BayObLG, Beschluss vom 18.11.2020 - 101 VA 136/20
Fundstelle
openJur 2020, 77933
  • Rkr:
Tenor

Auf die undatierte Vorlageverfügung in der Hinterlegungssache 38 HL 1240/17 des Amtsgerichts München, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am 26. Oktober 2020, wird die Sache an die vorlegende Stelle zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit über die Eingabe vom 13. August 2020 zurückgegeben.

Gründe

I.

Die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München hat dem Bayerischen Obersten Landesgericht die Akte betreffend ein abgeschlossenes Hinterlegungsverfahren mit der Bitte vorgelegt, von einem darin befindlichen Schreiben vom 13. August 2020 sowie der am 10. August 2020 ergangenen Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch vom 28. Juli 2020 Kenntnis zu nehmen und zu überprüfen, ob das Schreiben als Antrag nach § 23 EGGVG ausgelegt werden könne. Ein anderer Rechtsbehelf sei nicht ersichtlich. Das Akteneinsichtsgesuch sei abgelehnt worden, weil das Hinterlegungsverfahren abgeschlossen sei, Art. 6 BayHintG i. V. m. Art. 29 BayVwVfG.

In dem beim Bayerischen Obersten Landgericht angelegten Verfahren wird der Verfasser des Schreibens vom 13. August 2020 als Antragsteller geführt. Seine Eingabe ist an das Amtsgericht München gerichtet und benennt als Betreff das Aktenzeichen des Hinterlegungsverfahrens sowie "Ihr Schreiben vom 10.08.2020". Bezugnehmend hierauf erhebe er "Einspruch, Widerspruch und Rechtsbeschwerde". Gleichzeitig beantrage er "Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 AEUV, da beim deutschen Rechtssystem leider von einer systematischen Missachtung geltender Rechtsbestimmungen auszugehen" sei. Er weise des Weiteren darauf hin, dass "Ihre Bezugnahme auf Art. 6 BayHintG und Art. 29 BayVwVfG irrelevant sind, da hier das vorrangige Recht des unbehinderten Rechtszugangs und des Rechtsanspruchs auf wirksame Beschwerde der Europäischen Menschenrechtskonvention eine höherwertige Gültigkeit haben". "Vorrangige Relevanz gegenüber Rechtsbestimmungen eines Landes, denen offensichtlich eine Intention zur Rechtsbeugung unterstellt werden muss", habe sein Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 AEUV laut Artikel 25 Grundgesetz. Er reklamiere aufgrund seiner Mittellosigkeit Prozesskostenhilfe sowie die Bestellung eines Rechtsanwalts.

Aus der Hinterlegungsakte erschließt sich folgender Hintergrund:

Am 4. Dezember 2017 beantragte der Ersteigerer einer Immobilie beim Amtsgericht München - Hinterlegungsstelle - die Hinterlegung eines Geldbetrags von 650.000,00 € zuzüglich 4% Zinsen p.a. vom Zuschlag bis zum Verteilungstermin. Er gab zur Begründung an, ihm sei in einer näher bezeichneten Zwangsversteigerungssache am 27. November 2017 der Zuschlag erteilt worden. Als Empfangsberechtigten, der für den hinterlegten Betrag in Betracht komme, benannte er das Amtsgericht München - Vollstreckungsgericht - unter Angabe des Aktenzeichens des Versteigerungsverfahrens.

Mit Bescheid vom selben Tag wurde die Annahme zur Hinterlegung angeordnet. Am 26. Januar 2017 wurde die Buchung des an die Landesjustizkasse insgesamt überwiesenen Betrags von 653.665,75 € bescheinigt.

Gemäß dem auf den Teilungsplan gestützten Auszahlungsersuchen des Amtsgerichts München - Abteilung für Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen - vom 22. Februar 2018 und der entsprechenden Herausgabeanordnung der Hinterlegungsstelle vom 27. Februar 2018 wurden aus dem hinterlegten Betrag verschiedene Gläubiger befriedigt. Der danach verbleibende Betrag von 185.984,80 € sollte an den Antragsteller als sogenannter Übererlös ausbezahlt werden.

