VG Ansbach, Urteil vom 13.11.2020 - AN 14 K 19.50319
Fundstelle
openJur 2020, 78710
  • Rkr:
Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. März 2019 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, mit dem ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Italien im Rahmen des "Dublin-Verfahrens" angeordnet wurde.

Die Kläger sind syrische Staatsangehörige. Sie verließen ihr Heimatland nach eigenen Angaben Ende 2015 und lebten bis Ende 2018 im Libanon. Am 19. November 2018 erteilte ihnen Italien Kurzaufenthaltsvisa für den Schengen-Raum mit Gültigkeit vom 29. November 2018 bis 12. Januar 2019 (VIS-Nr.: ...; ...; ...; ...*). In Italien beantragten die Kläger am 30. November 2018 (EURODAC-Nr.: IT1IC01GMF; IT1IC01GMD) sowie am 5. Dezember 2018 (EURODAC-Nr.: IT1LE01ULA; IT1LE01UL9) Asyl. Am 9. Februar 2019 reisten sie in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dort stellten sie am 10. Februar 2019 Asylgesuche und am 20. Februar 2019 förmliche Asylanträge.

Nach entsprechenden EURODAC-Treffer und VIS-Treffer richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 5. März 2019 ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien. Die italienischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 6. März 2019 ihre Zuständigkeit für die Prüfung der Asylanträge der Kläger.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 7. März 2019, den Klägern zugestellt am 12. März 2019, wurde ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1), festgestellt, dass keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen (Ziff. 2) und ihre Abschiebung nach Italien angeordnet (Ziff. 3). Unter Ziffer 4 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Die Kläger erhoben mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 18. März 2019, bei Gericht eingegangen per Fax am selben Tage, Klage und stellten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Der Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2019 (AN 14 S 19.50318) abgelehnt. Der Beschluss wurde dem Bundesamt am 6. Mai 2019 und dem damaligen Bevollmächtigten der Kläger am 7. Mai 2019 jeweils gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Am 15. Oktober 2019 teilte das Bundesamt dem Gericht mit, dass die achtzehnmonatige Überstellungsfrist gelte, da die Kläger flüchtig seien. Die Überstellungsfrist ende nun mit Ablauf des 25. Oktober 2020. Beigefügt waren ein Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung ... vom 26. September 2019, in dem den Klägern ihre Überstellung nach Italien am 16. Oktober 2019 angekündigt wurde und zwei Emails der Regierung ..., nach denen am 14. Oktober 2019 keine persönlichen Sachen mehr in dem Zimmer der Kläger gewesen seien, weshalb die geplante Überstellung am 16. Oktober nicht stattfinden könne.

Das Verwaltungsgericht versandte daraufhin am 21. Oktober 2019 eine Betreibensaufforderung nach § 81 AsylG an den damaligen Bevollmächtigten der Kläger. Dieser übersandte im Anschluss daran eine Mitteilung über einen Wiedereinzug der Kläger in ihre bisherige Unterkunft. Daneben wandte er sich mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 an das Bundesamt und verlangte die Aufhebung des Bescheids vom 7. März 2019, da die Überstellungsfrist abgelaufen sei. Das Bundesamt teilte daraufhin dem Gericht mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 mit, dass die Überstellungsfrist nicht abgelaufen sei. Beigefügt waren mehrere Schriftstücke, unter anderem ein vom Kläger zu 1) unterschriebenes Empfangsbekenntnis der Ankündigung der Überstellung.

Mit am 7. Mai 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schreiben teilte das Bundesamt mit, dass es mit Schreiben vom Vortag gegenüber den Klägern nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO wegen den Auswirkungen der Corona-Krise die Vollziehung der Abschiebungsanordnung ausgesetzt hat. Am 13. August 2020 teilte das Bundesamt mit, dass diese Aussetzung mit Schreiben vom 12. August 2020 widerrufen worden sei, da Überstellungen wieder zumutbar seien. Beigefügt war ein Schreiben des Bundesamts an das italienische Innenministerium, wonach die Überstellungsfrist nun am 12. Februar 2021 ablaufe.

