VG Potsdam, Urteil vom 05.11.2020 - 1 K 4834/17
Fundstelle
openJur 2020, 78584
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verzugszinsfestsetzung.

Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde im Land Brandenburg, Landkreis Oberhavel. Der Beklagte zog sie als sogenannte abundante Gemeinde für die Jahre 2011 bis 2015 nach § 17a Abs. 1 des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes (BbgFAG) zur Zahlung einer Finanzausgleichsumlage heran. Diese Umlage wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BbgFAG vom 20. Dezember 2010 (GVBl. 2010 I Nr. 44) mit § 17a BbgFAG eingeführt. Danach wird von kreisangehörigen Gemeinden, deren Steuerkraftmesszahl nach § 9 die Bedarfsmesszahl nach § 7 im Ausgleichsjahr um mehr als 15 vom Hundert übersteigt, im Folgejahr eine Finanzausgleichsumlage erhoben. Der Gesetzeswortlaut wurde nachträglich mehrfach ergänzt. So definierte der Gesetzgeber mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des BbgFAG vom 18. Dezember 2012 (GVBl. 2012 I Nr. 43) in § 9 Abs. 4 BbgFAG den bereits zuvor in § 9 Abs. 2 BbgFAG verwendeten Begriff des "gewogenen Durchschnittshebesatzes" legal. Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des BbgFAG vom 15. Oktober 2013 (GVBl. 2013 I Nr. 29) wurde in § 9 der Begriff des "Nivellierungshebesatzes" eingeführt. Sodann blieb die Regelung bis zum Siebten Änderungs-gesetz unverändert. Über die Erhebung der Finanzausgleichsumlage für die Jahre 2011 bis 2015 führten die Beteiligten bereits mehrere gerichtliche Verfahren:

Das Verwaltungsgericht Potsdam wies mit Urteilen vom 20. Februar 2014 die Klagen der Klägerin gegen die Finanzausgleichsumlage für das Jahr 2011 (VG 1 K 303/12) und 2012 (VG 1 K 738/13) ab. Die jeweiligen Anträge auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschlüssen vom 13. und 14. November 2014 ab (OVG 12 N 77.14 und OVG 12 N 79.14). Die hiergegen erhobenen Anhörungsrügen blieben erfolglos (OVG 12 RN 4.14 und OVG 12 RN 6.14). Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg wies mit Urteilen vom 6. August 2013 die von der Klägerin und zwei weiteren Gemeinden gegen die Vorschrift des § 17a BbgFAG erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Norm in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes vom 18. Dezember 2012 richteten, zurück (VfGBbg 53/11, VfGBbg 70/11 und VfGBbg 71/11, jeweils juris). Das Bundesverfassungsgericht nahm die gegen diese Entscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerden mit Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2013 nicht zur Entscheidung an (2 BvR 1961/13, 2 BvR 1962/13 und 2 BvR 1976/13, jeweils juris). Eine weitere kommunale Verfassungsbeschwerde der Klägerin und zwei weiterer Gemeinden gegen das Dritte Änderungsgesetz des BbgFAG vom 18. Dezember 2012 und das Vierte Änderungsgesetz des BbgFAG vom 15. Oktober 2013 verwarf das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg als unzulässig mit Beschlüssen vom 29. August 2014 (VfGBbg 67/13, VfGBbg 65/13 und VfGBbg 66/13, jeweils juris) und vom 22. Mai 2015 (VfGBbg 1/15). Das Verwaltungsgericht Potsdam wies mit Urteil vom 8. Oktober 2015 die Klage der Klägerin gegen die Finanzausgleichsumlage für die Jahre 2013 (VG 1 K 339/14) und 2014 (VG 1 K 386/15) ab. Die jeweiligen Anträge auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschlüssen vom 14. Juni 2016 ab (OVG 12 N 14.16 und OVG 12 N 17.16). Die hiergegen erhobenen Anhörungsrügen blieben erfolglos (OVG 12 RN 1.16 und OVG 12 RN 4.16). Ferner wies das Verwaltungsgericht Potsdam mit Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2017 die Klage der Klägerin gegen die Finanzausgleichsumlage für das Jahr 2015 (VG 1 K 328/16) ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 ab (OVG 12 N 66.17). Gegen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 29. August 2014 und des OVG Berlin-Brandenburg vom 13. und 14. November 2014 und vom 14. Juni 2016 erhob die Klägerin Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht, über die bislang noch nicht entschieden wurde (Aktenzeichen sämtlicher in diesem Sachzusammenhang erhobenen Verfassungsbeschwerden - auch soweit diesen erstinstanzliche Entscheidungen anderer Gerichte zugrunde liegen - nach Mitteilung der Klägerin: 2 BvR 865/15, 2 BvR 866/15 und 2 BvR 884/15 - gegen Beschlüsse des Landesverfassungsgerichts - sowie 2 BvR 143/15, 2 BvR 196/15, 2 BvR 153/15, 2 BvR 163/15, 2 BvR 1759/16, 2 BvR 1760/16, 2 BvR 1771/16, 2 BvR 1772/16, 2 BvR 2619/18, 2 BvR 1672/19, 2 BvR 1673/19 und 2 BvR 1674/19 - gegen Entscheidungen des OVG Berlin-Brandenburg).

Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 BbgFAG ist die Finanzausgleichsumlage jeweils zum 25. Februar des Folgejahres fällig. Die Umlagen für die Ausgleichsjahre 2011 bis 2013 in Höhe von insgesamt 21.687.418,00 Euro zahlte die Klägerin trotz mehrerer Zahlungsaufforderungen und Mahnungen nicht, so dass der Beklagte die Voll-streckung einleitete. Am 6. Juli 2016 gingen die Zahlungen ein. Die Finanzausgleichsumlage für das Ausgleichsjahr 2014 in Höhe von 6.277.895,00 Euro zahlte die Klägerin am 21. Dezember 2016 und für das Ausgleichsjahr 2015 in Höhe von 6.870.312,00 Euro am 31. Januar 2017. Für die Berechnung der Verzugszinsen für die Ausgleichsjahre 2011 bis 2013 wartete der Beklagte die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13./14. November 2014 sowie eine gewährte Nachfrist ab und forderte sodann Zinsen in Höhe von insgesamt 745.131,48 Euro für den Zeitraum vom 7. Dezember 2014 bis 5. Juli 2016. Für das Ausgleichsjahr 2014 berechnete der Beklagte Zinsen in Höhe von 244.489,13 Euro für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis zum 20. Dezember 2016. Für das Ausgleichsjahr 2015 berechnete der Beklagte Zinsen in Höhe von 134.658,12 Euro für den Zeitraum vom 1. März 2016 bis 30. Januar 2017. Mit Schreiben vom 3. März 2017 hörte der Beklagte die Klägerin zur Festsetzung der Verzugszinsen an. Die Klägerin nahm hierauf mit Schreiben vom 29. Mai 2017 Stellung.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2017 setzte der Beklagte Verzugszinsen für die Jahre 2011 bis 2015 in Höhe von insgesamt 1.124.278,73 Euro fest. Zur Begründung führte er aus, das Interesse der Klägerin an einem Entfallen der Zinsfestsetzung müsse hinter die Interessen der anderen umlagepflichtigen Gemeinden, des Landkreises und der Interessen des Landes Brandenburg an der Zahlung der Umlage zum gesetzlich festgesetzten Fälligkeitsdatum zurücktreten. Es liege sowohl eine gefestigte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung als auch eine gefestigte oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Finanzausgleichs-umlage vor. Die Gleichbehandlung aller abundanten Gemeinden sowie die Beachtung des gesetzlichen Fälligkeitsdatums, dem 25. Februar des jeweiligen Folge-jahres, gebiete eine Zinsfestsetzung. Ferner stelle die Zinsfestsetzung einen Ausgleich der Vorfinanzierungskosten des Landeshaushaltes für den diesbezüglichen Anteil an der Verbundmasse dar. Denn dieser Anteil sei im Haushaltsplan anzusetzen, auch wenn mangels Zahlung der finanzausgleichsumlagepflichtigen Kommune noch keine Einnahmen realisiert werden konnten. Letztlich diene die Verzugszins-regelung auch der Abschöpfung des Zinsvorteils beim Schuldner. Eine von der Klägerin behauptete Liquiditätskrise falle demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht, zumal aus dem Vollstreckungsverfahren bekannt sei, dass die Klägerin über eine entsprechende Rücklage verfüge. Soweit sich die Interessen der Klägerin generell gegen die Festsetzung der Finanzausgleichsumlage richteten, sei dies unbeachtlich, denn das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg habe sich mit der Umlage bereits umfassend auseinandergesetzt. Die Rechtshängigkeit verschiedener Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht hindere die Zinsfestsetzung nicht. Soweit im Jahr 2012 in Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) von Amts wegen die Finanzausgleichsumlage ausgesetzt worden sei, sei dies lediglich erfolgt, weil eine unanfechtbare Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen habe. Eine Zusage der Beklagten, keine Zinsen bis zum Abschluss der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu erheben, sei nicht erfolgt.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. August 2017 Klage erhoben. Sie führt an, der Beklagte habe sie nicht ordnungsgemäß angehört, da er im streitgegenständlichen Bescheid nicht auf ihre Ausführungen in der Stellungnahme vom 29. Mai 2017 eingegangen sei. Darüber hinaus sei die von dem Beklagten getroffene Entscheidung ermessensfehlerhaft. Ein Interesse der anderen umlagepflichtigen Gemeinden, des Landkreises und des Landes selbst an der Zahlung von Zinsen bestehe nicht, da all diesen Körperschaften die Zinsen nicht zugutekämen. Gleiches gelte für die Kommunen, die Zuweisungen aus dem Aufkommen der Finanzausgleichsumlage erhielten. Mit Zahlung der Finanzausgleichsumlage für die Jahre 2011 bis 2015 sei möglichen Interessen des Landkreises und anderer Empfängerkommunen hinreichend Genüge getan. Ein fortwirkendes rechtlich geschütztes Interesse an der Erhebung von Zinsen bestehe nicht. Des Weiteren bestehe keine Verpflichtung des Landes, erhobene, aber nicht eingegangene Umlagen vorzufinanzieren. Die Verbundmasse bestehe aus dem erzielten Aufkommen von Umlagen, nicht aus dem, was das Land zu erzielen erhoffe. Darüber hinaus existiere keine gefestigte verfassungsgerichtliche und auch keine gefestigte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur Finanzausgleichsumlage. Die Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts Brandenburg seien mit schweren Fehlern belastet. Diese seien vom Verwaltungsgericht Potsdam wie auch vom OVG Berlin-Brandenburg gedankenlos übernommen worden. Es bestehe die gerechtfertigte Erwartung, dass eine Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen werde. Darüber hinaus könne von einem Zinsvorteil, den der Beklagte abschöpfen müsse, keine Rede sein. Im Gegenteil belaste sie, die Klägerin, schon die Zahlung der Finanzausgleichsumlage jährlich mit einem Fehlbetrag in Millionenhöhe, so dass es gar keinen Vermögensvorteil gebe, der abgeschöpft werden könne. Zur Zinserhebung werde der Beklagte auch durch die Landeshaushaltsordnung (LHO) nicht gezwungen. Entscheidend sei die Regelung in § 17a Abs. 2 Satz 3 BbgFAG, wonach Ermessen bestehe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine Anhörung sei erfolgt. Ermessensfehler lägen nicht vor. Der Beklagte verweist insoweit im Wesentlichen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sowie zuletzt zu Protokoll der mündlichen Verhandlung beantragt, das Verfahren nach § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die erhobenen Verfassungsbeschwerden entschieden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (ein Hefter) Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht ist zur abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits ungeachtet des Antrags der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens berechtigt.

