigung auf der Internetseite www.verbraucherinfobw.de erweise sich aller Voraussicht nach weit überwiegend als rechtmäßig.

a) Die geplante Veröffentlichung sei wohl verfahrensfehlerfrei erfolgt. Die nach § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB vor Veröffentlichung der Informationen erforderliche Anhörung der Antragstellerin habe mit Schreiben vom 26.05.2020 und unter Fristsetzung bis zum 10.06.2020 stattgefunden. Darüber hinaus stehe dem betroffenen Unternehmer nach Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 seit dem 14.12.2019 unter bestimmten Voraussetzungen zwar ein Kommentierungsrecht zu. Diese Voraussetzungen lägen im Falle der gebundenen Entscheidung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB aber wohl nicht vor. Dessen ungeachtet dürfte ein Verstoß gegen die unionsrechtlichen Verfahrensvorgaben nach § 46 LVwVfG unbeachtlich sein. Art. 8 Abs. 5 Buchst. b VO (EU) 2017/625 verlange, dass die veröffentlichten oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich gemachten Informationen die Bemerkungen des betroffenen Unternehmers berücksichtigten oder mit diesen zusammen veröffentlicht oder freigegeben würden. Es könne offen bleiben, ob der Betroffene auf dieses Recht im Rahmen seiner Anhörung hinzuweisen sei. Denn der vermeintliche Verfahrensfehler, dass der Antragsgegner der Antragstellerin nur allgemein Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe, sei gemäß § 46 LVwVfG unbeachtlich, weil er die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst habe. Denn die Antragstellerin habe in Kenntnis des Gewährleistungsgehalts des Art. 8 Abs. 5 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 - auf den sie sich selbst berufe - keine Bemerkungen angebracht, die nicht bereits von dem Antragsgegner berücksichtigt worden seien. Insbesondere enthalte die geplante Veröffentlichung einen Hinweis darauf, dass die beanstandeten Lebensmittel bereits während der Kontrolle am 06.05.2020 freiwillig entsorgt worden seien.

b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht dürfte die wegen des hinreichend begründeten Verdachts wiederholter Verstöße gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 b) VO (EU) 178/2002 geplante Veröffentlichung weit überwiegend keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Insbesondere dürfte die geplante Information der Öffentlichkeit auch unverzüglich sein. Nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB sei ab dem Zeitpunkt eines hinreichend begründeten Verdachts eine Veröffentlichung unverzüglich vorzunehmen. Hier liege kein zu großer Zeitraum zwischen der Beanstandung und der intendierten Veröffentlichung. Der Antragsgegner habe am Tag der Betriebskontrolle am 06.05.2020 von dem Kontrollergebnis Kenntnis erlangt. Bereits mit Schreiben vom 26.05.2020 habe er die Antragstellerin zu der beabsichtigten Veröffentlichung der festgestellten Verstöße im Internet angehört. Die im Weiteren eingetretene zeitliche Verzögerung der Veröffentlichung liege zunächst allein in der Sphäre der Antragstellerin, die die gewährten Fristen mindestens ausgeschöpft und dabei durch ihr Ersuchen um Akteneinsicht eine Verlängerung der Stellungnahmefrist vom 10.06.2020 bis zum 29.06.2020 erwirkt habe. Der insoweit verstrichene Zeitraum von knapp drei Wochen sei im Hinblick auf die Frage der Unverzüglichkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zugunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen. Anderenfalls hätte es das betroffene Unternehmen in der Hand, die Veröffentlichung durch ein verfahrensangepasstes Verhalten zu verhindern. Ohne die gewährte Fristverlängerung wäre eine Veröffentlichung ab dem 10.06.2020 möglich gewesen. Da seit der erstmaligen Kenntnis des Kontrollergebnisses und des ursprünglich erwartbaren Veröffentlichungszeitpunkts nur ein guter Monat verstrichen sei, wäre Unverzüglichkeit gegeben gewesen.

Dies gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren zeitlichen Verzögerung ab Eingang der Stellungnahme der Antragstellerin bei dem Antragsgegner am 30.06.2020 bis zur Beschlussfassung des Gerichts. Diese zuletzt eingetretene Verzögerung sei maßgeblich der Zurückstellung der Veröffentlichung durch den Antragsgegner geschuldet, die angesichts des angekündigten bzw. laufenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgt sei. Sofern dieser bis zur - nicht rechtskräftigen - Beschlussfassung des Gerichts verstrichene weitere Monat bei der Feststellung der Unverzüglichkeit der Veröffentlichung überhaupt zu berücksichtigen sei, lägen zwischen der Kenntnis des Kontrollergebnisses und der Veröffentlichung ein berücksichtigungsfähiger Zeitraum von ungefähr zwei Monaten. Auch der Ablauf dieses Zeitraums stelle die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung und damit deren Verhältnismäßigkeit nicht in Frage. Nichts anderes folge schließlich aus dem Umstand, dass die der geplanten Veröffentlichung zugrunde liegenden Mängel bereits abgestellt worden seien.