Mit Schreiben vom 7. September 2020 zeigten sich die jetzigen Bevollmächtigten der Kläger an und beantragten Akteneinsicht. Daneben machten sie geltend, dass die Überstellungsfrist bereits am 25.09.2019 abgelaufen sei. Die Aussetzung der Vollziehung sei rechtswidrig und ändere daran nichts (wird ausgeführt).

Die Beklagte nahm hierzu mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 dahingehend Stellung, dass die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung die Überstellungsfrist unterbrochen habe (unter Verweis auf EuGH, U.v. 13.9.2017 - C-60/16 - NVwZ 2018, 46 Rn. 71; BVerwGE 156,9 = NVwZ 2016, 1492 Rn. 18; BayVGH, B.v. 11.5.2020 - 15 ZB 20.50009; VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 12.5.2020 - W 8 K 20.50144; VG Düsseldorf, B.v. 15.6.2020 - 22 L 701/20.A; VG Lüneburg, B.v. 29.4.2020 - 8 B 18/20; VG Karlsruhe, U.v. 26.8.2020 - A 1 K 1026/20). Die Überstellungsfrist werde durch den Widerruf der Aussetzungsentscheidung neu in Lauf gesetzt. In der Rechtsprechung des EuGH sei geklärt, dass auch in Fällen, in denen eine Überstellung kraft Gesetzes oder kraft wirksamer Einzelfallentscheidung lediglich zeitweise ausgeschlossen sei, die Mitgliedstaaten über eine zusammenhängende Frist von 6 Monaten verfügen müssten, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung sollen nutzen dürften (vgl. EuGH C-19/08 Rn. 40ff.)

Am 16. Oktober 2020 ließen die Kläger einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen. Zu dessen Begründung führten Sie aus, dass die Sachlage sich geändert habe. In der Akte des Bundesamtes finde sich tatsächlich kein von den Klägern unterzeichnetes Empfangsbekenntnis für die Mitteilung des Überstellungstermins sondern nur ein nicht unterzeichnetes Formular. Da den Klägern der Überstellungstermin nicht mitgeteilt worden sei könne aus ihrer Abwesenheit zum Termin keine Flüchtigkeit gefolgert werden. Das Bundesamt habe mit Schreiben vom 6. Mai 2020 die Vollziehung der Abschiebungsanordnung ausgesetzt und dies mit Schreiben vom 12. August 2020 widerrufen. Diese Aussetzung sei aber rechtswidrig. Eine Überstellung stehe unmittelbar bevor, da sie den Klägern für den 19. Oktober 2020 angekündigt und eine Covid-Testung angeordnet worden sei. Entsprechende Unterlagen waren beigefügt.

In der vom Bundesamt in diesem Verfahren übersandten Akte findet sich eine Email der Regierung ..., wonach die für den 19. Oktober 2020 geplante Überstellung nicht durchgeführt werden konnte, da die Kläger den Corona-Test verweigert hätten.

Das Gericht hat dem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 11. November 2020 stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Abänderung des Beschlusses vom 25. April 2020 angeordnet (AN 14 S 20.50335).

Die Kläger beantragen,

Der Bescheid des Bundesamtes vom 7. März 2018 (gemeint offenbar: 2019) wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin beantragt

Klageabweisung.

Die Bevollmächtigten der Kläger haben mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Streitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da Kläger und Beklagte ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO), die Kläger mit Erklärung ihrer Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2020, die Beklagte mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017.

Das Klageverfahren gilt vorliegend nicht aufgrund der Betreibensaufforderung vom 21. Oktober 2019 nach § 81 AsylG als zurückgenommen. Denn die Kläger haben über ihren damaligen Bevollmächtigten das Verfahren in der geforderten Art und Weise betrieben, indem sie ihre neue (alte) ladungsfähige Anschrift mitgeteilt haben Die Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, und begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 7. März 2019 ist rechtswidrig (geworden) und verletzt die Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klage richtet sich mit der Bundesrepublik Deutschland gegen die richtige Beklagte, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

Die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ablehnung der Asylanträge der Kläger als unzulässig ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO rechtswidrig geworden.

1. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 7. März 2019 war Italien aufgrund der für die Kläger erteilten italienischen Visa nach Art. 12 Dublin-III-VO zuständig und aufgrund der Erklärung vom 6. März 2020 nach Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO verpflichtet, diese wiederaufzunehmen.

2. Inzwischen ist aber die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO abgelaufen. Die Asylanträge der Kläger sind nunmehr nicht mehr nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG unzulässig.

a) Die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO begann mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an das Bundesamt am 6. Mai 2019 (erneut) zu laufen.

Denn Art. 29 Abs. 1 UA 1, 2. Alt. Dublin-III-VO bestimmt, dass die Überstellungsfrist mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf beginnt, wenn dieser gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat. Diese Bestimmung der Dublin-III-VO lässt den Mitgliedsstaaten für die Ausgestaltung des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Überstellungsentscheidungen die Wahl zwischen drei Varianten. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dabei für die in Art. 27 Abs. 3 lit. c) Dublin-III-VO genannte Variante entschieden (BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22/15 - juris Rn. 20) und auf dieser Grundlage in § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung bei "rechtzeitiger Antragstellung" (eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, wie sich aus § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ergibt) vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zulässig ist. Mit der Entscheidung über diesen Antrag beginnt die Überstellungsfrist auch dann erneut zu laufen, wenn das Gericht den Antrag ablehnt (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - juris Rn. 11).

Die Dublin-III-VO trifft aber keine weitergehende Aussage, welcher Zeitpunkt hier genau für den Fristbeginn nach Art. 29 Abs. 1 UA 1, 2. Alt. Dublin-III-VO entscheidend ist. Grundsätzlich kommen insofern verschiedene Zeitpunkte infrage. Einerseits könnte auf das Datum der Entscheidung, wie es in der Entscheidung steht, abgestellt werden (so Hruschka in Dörig (Hrsg.), Handbuch für Migrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 18, Rn. 312 unter Verweis auf BVerwG (Schweiz), U.v. 8.6.2015 - BVGE 2015/19, E. 5.2.), andererseits könnte auch der Zeitpunkt der Aufgabe der Entscheidung zur Post (so Geiger in BayVBl 2001,44ff.) herangezogen werden. Weiter kommt infrage der Zeitpunkt der Bekanntgabe an die Beteiligten, wobei insofern weiter differenziert werden könnte, ob es auf die zeitlich späteste Bekanntgabe an einen der Beteiligten oder auf die Bekanntgabe an einen bestimmten Beteiligten ankommt.

Gegen das Abstellen auf das Datum der Entscheidung, wie es in dieser mitgeteilt wird, spricht insbesondere, dass zwischen diesem Datum und der Bekanntgabe der Entscheidung an die Beteiligten (z.B. aufgrund einer zeitweiligen Überlastung der Geschäftsstelle des Gerichts) eine erhebliche Zeit liegen kann. Stellt man dennoch auf das Datum der Entscheidung wie es in der Entscheidung mitgeteilt wurde ab, so verkürzt sich insoweit die grundsätzlich 6-monatige Überstellungsfrist, in der die Behörde Zeit hat, die Überstellung vorzubereiten und durchzuführen (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - juris Rn. 11). Gleiches gilt grundsätzlich auch für das Datum der Aufgabe der Entscheidung zur Post: Auch insoweit bestehen Unwägbarkeiten wie z.B. ein verlängerter Postlauf, wie er gerade 2020 aufgrund der Corona Pandemie zeitweise feststellbar war, auf die die Beteiligten keinen Einfluss haben. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt der Aufgabe der Entscheidung des Gerichts zur Post für die Beteiligten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Um den Ablauf der Überstellungsfrist zu berechnen müsste, wenn darauf abgestellt würde, das Bundesamt jeweils eine Anfrage an das Gericht stellen. Daher ist diese Variante ebenfalls abzulehnen.

