VG Koblenz, Urteil vom 24.11.2020 - 5 K 361/20.KO
Fundstelle
openJur 2020, 78596
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Juni 2019 und des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2020 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geeignete gaststättenrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kläger vor von dem Gaststättenbetrieb der Beigeladenen "A..." ausgehenden Immissionen zu ergreifen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren ein gaststätten- bzw. immissionsschutzrechtliches Einschreiten gegen den von der Beigeladenen betriebenen Club "A...".

Die Kläger bewohnen ein Wohnhaus auf dem Grundstück Gemarkung B..., Flur ..., Flurstück Nr. ... (Am C......), das im Eigentum der [...] steht. Das Grundstück grenzt in östlicher Richtung unmittelbar an die Bundesstraße 1... (im Folgenden: B 1...) an, die ihrerseits parallel zu einer Bahnstrecke verläuft, welche sie vom Rhein trennt. Auf dem in nördlicher Richtung gelegenen, nur durch eine Wegeparzelle vom Grundstück der Kläger getrennten Grundstück Gemarkung B..., Flur ..., Flurstücke Nr. ... und Nr. ... (Am C......) befindet sich ein aus zwei Häusern bestehender Gebäudekomplex, der bereits seit mehreren Jahrzehnten gewerblich - bis zum Jahr 2001 als Ausflugsrestaurant mit Hotel - genutzt wird. Derzeit betreibt die Beigeladene im Obergeschoss des Vorderhauses den Club "A...". Im Erdgeschoss befindet sich die Bar "D...", deren Inhaberin die E... GmbH, die Beigeladene des Verfahrens 5 K 359/20.KO, ist.

Die Beigeladene nahm den Betrieb des "A..." im Jahr 2001 auf. Auf entsprechenden gaststättenrechtlichen Antrag der Beigeladenen vom 4. März 2001 genehmigte die Beklagte mit Erlaubnisbescheid vom 3. Mai 2002 den Betrieb des "A..." als "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit". Die Erlaubnis wurde mit der Auflage versehen, dass der vom Betrieb ausgehende Lärmpegel nicht zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwertes von tagsüber 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) führen darf und zwar gemessen 0,5 m vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses. Als Nachtzeit gelte dabei die Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Weiterhin wurden Live- Musikdarbietungen von der Erlaubnis ausgenommen; hierzu bedürfe es einer gesonderten Erlaubnis.

Im September 2003 stellte die Beigeladene einen Antrag auf baurechtliche Nutzungsänderung, wonach das "A..." zukünftig als "Gesellschaftsclub" betrieben werden solle, wobei es unter den Gästen zu sexuellen Handlungen kommen könne. Hierfür seien separate Gesellschaftsräume im Obergeschoss vorgesehen. Die Beklagte entsprach diesem Antrag und genehmigte mit Baugenehmigung vom 24. Mai 2006 einen "Gesellschaftsclub und Wohnen". Das "A..." wird spätestens seit dieser Zeit in erster Linie als "Swinger- bzw. Pärchenclub" betrieben.

Ungeachtet der baurechtlichen Genehmigungslage hatte das Ordnungsamt der Beklagten die Beigeladene bereits zuvor, am 13. September 2002, darauf hingewiesen, dass der Betrieb einer Gaststätte als "Swingerclub" eine besondere Betriebsart darstelle, für die gaststättenrechtlich eine Erweiterungserlaubnis zu beantragen wäre. Ein solcher Antrag ist nach Aktenlage bis zum heutigen Tag nicht bei der Beklagten eingegangen. In gaststättenrechtlicher Hinsicht gilt also nach wie vor die Konzession vom 3. Mai 2002.

Insbesondere seit dem Jahr 2015 beschwerte sich der Kläger zu 1. wiederholt über Lärm und sonstige Belästigungen, die von den Betrieben "A..." und "D..." ausgehen würden. Aufgrund dieser Anzeigen führte die Beklagte zahlreiche Vor-Ort-Kontrol- len inklusive Lärmmessungen durch. So wurde etwa am 13. Juni 2015 um 00:55 Uhr "links neben der Gaststätte Mitte des Wegs in Höhe der Häuserfront" ein Immissionswert von 56 dB(A) gemessen. An derselben Stelle stellte die Beklagte am 21. Juni 2015 zwischen 01:00 Uhr und 01:20 Uhr einen Wert von 61,9 dB(A) fest. In einem Bericht der Beklagten vom 14. Juli 2015 heißt es hierzu, ein Handlungsbedürfnis bestehe nicht. Zwar habe man bei der Kontrolle am 13. Juni 2015 auch urinierende Personen auf der anderen Seite der B 1... wahrgenommen, die Aufsichtspflicht des Gastwirts erstrecke sich aber nicht bis dorthin.

