VG Köln, Beschluss vom 23.10.2020 - 11 L 828/20
Fundstelle
openJur 2020, 78523
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abge-

lehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

den Antragsgegner gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung gem. § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG zu erteilen,

hat keinen Erfolg; er ist jedenfalls unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Der Antragsteller hat nach im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren alleine gebotener summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Antragsgegners in seiner ablehnenden Ordnungsverfügung vom 28.04.2020 umfassend Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.

I. Insbesondere ist die darin dargestellte Rechtsauffassung zutreffend, wonach die Missbrauchsregelung des § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch auf den vorliegend einschlägigen Fall der Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz gem. § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG anwendbar ist.

Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung des § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG als Auffangtatbestand,

vgl. hierzu Breidenbach, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition, Stand: 01.07.2020, § 60c Rn. 15.

Auch sprechen Sinn und Zweck der Regelung für eine solche Anwendbarkeit. Es erschließt sich nicht, warum zwar im Falle eines rechtsmissbräuchlich eingegangenen Scheinausbildungsverhältnisses die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG versagt werden können sollte, während dies im Falle einer Suche nach einem rechtsmissbräuchlichen Scheinausbildungsverhältnis nach § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG nicht möglich sein sollte.

II. Der demnach hier anwendbare Versagungstatbestand des § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist im vorliegenden Fall auch tatbestandlich erfüllt.

Eine offensichtliche Missbräuchlichkeit des angestrebten Ausbildungsverhältnisses im Sinne dieser Regelung ist gegeben, wenn das angestrebte Ausbildungsverhältnis lediglich deswegen begonnen wird, um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und der Ausländer nicht glaubhaft machen kann, ernsthaft die angestrebte Ausbildung auch zu Ende führen zu können und zu wollen. Ob ein solcher Fall vorliegt, bemisst sich nach Umständen des konkreten Einzelfalls, die im Rahmen einer Gesamtschau zu würdigen sind, die insbesondere das gesamte Verhalten des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland in den Blick nimmt,

vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 11.03.2020 - 8 L 737/20 -, juris Rn. 19 f.

Dabei liegt nach der amtlichen Gesetzesbegründung ein offensichtlicher Missbrauch in Form eines Scheinausbildungsverhältnisses insbesondere vor, wenn von vornherein wegen nicht vorhandener Sprachkenntnisse ausgeschlossen ist, dass die Ausbildung zum Erfolg geführt werden kann,

vgl. BT-Drs. 19/8286, S. 14.

Gemessen daran hat der Antragsteller nach summarischer Prüfung weder glaubhaft gemacht, ernsthaft die angestrebte Ausbildung auch zu Ende führen zu können (vgl. Ausführungen zu 1.), noch dies zu wollen (vgl. Ausführungen zu 2.).

1. Der Antragsteller hat nicht ausreichend glaubhaft gemacht, über die für einen erfolgreichen Abschluss der angestrebten Ausbildung erforderlichen Sprachkenntnisse zu verfügen. Vielmehr hat er selbst noch bei seiner persönlichen Vorsprache bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners im Januar 2020 einen 12-monatigen Lernbedarf angegeben, um das für eine Berufsausbildung erforderliche Sprachniveau zu erreichen (Blatt 330 der Beiakte).

2. Unabhängig davon bestehen mit Blick auf die bisherige Ausbildungs- und Erwerbsbiographie des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland auch ganz erhebliche Zweifel an dem Willen des Antragstellers, eine erneute Ausbildung erfolgreich zu beenden.

So hat der Antragsteller mehrfach inhaltlich nicht aufeinander aufbauende oder jedenfalls hinsichtlich ihrer Studieninhalte miteinander verwandte Studiengänge aufgenommen und nach kurzer Zeit wieder erfolglos abgebrochen. Einen solchen inhaltlichen Bezug wiesen auch die bisher vom Antragsteller eingegangenen Arbeitsverhältnisse nicht auf. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 28.04.2020 Bezug genommen.

Im Falle wiederholter Abbrüche von Berufsausbildungen ist jedoch von einem offensichtlichen Missbrauch auszugehen, wenn der Abbruch jeweils vom Ausländer zu verantworten war. Gegen einen offensichtlichen Missbrauch spricht hingegen, wenn jeweils nachvollziehbare Gründe für den Wechsel der Berufsausbildung vorliegen und erwartet werden kann, dass die neue Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen werden wird,

vgl. Breidenbach, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 26. Edition, Stand: 01.07.2020, § 60c Rn. 15.

Mangels Glaubhaftmachung nachvollziehbarer Gründe für seine jeweiligen Studienabbrüche sowie anderweitig ersichtlicher Gründe ist vor dem Hintergrund, dass diese Studiengänge in keinem inhaltlichen Zusammenhang standen, davon auszugehen, dass der Antragsteller die jeweiligen Studienabbrüche im Sinne einer missbräuchlichen, da nicht erkennbar auf einen erfolgreichen Abschluss gerichteten Studiengestaltung zu verantworten hatte.

Für eine missbräuchliche Gestaltung seiner bisherigen sowie der derzeit von ihm verfolgten Ausbildungssuche spricht zudem die im Rahmen der gebotenen Gesamtschau in den Blick zu nehmende jeweilige Nähe seiner Ausbildungsbemühungen zu den von ihm angestrengten Asyl- bzw. Folgeantragsverfahren.

So kann eine offensichtliche Nähe zum erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens ein starkes Indiz dafür sein, dass das angestrebte Ausbildungsverhältnis lediglich deswegen eingegangen werden soll, um weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland zu verbleiben,

vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 11.03.2020 - 8 L 737/20 -, juris Rn. 20.

Eine solche offensichtliche Nähe ist hier in mehreren Fällen gegeben. So stellte der Antragsteller, der im Jahr 2013 mit einem Visum sowie einem damals noch gültigen österreichischen Aufenthaltstitel zwecks Aufnahme eines Studiums an der V. Hochschule H. in das Bundesgebiet eingereist war, nach dem Abbruch dieses Studium sowie dem Abbruch seines im Anschluss daran an der I. Universität (...) aufgenommenen Studiums durch Einweisung in die Erstaufnahmeeinrichtung D. als Asylsuchender im September 2015 am 07.09.2016 einen Asylerstantrag. Nach dem erfolglosen Abschluss seines Asylerstverfahrens am 23.05.2019 wurde dem Antragsteller sodann bereits am 29.08.2019 mit Blick auf sein damals angestrebtes Ausbildungsverhältnis eine Ausbildungsduldung erteilt, welches er wiederum bereits am 07.01.2020 aus eigenem Entschluss abbrach. Am 21.01.2020 beantragte der Antragsteller daraufhin gegenüber dem Antragsteller die Erteilung einer weiteren Ausbildungsduldung zur Suche nach einem neuen Ausbildungsverhältnis. Zudem stellte der Antragsteller an 04.02.2020 einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 07.02.2020 als unzulässig abgelehnt wurde.

Diese somit gegebene zeitlich enge Abfolge und Verschränkung von Ausbildungsaufnahmen, Ausbildungsabbrüchen und Stellung von Asylanträgen stellt demnach ein weiteres starkes Indiz für die offensichtliche Rechtsmissbräuchlichkeit der vom Antragsteller derzeit betriebene Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz dar.

Ausgehend von dieser Gesamtschau des vom Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland gezeigten Verhaltens ist von einem offensichtlich rechstmissbräuchlichen Verhalten des Antragstellers nach § 60c Abs. 1 Satz 2 AufenthG auszugehen, weshalb dieser keinen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG. Wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache war der Streitwert in voller Höhe anzusetzen, Ziffer 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.

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