Es bleibt daher grundsätzlich bei dem im deutschen Prozessrecht auch bei anderen prozessualen Fristen gebräuchlichen Abstellen auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung an die Beteiligten (vgl. z.B. § 57 Abs. 1 VwGO, § 221 ZPO). Insofern besteht hier die Besonderheit, dass die 6-monatige Überstellungsfrist dem Bundesamt grundsätzlich vollständig und zusammenhängend zur Verfügung stehen soll (BVerwG, U.v. 26.5.2016 - 1 C 15/15 - juris Rn. 11 unter Verweis auf EuGH, U.v. 29.1.2009 - C-19/08, Petrosian - juris Rn. 43ff). Dies macht es erforderlich, hier nicht auf den Zeitpunkt der letzten Zustellung des Beschlusses an einen der Beteiligten abzustellen, sondern vielmehr allein auf die Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses an das Bundesamt (ebenso BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22/15 - juris Rn. 22; Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 43). Nur so ist gewährleistet, dass dem Bundesamt klar und ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, wann die Überstellungsfrist erneut zu laufen begann und dementsprechend auch wann sie abgelaufen ist, zudem steht dem Bundesamt dann die 6-monatige Überstellungsfrist vollumfänglich und ununterbrochen zur Verfügung.

Dass das Bundesamt demgegenüber soweit ersichtlich grundsätzlich für die Berechnung auf das in der gerichtlichen Entscheidung mitgeteilte Entscheidungsdatum abstellt ist unerheblich, da das Gericht von Amts wegen den Ablauf der Überstellungsfrist zu prüfen hat und dabei nicht an die Einschätzung der Beteiligten gebunden ist.

b) Die Überstellungsfrist wurde vorliegend aufgrund der gescheiterten Überstellung vom 16. Oktober 2019 wirksam gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf 18 Monate verlängert, da die Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt flüchtig in diesem Sinne waren.

Wie das Tatbestandsmerkmal "flüchtig" auszulegen ist, hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. März 2019 (C-163/17 - juris, Rn. 70) geklärt. Er hat festgestellt, dass jemand dann flüchtig ist, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies könne angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden könne, weil der Kläger die ihm zugewiesene Wohnung verlassen habe, ohne die zuständigen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren. Der Kläger behalte die Möglichkeit nachzuweisen, dass er die Abwesenheit aus stichhaltigen Gründen nicht mitgeteilt habe und nicht in der Absicht, sich den Behörden zu entziehen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U. v. 12.2.2020 - 14 B 19.50010 - juris Rn. 20) leitet aus der Formulierung des EuGH, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden könne, "weil" der Kläger die zugewiesene Wohnung verlassen habe, ein Kausalitätserfordernis zwischen dem Scheitern der Überstellung und der Abwesenheit aus der Wohnung ab. Ebenso hat die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach (U. v. 13.8.2019 - AN 17 K 17.50809 - juris Rn. 26) entschieden und eine 3-stufige Prüfungsreihenfolge hierzu entwickelt. Danach ist auf der 1. Stufe zu prüfen, ob die Entziehung auf der Ortsveränderung des Klägers beruht. An 2. Stelle ist die Frage zu stellen, ob die Ortsveränderung in Entziehungsabsicht erfolgt ist, was grundsätzlich (widerleglich) vermutet werde. Schließlich ist festzustellen, ob das Scheitern der Überstellung maßgeblich auf der Ortsveränderung in Entziehungsabsicht beruht.

Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs und der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach. Im vorliegenden Fall ist die erste Voraussetzung der 3-stufigen Prüfungsreihenfolge zweifellos erfüllt: Die Kläger waren am geplanten Überstellungstag nicht in der zugewiesenen Unterkunft und konnten deswegen nicht nach Italien überstellt werden.