Nachdem der Kläger zu 1. beim damaligen Oberbürgermeister der Beklagten vorgesprochen hatte, legte das Ordnungsamt der Beklagten in einem internen Vermerk nieder, die Gaststätten im C... würden bereits überdurchschnittlich häufig kontrolliert, ohne dass sich bisher größere Beanstandungen ergeben hätten. Von daher gebe es keine Handlungsmöglichkeiten. Die Verunreinigungen im Umfeld der Gaststätte seien zwar "bedauerlich", es gebe aber keine unbegrenzte Aufsichtspflicht des Gastwirts. Diesen Standpunkt teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2017 mit. Ein Tätigwerden ihrerseits sei rechtlich nicht möglich. Für das Treiben der Gäste im weiteren Umfeld der Gaststätte könne der Gastwirt keine Verantwortung übernehmen - hier hörten seine Aufsichtspflichten auf.

Im August 2017 wurde der Beklagten auf einen entsprechenden Hinweis des Klägers zu 1. bekannt, dass die Beigeladene nunmehr auch mit der Möglichkeit warb, die Räumlichkeiten des "A..." als "SM Studio für gewerbliche Nutzung" oder als "Professionelle Pornofilm Location" zu mieten (vgl. Screenshots Bl. 229 ff. Beschwerdeakte Band I). In einem Schreiben an den Kläger zu 1. vom 21. August 2017 stellte sich die Beklagte in diesem Kontext auf den Standpunkt, die gewerbliche Zimmervermietung bewege sich im Rahmen der Gaststättenerlaubnis zum Betrieb einer "Schankwirtschaft mit Beherbergungsbetrieb". Soweit die Räume auch für Pornofilmdrehs o. Ä. zur Verfügung gestellt würden, bedürfe es keiner gewerberechtlichen Erlaubnis. Im Übrigen sei das - vom Kläger ebenfalls bemängelte - Durchführen von bis zu zehn Live-Musikveranstaltungen pro Jahr nach Einholung entsprechender Ausnahmegenehmigungen nach dem Landesimmissionsschutzgesetz zulässig und führe nicht zu einer Änderung der Betriebsart des "A...". Ferner hätten unzumutbare Lärmbelästigungen bislang nicht festgestellt werden können.

Wegen fortdauernder Beschwerden des Klägers zu 1. über Lärm und sonstige Störungen sowie seiner Bitte, weitere "Sonder-Events" im "A..." zu untersagen, führte die Beklagte am 13. Januar 2018 eine erneute Kontrolle im C... durch. Hierzu ist vermerkt, eine Lärmmessung vor dem Anwesen der Kläger hätte Werte von 44,3 dB(A) und 48,0 dB(A) (vor der Garage der Kläger) ergeben. Es habe aber nicht festgestellt werden können, ob die Geräusche auf die Gaststätten "D..." und "A..." oder die sonstigen Umgebungsgeräusche zurückzuführen seien (Bl. 280 Beschwerdeakte Band II).

Unter dem 14. Februar 2019 stellten die Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Einschreiten gegen die Beigeladene wegen schädlicher Umwelteinwirkungen und enormer Belästigungen. Vom Betrieb der Beigeladenen gingen erhebliche und dauerhafte Immissionen durch Lärm und Licht für sie aus. Diese resultierten insbesondere aus der An- und Abreise der Gäste während der Nachtzeit, der exzessiven Beleuchtung der Örtlichkeit und den Belästigungen durch Kot und Urin, den die Gäste auf ihrem Privatgrundstück hinterließen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. Juni 2019 ab, da unzumutbare Einwirkungen durch den Betrieb der Beigeladenen nicht feststellbar seien. Dies belegten die zahlreichen von ihr durchgeführten Kontrollen. Gegen die bereits erteilten Auflagen habe die Beigeladene nicht verstoßen.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 9. Juli 2019 machten die Kläger insbesondere geltend, es fänden mindestens einmal pro Woche lärmintensive Veranstaltungen statt. Weiterhin fühlten sie sich durch den Shuttle-Service in der Gasse zwischen ihrem Wohnhaus und den Betrieben im C...... belästigt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2020, den Klägern zugestellt am 24. März 2020, zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, ein Einschreiten komme nicht in Betracht, weil eine unbefugte Änderung der Betriebsart zu keinem Zeitpunkt habe festgestellt werden können. Auch Lärmwertüberschreitungen seien nicht messbar gewesen. Eine Umwandlung des als "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit" konzessionierten "A..." in eine Diskothek habe nicht stattgefunden. Die durchgeführten Live-Musikveranstaltungen änderten wegen ihrer geringen Anzahl die Betriebsart nicht. Mit Blick auf den bemängelten Shuttle-Service lägen keine Erkenntnisse vor. Insoweit werde angeregt, die Gäste auf der gegenüberliegenden Straßenseite der B 1... einsteigen zu lassen. Ein ungebührliches Verhalten der Gäste in Gestalt von Urinieren, Koten usw. sei weder gaststättenrechtlich noch ordnungsrechtlich oder immissionsschutzrechtlich relevant. Es lägen auch keine erheblichen Belästigungen vor, welche die Erteilung von Auflagen erforderlich machen würden. Insoweit spielten die Vorbelastung des Gebiets durch die seit jeher dort ansässigen Gaststätten sowie die Belastung durch den Verkehr auf der B 1... und auf der Schiene eine Rolle.