Schon die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO oder in dessen entsprechender Anwendung liegen im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden nicht vor. Jedenfalls übt das Gericht das ihm zustehende Ermessen in dem Sinne aus, dass es das Verfahren nicht aussetzt. Gemäß § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Ein vorgreifliches Rechtsverhältnis liegt vor, wenn es für die Entscheidung auf die Beurteilung einer Vorfrage ankommt, die Gegenstand eines anderen Rechtsstreits vor einem anderem Gericht - auch einem Verfassungsgericht - ist,

Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 94 Rn. 4.

Die von der Klägerin als vorgreiflich angeführten Verfassungsbeschwerden richten sich mittelbar gegen die der Zinsforderung zugrundeliegenden Hauptforderungen.

Soweit die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden unter anderem damit begründet werden, dass den jeweiligen Beschwerdeführerinnen der Anspruch auf rechtliches Gehör und - durch Nichtzulassung der Berufung -effektiven Rechtsschutz versagt worden sei, so sind diese Streitgegenstände für das hiesige Verfahren bereits nicht vorgreiflich. Die prozessrechtlichen Auswirkungen der beim Bundesverfassungsgericht aus diesen Gründen geführten Verfahren beschränken sich auf die Klageverfahren, die den Vorlagen beim Bundesverfassungsgericht zugrunde liegen.

