KG, Beschluss vom 08.09.2020 - 5 W 1023/20
Fundstelle
openJur 2020, 78405
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gegen die Wertfestsetzung im Beschluss der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin vom 10. Dezember 2019 - 52 O 225/19 - wird zurückgewiesen.

2.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin begehrt die Heraufsetzung des vom Landgericht im Eilverfahren mit 15.000,00 € festgesetzten Streitwertes. In dem Verfügungsverfahren beanstandet ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen den Auftritt der Antragsgegnerin auf Instagram wegen mangelnder Kennzeichnung der dortigen Inhalte als Werbung in drei Fällen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 12. September 2019 (Bl. 1 ff. AH d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2019 (Bl. 49 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG iVm. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig, aber nicht begründet, § 51 Abs. 2 bis Abs. 4 GKG.

1.

Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nach der sich aus dem Antrag des Klägers/Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Für die Bemessung ist somit in erster Linie das wirtschaftliche, eigene Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Anspruchsverwirklichung maßgebend (BGH, Beschluss vom 26. April 1990 - I ZR 58/89 -, Rn. 19, juris - Streitwertbemessung; BGH, Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16 -, Rn. 8, juris - Finanzsanierung). Bei Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen ist das Interesse des Verbandes im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (BGH, Beschluss vom 05. März 1998 - I ZR 185/95 -, Rn. 6, juris - Verbandsinteresse; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage, § 12 Rn. 5.8). Dieses Interesse ist nach der Gefährlichkeit (dem "Angriffsfaktor") der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen. Es hängt insbesondere von den Unternehmensverhältnissen bei dem Verletzer und dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung, Perspektiven), der Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), den Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung), der Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, nachheriges Verhalten, Unterlassungspflichten gegenüber Dritten) sowie der Nachahmungsgefahr ab (vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. September 2002 - 5 W 106/02 -, Rn. 3, juris). Schließlich ist nach der Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG in wettbewerbsrechtlichen Verfahren der Streitwert angemessen zu mindern, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten/Antragsgegner erheblich geringer zu bewerten ist als der nach Abs. 2 der eben genannten Norm ermittelte Streitwert.

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Angabe des Streitwerts in der Klage- bzw. Antragsschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 09. April 2010 - 5 W 3/10 -, Rn. 4, juris).

Diese Grundsätze geltend entsprechend für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Verfahrenswert gem. § 51 Abs. 4 GKG regelmäßig mit 2/3 eines entsprechenden Hauptsachverfahrenswertes bemessen werden kann (Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2019, 5 W 173/19 Senat, Beschluss vom 26. November 2004 - 5 W 146/04 -, Rn. 7, juris).

2.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist der vom Landgericht festgesetzte Wert nicht zu beanstanden.

a) Der Einfluss der von der Antragsgegnerin auf Instagram präsentierten Inhalte auf das Wettbewerbsgeschehen ist relativ gering: Die Antragsgegnerin kann sich nicht vorrangig auf ihre eigene Prominenz berufen, sondern leitet diese primär von anderen Mitgliedern ihrer Familie ab. Zudem sind die Unternehmen, mit deren Websites die Instagram-Auftritte verlinkt sind, nicht sonderlich bekannt. Auch fällt ins Gewicht, dass die Anzahl der Follower der Antragstellerin auf Instagram mit 225.000 (so in der eidesstattlichen Versicherung der Antragsgegnerin vom 29. Oktober 2019, Anlage AG 1) bzw. 250.000 (so nunmehr der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 27. April 2020, Bl. 125 d. A.) hinter der Anzahl der Follower von Influencern von großer Bedeutung zurückbleibt, die regelmäßig siebenstellig sind. Schließlich hat die Antragsgegnerin die in Rede stehenden Produkte auch nicht weiter beworben, sondern lediglich getragen. Auch dies spricht dagegen, dass die Aktivitäten der Antragsgegnerin tiefgreifende Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen haben.

Auch unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Urteils des Landgerichts Köln (LG Köln, Urteil vom 17. September 2019 - 31 O 19/19 -) kann keine Heraufsetzung des Verfahrenswertes erfolgen. Gegenstand dieses Urteils waren Behauptungen eines Mitbewerbers, wonach ein Konkurrenzprodukt "gesundheitsschädlich" sei, was nach der auch vom Senat geteilten Ansicht des Landgerichts Köln "die höchste Form der Darstellung als minderwertig bedeutet" (LG Köln, Urteil vom 17. September 2019 - 31 O 19/19 -, Rn. 40, juris). Alleine schon aus diesem Grund ist der vom Landgericht Köln entschiedene Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall aufgrund des unterschiedlichen Angriffsfaktors nicht vergleichbar.

Wenn der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags geltend macht, dass der "unberechtigte Teil der zugrundeliegenden vorgerichtlichen Abmahnung" die Antragsgegnerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt habe, kann auch dies keine Erhöhung des Verfahrenswertes rechtfertigen. Zum einen ging die Abmahnung des Antragstellers nicht über das hinaus, was er später gerichtlich geltend gemacht hat. Zum anderen hat es keinen Einfluss auf den Verfahrenswert, inwieweit die Parteien vor Gericht letztendlich obsiegen.

Schließlich ist weder ersichtlich noch vorgetragen, wieso die Angaben des Antragstellers zum Verfahrenswert in der Antragsschrift, die ein gewichtiges Indiz für die Schätzung dessen Interesses darstellen, fehlerhaft sein sollen. Vielmehr fällt auf, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin insbesondere in seinem Schriftsatz vom 31. Oktober 2019 (Bl. 49 ff. d. A.) keine Einwände gegen den Verfahrenswert erhoben hat, sondern erst, nachdem die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2019 die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert hatte.

3.

Anhaltspunkte für eine Minderung des Streitwertes nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG wegen einer erheblich geringeren Bedeutung der Sache für die Antragsgegnerin sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.