Mit ihrer Klage vom 22. April 2020 verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bisherigen Argumentation weiter. Ergänzend tragen sie insbesondere vor, ihnen stehe ein Rechtsanspruch auf Einschreiten zu, wobei die im Einzelnen zu ergreifenden Maßnahmen im Ermessen der Beklagten stünden. Ihre gaststättenrechtlichen Ansprüche resultierten aus dem Umstand, dass es sich bei der Gaststätte "A..." um einen Swingerclub und damit um eine Vergnügungsstätte handele, die aber nicht entsprechend konzessioniert sei. Der Club ziele auf Veranstaltungen mit explizit sexuellem Charakter, wobei die Möglichkeit zu Geschlechtsverkehr mit anderen Gästen bestehe. Der Betrieb des "A..." sei ihnen als Nachbarn in der bisherigen Form nicht länger zumutbar. Dies folge zunächst daraus, dass häufig unbekleidete Menschen auf den Balkonen des "A..." zu sehen seien. Weiterhin stelle die Beigeladene - offensichtlich zur Provokation - Sexspielzeug nebst Plakaten mit einem "Stinkefinger" in die ihrem Wohnhaus zugewandten Fenster. Auch der Lärm sei nicht mehr hinnehmbar. Insoweit müssten auch Gesichtspunkte wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz berücksichtigt werden. Dabei sei dem Gastwirt auch der Lärm der Gäste auf dem Weg von und zur Gaststätte zurechenbar.

Die Kläger beantragen sachdienlich,

den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2019 (...) sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 18. März 2020 (...) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, geeignet erscheinende immissionsschutz- oder gaststättenrechtliche Anordnungen gegenüber den verantwortlichen Betreibern der Gast- und/oder Vergnügungsstätte "A..." auf dem Anwesen Am C......, B..., zur Unterbindung insbesondere von unzumutbaren Lärm- und Lichtimmissionen auf dem von ihnen bewohnten Grundstück Am C......, b..., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es lägen keine unzumutbaren Lärm- und Lichtimmissionen vor. Den gegenteiligen Nachweis hätten die Kläger auch durch Vorlage eines "Lärmprotokolls" in der mündlichen Verhandlung vor dem Stadtrechtsausschuss im Widerspruchsverfahren nicht erbracht, zumal es sich hierbei nur um subjektive Wahrnehmungen der Kläger handele. Maßgeblich sei aber allein das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen. Sie habe den Betrieb überdurchschnittlich oft kontrolliert, ohne dabei schädliche Umwelteinwirkungen festzustellen. Der Lärm durch Verkehrsbewegungen, Gespräche der Gäste usw. finde nicht auf dem Grundstück der Kläger, sondern auf der anderen Seite des von der Beigeladenen betriebenen Lokals entlang der B 1... statt. Zudem sei bei der Einstufung der Zumutbarkeit des Lärms die Vorbelastung des Grundstücks der Kläger durch Verkehrs- und Schienenlärm und die Lage der maßgeblichen Grundstücke im Außenbereich zu beachten. Dies führe zu einer verminderten Schutzwürdigkeit. Ferner habe sich die Betriebsart nicht geändert.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, tritt der Klage aber wie folgt entgegen: Der Lärm bewege sich nach den Feststellungen der Beklagten im Rahmen des Zulässigen. Die von den Klägern beanstandeten Exkremente (Urin, Kot und Erbrochenes) stammten nicht von ihren Gästen. Sie vermute stattdessen, dass die Exkremente von Vorbeifahrenden hinterlassen würden. Im Übrigen werde das "A..." ausschließlich im Rahmen der Konzession betrieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen, die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge der Beklagten (fünf Hefte), die Gerichtsakte des Verfahrens 5 K 359/20.KO sowie die Gerichtsakte des Verfahrens 1 K 141/20.KO nebst den dortigen Beiakten (sieben Hefte Bauakte, vier Hefte Widerspruchsakte und zwei Bände Beschwerdeakte) Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf gaststättenrechtliches Einschreiten in Bezug auf den von der Beigeladenen betriebenen Club "A...", wobei die konkret zu ergreifenden Maßnahmen im Ermessen der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts stehen. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Kläger neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Der Anspruch der Kläger auf Einschreiten resultiert aus dem Umstand, dass der tatsächliche Betrieb des Clubs "A..." von der formellen Erlaubnislage in Gestalt des Erlaubnisbescheids vom 3. Mai 2002 abweicht, die Gaststätte mithin unerlaubt betrieben wird (I.). Wegen dieser formellen Illegalität ist die Beklagte verpflichtet, gegen den Betrieb einzuschreiten. Die Kläger vermögen einen entsprechenden Anspruch mit Erfolg klageweise geltend zu machen. Das Gaststättengesetz - GastG - , das in Ermangelung eines auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz - GG - erlassenen Landesgesetzes in Rheinland-Pfalz gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG fortgilt, hält zur Beseitigung der vom Betrieb ausgehenden beeinträchtigenden Wirkungen verschiedene Rechtsgrundlagen bereit, denen nachbarschützende Wirkung zukommt (II.).