Dass diese Abwesenheit nicht (wie vermutet werden kann) in Entziehungsabsicht erfolgt ist lässt sich entgegen der Argumentation der Bevollmächtigten der Kläger nicht damit begründen, dass diese von dem Überstellungstermin am 16. Oktober 2019 keine Kenntnis gehabt hätten. Denn dies trifft nicht zu. Das Bundesamt hat dem Gericht mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 u.a. ein vom Kläger zu 1) unterschriebenes Empfangsbekenntnis für die Ankündigung der Überstellung für den 16. Oktober 2019 vorgelegt. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger von dem Überstellungstermin Kenntnis hatten. Die Abwesenheit aus der Gemeinschaftsunterkunft erfolgte daher auch in Entziehungsabsicht. Nachdem die Überstellung aufgrund dieser Abwesenheit scheiterte ist auch das dritte Merkmal erfüllt.

c) Durch die mit Schreiben vom 6. Mai 2020 (dem Gericht am darauf folgenden Tag mitgeteilt) erklärte Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO ist die Überstellungsfrist nicht unterbrochen worden, da sie rechtswidrig erfolgt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 8.1.2019 - 1 C 16/18 - juris Rn. 19f m.w.N.) ist eine Aussetzung der Vollziehung einer Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 4 VwGO, Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO zwar grundsätzlich geeignet zur Unterbrechung der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. Dublin-III-VO. Allerdings hat diese die durch nationales Recht und Unionsrecht gezogenen Grenzen zu beachten, anderenfalls ist sie rechtswidrig und führt aus diesem Grunde gerade nicht zu einer Unterbrechung der Überstellungsfrist (BVerwG a.a.O. Rn. 21).

Vorliegend hat das Bundesamt durch die Aussetzung der Vollziehung "bis auf weiteres" zwar nicht den weiten Spielraum überschritten, der nach der nationalen Bestimmung des § 80 Abs. 4 VwGO eröffnet ist (vgl. dazu BVerwG a.a.O., Rn. 23, 24). Jedoch werden die Vorgaben, die das Unionsrecht, und hier konkret Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO, macht, nicht beachtet.

(1) Nach Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO können die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass die zuständigen Behörden von Amts wegen tätig werden dürfen, "um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen". Die Bestimmung ermöglicht die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung allein "bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung". Erst mit Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens oder der Überprüfung beginnt die Überstellungsfrist wieder zu laufen. Indem Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO die Aussetzung der Überstellung allein bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs bzw. der Überprüfung ermöglicht unterscheidet er sich von Art. 28 Abs. 3 UA 3 Dublin-III-VO. Danach beginnt die Überstellungsfrist, wenn die zu überstellende Person in Haft ist, u.a. ab dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Bei Art. 28 Abs. 3 UA 3 Dublin-III-VO wäre also eine vom Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens oder der Überprüfung losgelöste Aussetzung "bis auf weiteres" durch die Behörde möglich, nicht aber bei Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO (Lehnert/Werdermann, NVwZ 2020, 1308, 1309). Allein schon die vom Bundesamt vorgenommene Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung "bis auf weiteres" hält sich daher nicht im Rahmen des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO (VG Aachen, U.v. 10.6.2020 - 9 K 2584/19.A - juris Rn. 39).

Die Aussetzung ist auch nicht bis zum Abschluss einer "Überprüfung" i.S.v. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO erfolgt. Unter dem unionsrechtlichen Begriff der "Überprüfung" ist wohl ein Verfahren zu verstehen, das vom Kläger bzw. Antragsteller angestrengt werden muss (Lehnert/Werdermann, NVwZ 2020, 1308, 1310). Ein solches ist hier nicht erkennbar. Aber auch wenn man davon ausgehen würde, dass eine eigenständige Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheids durch das Bundesamt ausreichen würde, dann ist eine solche vorliegend nicht eingeleitet worden. Entsprechendes geht weder aus den Akten hervor noch ist es von der Antragsgegnerin vorgetragen worden. Vielmehr ist die Aussetzung der Vollziehung des Bundesamts offenbar allein deshalb erfolgt, weil Überstellungen zu dieser Zeit entweder wegen einer Weigerung einzelner Mitgliedsstaaten, Asylsuchende aufzunehmen, oder aus allgemeinen seuchenhygienischen Gründen zur Verhinderung der Virusausbreitung in der Pandemie unterblieben (vgl. VG Ansbach, B.v. 23.7.2020 - AN 17 E 20.50215 - juris Rn. 27).

Die Aussetzung der Vollziehung der in Ziffer 3 des Bescheids vom 7. März 2019 angeordneten Überstellung der Kläger nach Italien (Abschiebungsanordnung) nach § 80 Abs. 4 VwGO vom 6. Mai 2020 erfüllt also nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO und ist daher rechtswidrig.

