OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2020 - 3 RVs 47/20
Fundstelle
openJur 2020, 78381
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 05 Ns 85/19

1. Den Gebäudeeigentümer trifft grundsätzlich keine Garantenpflicht im Sinne von § 13 StGB, Kennzeichen verbotener Vereine an seinem Haus zu beseitigen, die ein anderer ohne sein Wissen dort angebracht hat.

2. Eine Garantenpflicht in diesem Sinne entsteht auch nicht dadurch, dass die öffentlich geäußerte politische Ausrichtung des Gebäudeeigentümers darauf schließen lässt, dass er mit dem verbotenen Verein oder dessen Zielen sympathisiert.

Tenor

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichter - Bielefeld hat den Angeklagten am 23. September 2019 wegen Verwendens eines Kennzeichens eines verbotenen Vereins zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt.

Das gegen dieses Urteil zunächst unbestimmt eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten hat dieser mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. Dezember 2019 als Berufung bezeichnet.

Mit Urteil vom 17. Juni 2020 hat das Landgericht Bielefeld das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 23. September 2019 aufgehoben und den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Das Landgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte ist im Vorstand des Vereins zur Einrichtung und Förderung eines unabhängigen Arbeiterjugendzentrums C (AJZ C e.V.). Er übernahm den Vorsitz des Vereins im Jahr 2013. Neben dem Angeklagten ist im Vereinsregister ein weiterer Vereinsvorsitzender eingetragen. Der Aufenthalt des weiteren eingetragenen Vorstandsvorsitzenden konnte durch die Ermittlungsbehörden nicht ermittelt werden.

Der AJZ C e.V. ist Eigentümer einer Immobilie an der K Straße 132 in C. In dem Gebäude befinden sich auch Veranstaltungsräume, unter anderem der "Infoladen Anschlag". Auf einen Rollladen des Infoladens Anschlag des Arbeiterjugendzentrums in der K Straße 132 wurde wahrscheinlich im Jahr 1994 von einer unbekannten Person ein großes Bild angebracht, das neben einem menschlichen Oberkörper, dem Portrait des verstorbenen E, im Hintergrund eine rote Flagge mit einem roten fünfzackigen Stern, eingefasst in einen gelben Kreis mit grüner Umrandung zeigt. Diese Abbildung stellt die Flagge der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) dar, einer verbotene Teilorganisation der PKK. Des Weiteren finden sich die Schriftzüge "Ermordet von Bullen" und "Dieses Jahr in Hannover" sowie "Ich hoffe, dass ich nie von Bullen beim Sprühen erschossen werde!" auf der Abbildung. Das Bild misst ca. 2x3 Meter. Auf die Abbildung auf Blatt 29 der Akte, die im Rahmen der Berufungshauptverhandlung in Augenschein genommen wurde, wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen. Die Abbildung wurde von einer wahrscheinlich in der Zwischenzeit verstorbenen Person angefertigt, als der E bei dem Aufkleben von Plakaten für die PKK im Jahr 1994 in Hannover von einem Polizisten erschossen wurde. Bis zum Jahre 2017 wurde die Abbildung, die allgemein vom öffentlichen Straßenraum erkennbar ist, von den Behörden nicht moniert. Auch gab es in C seit der Fertigung der Abbildung im Jahr 1994 keine Veranstaltungen oder sonstige Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Tod des E.

Nachdem im September 2017 eine anonyme Email beim Ordnungsamt in C eingegangen war, in der auf die Abbildung der Flagge der ERNK auf dem Rollladen des Infoladens Anschlag aufmerksam gemacht wurde, wurde der Angeklagte im Januar 2018 von der vom Ordnungsamt informierten Polizei aufgefordert, das Symbol zu entfernen. Es wurde angekündigt, auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten, sofern das Symbol freiwillig entfernt würde. Allerdings wurde die Flagge der ERNK in der Abbildung nicht entfernt, sondern ist auch heute noch auf dem Rollladen des Infoladens Anschlag an der K Straße zu sehen. Der Verein AJZ ist - wie dem auszugsweise verlesenen Artikel auf Bl. 35 bis 38 der Akte zu entnehmen ist - auch in Zukunft nicht bereit, die Abbildung zu entfernen."

Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht folgendes ausgeführt:

"Den Angeklagten als einer der Vereinsvorstände trifft keine strafrechtlich bewehrte Garantenpflicht zur Beseitigung der Abbildung. Der Angeklagte hat die Abbildung weder selbst angefertigt, noch war er zum Zeitpunkt der Anfertigung in einer verantwortlichen Position innerhalb des Vereins, der Eigentümer der Immobilie ist, auf dem die Abbildung angebracht ist. Eine uneingeschränkte Garantenpflicht zur Beseitigung jeder möglichen von einer Immobilie ausgehenden Beeinträchtigung, die von Dritten verursacht worden sind, besteht nicht. Sie würde der Funktion des Strafrechts als letztes Mittel nicht gerecht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Abbildung aller Voraussicht nach angefertigt worden ist, als das Verbot der Flagge der ERNK noch nicht bestand und damit ein Verbot zum Zeitpunkt der Anfertigung noch nicht bestand.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zur Beseitigung der Abbildung hat. Neben dem Angeklagten existiert ein weiterer Vorstandsvorsitzender des Vereins AJZ, der jedoch persönlich nicht ermittelt werden konnte. Die Mitglieder des Vereins sind wie dem auszugsweise verlesenen Artikel auf Bl. 35 bis 38 der Akte zu entnehmen ist - nicht gewillt, die Abbildung zu entfernen.

Darüber hinaus schließt vorliegend die Sozialadäquanzklausel der §§ 20 Abs. 1 S. 2, 9 Abs. 1 S. 2 Vereinsgesetz eine Strafbarkeit aus. Die Abbildung wurde im Rahmen der politischen Auseinandersetzung angefertigt, um auf die Tötung des E hinzuweisen. Das mittlerweile verbotene Kennzeichen wurde dabei als ein Bestandteil eines Bildes mit politischer Aussage verwendet. Zu politischen Reaktionen oder gar Unruhen hat das über Jahrzehnte von den Behörden nicht beachtete Bild nicht geführt. Angesichts der überragenden Bedeutung der Meinungs- und Kunstfreiheit, des konkreten politischen Kontextes der Entstehung der Abbildung und der fehlenden Auswirkungen der Abbildung kann die Kammer keine Strafbarkeit des Angeklagten erkennen."

Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Bielefeld, die mit der näher ausgeführten Sachrüge die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. August 2020 hat der Angeklagte zur Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft Stellung genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft Bielefeld beigetreten und beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. November 2020 hat der Angeklagte zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Stellung genommen.

II.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die Kammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass den Angeklagten als einer der Vereinsvorstände des AJZ C keine strafrechtlich bewehrte Garantenpflicht zur Beseitigung der betreffenden Abbildung trifft. Daher konnte dahinstehen, ob der Angeklagte die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zur Beseitigung der Abbildung hatte oder ob die Sozialadäquanzklausel eine Strafbarkeit ausschließt.

Nach § 13 Abs. 1 StGB ist derjenige, der es unterlässt, den zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg abzuwenden, nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt; ferner muss das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen. Dies bedeutet, dass derjenige, der den Eintritt eines von ihm nicht durch aktives Tun herbeigeführten Erfolgs nicht verhindert, dem aktiv Handelnden nur gleichgestellt werden kann, wenn er rechtlich verpflichtet ist, die Rechtsgutbeeinträchtigung zu verhindern, also eine Garantenstellung innehat, wenn ihm die Verhinderung des Erfolgseintritts durch pflichtgemäßes Handeln möglich und zumutbar wäre und wenn sein Unterlassen einem aktiven Tun entspricht (vgl. Fischer, StGB, 76. Auflage, § 13, Rdnr. 7).

Schon das erste dieser o.g. Gleichstellungskriterien - eine aus rechtlich begründetem Einstehenmüssen für den Nichteintritt des Erfolges fließende Garantenstellung des Angeklagten als Vorstand des AJZ C e.V. für das durch die an der im Eigentum des Vereins stehenden Immobile angebrachten Abbildung bedrohte Rechtsgut - kann hier nicht angenommen werden.

Wie bereits erwähnt setzt die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun zunächst voraus, dass der Täter als Garant für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. 1. 2010 - 1 StR 272/09 -, NJW 2010, 1087).

Die Rechtsfigur der Garantenstellung ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Sie war schon vor Einführung des § 13 StGB durch Rechtsprechung und Lehre auf eine Reihe von Entstehungsgründen zurückgeführt worden, denen eine besondere Schutzfunktion des Garanten, sei es aus gesetzlicher Verpflichtung, sei es aus tatsächlicher Übernahme oder sei es aus einem gefahrschaffenden vorhergehenden Tun (Ingerenz), gemeinsam ist. Die bloße tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, oder eine sittliche Verpflichtung, dies zu tun, sind niemals als ausreichender Grund für die Annahme einer Garantenpflicht angesehen worden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1982 - 3 StR 34/82 -, NJW 1982, 1235; Fischer a.a.O., Rdnr. 8).