3. Die Beschwerde wendet sich allein gegen die Annahmen des Verwaltungsgerichts, der Antragstellerin stehe kein Kommentierungsrecht nach Art. 8 Abs. 5 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 zu bzw. dessen Verletzung sei unbeachtlich (im Folgenden unter a) und die geplante Information der Öffentlichkeit sei im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB unverzüglich erfolgt (in Folgenden unter b). Beide Angriffe bleiben ohne Erfolg.

a) Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 dürfte der beabsichtigten Veröffentlichung nicht entgegenstehen. Nach dieser Vorschrift hindern die Verschwiegenheitspflichten gemäß diesem Artikel die zuständigen Behörden nicht daran, Informationen über das Ergebnis amtlicher Kontrollen, die einzelne Unternehmer betreffen, unbeschadet der Fälle, in denen die Verbreitung nach Unions- oder nationalem Recht erforderlich ist, unter folgenden Bedingungen zu veröffentlichen oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich zu machen:

a) Der betreffende Unternehmer erhält Gelegenheit, sich vor der Veröffentlichung oder Freigabe zu den Informationen zu äußern, die die zuständige Behörde veröffentlichen oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich machen möchte, wobei der Dringlichkeit der Lage Rechnung zu tragen ist und

b) die veröffentlichten oder der Öffentlichkeit auf anderem Weg zugänglich gemachten Informationen berücksichtigen die Bemerkungen des betroffenen Unternehmers oder werden mit diesen zusammen veröffentlicht oder freigegeben.

Nach diesen am 14.12.2019 (vgl. Art. 167 Abs. 1 VO (EU) 2017/625) in Kraft getretenen Vorgaben der "neuen" Kontrollverordnung wird den zuständigen Behörden - unbeschadet ihrer grundsätzlichen Verschwiegenheitspflichten - unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit eingeräumt, über das Ergebnis amtlicher Kontrollen einzelner Unternehmer zu informieren. Dabei kann dahinstehen, wie die in Buchst. b) formulierte Bedingung (Verpflichtung, die Bemerkungen des betroffenen Unternehmers "zu berücksichtigen" oder mit den Informationen zusammen zu veröffentlichen oder freizugeben) im Einzelnen zu verstehen ist (vgl. hierzu Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: März 2020, Art. 8 VO (EU) 2017/625 Rn. 31). Auch kann offen bleiben, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Antragstellerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Kenntnis des Gewährleistungsgehalts des Art. 8 Abs. 5 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 keine Bemerkungen angebracht hat, die nicht bereits von dem Antragsgegner berücksichtigt worden sind. Denn nach dem klaren Wortlaut der Regelung dürften die einschränkenden Bedingungen keine Geltung beanspruchen in Fällen, in denen die Verbreitung nach Unions- oder nationalem Recht erforderlich ist ("required by Union or national legislation", "exigée par la législation de l’Union ou la législation nationale"). Nach "nationalem Recht erforderlich" ist die Verbreitung der Informationen, wenn sie nicht im Ermessen der Behörde steht, sondern bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend vorgeschrieben ist (vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 04.08.2020 - 20 CE 20.719 -, juris und vom 15.04.2020 - 5 CS 19.2087 -, juris; VG Würzburg, Beschluss vom 28.01.2020 - W 8 E 19.1669 -, juris; Rathke, a.a.O., Art. 8 VO (EU) 2017/625 Rn. 9, 21; a.A. offenbar Roffael, LMuR 2020, 183, 184). Zwar macht die Antragstellerin insoweit geltend, mit Rücksicht auf die "äußerst belastende Natur" einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB dürften die verfahrensrechtlichen Anforderungen hinter den Anforderungen für Fälle, in denen der Behörde ein Ermessen eingeräumt sei, nicht zurückstehen. Dieser Einwand verfängt indes nicht. Die Antragstellerin verkennt, dass der Verordnungsgeber ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 31 der VO (EU) 2017/625 die Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Unternehmer und damit die Intensität der in einer Veröffentlichung liegenden Belastung konkret in den Blick genommen, gleichwohl aber die Fälle einer nach nationalem Recht erforderlichen Informationsweitergabe von den einschränkenden Bedingungen des Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 explizit ausgenommen und damit den Mitgliedstaaten eigene Regelungsmöglichkeiten eröffnet hat (vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.08.2020, a.a.O.).