I.

Der tatsächliche Betrieb des "A..." ist von der bestehenden gaststättenrechtlichen Erlaubnislage nicht gedeckt. Das "A..." ist ein Swingerclub und damit eine Gaststätte, die nach ihren Betriebseigentümlichkeiten nicht unter die genehmigte Betriebsart einer "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit" gefasst werden kann.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GastG ist die Gaststättenerlaubnis für eine bestimmte Betriebsart und bestimmte Räume zu erteilen. Die in der Erlaubnisurkunde zu bezeichnende Betriebsart bestimmt sich nach der Art und Weise der Betriebsgestaltung, insbesondere nach den Betriebszeiten und der Art der Getränke, der zubereiteten Speisen, der Beherbergung oder Darbietungen, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 GastG. Dabei legt das Gesetz keine bestimmten Betriebsarten fest. Die in § 1 Abs. 1 GastG genannten Grundtypen der Gastwirtschaft (Schankwirtschaft und Speisewirtschaft) halten lediglich grobe Typisierungen bereit, ohne die gesamte Bandbreite möglicher Betriebsarten auch nur ansatzweise abzudecken. Es ist zwar zulässig, die Betriebsart in der Erlaubnisurkunde mit einem Grundtyp zu umschreiben. Dann muss es sich aber um eine Gastwirtschaft ohne jegliche Besonderheit handeln: Die Gäste nehmen lediglich Getränke (Schankwirtschaft) oder Speisen und Getränke (Schank- und Speisewirtschaft) zu sich, ohne dass der Gaststätte besondere Betriebseigentümlichkeiten anhaften (Metzner, GastG, 6. Auflage 2002, § 3, Rn. 21).

Sobald jedoch umgekehrt besondere Betriebseigentümlichkeiten hervortreten, sind diese entsprechend zu vermerken. Ein Gaststättenbetrieb, der nicht von der auf eine bestimmte Betriebsart bezogenen Erlaubnis gedeckt ist, ist ein ungenehmigter Gaststättenbetrieb (Steinberg, "Öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz im Gaststättenrecht", DÖV 1991, 354 [361]).

Maßgeblich für die Bestimmung der jeweiligen Betriebseigentümlichkeiten und der sich daraus ergebenden Betriebsart ist die Verkehrsauffassung, welche sich aus dem Bedürfnis des Publikums und dem Angebot des Gaststättengewerbes ableitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1985 -1 C 14.84 -, juris, Rn. 16). Nach der Verkehrsanschauung liegt solange der Grundtypus der Speise- und/oder Schankwirtschaft vor, wie zur Abgabe von Speisen und/oder Getränken lediglich unwesentliche Nebenleistungen des Betriebs hinzutreten. Erlangen dagegen besondere Betriebseigentümlichkeiten ein solches Gewicht, dass die Abgabe von Speisen und/oder Getränken demgegenüber in den Hintergrund tritt, liegt eine besondere Betriebsart vor (vgl. zum Ganzen m. w. N.: Metzner, a. a. O., § 3, Rn. 27).

Nach diesen Maßstäben fällt das "A..." nicht unter den genehmigten Grundtyp einer "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit". Das "A..." ist ein Swingerclub, der sich gerade durch besondere Betriebseigentümlichkeiten auszeichnet. Ein Swingerclub bietet in aller Regel besondere Räumlichkeiten an, um in dieser Atmosphäre die Gäste zum freien und ungezwungenen intimen Austausch, zu Geschlechtsverkehr, Gruppensex und Partnertausch zu animieren. Swingerclubs erhalten ihr Gepräge mithin durch das vorgesehene sexuelle Geschehen, dem gegenüber die Verabreichung von Speisen und Getränken nur eine untergeordnete Rolle spielt. Demgemäß wird der Swingerclub als besondere Betriebsart angesehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2002 - 6 C 16.02 -, NVwZ 2003, 603; Metzner, a. a. O., § 3, Rn. 43).