(2) Dieses Ergebnis wird durch die vom Bundesamt in seinem Schriftsatz vom 7. Oktober 2020 pauschal zur Stützung seiner Rechtsauffassung zitierten Gerichtsentscheidungen nicht substantiiert infrage gestellt.

Die zunächst zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. September 2017 (C-60/16 - NVwZ 2018,46, Rn. 71) betrifft unmittelbar die hier nicht relevante Berechnung der sechswöchigen Frist des Art. 28 Abs. 3 UA 3 Dublin-III-VO. In der vom Bundesamt zitierten Randnummer 71 wird im Rahmen eines Arguments zur Stützung der vom Gerichtshof für rechtmäßig erkannten Auslegung der auch vom Bundesamt herangezogene Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO genannt. Eine Aussage, dass dieser (entgegen seines Wortlauts) eine Aussetzung der Vollziehung auch unabhängig vom Abschluss eines Rechtsbehelfs oder einer Überprüfung mit der Folge der Unterbrechung der Überstellungsfrist ermöglicht findet sich hier gerade nicht.

Auch aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2016 (1 C 6/16 - NVwZ 2016, 1492, Rn. 18) lässt sich allein entnehmen, dass nach dessen Rechtsmeinung die Überstellungsfrist unterbrochen würde, wenn das Bundesamt nach § 80 Abs. 4 VwGO von sich aus die Vollziehung "bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung" förmlich aussetze. Dies ist aber hier gerade nicht erfolgt.

Bei dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 11.5.2020 - 15 ZB 20.50009 - juris) handelt es sich um eine Entscheidung im Zulassungsverfahren, mit der der Verwaltungsgerichtshof den gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung wegen nicht ausreichender Darlegung der geltend gemachten Grundsatzbedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) abgelehnt hat. Hinsichtlich der hier streitigen Wirkung der Unterbrechung der Überstellungsfrist durch die aufgrund der Corona-Pandemie erfolgte Aussetzung durch das Bundesamt wurde in diesem Verfahren keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage formuliert. Die diesbezüglichen Ausführungen des Senats des Verwaltungsgerichtshofs beschränken sich daher auch darauf, festzustellen, dass eine etwaige, im Zulassungsverfahren nicht formulierte Frage nach der Bedeutung der Mitteilung des italienischen Innenministeriums, dass wegen der Corona-Pandemie keine Überstellungen mehr durchgeführt werden, wegen der zwischenzeitlich vom Bundesamt erklärten Aussetzung der Vollziehung nicht mehr entscheidungsrelevant sei. Ob die Aussetzung rechtmäßig war und ob sie die die Überstellungsfrist unterbrochen hat wird gerade nicht festgestellt.

Das Verwaltungsgericht Würzburg (Gerichtsbescheid v. 12.5.2020 - W 8 K 20.50144 - juris Rn. 49) trifft in der zitierten Entscheidung keine Aussage zur Unterbrechung der Überstellungsfrist durch die Aussetzung der Vollziehung. Die Feststellung, dass die vorübergehende Aussetzung rechtlich nicht zu beanstanden sei, erfolgt allein im Zusammenhang der Frage, ob dadurch eine Änderung bezüglich der Zuständigkeit Italiens für das Asylverfahren des dortigen Klägers oder für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes erfolgt sei. Eine Aussage zur Unterbrechungswirkung kann dem aber nicht entnommen werden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit dem zitierten Beschluss vom 15. Juni 2020 (22 L 701/20.A - soweit erkennbar nur recherchierbar über die Datenbank des Bundesamts MILo) einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung wegen der vom Bundesamt erfolgten Aussetzung der Vollziehung als unzulässig abgelehnt. Die weiteren Ausführungen zur Ordnungsgemäßheit der Aussetzungsentscheidung werden nur "im Übrigen" gemacht und treffen aufgrund der Verweisung auf die bereits oben zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts keine über diese hinausgehende Aussage. Auch setzt sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf insbesondere nicht mit dem vorliegend tragenden Argument, dass die Aussetzung nicht bis zum Abschluss der Überprüfung bzw. des Rechtsbehelfs erfolgt ist, auseinander.