Das Schreiben der Hinterlegungsstelle, mit dem der Antragsteller gebeten wurde, eine Kontoverbindung mitzuteilen, erreichte diesen erst im Mai 2018, nachdem sein neuer Aufenthalt ermittelt worden war. Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 antwortete der Antragsteller, er teile keine Kontoverbindung mit, solange (Zitat:) "mit erneuten rechtswidrigen Pfändungen meines Bankkontos gerechnet werden muss". Er kündigte an, eine Bankverbindung mitzuteilen, sobald "keine zu erwartenden rechtswidrigen Kontopfändungen der Zahlungsentgegennahme entgegenstehen". Er bat um marktübliche Verzinsung des ihm zustehenden Betrags.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 informierte ihn die Hinterlegungsstelle darüber, dass sich der auszuzahlende Betrag inzwischen reduziert habe, weil zwischenzeitlich - gemäß den in Kopie beigefügten Unterlagen - verschiedene Ansprüche zu berücksichtigen gewesen seien. Die Auszahlungen an die Pfändungsgläubiger seien bereits erfolgt. Angekündigt wurde, den restlichen Betrag zugunsten des Antragstellers zu hinterlegen, bis dieser eine Bankverbindung bezeichne. Eine Verzinsung hinterlegten Geldes finde nicht statt.

Gemäß dieser Ankündigung erfolgte auf Anordnung vom 10. Juli 2018 die Neuhinterlegung des Restbetrags zugunsten des Antragstellers und dementsprechend die Umbuchung des Betrags auf ein neu angelegtes Hinterlegungsverfahren.

Im Dezember 2018 wandte sich der Antragsteller an das Amtsgericht München mit der Bitte, ihm alle Verfahren zu benennen, die im Zeitraum seit 2013 gegen seine Person bei Gericht anhängig gewesen seien und in direktem oder indirektem Zusammenhang mit (wörtlich:) "Pfändungs-Verfahren gegen meine Person stehen". Er gab an, in alle Verfahren Akteneinsicht nehmen zu wollen. Seinem weiteren Vorbringen lässt sich entnehmen, dass er die Rechtmäßigkeit der Verfahren in Zweifel zieht und deshalb eine Überprüfung anstrebt. Weil in allen Verfahren sein Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung unterbunden worden sei, habe er die unerschütterliche Absicht, die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Kenntnis zu bringen. Der rechtsstaatliche Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires "Rechtsverfahren" seien ihm bislang verweigert worden. Dadurch seien seine Ersparnisse und seine Altersvorsorge vernichtet worden.

Dieses Gesuch wurde auch der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München zugeleitet.

Von der ihm gemäß Schreiben vom 9. Januar 2019 eingeräumten Möglichkeit zur Einsicht in die Hinterlegungsakte während der üblichen Geschäftszeiten hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 stellte der Antragsteller beim Amtsgericht München "Antrag auf Wiederaufnahme aller Verfahren im Zeitraum 2013 bis heute sowie Stellung eines Rechtsbeistandes zur Erlangung rechtsstaatlicher Erwartungen". Er verlangte außerdem eine Mitteilung darüber, bis wann er "kostenfreie Belegexemplare aller Beweismittel aus allen relevanten Verfahren erhalten" könne.

Die Hinterlegungsstelle antwortete auf dieses Schreiben am 9. Juli 2020. Sie teilte zum hiesigen Hinterlegungsverfahren mit, dass das Verfahren beendet und die dem Antragsteller zustehende Geldsumme neu hinterlegt seien.

Hierauf Bezug nehmend bat der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 2020, ihm dennoch Akteneinsicht zu gewähren und dem Erhalt kostenfreier Belegkopien zuzustimmen. Eine Verweigerung erachte er als eine Verletzung des Art. 13 EMRK; sollte dies anders gesehen werden, sei die Sache nach Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Darauf hat die Präsidentin des Amtsgerichts München durch die Leiterin der Abteilung 1 (Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Allgemeine Zivilsachen, Aufgebotssachen und Hinterlegungsstelle) des Amtsgerichts München mit Schreiben vom 10. August 2020 mitgeteilt, dass Akteneinsicht nicht gewährt werden könne. Art. 6 BayHintG verweise wegen der Akteneinsicht auf Art. 29 BayVwVfG. Diese Vorschrift, nach der Akteneinsicht zu gestatten sei, soweit die Aktenkenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich sei, gelte ausdrücklich nur für die Dauer des Verfahrens. Da das vorliegende Hinterlegungsverfahren abgeschlossen sei, sei es von Gesetzes wegen verwehrt, dem Antragsteller Akteneinsicht zu gewähren. 101 VA 136/20 - Seite 5 - Der Antragsgegner in Justizverwaltungssachen hat Gelegenheit erhalten, zu der von der Leiterin der Abteilung 1 des Amtsgerichts München veranlassten Vorlage des Verfahrens an das Bayerische Oberste Landesgericht Stellung zu nehmen.