Dass § 40 Abs. 1a LFGB eine zwingende Pflicht zur Veröffentlichung vorsieht, hat der Senat bereits entschieden (vgl. den Beschluss vom 28.01.2013 - 9 S 2423/12 -, juris). Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der im Normtext wie in den Materialien Ausdruck findet, muss bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Veröffentlichung erfolgen, ohne dass - etwa im Rahmen einer behördlichen Ermessensentscheidung - die für sie streitenden Interessen der Öffentlichkeit mit gegenläufigen Belangen der betroffenen Unternehmen abzuwägen sind (vgl. die amtliche Begründung BT-Drucks. 17/7374, S. 20; ähnlich S. 12; Senatsbeschluss vom 28.01.2013, a.a.O.; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 04.08.2020, a.a.O.; Rathke, a.a.O., § 40 LFGB Rn. 2d, 81, 119; Boch, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 8. Online-Aufl. 2019, § 40 LFGB Rn. 49, 57; Meisterernst, Lebensmittelrecht 2019, § 4 Rn. 101).

Mithin dürften die eine behördliche Informationsweitergabe einschränkenden Bedingungen des Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 auf die hier gegenständliche Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB nicht anwendbar sein. Auf die weitere Frage, ob ein etwaiger Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 jedenfalls nach § 46 LVwVfG unbeachtlich wäre, kommt es danach nicht an.

b) Die Antragstellerin wendet sich ferner gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die geplante Information der Öffentlichkeit dürfte unverzüglich sein. Bereits am Tag der Betriebskontrolle am 06.05.2020 habe der Antragsgegner von dem Kontrollergebnis Kenntnis erlangt. Dass er sie erst 20 Tage später, nämlich mit Schreiben vom 26.05.2020, hinsichtlich der geplanten Veröffentlichung angehört habe, könne nicht nachvollzogen werden. Der Antragsgegner müsse schnellstmöglich prüfen, ob die Voraussetzungen einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB vorliegen, und er müsse schnellstmöglich die notwendige Anhörung des betroffenen Lebensmittelunternehmers in die Wege leiten. Dies sei nicht geschehen. Mit diesem Einwand dringt die Antragstellerin nicht durch.

Die Antragstellerin nimmt schon nicht hinreichend in den Blick, dass das Gesetz keine "schnellstmögliche", sondern (lediglich) eine unverzügliche Information fordert. Die Vorgabe, dass die Information der Öffentlichkeit "unverzüglich" zu erfolgen hat, hat durch Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches vom 24.04.2019 (BGBl. I S. 498) mit Wirkung ab dem 30.04.2019 Eingang in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB gefunden. In der Gesetzesbegründung wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 -, mit dem das Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber aufgegeben hat, die Dauer der zulässigen Veröffentlichung zu begrenzen. Hier hat das Bundesverfassungsgericht zum zeitlichen Abstand zwischen dem lebens- oder futtermittelrechtlichen Verstoß und der Veröffentlichung ausgeführt: "Je weiter der Verstoß zeitlich entfernt ist, desto geringer ist auf der einen Seite noch der objektive Informationswert seiner Verbreitung, weil sich vom Verstoß in der Vergangenheit objektiv immer weniger auf die aktuelle Situation des betroffenen Unternehmens schließen lässt." (vgl. juris, Rn. 58). Diese Erwägung wird in der Gesetzesbegründung zur Aufnahme des Begriffs "unverzüglich" in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB aufgegriffen und es wird weiter ausgeführt: "Mit der Ergänzung werden die zuständigen Vollzugsbehörden verpflichtet, nach der abschließenden Ermittlung des Sachverhalts die erforderliche Veröffentlichung ohne Zeitverzug vorzunehmen. Verzögerungen von zum Teil mehreren Monaten zwischen der Feststellung von Verstößen und einer Veröffentlichung, wie in der Vergangenheit teilweise erfolgt, sind im Sinne der Verbraucherinformation nicht zweckdienlich" (vgl. BT-Drs. 19/8349, S. 19).

