LG Kassel, Beschluss vom 19.08.2020 - 3 StVK 105/20
Fundstelle
openJur 2020, 78779
  • Rkr:

Aus dem in § 16 Abs. 2 S. 1 HStVollzG (Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung) normierten intendierten Ermessen folgt, dass die Justizvollzugsanstalt im Rahmen der Entlassungsvorbereitung grundsätzlich dazu angehalten ist, sobald als möglich Lockerungen des Vollzuges bzw. vollzugsöffnende Maßnahmen zu diesem Zwecke durchzuführen und Verweigerungen nur ausnahmsweise zulässig sind.

Tenor

Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2020 verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen hat der Antragsteller zu ¼ und die Staatskasse zu ¾ tragen.

Der Streitwert wird auf 500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 11.07.2018 (Az. 266 Ls - 3660 Js 10585/17) wegen Diebstahls in 25 Fällen, Vollrausches sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Bedrohung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Darüber hinaus wurde der Antragsteller durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 19.01.2017 (Az. 240 Ds 3650 Js 10878/16) wegen Diebstahls in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde, rechtskräftig verurteilt. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 11.09.2018 rechtskräftig widerrufen, da der Antragsteller innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig wurde (vgl. o.g. Verurteilung des Amtsgerichts Kassel vom 11.07.2018).

Seit dem 29.03.2019 verbüßte der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt "......" die Strafe aus dem Verfahren 3660 Js 10585/17, deren Vollstreckung am 05.04.2020 zum 2/3-Zeitpunkt unterbrochen wurde. Seit dem 06.04.2020 verbüßt der Antragsteller die Strafe aus dem Verfahren 3650 Js 10878/16. 2/3-Zeitpunkt dieser Haftstrafe war am 05.08.2020 und das Ende ist auf den 05.10.2020 notiert, woran sich die Restfreiheitsstrafe aus dem Verfahren 3660 Js 10585/17 anschließen wird, deren Ende auf den 18.07.2021 notiert ist. Durch rechtskräftigen Beschluss der Kammer vom 21.07.2020 wurde die Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 11.07.2018 (Az. 266 Ls - 3660 Js 10585/17) und dem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 19.01.2017 (Az. 240 Ds 3650 Js 10878/16) zur Bewährung abgelehnt (Az. 3 StVK 91/20, 3 StVK 121/20).

Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin unter dem 04.06.2020 eine Ausführung in die Stadt "......" zur Wiedereingliederung, insbesondere um sich für die Zeit nach der Haftentlassung um eine Wohnung zu bemühen und sich um einen Substitutionsplatz bei einem Arzt zu kümmern.

Durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020, dem Antragsteller am 13.06.2020 ausgehändigt, wurde der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass zwar zum Zwecke der Wiedereingliederung und im Rahmen von Entlassungsvorbereitungen Ausführungen grundsätzlich möglich seien, sofern ein nachvollziehbar begründeter Anlass vorliege. Im Falle des Antragstellers könne eine Notwendigkeit aktuell nicht nachvollzogen werden, da von einer Entlassung zum Endstrafenzeitpunkt am 18.07.2021 ausgegangen werde. Selbst sollte die Strafvollstreckungskammer Kassel über die bedingte Entlassung des Antragstellers positiv entscheiden, so habe der Antragsteller gegenüber dem Sozialdienst angegeben, nach Entlassung übergangsweise bei seiner Mutter unterkommen zu können, sodass der Antragsteller in diesem Fall über einen sozialen Empfangsraum verfüge und sich hinsichtlich des Bewerbers um einen Substitutionsplatz zur Unterstützung an den Sozialdienst wenden könne. Aus Sicht der Antragsgegnerin bestehe daher zum aktuellen Zeitpunkt "noch kein dringender Handlungsbedarf" zur Vorbereitung der Entlassung. Dem Antragsteller stehe es frei, sich zum aktuellen Zeitpunkt für Wohnraum und um einen Substitutionsplatz zu bewerben, was postalisch möglich sei, da aus Sicht der Antragsgegnerin zum jetzigen Zeitpunkt "keine Dringlichkeit" bestehe.

Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.06.2020, bei Gericht am 23.06.2020 eingegangen, wandte sich der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020.