Das "A..." fällt in diese Rubrik. Es handelt sich um einen Club, der seinen Gästen in erster Linie zur Anbahnung sexueller Kontakte und zur Ausübung von Geschlechtsverkehr zur Verfügung steht. Hierfür werden eigene Räume mit entsprechender Ausstattung vorgehalten. Nach der Beschreibung der Beigeladenen auf ihrer Homepage gibt es "7 diverse Play Areas (...)", die offensichtlich zur sexuellen Betätigung vorgesehen sind. Zwar bietet die Beigeladene im "A..." auch Speisen und Getränke an, dieses Angebot hat mit Blick auf das Gesamtkonzept aber nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Verabreichung von Speisen und - insbesondere alkoholhaltigen - Getränken soll bei lebensnaher Betrachtung allein dazu dienen, in lockerer und ungezwungener Atmosphäre Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen, um sodann sexuell aktiv zu werden. Dies suggeriert die Beigeladene auch selbst auf ihrer Homepage, wenn sie dort mit "erotischen Partys für Freigeister aller couleur" wirbt. Sie preist dort vorrangig diverse Partys und die damit einhergehenden Möglichkeiten zur sexuellen Entfaltung an; das Angebot an Speisen und Getränken wird dagegen nicht besonders betont (vgl. https://...de/ueber-uns/, zuletzt abgerufen am 12. November 2020). Dass die Beigeladene das "A..." als Swingerclub betreibt, folgt im Übrigen bereits aus ihrem Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung.

Der Betrieb des "A..." entfernt sich sogar noch weiter von der erlaubten gaststättenrechtlichen Betriebsart, soweit die Beigeladene ihre Räume auch zur Vermietung als "SM Studio für gewerbliche Nutzung" sowie zum Pornofilm-Dreh anbietet. Mit einer "Schank- und Speisewirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit" hat diese gewerbliche Betätigung erkennbar nichts mehr zu tun.

II.

Die Kläger haben gegen die Beklagte auch einen subjektiven Rechtsanspruch auf gaststättenrechtliches Einschreiten gegen den Betrieb, dessen formelle Illegalität hier auch für die Beklagte außer Frage stehen muss. Als Rechtsgrundlagen kommen insoweit jedenfalls die nachbarschützenden Vorschriften des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG (Auflagenerteilung) und des § 18 GastG (Sperrzeitverlängerung) in Betracht. Jenseits dessen steht es der Beklagten selbstverständlich frei, angesichts der formellen Illegalität des Betriebs auch weitergehende Maßnahmen gegen die Beigeladene zu ergreifen. Dies hat sie in eigener Zuständigkeit zu prüfen.

Eine Nachbarklage kann jedoch nur in dem Umfang Erfolg haben, in dem die Verletzung nachbarschützender Vorschriften in Rede steht. Einem Rechtssatz kommt dann ein nachbarschützender Charakter zu, wenn er nicht (nur) den Interessen der Allgemeinheit, sondern - zumindest auch - den Individualinteressen (hier) der Kläger derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes beanspruchen können. Dies setzt voraus, dass sich aus den individualisierbaren Tatbestandsmerkmalen einer Norm ein einschlägiger Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Aus dem im Wege der Auslegung zu ermittelnden Schutzzweck der Norm muss sich ergeben, dass diese unmittelbar (auch) den rechtlichen Interessen dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, seine Rechte berührt (VGH BW, Beschluss vom 4. Januar 2016 - 6 S 475/15 -, NVwZ-RR 2016, 337 m. w. N.). Als derart nachbarschützende Vorschriften, die einen Anspruch der Kläger begründen, dienen vorliegend § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG und § 18 GastG.

1. Ein Anspruch der Kläger auf gaststättenrechtliches Einschreiten folgt zunächst aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG. Nach dieser Vorschrift können Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, jederzeit Auflagen zum Schutze gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden. Dass diese Vorschrift den Nachbarn Drittschutz gegen die genannten Störungen vermittelt, folgt bereits aus dem Wortlaut. Geschützt wird auch vor bloßen Belästigungen. Dabei ist der inhaltliche Schutz weitergehend als bei § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG (Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Auflage 2020, Kapitel 5, Rn. 219).

Unter den Begriff der Belästigungen fallen hier der von der Gaststätte der Beigeladenen ausgehende Lärm, das Aufstellen provokanter Gegenstände wie Sexspielzeug in den dem Wohnhaus der Kläger zugewandten Fenstern, das Auftreten nackter Personen auf den Balkonen des "A..." sowie das Urinieren, Koten und Erbrechen der Gäste auf das Grundstück der Kläger. Dass diese Belästigungen objektiv vorliegen, der Beigeladenen zuzurechnen und für die Kläger unzumutbar sind, steht zur Überzeugung der Kammer fest.