Vor diesem Hintergrund bezweckt der Gesetzgeber mit dem tatbestandlichen Merkmal der Unverzüglichkeit, einen möglichst geringen zeitlichen Abstand der Veröffentlichung der Information zu dem die Informationspflicht auslösenden Rechtsverstoß und dadurch eine hinreichende Aktualität zu gewährleisten (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 28.08.2019 - 7 B 2221/19 -, juris Rn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.12.2019 - 5 L 3285/19.F -, juris Rn. 33; VG München, Beschluss vom 19.052020 - M 26 E 20.1579 -, juris Rn. 44). Allerdings gibt er mit der Anknüpfung an den unbestimmten Rechtsbegriff der Unverzüglichkeit auch zu erkennen, dass er die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung nicht von der Einhaltung einer starren zeitlichen Grenze, sondern von einer Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängig machen will. Deshalb und weil es an einer spezifisch lebensmittelrechtlichen Definition des Begriffs der Unverzüglichkeit fehlt, liegt es nach der Auffassung des Senats - auch mit Blick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung - nahe, in Anlehnung an die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB ein behördliches Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" zu verlangen (vgl. VG Oldenburg, a.a.O., juris Rn. 35; VG Frankfurt a.M., a.a.O., juris Rn. 27 ff.; VG München, a.a.O., juris Rn. 38). Auch spricht - ebenfalls in Anlehnung an die zu § 121 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze - vieles dafür, der zuständigen Behörde eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen (vgl. Hoffmann, NVwZ 2020, 495, 496; zu den diesbezüglichen Grundsätzen im Zivilrecht vgl. Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 121 Rn. 7 f.; Mansel, in: Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 121 Rn. 3; BGH, Urteile vom 22.06.2004 - X ZR 171/03 -, BGHZ 159, 350, 359, juris Rn. 25, und vom 24.01.2008 - VII ZR 17/07 (KG) - juris Rn. 18). Gerade auch mit Blick auf die erheblichen Folgen einer Veröffentlichung für die grundrechtlichen Belange des betroffenen Unternehmens (vgl. den Senatsbeschluss vom 21.05.2019 - 9 S 584/19 -, juris Rn. 9) muss die Behörde Gelegenheit erhalten, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Veröffentlichung mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, dass sie bei der Vorbereitung einer Veröffentlichung nicht nur die Anforderungen des § 40 LFGB beachten muss, sondern - ab 14.12.2019 - auch die Anforderungen der VO (EU) 2017/625 (vgl. Art. 11, 12, 13 und 14 sowie Rathke, a.a.O., § 40 LFGB Rn. 128).

Ausgehend hiervon kann der von der Beschwerde allein monierte Zeitraum von der Kenntniserlangung von den Verstößen anlässlich der Betriebskontrolle am 06.05.2020 bis zur Anhörung der Antragstellerin mit Schreiben vom 26.05.2020 nicht beanstandet werden. Die Darlegungen des Antragsgegners, vor Zusendung der Anhörung habe es umfangreicher Dokumentationen, Prüfungen sowie auch der Vorabinformation der obersten Landesbehörde und des Regierungspräsidiums bedurft, können anhand der vorgelegten Behördenakten nachvollzogen werden. Den Akten kann insbesondere entnommen werden, dass der Antragsgegner bereits in den Jahren 2017, 2018 und 2019 eine Vielzahl lebensmittelrechtlicher Verstöße festgestellt und entsprechend behördliche Maßnahmen getroffen hatte. Die - für die Anordnung der gegenständlichen Veröffentlichung notwendige - umfassende Einbeziehung dieser Vorgänge aus der Vergangenheit war deshalb ersichtlich mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund und unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner mit dem von ihm bis zur Anhörung der Antragstellerin in Anspruch genommenen Zeitraum von drei Wochen die ihm zuzugestehende Prüfungs- und Überlegungsfrist überschritten hätte.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass - anknüpfend an das aufgezeigte Verständnis der Unverzüglichkeit - zu einer Verfahrensverzögerung führende, aber nicht der Sphäre des Antragsgegners zuzurechnende Umstände jedenfalls grundsätzlich nicht geeignet sind, die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung in Frage zu stellen. Dies gilt etwa für Verzögerungen, die dadurch eingetreten sind, dass die Antragstellerin am letzten Tag der Frist zur Stellungnahme (10.06.2020) um Akteneinsicht nachgesucht und eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme bis zum 29.06.2020 erwirkt hat. Und dies gilt grundsätzlich auch für die zeitliche Verzögerung, die maßgeblich auf der Zurückstellung der Veröffentlichung seitens der Behörde mit Blick auf das laufende gerichtliche Eilverfahren beruht (kritisch Roffael, LMuR 2020, 183, 184; vgl. auch Hoffmann, NVwZ 2020, 495, 496). Andernfalls müssten Veröffentlichungen auch nach rechtskräftigem erfolglosem Abschluss eines Eilverfahrens regelmäßig unterbleiben, was § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB weitgehend seines Anwendungsbereichs berauben würde und mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang stünde (vgl. unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs bereits Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 - 9 S 2637/19 -, vom 28.11.2019, a.a.O., und vom 21.05.2019, a.a.O.). Ob und inwieweit bei der Auslegung des Begriffs der Unverzüglichkeit auch die zeitliche Begrenzung der Veröffentlichung auf sechs Monate (§ 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB) in den Blick zu nehmen ist (dies fordernd etwa Hoffmann, NVwZ 2020, 495, 496; Roffael, LMuR 2020, 183, 184), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. In Anlehnung an die Empfehlung in Nr. 25.2 und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 hat der Senat den Auffangwert festgesetzt und von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren abgesehen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).