Der Antragsteller behauptet, dass er zwar nach seiner Haftentlassung zu seiner Mutter äußerstenfalls ziehen könne, dies jedoch nach seiner Ansicht nichts mit Resozialisierung zu tun habe, wenn man aus der Haft rauskomme und die Probleme weiterhin bestünden. Darüber hinaus behauptet der Antragsteller, seit langer Zeit ein Drogenproblem zu haben und er deshalb bereits in das Substitutionsprogramm der Antragsgegnerin aufgenommen werden wollte, dies jedoch mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass bei dem Antragsteller kein Suchtproblem vorliege, da auch alle Kontrollen negativ gewesen seien. Der Antragsteller behauptet, sich in der Folgezeit an die Substitutionsfachambulanz Dr. "......" gewandt zu haben, die ihm einen Nachweis über sein Drogenproblem geschickt hätte; gleichwohl sei in der Justizvollzugsanstalt sodann nichts passiert. Der Antragsteller habe daher Angst, dass er nach der Haftentlassung keinen Substitutionsplatz habe, sodass auch dies nach dessen Ansicht nichts mit Resozialisierung zu tun habe.

Der Antragsteller stellt keinen ausdrücklichen Antrag, sondern führt insoweit aus, dass wegen ablehnenden Bescheids vom 12.06.2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG i.V.m. § 83 Nr. 3 HStVollzG gestellt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12.06.2020. Ergänzend wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Kammer durch Beschluss vom 30.12.2019 (Az. 3 StVK 207/19) festgestellt habe, dass eine Indikation für eine Methadon-Substitution nicht vorliege.

Die Akten der Kammer zu dem Verfahren 3 StVK 207/19 sind beigezogen worden.

Wegen des übrigen Vorbringens wird im Übrigen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Der Antragsteller hat bis zuletzt keinen konkreten Antrag gestellt. Dies führt gleichwohl noch nicht zur Unzulässigkeit seines Begehrens. Vielmehr ist von der Kammer vor dem Hintergrund des Grundrechtes des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG eine anhand des Begehrens des Antragstellers gebotene Auslegung vorzunehmen.

Das Begehren des Antragstellers wird entsprechend seines Vorbringens dahingehend ausgelegt, dass er die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 12.06.2020 und eine Ausführung zur Entlassungsvorbereitung begehrt.

Dieser vorgenommenen Auslegung des Begehrens des Antragstellers liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Der Antragsteller wendet sich ausweislich seines Schreibens vom 19.06.2020 ausdrücklich gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020 und beantragt hierzu gerichtliche Entscheidung nach § 83 Nr. 3 HStVollzG i.V.m. § 109 StVollzG. Aus dem weiteren Vorbringen des Antragstellers geht hervor, dass er nicht nur die Aufhebung des Bescheides begehrt, sondern darüber hinaus auch die ursprünglich vom Antragsteller beantragte Ausführung zur Wiedereingliederung, mithin zur Entlassungsvorbereitung.

2.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.

a)

Grundlage für die begehrte Ausführung zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung ist § 16 Abs. 2 S. 1, 2 HStVollzG. Hiernach sollen zur Vorbereitung der Entlassung vollzugsöffnende Maßnahmen, worunter auch die vom Antragsteller begehrte Ausführung fällt, gewährt werden, wobei § 13 Abs. 2 bis 4, Abs. 7 sowie § 14 HStVollzG entsprechend gelten.

b)

Der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020 unterliegt zwar nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle, als dass § 16 Abs. 2 S. 1 HStVollzG dem Gefangenen lediglich einen Rechtsanspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung einräumt. Insoweit wird der Strafvollzugsbehörde nach § 16 Abs. 2 S. 1 HStVollzG ein Ermessensspielraum eingeräumt, der gemäß § 83 Nr. 3 HStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 5 StVollzG nur im Hinblick auf Ermessensfehler zu prüfen ist. Die Kammer überprüft daher lediglich, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht wurde.

Ferner normiert die Vorschrift des § 16 Abs. 2 S. 1 HStVollzG ein intendiertes Ermessen, wonach zwar der Strafvollzugsbehörde nach wie vor ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, dieser gleichwohl mit Blick auf die Formulierung "soll" im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses deutlich eingeschränkt ist. Die Vollzugsbehörde hat daher in der Regel die Ausnahme besonders zu begründen (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl. 2017, § 115 Rn. 14).