Gleiches gilt auch für die für den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg (v. 29.4.2020 - 8B 18/20 - soweit erkennbar allein recherchiertbar über MILo). Auch dieser enthält findet sich keine Aussage dazu, dass die Aussetzung vorliegend entgegen Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO nicht bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahren bzw. der Überprüfung erfolgt ist.

Das ausführlich begründete Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (U.v. 26.8.2020 - A 1 K 1026/20 - juris insb. Rn. 51ff) vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO kann der Argumentation des VG Karlsruhe, auch eine Aussetzung ohne nähere zeitliche Eingrenzung oder bis auf weiteres könne die Überstellungsfrist unterbrechen, nicht gefolgt werden.

Schließlich betrifft das abschließend zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 29.1.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009,639 Rn. 40ff. - Petrosian) einerseits die Vorgängerregelung der Dublin-III-VO, die Dublin-II-VO. Andererseits - und dies fällt viel mehr ins Gewicht - ging es bei dem dort zur Entscheidung stehenden Fall um eine vom Verwaltungsgericht (Schwedens) getroffene Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Dementsprechend hatte das vorlegende Gericht dem EuGH auch (sinngemäß) die Frage vorgelegt, ob die Überstellungsfrist mit der vorläufigen Entscheidung des Gerichts über die Aussetzung der Durchführung der Überstellung beginnt oder mit der endgültigen Entscheidung (des Gerichts) über die Rechtmäßigkeit der Überstellung beginne. Eine Aussage zu der Rechtmäßigkeit einer nach der Dublin-III-VO von der Verwaltungsbehörde getroffenen Aussetzung der Vollziehung eine Überstellungsentscheidung und insbesondere zu der Frage, ob eine solche die Überstellungsfrist unterbrechen kann, lässt sich dieser Entscheidung daher nicht entnehmen.

Entgegen der Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 7. Oktober 2020 lässt sich der Rechtsprechung des EuGH gerade nicht entnehmen, dass der Behörde immer eine Frist von sechs Monaten zur Regelung der technischen Probleme der Überstellung zur Verfügung stehen muss. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Vorgaben der Dublin-III-VO, hier konkret des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO, beachtet wurden, was vorliegend gerade nicht der Fall war.

(3) Ob daneben auch die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8. Januar 2019 (1 C 16.18 - juris Rn. 27) genannte, aber noch nicht abschließend konkretisierte unionsrechtliche Missbrauchsschwelle überschritten wird und sie auch deshalb rechtswidrig ist, kann daher dahingestellt bleiben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass (neben dem Umstand, dass ein Rechtsbehelf gegen die Abschiebungsanordnung eingelegt sein muss) weitere Grenzen sich aus dem von Art. 27 Abs. 3 und 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 UA 1 Dublin-III-VO angestrebten Ziel eines angemessenen Ausgleichs zwischen einerseits der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Ermöglichung einer raschen Bestimmung des für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaats und andererseits dem Ziel zu verhindern, dass sich Asylbewerber durch Weiterwanderung den für die Prüfung ihres Asylbegehrens zuständigen Staats aussuchen, ergeben. Der Zuständigkeitsübergang nach Ablauf der Überstellungsfrist solle verhindern, dass Asylanträge monate- oder gar jahrelang nicht geprüft werden, zugleich soll das Ziel einer möglichst schnellen Prüfung nicht dazu führen, dass dem jeweiligen Mitgliedsstaat keine zusammenhängende Überstellungsfrist von sechs Monaten zur Verfügung steht, in der nur noch die Überstellungsmodalitäten zu regeln sind oder der Beschleunigungsgedanke zulasten eines effektiven Rechtsschutzes verwirklicht wird (BVerwG, U.v. 8.1.2019 - 1 C 16.18 - juris Rn. 26) .