Soweit es um die Verfassungsmäßigkeit der hier entscheidungserheblichen - weil die Hauptforderung betreffenden - Normen des Landes gehen sollte, handelt es sich zwar um eine Vorfrage zu der hier geführten Klage. Es kommt aber lediglich eine analoge Anwendung des § 94 VwGO in Betracht, denn bei der Prüfung der Gültigkeit einer Rechtsvorschrift geht es nicht um ein Rechtsverhältnis, sondern um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Aber auch, wenn die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 94 VwGO erfüllt sind, macht § 94 Satz 1 VwGO es dem Gericht nicht zur Pflicht, das Verfahren auszusetzen. Die Entscheidung liegt vielmehr im richterlichen Ermessen. Eine Ermessensreduktion kommt nur dann in Betracht, wenn anders eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich ist,

BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1992 - 4 B 247/92 -, juris Rn. 4.

Die bloße Vorgreiflichkeit reicht insoweit nicht aus.

BVerwG, Beschluss vom 08. Dezember 2000 - 4 B 75/00 -, juris Rn. 7.

Nach diesen Maßstäben ist das Verfahren nicht auszusetzen. Mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts Brandenburg vom 6. August 2013 (VfGBbg 53/11) liegt eine rechtskräftige Entscheidung vor, die sich - so das Bundesverfassungsgericht - umfassend mit den Auswirkungen der Finanzausgleichsumlage nach § 17a BbgFAG für das kommunale Selbstverwaltungsrecht auseinandergesetzt hat. Eine Würdigung des Ergebnisses der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle ist dem Bundesverfassungsgericht verwehrt,

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2013 - 2 BvR 1961/13, 2 BvR 1962/13, 2 BvR 1976/13 -, juris Rn. 4.

Soweit die Klägerin vorträgt, das Landesverfassungsgericht Brandenburg habe sich allein mit dem BbgFAG in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 2012 auseinandergesetzt, so ist dies zwar zutreffend, begründet jedoch auch nicht eine Ermessensreduzierung auf Null und damit einen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens. In den Beschlüssen vom 29. August 2014 (VfGBbg 65/13; VfGBbg 66/13 und VfGBbg 67/13) hat sich das Landesverfassungsgericht auch mit dem BbgFAG in der Fassung des Vierten Änderungsgesetzes auseinandergesetzt. Die gegen diese Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerden sind nicht abzuwarten, weil es sich mit Blick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nach § 91 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nicht aufdrängt, dass das Bundesverfassungsgericht nach den Ausführungen in seinen benannten Entscheidungen vom 14. Oktober 2013 (2 BvR 1961/13; 2 BvR 1962/13, 2 BvR 1976/13) nunmehr inhaltlich zu den von der Klägerin wiederholt aufgeworfenen (kommunal-) verfassungsrechtlichen Fragen Stellung nehmen wird. Im Übrigen zeichnet sich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden - nach einer telefonischen Auskunft der Geschäftsstelle des Zweiten Senats auf entsprechende Anfrage des Gerichts - nicht ab.

Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich auch nicht aufgrund des richterlichen Hinweises im vorliegenden Verfahren vom 24. Mai 2019. Dort heißt es zwar, dass sich die Kammer dazu entschieden habe, das Verfahren zunächst nicht weiter zu fördern, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die zu erwartenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das Verfahren haben. Ein anschließender Aussetzungsbeschluss ist aber nicht gefasst worden. Dieser wäre im Übrigen gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 150 Satz 1 Zivil-prozessordnung (ZPO) auch jederzeit von Amts wegen wieder aufhebbar gewesen.

Soweit die Klägerin anführt, das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) habe mit Verfügung vom 19. Dezember 2019 angekündigt, ein dort anhängiges Verfahren einer abundanten Gemeinde wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden (2 BvR 1672/19 bis 1674/19) gemäß § 94 VwGO auszusetzen, so hat dies schon im Ansatz keine Bedeutung für das vorliegende Verfahren. Im Übrigen hat eine telefonische Rückfrage beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) am 7. September 2020 ergeben, dass das zum Aktenzeichen 4 K 234/19 geführte Verfahren nach wie vor nicht ausgesetzt ist.

