Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 27.11.2020 - 6 B 56/20
Fundstelle
openJur 2020, 78395
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 23. November 2020 bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eingegangene Antrag

im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes der Bürgermeisterin der Gemeinde B die Unterzeichnung des raumordnerischen Vertrages (ROV) mit den weiteren Amtsgemeinden der Insel und dem Land Schleswig-Holstein zu untersagen,

hat keinen Erfolg.

Es fehlt bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis.

Nach § 42 Abs. 2 VwGO analog liegt die Antragsbefugnis vor, wenn die Antragstellerin geltend machen kann, in ihren eigenen Rechten betroffen zu sein.

Der Fraktionsvorsitzende der Antragstellerin macht vorliegend im Namen der Antragstellerin, also der Fraktion, Rechte geltend. Die Gemeindeordnung eröffnet für Fraktionen eigene Antragsrechte in bestimmten Fällen (z.B. Verlangen nach Wahlen im gebundenen Vorschlagsrecht oder im Verhältniswahlverfahren, §§ 33 Abs. 2, 46 Abs. 1, 62 Abs. 3 GO). Bei den von der Antragstellerin geltend gemachten Verletzungen des Rechts auf Informationen und des Gleichbehandlungsgrundsatz handelt es sich jedoch um Rechte, die nicht die Fraktion betreffen, sondern den Gemeindevertretern zustehen. Zwar ist der Antragstellerin zuzusprechen, dass ein Recht auf ausreichende und rechtzeitige Information vor der Beratung und Entscheidung besteht. Dieses Recht steht jedoch den Gemeindevertretern im Rahmen ihrer Informations- und Mitwirkungsrechte zu. Auch bei fraktionszugehörigen Gemeindemitgliedern steht das Informationsrecht originär den einzelnen Mitgliedern zur Verfügung und nicht der Fraktion als solcher zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1988, 7 B 208.87; OVG Münster, Urteil vom 5. Februar 2002 - 15 A 2604/99; Dehn in: Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, Kommentar, Januar 2020, § 39 Rn. 13).

Darüber hinaus ist auch schon von vornherein nicht ersichtlich, woraus sich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben könnte bzw., dass ein solcher möglich wäre. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten lag der streitgegenständliche Vertragsentwurf zum Zeitpunkt der Beschlussfassung weder der Bürgermeisterin noch den anderen Gemeindemitgliedern vor. Daher wurde allen Gemeindemitgliedern eine mündliche Zusammenfassung der Änderungen vorgetragen, was sich auch aus dem vorliegendem Protokoll über die Sitzung am 16. November 2020 ergibt. Daraufhin haben sich die Gemeindemitglieder mehrheitlich anscheinend hinreichend informiert gefühlt, um den Beschluss zu treffen. Eine Ungleichbehandlung ist insofern nicht erkennbar.

Im Übrigen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg. Denn es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass das Informationsrecht bei der Beschlussfassung verletzt worden ist.

Die Gemeindevertreter haben ein Recht darauf, alle tatsächlich vorhandenen, für den Entscheidungsvorgang wichtigen Informationen zu erhalten. Hierzu gehören die Unterlagen, die zu einer gründlichen, sachbezogenen und seriösen Meinungsbildung in Form von Abwägungsprozessen erforderlich sind (Dehn/Wolf in: Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, Kommentar, Januar 2020, § 34 Rn. 45).

Zwar handelt es sich bei dem Vertragstext, über den entschieden wurde, prinzipiell um Unterlagen, die der Meinungsfindung dienen. Jedoch ergibt sich daraus nicht, dass diese Unterlagen zwingend vorliegen müssen. Vielmehr steht es den Gemeindemitgliedern frei, auch nur aufgrund mündlicher Informationen einen Beschluss zu fassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich nur um eine Änderung des ursprünglichen Vertrages und nicht um einen komplett neuen Vertrag handelt. Der Großteil der Regelung ist unverändert geblieben und in der Form schon Inhalt des Beschlusses vom 14. September 2020 gewesen.

Entscheidend ist jedoch, dass der geänderte Vertragstext und damit die begehrte Information überhaupt nicht vorlag und damit tatsächlich nicht vorhanden war. Es besteht jedoch nur ein Recht auf diejenigen Informationen, die auch tatsächlich vorhanden sind. Denn es handelt sich nicht um einen Informationsbeschaffungsanspruch sondern lediglich um einen Anspruch auf Erhalt der vorliegenden Informationen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in § 63 Abs. 2 i. V. m § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs. Eine Reduzierung des Streitwertes auf die Hälfte kam hier angesichts der erstrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss v. 18.12.2017 - 1 L 5127/17 - BeckRS 2017, 138639, Rn. 24; VG Köln, Beschluss v. 8.6.2018 - 4 L 252/18 - BeckRS 2018, 17570, Rn. 24).