Er hat beantragt, den "Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 13.08.2020" als unbegründet zu verwerfen. Das Schreiben sei als Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG auszulegen und als solcher zulässig, aus den zutreffenden Gründen der ablehnenden Entscheidung jedoch nicht begründet.

Der Antragsteller hat hierzu mit Schreiben vom 9. November 2020 die Bitte geäußert, das Ersuchen der Gegenpartei abzuweisen und dem Begehren des Antragstellers mit Blick auf Art. 6 EMRK stattzugeben.

II.

Die Eingabe vom 13. August 2020 kann nicht als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG ausgelegt werden. Dies führt zur Rückgabe der Sache an die Justizverwaltung zur Erledigung in eigener Zuständigkeit.

1. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 13. August 2020 zum Ausdruck gebracht, dass er sich mit der Mitteilung vom 10. August 2020 nicht abfindet und er deshalb an seinem Einsichtsgesuch festhält. Eine Auslegung als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG kommt nicht in Betracht, weil die Eingabe den Begründungsanforderungen, die an einen solchen Antrag nach dem Gesetz zu stellen sind, nicht genügt. Würde sie dennoch als förmlicher Rechtsbehelf behandelt, wäre dieser auf Kosten des Antragstellers als unzulässig zu verwerfen. Dieses Ergebnis widerspricht einer interessengerechten Auslegung.

a) Die Erklärung des Antragstellers bedarf der Auslegung, denn der Antragsteller formuliert als juristischer Laie und verwendet für seinen Rechtsbehelf die offensichtlich unzutreffenden und einander ausschließenden Begriffe des Einspruchs, des Widerspruchs und der Rechtsbeschwerde. Seine Eingabe ist nach dem auch hier geltenden Auslegungsgrundsatz zu behandeln, wonach im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2019, VI ZB 32/18, NJW 2019, 3727 Rn. 9; Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11, je m. w. N.). b) Nach diesen Maßstäben scheidet eine Auslegung als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 2 EGGVG vorliegend aus.

aa) Zwar hat das Schreiben der Hinterlegungsstelle vom 10. August 2020 nach seinem Inhalt die Funktion eines ablehnenden Bescheids in einer Angelegenheit der Justizverwaltung. Hinterlegungsgeschäfte sind Angelegenheiten der Justizverwaltung, Art. 1, Art. 3 Satz 1 BayHintG. Das Führen des Hinterlegungsgeschäfts durch die Amtsgerichte, Art. 2 Abs. 2 BayHintG, stellt eine Justizdienstleistung dar. Auch die Akteneinsicht ist gemäß Art. 6 BayHintG als Justizverwaltungsverfahren geregelt. Weil in der Mitteilung der Justizverwaltung vom 10. August 2020 ausgeführt ist, dem Gesuch vom 28. Juli 2020 könne von Gesetzes wegen nicht stattgegeben werden, wird eine abschließende Entscheidung über das Gesuch betreffend die Bewilligung von Einsicht in die Hinterlegungsakte und die Gestattung kostenfreier Kopien zum Ausdruck gebracht. Dass die Entscheidung nicht in der Form eines Bescheids (einer Verfügung) ergangen ist, sondern lediglich durch formloses Schreiben mitgeteilt wurde, steht einem solchen Verständnis nicht entgegen.

bb) Mit seiner Eingabe begehrt der Antragsteller jedoch nicht die gerichtliche Überprüfung der ablehnenden Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG.

