OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2020 - 26 Sch 17/20
Fundstelle
openJur 2020, 78785
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu 90.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Erteilung eines Zuschlages in einem Ausschreibungsverfahren nach § 23 VerpackG bis zu einer Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des in einem Schiedsverfahren zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruchs vom 23.11.2020 zu unterlassen.

Mit dem Schiedsspruch hat das Schiedsgericht eine von der Antragstellerin erhobene Schiedsklage abgewiesen, die sich darauf richtete, es der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in dem Ausschreibungsverfahren an einen anderen Bieter zu erteilen.

Die Antragstellerin macht geltend, dass der Schiedsspruch gemäß den §§ 1059 Abs. 1 Nr. 2 b), 1059 Abs. 1 Nr. 2 a) ZPO aufzuheben sei, weil er wegen einer Verfassungswidrigkeit der in § 23 Abs. 8, Abs. 9 VerpackG geregelten Zuweisung von Streitigkeiten an ein privates Schiedsgericht gegen den ordre public verstoße und die getroffene Schiedsvereinbarung unwirksam sei. Darüber hinaus vertritt die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 27.11.2020 die Ansicht, dass der Schiedsspruch auch deshalb gegen den odre public verstoße, weil die Auslegung der der Umsetzung der Richtlinie 94/62/EG dienenden Regelungen des VerpackG mangels einer Vorlagebefugnis von Schiedsgerichten im Sinne des Art. 267 AEUV der durch diese Norm gewährleisteten einheitlichen Auslegung des Unionsrechts zuwiderlaufe.

II.

Der Senat ist für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 937 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den §§ 1059, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, soweit er in der Hauptsache über den Aufhebungsantrag betreffend den am Schiedsort Frankfurt am Main ergangenen Schiedsspruch zu entscheiden hat.

Der Antrag ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Es kann offen bleiben, ob der Senat im Rahmen seiner Befassung mit dem Verfahren über den Aufhebungsantrag schon deshalb am Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Verfügung gehindert ist, weil sich die in der Hauptsache gegebene Entscheidungsbefugnis des Senats nicht auf die dem Schiedsverfahren zugrundeliegende Streitigkeit erstreckt, sondern auf die Beseitigung der Wirkungen des Schiedsspruchs durch eine kassatorische Entscheidung beschränkt ist (vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO 33. Aufl., § 1059 Rn. 7; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.06.2013, 26 SchH 6/13, BeckRS 2013, 10147). Denn der Erlass der einstweiligen Verfügung kommt im Hinblick auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Regelungen in § 23 Abs. 8, Abs. 9 VerpackG auch unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Gebots eines effektiven Rechtsschutzes nicht in Betracht.

Zwar kann unter dem Aspekt des effektiven Rechtsschutzes von einem Fachgericht vorläufiger Rechtsschutz auch in Fällen gewährt werden, in denen wegen einer vom Fachgericht angenommenen Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Norm das in Art. 100 Abs. 1 GG verankerte Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts zu beachten ist, allerdings darf dadurch die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden (BVerfG, Beschluss vom 24.06.1992, 1 BvR 1028/91, Rn. 29, zit. nach juris). Nach diesem Maßstab kann die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Verfügung auch dann nicht erlassen werden, wenn der Senat sich eine vorläufige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen des VerpackG zur Zuweisung von Streitigkeiten an ein privates Schiedsgericht bilden könnte. Denn die von der Antragstellerin begehrte Eilentscheidung würde der Sache nach darauf hinauslaufen, die gesetzliche Regelung des Bieterverfahrens - im Sinne einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache - zu unterlaufen, indem sie es der Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über den Aufhebungsantrag unmöglich machen würde, den Zuschlag zu erteilen. Der Senat könnte sich gegebenenfalls erst im Hauptsacheverfahren - nach mündlicher Verhandlung - die Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen bilden, und wäre erst nach einer auf Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ergehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Lage, über die Frage einer Aufhebung des Schiedsspruchs zu entscheiden. Eine Untersagung der Erteilung des Zuschlags bis zu diesem Zeitpunkt würde eine Durchführung des gesetzlich geregelten Bieterverfahrens in der vorliegenden Konstellation weitgehend leerlaufen lassen, da sich die Ausschreibung der Antragsgegnerin auf den Leistungszeitraum vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2023 bezieht, dessen Beginn bereits unmittelbar bevorsteht. Der Senat kann unter Berücksichtigung seiner Gesetzesbindung für diesen Leistungszeitraum keine vorläufige Regelung treffen, die die im Rahmen des gesetzlich geregelten Bieterverfahrens begründeten Rechte der Antragsgegnerin zumindest teilweise vereitelt. Dies gilt umso mehr, als gegebenenfalls selbst eine Aufhebung des Schiedsspruchs lediglich dazu führen würde, dass der Streit der Parteien über die Erteilung des Zuschlags, der Gegenstand des Schiedsverfahrens war, noch in einem weiteren - gegebenenfalls vor den staatlichen Gerichten zu führenden - Verfahren geklärt werden müsste.

Die vorstehende Würdigung gilt gleichermaßen für den von der Antragstellerin gerügten Verstoß der Zuweisung von Streitigkeiten an ein privates Schiedsgericht gegen Art. 267 AEUV. Der Senat könnte auch bei Vorliegen eines Aufhebungsgrundes, der aus einem Verstoß gegen Unionsrecht resultiert, vor einer Entscheidung über den gestellten Aufhebungsantrag keine vorläufige Regelung treffen, die die durch die gesetzlichen Regelungen des Bieterverfahrens für den Leistungszeitraum ab dem 01.01.2021 begründeten Rechte der Antragsgegnerin bis zu einer Rechtskraft der Entscheidung vereitelt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Entscheidung in der Hauptsache erst nach gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO obligatorischer mündlicher Verhandlung ergehen kann und gemäß § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO der - zulassungsfreien - Rechtsbeschwerde unterliegt. Eine etwaige Aufhebung des Schiedsspruchs würde es im Übrigen - wie dargestellt - auch nicht entbehrlich machen, den Streit der Parteien über die Erteilung des Zuschlags noch in einem weiteren Verfahren zu klären.

Die Antragstellerin wird durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht rechtlos gestellt, da es ihr freisteht, wegen der Versagung des Zuschlags Schadensersatzansprüche geltend zu machen, für die gemäß § 23 Abs. 9 Satz 6 VerpackG eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Wertfestsetzung berücksichtigt gemäß § 3 ZPO einen Wert in Höhe von rund 5 % des Bruttoauftragswertes.

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