Die Ablehnung einer Aussetzung braucht nicht in Form eines gesonderten Beschlusses zu ergehen, sondern kann zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung erfolgen,

BVerwG, Beschluss vom 15. April 1983 - 1 B 133.82 -, juris Rn. 4 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 94 Rn. 6.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage ist § 17a Abs. 2 Satz 3 BbgFAG in der Fassung des 6. BbgFAGÄndG vom 15. März 2016. Danach kann das Land für rückständige Finanzausgleichsumlagebeträge Verzugszinsen in Höhe von 3 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz fordern. Die Finanzausgleichumlage wird gemäß § 17a Abs. 1 Satz 1 BbgFAG von kreisangehörigen Gemeinden erhoben, deren Steuerkraftmesszahl nach § 9 die Bedarfsmesszahl nach § 7 im Ausgleichsjahr um mehr als 15 vom Hundert übersteigt. Sie ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 BbgFAG zum 25. Februar des Folgejahres fällig.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Klägerin ist ordnungsgemäß angehört worden. Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) - im Folgenden immer - in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrens-gesetzes des Landes Brandenburg (BbgVwVfG) ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 3. März 2017 Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Zur Anhörung gehört darüber hinaus, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen bei ihrer Entscheidung inhaltlich zur Kenntnis nimmt, ernsthaft in Erwägung zieht und spätestens in der Begründung ihrer Entscheidung darauf eingeht,

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Oktober 1988 - 11 A 2734/86 -, juris, Leitsatz.

Die hier erfolgte Anhörung entspricht im Ergebnis diesem Maßstab. Zwar wiederholt der Beklagte - bisweilen wörtlich - in der Begründung des Bescheides teilweise seine Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben. Das betrifft insbesondere die Frage, ob es eine bereits gefestigte Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Finanzausgleichsumlage gibt. Weitere Ausführungen hierzu waren mit Blick darauf nicht erforderlich, dass die Rechtsmeinung des Beklagten aus den bisher geführten Gerichtsverfahren der Klägerin hinlänglich bekannt war. Insoweit ist auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG zu verweisen, wonach es keiner Begründung eines Verwaltungsaktes bedarf, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt ist. Ebenfalls nicht weiter eingehen konnte und musste der Beklagte auf die Frage der Liquidität der Klägerin, da diese hierzu selbst keine nachprüfbaren konkreten Berechnungen vorlegte (und bis heute vorgelegt hat). Es war auch nicht notwendig, dass der Beklagte aufklärt, wem die Verzugszinsen zugutekommen, da sich aus der Begründung des Bescheides hinreichend ergibt, dass er bei seiner Interessenabwägung nicht auf den finanziellen Vorteil, sondern auf den Sinn und Zweck der Zahlung von Verzugszinsen, nämlich das Anhalten zu pünktlicher Zahlung, abstellt. Dies zugrunde gelegt stellt er den Interessen der Klägerin diejenigen der sonstigen abundanten Gemeinden, des Landkreises und des Landes gegenüber und nimmt insoweit im Vergleich zum Anhörungsschreiben sogar noch eine Korrektur vor, indem er die Interessen der sonstigen schlüsselzuweisungsberechtigten Gemeinden nicht mehr einbezieht.

Der Tatbestand der Rechtsgrundlage liegt unstreitig vor. Die Klägerin war mit der Zahlung der Finanzausgleichsumlage für die Jahre 2011 bis 2015 in Rückstand geraten. Die Bescheide, auf deren Grundlage die Umlage für die jeweiligen Jahre eingefordert wurden, sind wirksam, selbst wenn sie - wie die Klägerin meint - rechtswidrig wären.

Die Festsetzung der Verzugszinsen steht im Ermessen des Beklagten. Gemäß § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der dem Beklagten eingeräumte Ermessensspielraum ist durch Vorgaben der Landeshaushaltsordnung (LHO) und der dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften (VV-LHO) eingeschränkt,

Wilhelm, Potsdamer Kommentar - Kommunalrecht und Kommunales Finanzrecht in Brandenburg, Stand 09/2020, § 17a Rn. 10.

Nach § 34 Abs. 1 LHO sind Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Nach der VV-LHO zu § 34 (dort Nr. 4.2) gilt: Besteht für Forderungen aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis eine Sonderregelung, so sind die sich daraus ergebenden Verzugszinsen und Ersatz des sonstigen nachweisbaren Verzugsschadens zu verlangen. Bei § 17a Abs. 2 Satz 3 BbgFAG handelt es sich um eine Sonderregelung zu der sonst für Verzugszinsen geltenden Regelung in § 288 Abs. 1 BGB. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dienen dem Ziel einer gleichmäßigen Ermessensausübung. Sie entheben die Behörde jedoch nicht der Verpflichtung zu einer eigenverantwortlichen Ermessensentscheidung unter sachlicher Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Falles,

Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 40 Rn. 77.