(1) Für ein solches Verständnis könnte zwar die Bezeichnung des Begehrens als "Rechtsbeschwerde" sprechen, weil damit als Ziel der Eingabe die gerichtliche Überprüfung der beanstandeten Entscheidung angedeutet sein kann. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Forderung nach Herbeiführung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Da der Antragsteller diese Forderungen allerdings auch im Justizverwaltungsverfahren erhoben hatte und seine Eingabe mit weiteren nicht einschlägigen Begriffen bezeichnet, tragen diese Gesichtspunkte nicht.

(2) Einer Behandlung des Schreibens als Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG steht entscheidend entgegen, dass die an den Inhalt eines solchen Antrags nach § 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1 EGGVG zu stellenden Anforderungen nicht ansatzweise erfüllt sind.

§ 24 Abs. 1 EGGVG verlangt die Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten seitens des Antragstellers. Bei diesem Begründungserfordernis handelt es sich um eine der Klagebefugnis i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO vergleichbare Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 23 EGGVG Rn. 2).

Es kann offenbleiben, ob danach eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. August 2016, 2 VAs 25/16, juris Rn. 2; OLG Koblenz, Beschluss vom 17. August 2015, 2 VAs 15/15, juris Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 1. April 2014, 1 VAs 143/13, juris Rn. 16; KG, Beschluss vom 13. Februar 2013, 4 VAs 6/13, juris Rn. 1; KG, Beschluss vom 1. Februar 2012, 4 VAs 6/12, juris; Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 24 EGGVG Rn. 1; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 24 EGGVG Rn. 1; Mayer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Aufl. 2019, § 24 EGGVG Rn. 1; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, EGGVG Vor § 23 Rn. 3, § 24 Rn. 1; je m. w. N.) oder ob - wie es der herrschenden Meinung zu § 42 Abs. 2 VwGO in Bezug auf den Verwaltungsprozess entspricht - lediglich ein Sachverhalt vorgetragen werden muss, der eine Rechtsverletzung möglich erscheinen lässt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. November 2018, 3 Va 5/18, juris Rn. 9 - insoweit von der Abänderung durch den Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 25. September 2019, IV AR [VZ] 2/18, juris, nicht berührt; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29. Januar 2008, 20 VA 9/07, Rpfleger 2009, 102 [103; juris Rn. 15]; Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Ahlers/Hartmann/Gehle, ZPO, 78. Aufl. 2020, § 24 EGGVG Rn. 2; Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, § 24 EGGVG Rn. 2; Köhnlein in BeckOK GVG, 8. Ed. Stand: 1. August 2020, § 24 EGGVG Rn. 3; Diehm in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 23 GVGEG Rn. 5; Böttcher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 24 EGGVG Rn. 1; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 379 ff. m. w. N.; offenlassend: BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018, IV AR [VZ] 1/18, juris Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 211/12, NStZ-RR 2013, 187 [juris Rn. 14]).

Jedenfalls ist es nicht Aufgabe des Gerichts, sich unter Auswertung von Akten oder sonstigen Unterlagen selbst erst die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen. Mindestens erforderlich ist vielmehr, dass der Antragsteller - gegebenenfalls durch Beifügung von Schriftstücken oder durch konkrete Bezugnahmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 211/12, NStZ-RR 2013, 187 [juris Rn. 15]) - einen aus sich heraus verständlichen Sachverhalt vorträgt und sein Vorbringen erkennen lässt, welches subjektive Recht dabei verletzt sein soll.

Das Schreiben vom 13. August 2020 genügt den Mindestanforderungen nicht ansatzweise. Entnehmen lässt sich ihm lediglich, dass der Verfasser auf ein Schreiben der Hinterlegungsstelle in einer konkret bezeichneten Hinterlegungssache reagiert und den Inhalt des Schreibens für rechtswidrig hält, weil die darin angegebenen Vorschriften aus seiner Sicht nicht maßgeblich seien. Das Schreiben der Hinterlegungsstelle ist nicht beigefügt. Sein Inhalt und somit der Gegenstand eines - unterstellten - Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist nicht wiedergegeben oder zumindest rudimentär geschildert. Welcher Art der Bezug des Antragstellers zu diesem Hinterlegungsverfahren ist, geht daraus nicht hervor, ebenso wenig, dass er einen Antrag bei der Hinterlegungsstelle angebracht hatte.