Aus Vorstehendem sowie vor dem Hintergrund, dass die Entlassungsvorbereitung eine entscheidende Phase des Vollzuges ist, weil sie dem Gefangenen die Möglichkeit gibt, Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Aktivität zurückzuerlangen, soziales Verhalten einzuüben und den richtigen Umgang mit der Freiheit zu erlernen, folgt, dass bei der Prüfung der vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung ein strengerer Maßstab, als bei der Gewährung von Lockerungen im Allgemeinen, angelegt werden muss, sodass die Justizvollzugsanstalt im Rahmen der Entlassungsvorbereitung grundsätzlich dazu angehalten ist, sobald als möglich Lockerungen des Vollzuges bzw. vollzugsöffnende Maßnahmen zu diesem Zwecke durchzuführen und Verweigerungen nur ausnahmsweise aus zwingenden Gründen oder etwa der Befürchtung des Missbrauches zulässig sind (Nestler in: Laubenthal et al. (Hrsg.), Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. 2015, L Rn. 6; Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn. 2; Köhner/Lesting in: Feest/Lesting (Hrsg.), AK-StVollzG, 6. Aufl. 2012, § 15 Rn. 6; Ittel/Ullenbruch in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Aufl. 2005, § 15 Rn. 4).

Dies gilt insbesondere, als dass der Gefangene etwa durch die Versagung von Vollzugslockerungen in seinem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse, welches sich nicht nur darauf richtet, vor schädlichen Auswirkungen des weiteren Vollzuges im Rahmen des Möglichen bewahrt zu werden, sondern auch auf die Rahmenbedingungen, die einer Bewährung und Wiedereingliederung förderlich sind, gerichtet ist, betroffen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 21.09.2018, Az. 2 BvR 1649/17). Ferner ist zu berücksichtigen, dass Vollzugslockerungen es dem Gefangenen möglich machen sollen, wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden sowie auch eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung im Rahmen des § 57 Abs. 1 StGB eine Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt (a.a.O.). Vor diesem Hintergrund muss das mit jeder Vollzugslockerung verbundene Risiko eines Entweichens aus der Haft oder eines Missbrauchs der Maßnahme zu Straftaten unvertretbar erscheinen (a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird der verfahrensgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020 nicht gerecht.

Bereits im Ausgangspunkt verkennt die Antragsgegnerin, indem sie ausführt, dass Ausführungen zum Zwecke der Wiedereingliederung und im Rahmen von Entlassungsvorbereitungen grundsätzlich möglich seien, sofern ein nachvollziehbar begründeter Anlass vorliege, dass es sich vielmehr umgekehrt verhält, als dass vollzugsöffnende Maßnahmen, so auch die beantragte Ausführung, zum Zwecke der Wiedereingliederung und der Entlassungsvorbereitung nicht nur erst dann möglich sein sollen, wenn ein nachvollziehbarer Anlass vorliegt, sondern vielmehr es eines zwingenden Grundes dafür bedarf, solche vollzugsöffnenden Maßnahmen gerade nicht zu gewähren. Bereits aufgrund der Formulierung der Antragsgegnerin in ihrem verfahrensgegenständlichen Bescheid besteht Anlass zur Befürchtung, dass die Antragsgegnerin das ihr insoweit vom Gesetzgeber auferlegte intendiertes Ermessen in seiner Bedeutung und Reichweite verkannt hat.

Auch soweit die Antragsgegnerin auf einen voraussichtlich Entlassungszeitpunkt zum 18.07.2021 rekurriert und hieraus sowie aus dem Umstand, dass der Antragsteller nach der Entlassung zunächst bei seiner Mutter unterkommen könne und sich bezüglich des Bewerbens um einen Substitutionsplatz zur Unterstützung an den Sozialdienst wenden könne, schlussfolgert, dass "noch kein dringender Handlungsbedarf" bestehe, so wird auch hieran ersichtlich, dass die Antragsgegnerin verkannt haben dürfte, dass es gerade keines dringenden Grundes bedarf, um vollzugsöffnende Maßnahmen zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung zu gewähren (vgl. Laubenthal, Strafvollzug, Rn. 529; vgl. OLG Hamm NStZ 1985, 189). Vielmehr ist nach Maßgabe vorstehender Ausführungen ein solcher notwendig, um gerade Vollzugslockerungen zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung zu verwehren. Im Übrigen stellt die Sicherstellung von Wohnraum für die Zeit nach der Haftentlassung jedenfalls ein zu berücksichtigendes Interesse des Antragstellers im Rahmen der Entlassungsvorbereitungen dar.