Dies gilt zunächst für den von der Gaststätte ausgehenden Lärm. Dieser geht objektiv über das genehmigte Maß hinaus und ist bereits deshalb - ungeachtet seiner Qualifikation als schädliche Umwelteinwirkung nach dem BImSchG - als Belästigung i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG einzustufen. Nach der mit der Erlaubnis vom 3. Mai 2002 verbundenen Auflage darf nachts 0,5 m vor dem vom Lärm am stärksten betroffenen Fenster des nächstgelegenen Wohnhauses, mithin vor dem Wohnhaus der Kläger, ein Lärmwert von 40 dB(A) nicht überschritten werden. Werte, die über diese von ihr selbst festgelegte Grenze hinausgehen, hat die Beklagte gleich mehrfach gemessen. So wurden, jeweils zur Nachtzeit, am 13. Juni 2015 ein Wert von 56 dB(A) und am 21. Juni 2015 ein Wert von 61 dB(A) festgestellt. Die Messungen wurden insoweit zwar nicht unmittelbar am maßgeblichen Immissionsort (0,5 m vom Fenster des Wohnhauses der Kläger) durchgeführt. Angesichts der Erheblichkeit der Werte spricht aber alles dafür, dass der Grenzwert auch dort überschritten war. Im Übrigen war am 13. Januar 2018 auch unmittelbar vor dem Anwesen der Kläger ein Wert von 44,3 dB(A) zu verzeichnen. Soweit die Beklagte teilweise anstelle der Grenzwerte aus der Erlaubnis auf Werte nach dem Landesimmissionsschutzgesetz abgestellt hat, hat sie ersichtlich einen falschen Maßstab herangezogen.

Diese objektiven Lärmbelästigungen sind dem Betrieb der Beigeladenen zuzurechnen. Dabei ist in Rechtsprechung und Literatur geklärt, dass neben dem unmittelbar von der Gaststätte ausgehenden Lärm auch der Lärm der Gäste vor der Gaststätte und im Zusammenhang mit An- und Abfahrt solange unmittelbare und typische Folge des Gaststättenbetriebs und damit dem Gastwirt zurechenbar ist, soweit er noch als Ziel- bzw. Quellverkehr in Erscheinung tritt. Erst recht einzubeziehen ist der Lärm von Besuchern, die sich etwa zum Rauchen vor der Gaststätte aufhalten, da der Bezug zur Gaststätte insoweit noch viel deutlicher zu Tage tritt als der Lärm des Ziel- und Quellverkehrs. Ob der Gastwirt diesen Lärm beeinflussen kann oder nicht, spielt keine Rolle (vgl. zum Ganzen etwa: BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 - 1 C 10.95 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 - 2 ZB 12.1898 -, juris, Rn. 4; Grziwotz/Lüke/Saller, a. a. O., Kapitel 5, Rn. 219 m. w. N.).

Dies vorausgeschickt kann nicht ernstlich bezweifelt werden, dass der zur Nachtzeit festgestellte Lärm rund um das Gebäude Am C...... auf die Gaststätte der Beigeladenen bzw. die im selben Haus befindliche Bar "D..." und deren Gäste zurückgeht. Das Konzept der Betriebe ist darauf angelegt, den jeweiligen Gästen einen Wechsel der Lokalitäten zu ermöglichen. Daher hält die Kammer es nicht für geboten, zwischen den beiden Lärmquellen zu differenzieren; insoweit stellen sie sich nach ihrem Betriebskonzept als einheitlicher Emissionsort dar. Das somit in seiner Gesamtheit genutzte Gebäude bildet gemeinsam mit dem Wohnhaus der Kläger und wenigen weiteren Wohnhäusern eine Splittersiedlung, in deren Umgebung sich keine weitere Bebauung befindet. Angesichts dieser Lage kann - anders als im innenstädtischen Bereich, wo sich häufig mehrere Gaststätten auf engstem Raum befinden - ausgeschlossen werden, dass der Lärm von anderen Einrichtungen als dem Betrieb der Beigeladenen und dem "D..." herrührt. Soweit die Beklagte sich darauf zurückzieht, der Lärm bestehe zu einem Großteil aus Umgebungsgeräuschen in Gestalt des Zug- und Straßenverkehrs, greift dies zu kurz. Ein solcher Schluss hätte allenfalls gezogen werden können, wenn der Beklagten zur Nachtzeit erhobene Vergleichswerte außerhalb der Betriebszeiten der Gaststätten "D..." und "A..." vorgelegen hätten, was jedoch nicht der Fall war.

Der vom Betrieb der Beigeladenen ausgehende Lärm ist den Klägern auch nicht zuzumuten. Maßstab hierfür ist das Empfinden eines sogenannten verständigen Durchschnittsmenschen, also eines Menschen, der weder übermäßig empfindlich noch ungewöhnlich unempfindlich ist und bei dem keine besonderen gesundheitlichen oder sonstigen außergewöhnlichen Umstände vorliegen (VG Neustadt a. d. W., Urteil vom 9. Mai 2016 - 4 K 1107/15.NW -, juris, Rn. 44; VG Koblenz, Beschluss vom 29. Mai 2017 - 5 L 516/17.KO -, unveröffentlicht, Entscheidungsabdruck S. 8). Weiterhin hängt die Zumutbarkeit von den Einzelheiten der Situation, das heißt von der Eigenart des Baugebiets und der näheren Umgebung ab, in welche die Grundstücke des Gewerbetreibenden und der Nachbarn hineingestellt sind. Dabei ist auch die tatsächliche Vorbelastung des Gebiets durch Immissionen in die Betrachtung einzubeziehen (BayVGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 22 B 01.1065 -, BeckRS 2003, 31447; vgl. zum Ganzen auch: VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Mai 1990 - 18 L 753/90 -, NVwZ 1991, 813 m. w. N.). Ferner kann dem Umstand, dass Geräusche zur Nachtzeit in besonderem Maße als störend empfunden werden, Bedeutung zukommen. Vor allem ist die bauliche Situation zu würdigen. Denn die Schutzwürdigkeit richtet sich nach der materiellen baurechtlichen Lage (SaarlOVG, Urteil vom 29. August 2006 - 1 R 21/06 -, juris, Rn. 51).