Der Verfasser setzt die entsprechenden Kenntnisse vielmehr beim Empfänger seiner Entgegnung voraus. Den in seinem Schreiben genannten Adressaten - die für das bezeichnete Hinterlegungsverfahren zuständige Stelle des Amtsgerichts München - spricht er zudem in persönlicher Anrede an. Dass diese Stelle das Schreiben vom 13. August 2020 zum Anlass genommen hat, die Eingabe zusammen mit der Akte, aus der sich der tatsächliche Zusammenhang erschließt, an das für Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG zuständige Bayerische Oberste Landesgericht weiterzuleiten, kann das Fehlen einer ausreichenden Begründung durch den Antragsteller nicht heilen.

(3) Würde die Eingabe dennoch als förmlicher Rechtsbehelf i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 24 Abs. 2 EGGVG behandelt, führte dies zu einer Verwerfung wegen Unzulässigkeit und einer entsprechenden Kostenlast gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 3 Abs. 2, § 22 Abs. 1 GNotKG. Es widerspricht aber regelmäßig der wohlverstandenen Interessenlage einer Partei, ihre Erklärung zuerst im Wege der Auslegung als förmlichen Rechtsbehelf zu deuten, um diesen sodann wegen offensichtlicher Unzulässigkeit kostenpflichtig zu verwerfen.

Bei verständiger und objektiver Betrachtung des Vorbringens ist die Eingabe vom 13. August 2020 mithin als eine solche im Justizverwaltungsverfahren zu behandeln, mit der der Verfasser eine Abänderung der beanstandeten und für rechtswidrig erachteten Entscheidung durch die angerufene Stelle - das Amtsgericht München als Hinterlegungsstelle - begehrt (vgl. auch Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG für das behördliche Verwaltungsverfahren).

Die Sache ist daher an die Justizverwaltung zur Behandlung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben.

2. Vorsorglich wird - ohne Bindungswirkung - auf Folgendes hingewiesen:

Ein subjektiver Anspruch des Antragstellers auf Einsicht in die Akte betreffend die Hinterlegung des Erlöses aus der Zwangsversteigerung seiner Immobilie, jedenfalls aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen genehmigungsfähigen Einsichtsantrag sind nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das hier betroffene Hinterlegungsverfahren beendet ist.

a) Der ablehnenden Entscheidung ist lediglich im Ausgangspunkt zuzustimmen. Ein unbedingter Anspruch des Antragstellers aus Art. 6 BayHintG i. V. m. Art. 29 BayVwVfG besteht nicht.

Der Antragsteller wurde zwar formell Verfahrensbeteiligter gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 4 BayHintG, weil er - neben weiteren Personen - in dem Herausgabeersuchen des Versteigerungsgerichts (§ 876 ZPO, §§ 115, 117 Abs. 2 ZVG) als Empfänger eines Teilbetrags aus der Hinterlegungssumme benannt worden ist (vgl. Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, 2012, Art. 5 Rn. 17). Die Herausgabe wurde dadurch vollzogen, dass der dem Antragsteller zustehende Betrag zu seinen Gunsten auf Anordnung der Hinterlegungsstelle vom 10. Juli 2018 neu hinterlegt wurde. Weil damit der letzte Teilakt gemäß Auszahlungsanordnung vollzogen war, endete dieses Hinterlegungsverhältnis, Art. 18 Abs. 1 BayHintG.

Der für Verfahrensbeteiligte gegebene, nur den Beschränkungen des Art. 29 Abs. 2 BayVwVfG unterliegende Anspruch auf Akteneinsicht aus Art. 6 BayHintG i. V. m. Art. 29 BayVwVfG gilt somit für das Ersuchen des Antragstellers vom 28. Juli 2020 nicht. Art. 29 BayVwVfG regelt - wie die entsprechende bundesgesetzliche Bestimmung des § 29 VwVfG - nur das Recht der Beteiligten auf Akteneinsicht während des Verwaltungsverfahrens. Dieses Recht ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Es dient der wirksamen Wahrnehmung von Rechten im Verwaltungsverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000, 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397 [juris Rn. 29] - Nachlasspfleger; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 6 Rn. 2; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 29 Rn. 2 f.; Herrmann in BeckOK, VwVfG, 49. Edition Stand: 1. Oktober 2020, § 29 Rn. 1). Nach Verfahrensabschluss greift die Bestimmung nicht; sie gilt insbesondere nicht für Verfahren, in denen - wie hier - gerade und ausschließlich darüber zu entscheiden ist, ob die beantragte Akteneinsicht zu gewähren ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. Juli 1983, 2 C 42/82, BVerwGE 67, 300 [juris Rn. 22]; VG München, Urt. v. 30. September 2014, M 2 K 13.5312, juris Rn. 24; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 6 Rn. 3; Herrmann in BeckOK, VwVfG, § 29 Rn. 6 und 20; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 4; Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29 Rn. 38).

b) Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Person keine Einsicht in die sie betreffende Akte eines Justizverwaltungsverfahrens erhalten dürfe und es der (Justiz-)Verwaltung kraft Gesetzes verwehrt sei, Einsicht zu bewilligen.

Greift keine positivrechtliche Regelung, so steht die Gewährung von Akteneinsicht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen (Justiz-)Behörde (vgl. BVerwGE 67, 300 [juris Rn. 23]; VG München, Urt. v. 30. September 2014, M 2 K 13.5312, juris Rn. 37; Herrmann in BeckOK, VwVfG, § 29 Rn. 7; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 10; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Verwaltungsverfahren Rn. 34). Auch ohne gesetzliche Grundlage kann also Einsicht gegeben werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht - hier mit dem geäußerten Ziel, den Vorgang um die Zwangsversteigerung und die Verwertung des Erlöses nachzuvollziehen und zu überprüfen - dargetan wird. Ist dies geschehen, so besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BVerwG a. a. O.; BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015, KVR 55/14, NJW 2015, 3648 Rn. 15 ff. - Trinkwasserpreise; Herrmann in BeckOK, VwVfG, § 29 Rn. 7).

Dabei kommt auch eine Reduzierung des Ermessenspielraums auf Null in Betracht, etwa als Nachwirkung eines - wie hier - bereits abgeschlossenen Verfahrens oder wenn die Einsicht zur sachgerechten Wahrnehmung von Rechten erforderlich ist (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 10a m. w. N.), zumal wenn berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter nicht ersichtlich sind.

In weitem Umfang dürfte zudem - jedenfalls über Art. 2 Satz 1 BayDSG - der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DS-GVO in Bezug auf die in der Akte verarbeiteten personenbezogenen Daten des Antragstellers (Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DS-GVO) und der Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 DS-GVO hier zur Anwendung kommen, wenngleich das Verhältnis oder Zusammenspiel zwischen Akteneinsichtsrecht und Auskunftsrecht sowie der Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs in Rechtsprechung und Literatur noch nicht klar definiert sind (vgl. EuGH, Urt. v. 17. Juli 2014, C-141/12 und C-372/12, juris Rn. 44 - noch zu Art. 12 DS-RL; AG Bonn, Urt. v. 30. Juli 2020, 118 C 315/19, ZIP 2020, 2011 [juris Rn. 17 ff.]; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 27. April 2020, 20 K 6392/18, ZD 2020, 544 Rn. 94 ff. - nicht rechtskräftig; OLG Köln, Urt. v. 26. Juli 2019, 20 U 75/18, ZD 2019, 462 Rn. 63 ff. - nicht rechtskräftig; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20. Dezember 2018, 17 Sa 11/18, NZA-RR 2019, 242 Rn. 170 ff. [juris Rn. 196 ff.] m. Anm. Wybitul/Brams, NZA 2019, 672 - nicht rechtskräftig; Herrmann in BeckOK, VwVfG, § 29 Rn. 50 ff.; Schmidt-Wudy in BeckOK, Datenschutzrecht, 33. Edition Stand: 1. August 2020, Art. 15 DS-GVO Rn. 50 ff., je m. w. N.; Poschenrieder, DStR 2020, 21 [unter 3. und 4.] zum Steuerverwaltungsverfahren; zur Anwendbarkeit der DS-GVO auf Papierakten vgl. Senatsentscheidung vom 6. August 2020, 1 VA 33/20, juris Rn. 49).

3. Kostenentscheidung und Wertfestsetzung sind daher nicht veranlasst.