Gemessen daran hat der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Er gibt unter Verweis auf § 34 LHO zu erkennen, dass Einnahmen im Zweifel zu erheben sind. Dieser Bindung ist sich der Beklagte bewusst, auch wenn er die VV-LHO nicht ausdrücklich zitiert. Die darüber hinaus erforderliche Abwägung der Interessen der Klägerin mit den Interessen der sonstigen abundanten Gemeinden, des Landkreises und des Landes leidet nicht unter Ermessensfehlern. Im Einzelnen:

Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird,

Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 114 Rn. 8.

Der Ansicht der Klägerin, dass ein Ermessensfehlgebrauch darin liege, dass die genannten Körperschaften nach Zahlung der Umlage durch die Klägerin kein weitergehendes Interesse an der Zahlung von Verzugszinsen haben könnten, weil ihnen diese nicht zugutekämen, ist nicht zu folgen. Ersichtlich stellt der Beklagte nicht auf den finanziellen Vorteil der Verzugszinszahlung ab, sondern auf die Lenkungsfunktion, also darauf, dass die Umlage fristgerecht geleistet wird. Diese Erwägung entspricht dem Gesetzeszweck. Der Gesetzgeber wollte mit den Sätzen 2 und 3 des § 17a Abs. 2 BbgFAG erkennbar eine termingerechte Leistung sicherstellen. Jede Ver-zögerung in der Zahlung der Umlage kann sonst dazu führen, dass Berechnungsgrundlage und tatsächliche Finanzmasse der Schlüsselzuweisungen nicht mehr identisch sind, was der Kohärenz der gesamten Regelungen des BbgFAG abträglich ist,

vgl. LT-Drucksache 5/2012, S. 18.

Diesem Gesetzeszweck trägt der Beklagte in seiner Abwägung Rechnung. Der Beklagte konnte auch ermessensfehlerfrei von einer gefestigten verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ausgehen. Soweit die Klägerin Urteile aus anderen Bundesländern anführt, betreffen diese schon nicht die konkreten hier zugrundeliegenden Umlagebescheide aus den Jahren 2011 bis 2015. Soweit die Klägerin gegen diese Bescheide gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen hat, blieb sie stets erfolglos. Die Klägerin geht ferner fehl in der Annahme, eine Pflicht zur Vorfinanzierung der Umlage durch das Land bestehe nicht, so dass in der Folge ein Interesse des Landes an fristgerechter Zahlung als Ermessenserwägung sachfremd sei. Der Beklagte konnte in der mündlichen Verhandlung überzeugend darlegen, dass die Umlage nach haushaltsrechtlichem Ansatz, also in voller Höhe an die notleidenden Gemeinden abgeführt wird, auch wenn ein Eingang der Umlagezahlung beim Land noch nicht verzeichnet werden kann. Das Land sieht sich aus Art. 99 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) in der Pflicht, für den kommunalen Finanzausgleich zu sorgen und übernimmt daher im Einzelfall die Vorfinanzierung. Das Land hat daher - auch wenn die Vorfinanzierung keine spezifische, gesonderte Kreditaufnahme nötig macht - ein Interesse an fristgerechter Zahlung der Umlage. Der von der Klägerin vorgetragenen finanziellen Notlage konnte der Beklagte im Rahmen der Abwägung mit der pauschalen Kürzung der Verzugszinsen um 1.085.483,97 Euro begegnen. Die Klägerin trägt vor, durch die Zahlung der Finanzausgleichsumlage jährlich mit einem Fehlbetrag in Millionenhöhe belastet zu werden. Ihre Rücklagen schrumpften. Zum einen bleibt dieser Vortrag aber ohne Vorlage der in Bezug genommenen Jahresabschlüsse oder sonstiger Berechnungsunterlagen ohne Substanz. Zum anderen sieht das Gesetz für den Fall ernsthafter Zahlungsschwierigkeiten in § 59 Abs. 1 Nr. 1 LHO die Möglichkeit der Stundung vor. Diese wird jedoch gemäß Nr. 1.1 VV-LHO zu § 59 nur auf Antrag gewährt. Mit der Stellung eines solchen Antrags wäre es der Klägerin möglich gewesen, die Fälligkeit der Umlage hinauszuschieben und die Verzugszinsen zu vermeiden; sie hat einen solchen Antrag indes nicht gestellt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe, gemäß §§ 124 Abs. 2, 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.

BeschlussDer Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.124.278,73 Euro festgesetzt.

GründeDie Festsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).