Für die Garantenstellung eines Wohnungsinhabers hat der Bundesgerichtshof im Falle eines bloßen Duldens von Rauschgiftgeschäften in der Wohnung hierzu mehrfach ausgeführt, dass der Wohnungsinhaber rechtlich nicht verpflichtet sei, gegen den Betäubungsmittelhandel in seiner Wohnung einzuschreiten. Eine Unterlassungstäterschaft des Wohnungsinhabers komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Wohnung - etwa durch ihre Lage und / oder Beschaffenheit - eine besondere Gefahrenquelle für eine leichtere Ausführung von Straftaten darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Januar 2003 - 3 StR 414/02 - NStZ-RR 2003, 153 und vom 12. Februar 2009 - 3 StR 12/09 - NStZ-RR 2009, 184). Ähnlich hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1982 im Falle von Eheleuten entschieden, die u.a. nicht gegen eine in ihrer Wohnung stattgefundene Vergewaltigung eingeschritten waren und ausgeführt, dass die weitgehende Gleichstellung des bloß untätig bleibenden Wohnungsinhabers mit dem eigentlichen Rechtsverletzer, durch die er zu dessen Komplizen wird, mit dem Sinn der Garantenhaftung, die ein "Einstehenmüssen" für die Unversehrtheit des zu schützenden Rechtsgutes voraussetzt, nicht mehr zu vereinbaren sei (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1982 - 3 StR 34/82 - NJW 1982, 1235).

Dies vorangeschickt trifft den Angeklagten, der zudem erst seit dem Jahr 2013 Vorsitzender des AJZ C e.V. ist, hier ohne jeglichen Zweifel keine Garantenpflicht dahin, die nach den Feststellungen wahrscheinlich im Jahr 1994 angebrachte Abbildung zu entfernen.

Vom Grundsatz her hat dies auch die Revision erkannt. Denn sowohl die Staatsanwaltschaft Bielefeld als auch die Generalstaatsanwaltschaft haben unter Hinweis auf die Kommentierung bei Schönke/Schröder (Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage, § 13, Rdnr. 44) zutreffend ausgeführt, dass ein Gebäudeeigentümer grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Gefahren entgegenzuwirken, die etwa erst durch Missbrauch des Gebäudes durch Dritte hervorgerufen werden, so dass er beispielsweise nicht verpflichtet ist, beleidigende Parolen an seinem Haus zu beseitigen, die ein anderer dort angebracht hat.

Dass es hierzu - soweit ersichtlich - bislang nicht nur keine obergerichtliche oder höchstrichterliche, sondern gar keine (veröffentlichte) Rechtsprechung gibt, könnte dem Umstand geschuldet sein, dass bislang keine Staatsanwaltschaft auf die Idee gekommen ist, in einem ähnlich gelagerten Fall Anklage zu erheben.

Entgegen der Revision sind hier auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass von der Immobilie des von dem Angeklagten vertretenen Vereins als solcher eine besondere Gefahrenquelle im o.g. Sinne für eine leichtere Ausführung von Straftaten ausgeht. Denn die politische Ausrichtung des AJZ C e.V. oder des Angeklagten stellt unzweifelhaft keine Eigenschaft der Immobilie in diesem Sinne dar. Die hierzu gemachten Ausführungen der Staatsanwaltschaft sowie der Generalstaatsanwaltschaft lassen indes befürchten, dass hier in höchst bedenklicher Weise eine "Gesinnungsstrafbarkeit" erstrebt wird, die seit Geltung des Grundgesetztes in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat in diesem Zusammenhang u.a. folgendes wörtlich ausgeführt:

"Die auszugsweise Verlesung des diese Erklärung enthaltenden Artikels hätte dem Gericht daher Anlass geben müssen, sich mit der rechtlichen Frage auseinanderzusetzen, ob die bewusste politische Entscheidung des AJZ C e.V., die Öffentlichkeitswirkung des verfahrensgegenständlichen Graffitis zur Demonstration der eigenen Kritik an den in der Türkei herrschenden politischen Verhältnissen zu instrumentalisieren, den vorliegenden Fall von demjenigen zu unterscheiden, in dem ein Gebäudeeigentümer sein Gebäude von Dritten zur Anbringung ihm völlig indifferenter Graffiti missbraucht wird und ob deswegen der Angeklagte als alleinvertretungsberechtigter Vereinsvorstand zum Einschreiten verpflichtet gewesen wäre, weil der Verein ordnungsrechtlich zur Beseitigung des Graffiti verpflichtet wäre."

