LG Landshut, Endurteil vom 23.11.2020 - 73 O 1651/20
Fundstelle
openJur 2020, 78259
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 640,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozenptunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 6.317,90 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um vorgerichtliche Anwaltskosten, welche im Zusammenhang mit der Rückforderung von Flug-Ticketkosten - aufgrund einer Annullierung entstanden sind.

Der Kläger verfügte für sich und seine ... über eine Flugbuchung bei der Beklagten unter dem Buchungscode ... Die Flüge, startend in Erding, wurden von der Beklagten annulliert.

Ansprüche trat Frau ...  an den Kläger ab, der diese Abtretung annahm.

Am 28. April 2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung des Flugpreises von 6.317,90 € auf. Dies blieb fruchtlos.

Am 8. Mai 2020 forderte der Unterzeichner die Beklagte im Rahmen des erteilten Auftrages zur außergerichtlichen Geltendmachung zur Zahlung unter Fristsetzung bis 15. Mai 2020 auf, dies unter Aufforderung zur Freistellung von den Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von 640,00 € nach einer Vergütungsvereinbarung unterhalb der gesetzlichen Gebühren des RVG mit Ablehnungsandrohung gem. § 250 BGB.

Nach Rechtshängigkeit zahlt die Beklagte die Hauptforderung an den Kläger. Die Prozessparteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten seien, da die Beklagte mit Ablauf der 7-Tage-Frist des Art. 8 Abs. 1 lit. (a) der Fluggastrechte-VO (261/2004) in Verzug geraten sei.

Nach Erledigung der Hauptsache beantragt der Kläger zuletzt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 640,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Nach Zahlung der Hauptforderung habe die Parteien den Rechtsstreit diesbezüglich übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Zustimmung der Parteien wurde durch Beschluss vom 22.10.2020 in das schriftliche Verfahren übergegangen, § 128 Abs. 2 ZPO. Als Zeitpunkt der den Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht wurde der 19.11.2020 bestimmt.

Zu weiteren Ergänzung wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien Bezug genommen.

Gründe

Der Rechtsstreit ist die Hauptforderung betreffend erledigt. Zu entscheiden war nur noch über die Nebenforderungen in Form vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten. Die zulässige Klage ist auch bzgl. dieser Nebenforderung vollumfänglich begründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB iVm. Art. 8 Abs. 1 lit. (a) der Fluggastrechte-VO (261/2004) zu.

Höhe und Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind zwischen den Parteien unstreitig. Streit bestand vorliegend über die Frage, ob bei Einschaltung des Klägervertreters bereits Verzug eingetreten war oder Verzug erst durch dessen Schreiben vom 8. Mai 2020 eingetreten ist.

Gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) haben Flugreisende bei Annullierung eines Fluges einen Anspruch nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung auf Erstattung der Flugscheinkosten für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggasts zwecklos geworden ist.

Der Fluggast kann die vollständige Erstattung der Flugscheinkosten für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte zu dem Preis verlangen, zu dem der Flugschein erworben wurde.

"Die Erstattung hat "binnen sieben Tagen" zu erfolgen. Auch wenn die Verordnung keine eigenen Fristenregelungen enthält, greifen nicht die Bestimmungen des jeweils anwendbaren nationalen Rechts ein; vielmehr sind die einschlägigen Regelungen der Fristen-VO (VO (EWG) 1182/71 v. 3.6.1971, ABl. 1971 L 124, 1) anzuwenden.

Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts durch den Flug - gast, sei es durch eine ausdrückliche oder eine konkludente Erklärung gegenüber dem Luftfahrtunternehmen. Das Wahlrecht wird in dem Zeitpunkt wirksam ausgeübt, in dem die empfangsbedürftige Willenserklärung dem Luftfahrtunternehmen zugeht (§§ 130f, 130 Abs. 1 S.1 BGB). In diesem Zeitpunkt tritt die Fälligkeit und nach 7 Tagen Verzug ein (§ 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB)." (BeckOK Fluggastrechte-VO/Degott, 16. Ed. 1.10.2020, Fluggastrechte-VO Art. 8 Rn. 3b-3c)

Vorliegend bestreitet die Beklagte nicht, dass ihr das Aufforderungsschreiben des Klägers nicht zugegangen sei. Sie steht auf dem Standpunkt, dass es noch einer weiteren Mahnung für den Verzugseintritt bedurft hätte (§ 286 Abs. 1 ZPO). Dies ist nicht der Fall, da hier wegen § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine weitere Mahnung - nach Ablauf der sieben Tage Frist - nicht notwendig ist.

Die Rechtsanwaltskosten - welche in Grund und Höhe nicht bestritten sind - sind daher als Verzugsschaden zu ersetzen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO. Der Kläger hatte hier den Anspruch auf Erstattung des Flugpreises, die Beklagte befand sich diesbezüglich auch in Verzug. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 711 ZPO.

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