Ausgehend hiervon ist zunächst festzuhalten, dass weder das von der Beigeladenen gewerblich genutzte Gebäude noch das von den Klägern zu Wohnzwecken genutzte Gebäude unter materiellen baurechtlichen Erwägungen einen besonderen rechtlichen Schutz genießen. Denn die jeweilige Genehmigungsfähigkeit ist - ungeachtet der Frage, ob der Maßstab des § 34 oder des § 35 Baugesetzbuch anzulegen ist - zumindest zweifelhaft. Geht man somit von einer gleichermaßen reduzierten Schutzwürdigkeit aus, ist zu sehen, dass hier zwei nur schwer miteinander vereinbare Nutzungsarten aufeinandertreffen, was ein erhöhtes Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme abverlangt. Für die Beigeladene hat das zur Folge, dass sie wegen der angrenzenden Wohnbebauung für eine Reduzierung des Lärms insbesondere zur besonders schützenswerten Nachtzeit zu sorgen hat. Die festgestellte Intensität des Lärms trägt dem jedoch nicht hinreichend Rechnung. Das gilt auch, wenn man die Vorbelastung des Gebiets insbesondere durch Bahn- und Straßenverkehr einbezieht. Denn der von den Betrieben "D..." und "A..." ausgehende Lärm führt qualitativ und quantitativ zu einer Verschlechterung der Situation. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass es insbesondere zur Nachtzeit zu Lärmspitzen kommt.

Eine weitere tatbestandsmäßige Belästigung ist in dem Aufstellen von Sexspielzeug nebst "Stinkefingern" in den dem Wohnhaus der Kläger zugewandten Fenstern sowie dem Auftreten nackter Personen auf den Balkonen des "A..." zu erblicken. Diese Handlungen erfüllen den Tatbestand des § 118 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - und haben damit erst recht als Belästigung i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG zu gelten. Nach § 118 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Unter einer grob ungehörigen Handlung in diesem Sinne versteht man ein Verhalten, das sich bewusst nicht in die für das gedeihliche Zusammenleben der jeweiligen Rechtsgemeinschaft erforderliche Ordnung einfügt und dadurch in einem deutlichen Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung steht (Kerkmann, in: Gassner/Seith, OWiG, 2. Auflage 2020, § 118, Rn. 3). Als derlei grob ungehörige Handlung ist das Aufstellen von Sexspielzeug in den Fenstern des "A..." einzustufen. Dies gilt erst recht, soweit Plakate mit "Stinkefingern" hinzugefügt wurden. Diese Fenstergestaltung dient eindeutig der Provokation der Betrachter und läuft einem gedeihlichen Zusammenleben damit gerade zuwider. Auch das Auftreten nackter Personen auf den Balkonen des "A..." und damit in einem öffentlich einsehbaren Bereich ist ein Fall grob ungehörigen Verhaltens in Gestalt der Verletzung des natürlichen Schamgefühls (vgl. Kerkmann, in: Gassner/Seith, a. a. O., § 118, Rn. 7 m. w. N.).

Die Einstufung als grob ungehöriges Verhalten begründet zugleich die Unzumutbarkeit für die Kläger. Der Beigeladenen sind die grob ungehörigen Handlungen auch zurechenbar. Sie ist als Inhaberin des Hausrechts verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sich ihre Gäste gegenüber Dritten so verhalten, wie es auch sonst im öffentlichen Bereich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verlangt wird. Dies gilt umso mehr, als wegen der divergierenden Nutzungsarten ein besonders hohes Maß an Rücksichtnahme zu verlangen ist.

Daneben stellen auch Urin, Kot und Erbrochenes eine Belästigung i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dar. Die Kammer hegt keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die vorgenannten Exkremente auch von Gästen der Beigeladenen stammen und ihr zurechenbar sind; das objektive Vorkommen ist zwischen den Beteiligten ohnehin unstreitig. Soweit die Beigeladene annimmt, die Hinterlassenschaften stammten von Vorbeifahrenden, die sich im C... erleichterten, ist dies eine bloße Vermutung, die durch keinerlei objektiven Erkenntnisse gestützt wird. Im Gegenteil: Mitarbeiter der Beklagten mussten gleich zu zwei Gelegenheiten - nämlich am 13. Juni 2015 und am 3. März 2017 - feststellen, dass Gäste der Beigeladenen in unmittelbarer Nähe der Gaststätte, in einem Fall auch auf dem Grundstück der Kläger, urinierten. Dies ist der Beigeladenen - gleichsam als besondere Ausgestaltung des Ziel- und Quellverkehrs - zurechenbar, zumal bei stark alkoholisierten Personen mit einem derartigen Verhalten zu rechnen ist. Dass den Klägern diese Art der Belästigung nicht zumutbar ist, erklärt sich von selbst.