Ähnlich hat sich auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift geäußert und folgendes wörtlich ausgeführt:

"Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der von dem Angeklagten geleitete Verein zu keinem Zeitpunkt bereit war und nach wie vor nicht ist, das verfahrensgegenständliche Bild von seinem Haus zu entfernen. Es war ersichtlich in hohem Maße naheliegend, dass der Grund für diese Weigerung in der eigenen politischen Ausrichtung des Arbeiterjugendzentrums begründet ist. Gerade die Gewissheit, an diesem Ort nicht mit einer Entfernung des Bildes rechnen zu müssen, dürfte das Haus des AJZ C e.V. zu einem bestimmenden Faktor für die Tatausführung durch den unbekannten Täter gemacht haben. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zu den Fällen, in denen ein Hauseigentümer ohne eigene Veranlassung und eigenes Zutun von gänzlich fremden Straftaten betroffen wird. Ausführungen zu der politischen Ausrichtung des Vereins und dem naheliegenden Grund für die andauernde Duldung des Bildes enthält das Urteil jedoch nicht, obwohl es nach dem Vorgesagten hierauf entscheidend ankam. Es steht mithin zu befürchten, dass das Landgericht diesen Aspekt verkannt hat."

Diese Ausführungen hält der Senat nicht nur für rechtlich unzutreffend, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für verfassungswidrig.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen, die insoweit auch von der Revision nicht angegriffen werden, wurde die betreffende Abbildung im Jahr 1994 von einer wahrscheinlich in der Zwischenzeit verstorbenen Person angefertigt. Dass der Angeklagte selbst in irgendeiner Form aktiv an der Erstellung der Abbildung beteiligt war, ist hingegen nicht festgestellt und offensichtlich auch nach Auffassung der Strafverfolgungsbehörden nicht ersichtlich. Vielmehr hat das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass der Angeklagte die Abbildung weder selbst angefertigt hatte noch zum Zeitpunkt der Anfertigung in einer verantwortlichen Position innerhalb des Vereins gewesen sei.

Zu beurteilten hatte die Kammer demnach, ob der Angeklagte sich durch das bloße Unterlassen des Entfernens der hier maßgeblichen Abbildung nach Aufforderung durch das Ordnungsamt im Januar 2018 strafbar gemacht hat.

Bei der Frage, ob das Unterlassen des Entfernens der hier maßgeblichen Abbildung zur Strafbarkeit nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG, 13 Abs. 1 StGB führt, soll es nach den oben zitierten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft offenbar "entscheidend" darauf ankommen, welchen Grund der Angeklagte bzw. der von ihm vertretene Verein für die andauernde Duldung des Bildes hat. Insofern vermisst die Generalstaatsanwaltschaft "Ausführungen zu der politischen Ausrichtung des Vereins und dem naheliegenden Grund für die andauernde Duldung des Bildes".

Dies würde jedoch im Ergebnis bedeuten, dass die Strafbarkeit des Angeklagten "entscheidend" von dessen Einstellung bzw. der "politischen Ausrichtung" des von ihm vertretenen Vereins abhängen soll. Auch wenn dies wahrscheinlich weder der Staatsanwaltschaft noch der Generalstaatsanwaltschaft bei Abfassung der Revisionsbegründung bzw. der Antragsschrift bewusst war, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass hier letztendlich eine Gesinnung pönalisiert werden würde, indem die politische Ausrichtung des AJZ C e.V., mithin die Gesinnung eines Vereins bzw. dessen Mitglieder und des Angeklagten, darüber entscheidet, ob dass das Unterlassen des Entfernens der maßgeblichen Abbildung zur Strafbarkeit des Angeklagten führt. Dies widerspricht eindeutig den Werten des Grundgesetzes und insbesondere dem schrankenlos gewährten Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach u.a. niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden darf.

Ohne dass es angesichts der obigen Ausführungen noch darauf ankommt, spricht hier auch einiges dafür, dass die streitgegenständliche Abbildung unter die Sozialadäquanzklausel der §§ 20 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs. 1 Satz 2 VereinsG fällt. Bezogen auf das Zeigen eines Bildnisses von B im Rahmen einer angemeldeten Versammlung hat das Oberverwaltungsgericht NRW kürzlich ausgeführt, dass auch der Kontext in den Blick zu nehmen sei und die Verwendung von B-Bildern "sozialadäquat" sein könne. Bei Veranstaltungen und Versammlungen, die ohne Zusammenhang zu PKK-nahen Aktivitäten allein die persönliche Situation des Gefangenen B zum Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung machten, sei es daher - so das Oberverwaltungsgericht - nicht in jedem Fall verboten, Bilder seiner Person zu zeigen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 15 B 1528/20 - juris). Zumindest ähnlich verhält es sich hier. Denn der Fokus der streitgegenständlichen Abbildung war ohne Zweifel zumindest in erster Linie darauf gerichtet, auf die Tötung des E durch einen Polizeibeamten hinzuweisen.

Der Senat stellt abschließend ausdrücklich klar, dass diese Entscheidung ausschließlich die strafrechtliche Relevanz des Unterlassens betrifft. Daher kann auch dahinstehen, ob der Angeklagte bzw. der von ihm vertretene Verein die streitgegenständliche Abbildung ggf. aufgrund ordnungsbehördlicher Verpflichtung zu entfernen hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 2 StPO.