Auch soweit die Antragsgegnerin - nunmehr auch mit Blick auf den rechtskräftigen Beschluss der Kammer vom 21.07.2020 (Az. 3 StVK 91/20, 3 StVK 121/20), mit dem eine vorzeitige Entlassung des Antragstellers abgelehnt wurde - etwa darauf abstellen möchte, dass die Entlassung des Antragstellers voraussichtlich erst am 18.07.2020 erfolgen wird, so steht dies der Gewährung von Vollzugslockerungen zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung nicht zwingend entgegen. Hierbei ist nämlich einerseits zu berücksichtigen, dass schon § 16 Abs. 1 S. 1 HStVollzG normiert, dass die Anstalt frühzeitig und spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt darauf hin zu arbeiten hat, dass die Gefangenen über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf in Nachsorgemaßnahmen vermittelt werden, sodass hieraus bereits hervorgeht, dass selbst die Entlassungsvorbereitungen der Justizvollzugsanstalt spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt zu erfolgen haben. Darüber hinaus wäre andererseits von der Antragsgegnerin nunmehr auch zu berücksichtigen, dass das der 2/3-Termin bereits überschritten ist, sodass es dem Antragsteller unbenommen ist, jederzeit erneut bei der Kammer die Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung zu beantragen mit dem möglichen Ergebnis, dass der Antragsteller vorzeitig auf der aus der Haft zu entlassen wäre.

Auch die Tatsache, dass gemäß Beschluss der Kammer vom 23.12.2019 eine Opiatabhängigkeit beim Antragsteller nicht gegeben ist (Az. 3 StVK 207/19), rechtfertigt - abgesehen davon, dass diese Erwägung im vorliegend verfahrensgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.06.2020 in dieser Weise gar nicht von ihr zur Begründung herangezogen wurde - nicht zwingend eine Versagung einer vollzugsöffnenden Maßnahme zur Entlassungsvorbereitung. Insoweit steht es dem Antragsteller frei, nach der Haft an einem Substitutionsprogramm teilnehmen zu wollen, soweit dies ihm für erforderlich erscheint.

Etwaige zwingende Gründe oder etwa eine Missbrauchsgefahr, die ausnahmsweise eine Verweigerung von vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung rechtfertigen könnten, werden daher insgesamt von der Antragsgegnerin nicht zur Begründung angeführt.

c)

Im Übrigen ist der Antrag unbegründet und insoweit zurückzuweisen, soweit der Antragsteller die konkret von ihm beantragte Ausführung begehrt.

Da es sich, wie vorstehend dargelegt, bei der Frage der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung um eine Ermessensentscheidung der Strafvollzugsbehörde handelt, darf die Kammer nicht ihre Entscheidung anstelle derjenigen der Antragsgegnerin setzen. Eine Verpflichtung der Strafvollzugsbehörde, einen Gefangenen vollzugsöffnenden Maßnahmen zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung zu gewähren, besteht nur im Falle einer Ermessensreduktion auf Null, die vorliegend nicht gegeben ist. Insbesondere und erst recht darf die Kammer der Antragsgegnerin daher nicht aufgeben, dem Antragsteller eine ganz konkrete vollzugsöffnende Maßnahme in Form der vom Antragsteller begehrten Ausführung zu gewähren, da der Antragsgegnerin nicht nur - wie vorstehend ausgeführt - hinsichtlich des Ob der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung, sondern, wie sich auch aus dem Verweis u.a. auf § 13 Abs. 4 HStVollzG in § 16 Abs. 2 S. 2 HStVollzG ergibt, auch hinsichtlich des Wie, also der Art und Weise der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen zur Entlassungsvorbereitung ein Ermessen zusteht.

Daher ist die Antragsgegnerin nur zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 83 Nr. 3 HStVollzG i.V.m. § 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG).

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 83 Nr. 3 HStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG. Die Kammer hat den Umfang des Unterliegens in Ausübung des ihr insoweit zustehenden Ermessens auf ¼ zu ¾ zugunsten des Antragstellers gewichtet.

Die Entscheidung hinsichtlich des Streitwertes beruht auf §§ 65 S. 1, 60, 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer bestimmt den Streitwert nach der Bedeutung der Sache, wie er sich aus dem Begehren des Antragstellers ergibt.

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