Sind nach allem die Voraussetzungen der drittschützenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erfüllt, haben die Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auflagenerteilung.

Grundsätzlich vermittelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG dem Nachbarn lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das Ermessen ist jedoch hinsichtlich des "Ob" eines Einschreitens auf Null reduziert, wenn auch Leben oder Gesundheit von Menschen gefährdet sind. So liegt es hier, da eine Gefährdung des lebensnotwendigen Schlafes der Kläger durch Störungen der Nachtruhe in Rede steht (vgl. hierzu: Grziwotz/Lüke/Saller, a. a. O., Kapitel 5, Rn. 220 m. w. N.). Welche konkreten Auflagen die Beklagte erteilt, also das "Wie" des Tätigwerdens, verbleibt dagegen in ihrem Ermessensspielraum. In Betracht kämen etwa geeignete Schallschutzmaßnahmen sowie eine Auflage zur Erhöhung des Security-Personals, um das Verhalten der Gäste im Umfeld des Clubs zu überwachen und hierauf bei Bedarf reagieren zu können. Weiterhin erscheint es naheliegend, der Beigeladenen aufzuerlegen, an den Balkonen und an den dem Wohnhaus der Kläger zugewandten Fenstern einen Sichtschutz zu installieren.

2. Darüber hinaus haben die Kläger auch einen Anspruch gegen die Beklagte, im Wege der Regelung über die Sperrzeitverlängerung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i. V. m. § 19 der rheinland-pfälzischen Gaststättenverordnung - GastVO - einzuschreiten.

Nach § 19 Abs. 1 GastVO kann die Sperrzeit, die nach § 17 Satz 1 GastVO für Schank- und Speisewirtschaften um 5:00 Uhr beginnt und um 6:00 Uhr endet, verlängert werden, wenn hierfür ein öffentliches Bedürfnis vorliegt oder besondere örtliche Verhältnisse bestehen. Bei der Feststellung eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GastVO insbesondere der Schutz der Nachtruhe der Nachbarschaft zu berücksichtigen. Auch hier folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift deren drittschützender Charakter; die Kläger können sich als unmittelbare Anwohner auf § 18 GastG berufen (vgl. hierzu: SaarlOVG, a. a. O., Rn. 47).

Eine Sperrzeitverlängerung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i. V. m. § 19 GastVO ist gerechtfertigt, wenn aufgrund atypischer Umstände eine besondere Störungsintensität der Gaststätte oder eine besondere Störungsempfindlichkeit der Umgebung vorliegt. Insbesondere kann sich ein Anspruch der Nachbarn aus einer besonders konfliktträchtigen Gemengelage mit erheblichen Störungen der Nachtruhe ergeben. Neben Lärm können dabei auch andere Störungen wie etwa Verunreinigungen von privaten Grundstücken eine Rolle spielen (vgl. Grziwotz/Lüke/Saller, a. a. O., Kapitel 5, Rn. 223). Eine solche atypische Situation mit einander grundsätzlich widersprechenden Nutzungsarten (Gewerbenutzung und Wohnnutzung) sowie dem Gastwirt zurechenbaren, für die Nachbarn aber unzumutbaren Belästigungen liegt hier vor. Insoweit kann auf die Ausführungen zu 1. verwiesen werden.

Das grundsätzlich bestehende Ermessen der Beklagten ist hinsichtlich einer Sperrzeitverlängerung dem Grunde nach auf Null reduziert, da die Beklagte wegen der Lebensnotwendigkeit ungestörten Schlafes tatsächlich einschreiten muss (vgl. hierzu: Grziwotz/Lüke/Saller, a. a. O., Kapitel 5, Rn. 223). Demgegenüber liegt der Umfang der Sperrzeitverlängerung im Ermessen der Beklagten.

3. Bei allem übersieht die Kammer nicht, dass es auch in Zukunft zu Problemen hinsichtlich der Einhaltung und Durchsetzung der nunmehr zu erteilenden Auflagen bzw. der Anordnung einer Sperrzeitverlängerung kommen kann. In diesem Fall bleibt es den Klägern unbenommen, ihren dann gegebenenfalls bestehenden Rechtsanspruch auf Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die sich daraus möglicherweise sogar ergebende Verpflichtung der Beklagten zur Betriebsstilllegung klageweise geltend zu machen (vgl. HessVGH, Urteil vom 18. März 1992 - 14 UE 29/87 -, juris, Rn. 56).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Beklagten eine Kostentragungspflicht auch in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit selbst im Fall des Unterliegens keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

Beschluss

1. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz).

2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Kläger für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

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