In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall erfolgte die Aussetzung der Vollziehung der Überstellungsentscheidung aber eindeutig und unstreitig zur Ermöglichung eines Gerichtsverfahrens auf ein Stillhalteersuchen des Bundesverfassungsgerichts hin (vgl. BVerwG, U.v. 8.1.2019 - 1 C 16/18 - juris Rn. 4). Die Aussetzung erfolgte "bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung". Damit war die Tatbestandsvoraussetzung des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Unterbrechung der Überstellungsfrist, dass die Aussetzung "bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs" erfolgen muss, anders als im vorliegenden Fall erfüllt.

Die weiteren Erwägungen zur unionsrechtlichen Missbrauchsschwelle betreffen daher eine zusätzliche, neben dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO bestehende unionsrechtliche Grenze einer behördlichen Aussetzungsentscheidung. Deren Anforderungen hat das Bundesverwaltungsgericht noch nicht abschließend festgelegt, aber ausgeführt, dass die Dublin-III-VO eine behördliche Aussetzung aus sachlich vertretbaren Erwägungen, welche nicht rechtlich zwingend sein müssten, ermögliche, wenn diese den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedsstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. Die Missbrauchsschwelle sei jedenfalls dann überschritten, wenn bei klarer Rechtslage und offenkundig eröffneter Überstellungsmöglichkeit die behördliche Aussetzungsentscheidung allein dazu diene, die Überstellungsfrist zu unterbrechen, weil sie aufgrund behördlicher Versäumnisse nicht habe gewahrt werden können (BVerwG a.a.O., Rn. 27).

Für die Annahme eines derartigen Missbrauchs spricht im vorliegenden Fall insbesondere, dass die Aussetzung vorliegend allein dazu gedient hat, auf die Überstellungshindernisse aufgrund der Corona-Pandemie zu reagieren und weder den Beschleunigungsgedanken noch die Interessen des zuständigen Mitgliedsstaats erkennbar berücksichtigt hat (vgl. hierzu VG München, U.v. 7.7.2020 - M 2 K 19.51274 - juris Rn. 17; Lehnert/Werdermann, NVwZ 2020, 1308, 1310). Hierauf kommt es aber wie gesagt nicht mehr entscheidungserheblich an.

Im Übrigen kommt auch der Großteil der hierzu bislang ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass die vom Bundesamt anlässlich der Corona-Pandemie ausgesprochenen Aussetzungen von Überstellungsentscheidungen nach § 80 Abs. 4 VwGO, Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO rechtswidrig waren (vgl. VG Schleswig-Holstein, U.v. 15.5.2020 - 10 A 596/19; VG Münster - B.v. 22.5.2020 - 8 L 367/20.A; VG Aachen, U.v. 10.6.2020 - 9 K 2584/19.A; VG München, U.v. 7.7.2020 - M 2 K 19.51274 - jeweils juris; auch OVG Schleswig-Holstein, B.v. 9.7.2020 - 1 LA 120/20 - juris; VG Würzburg, U.v. 11.8.2020 - W 8 K 19.50795 - juris; VG Braunschweig, B.v. 13.8.2020 - 2 B 205/20 - juris; VG Greifswald, U.v. 28.8.2020 - 3 A 1865/19 HGW - juris; a.A. VG Osnabrück, B.v. 12.5.2020 - 5 B 95/20 - juris; VG Lüneburg, B.v. 29.4.2019 - 8 B 18/2 - juris; VG Gießen, B.v. 8.4.2019 - 6 L 1015/20.GI.A - juris).

d) Zusammenfassend ist also festzustellen, dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO als Ereignisfrist nach Art. 42 Dublin-III-VO am 7. Mai 2019 um 0:00 Uhr (erneut) zu laufen begonnen hat. Sie wurde wirksam nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf 18 Monate verlängert und endete daher mit Ablauf des 6. November 2020. Damit ist die im Bescheid des Bundesamts vom 7. März 2019 unter der Ziffer 1 erfolgte Ablehnung der Asylanträge der Kläger als unzulässig im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Angesichts der Rechtswidrigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung können auch die übrigen Regelungen des Bescheides keinen Bestand haben. Die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst der Abschiebungsanordnung sind jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16 - juris Rn. 21). Gleiches gilt für die in Ziffer 4 des Bescheids getroffene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.