VG Schwerin, Beschluss vom 04.09.2020 - 2 B 310/20 SN
Fundstelle
openJur 2020, 77654
  • Rkr:

1. Das Halten von mehr als zwei Hunden in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung ist regelmäßig unzulässig.

2. Zur Unverhältnismäßigkeit eines Verbots der Haltung von konkret bezeichneten Hunden in einer bauordnungsrechtlichen Verfügung

3. Zur Inanspruchnahme des Störers bei mehreren Hundehaltern

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2020 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

2. Der Antragstellerin wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin F. aus B-Stadt bewilligt.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 6. März 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2020 wiederherzustellen,

ist zulässig und begründet.

Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und des privaten Interesses der Antragstellerin, bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung davon verschont zu bleiben, vorzunehmen. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts spricht Überwiegendes dafür, dass die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2020 rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. In dem Widerspruchs- oder einem eventuell nachfolgenden Klageverfahren würde die Antragstellerin demnach nach derzeitigem Sachstand die Aufhebung der Nutzungsuntersagungsverfügung erreichen können (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vorerst von dem Vollzug der Nutzungsuntersagungsverfügung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung.

Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung der Nutzung sowohl des Grundstücks als auch des Wohnhauses am südwestlichen Ortsrand von A-Stadt für die Haltung von in dem angefochtenen Bescheid mit der Bezugnahme auf die hundesteuerliche Anmeldung exakt benannten zwei Hunden Englisch Bulldog und Englisch Bulldog/Labrador ist § 80 Abs. 2 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.

1. Diese Voraussetzungen sind nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts zwar tatbestandlich erfüllt. Die Haltung von fünf Hunden im Wohnhaus, einer Doppelhaushälfte, nebst Freifläche auf dem 344 m2 großen Grundstück Flurstück .../3 der Flur 1 der Gemarkung A-Stadt und auf dem 2.418 m2 großen angrenzenden Grundstück Flurstück .../4 am südwestlichen Ortsrand von A-Stadt wird sich im Widerspruchs- oder in einem nachfolgenden Klageverfahren aller Voraussicht als (bereits) formell illegal erweisen, jedenfalls soweit Hunde in Zwingern und mehr als zwei Hunde im Wohnhaus gehalten werden. Die Hundehaltung dürfte sich darüber hinaus auch als materiell rechtswidrig erweisen, weil sie in dem hier stattfindenden Umfang nicht mehr als gebietsverträglich angesehen werden kann.

a) Zwar wäre die von der Antragsgegnerin (auch) in den Blick genommene Hundehaltung im Wohnhaus als noch dem Wohnen zugeordnete Nutzung (vgl. Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 14 Rn. 29) jedenfalls dann nicht baugenehmigungsbedürftig und damit nicht, wovon offenbar die Antragsgegnerin ausgeht, formell illegal, wenn diese den Charakter des Wohnhauses nicht in genehmigungsbedürftiger Weise verändert. Letzteres wäre allerdings dann der Fall, wenn (auch) die Hundehaltung innerhalb des Hauses das Maß der zulässigen Tierhaltung in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung übersteigt, was anzunehmen ist, wenn der Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung nach Art und Anzahl der Tiere gesprengt wird (vgl. z. B. VG Hannover, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 12 B 3169/19 – juris).

Hier hat die Antragsgegnerin auf den in Rede stehenden Grundstücken insgesamt die Haltung von (jedenfalls) fünf Hunden festgestellt. Dabei hat sie zwar nicht zwischen der Haltung von (bestimmten) Hunden im Wohnhaus einerseits und in Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) andererseits unterschieden, jedoch gleichwohl auch auf die nach ihrer Ansicht nach in Zwingern, mithin in Nebenanlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, gehaltenen Hunde abgestellt. Insoweit kann mangels dafür erteilter Errichtungs- oder Nutzungs(änderungs)genehmigung formelle Illegalität und damit bereits deshalb ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 80 Abs. LBauO M-V angenommen werden.

b) Die Antragsgegnerin hat darüber hinausgehend das Haltungsverbot nicht allein auf formelle Illegalität, sondern zugleich mit der materiellen Illegalität, also der fehlenden baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit der Haltung von mehr als zwei Hunden, begründet. Für das Gericht ist damit die rechtliche Prüfung der Nutzungsuntersagung nicht lediglich auf die Frage der formellen Illegalität der Hundehaltung beschränkt. Vielmehr eröffnet das Abstellen der Antragsgegnerin (auch) auf die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Hundehaltung insgesamt die Prüfung der Frage, ob die auf den in Rede stehenden Grundstücken einschließlich des Wohnhauses stattfindende Hundehaltung materiell-rechtlich den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 18. April 2019 – 2 A 2/18 – juris). Diese Frage ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts zu verneinen.

aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Haltung von – wie hier - Kleintieren in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung dann unzulässig ist, wenn die Haltung nach Art und Zahl der Tiere geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören und damit der Eigenart des Gebiets in seiner konkreten Ausgestaltung widerspricht (vgl. z. B. VG Hannover, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 12 B 3169/19 – juris mit umfangreichen Nachweisen für die Fälle des Vorliegens eines allgemeinen oder reinen Wohngebiets; VGH München, Beschluss vom 23. August 2010 – 2 ZB 10.1618 – juris Rn. 5).

Im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist die Antragstellerin zwar der Einschätzung der Antragsgegnerin, die nähere Umgebung der streitgegenständlichen Grundstücke in A-Stadt stelle sich als faktisches allgemeines Wohngebiet dar, entgegengetreten, dies jedoch lediglich mit allgemeinen Ausführungen zum dörflichen Charakter von A-Stadt und dem Hinweis auf umfangreichen landwirtschaftlichen Verkehr sowie Hunde- und andere Kleintierhaltung auf nahezu jedem der weitläufigen Grundstücke. Für die Annahme, dass es sich entgegen der antragsgegnerseitigen Auffassung nicht um eine vorwiegend dem Wohnen dienende Umgebung, sondern um ein faktisches Dorfgebiet oder (wenigstens) um ein faktisches Kleinsiedlungsgebiet (§ 2 BauNVO) handelt, bietet dieser Vortrag indessen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte. Auch ist den im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin enthaltenen Luftbildern und den Satellitenbildern in google maps nicht zu entnehmen, dass sich in A-Stadt aktive Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betriebe befänden, deren Vorhandensein die Annahme eines faktischen Dorfgebietes nahelegen könnte (zu diesem Erfordernis vgl. VG Neustadt/Weinstraße, Beschluss vom 1. September 2005 – 3 L 726/15.NW juris Rn. 33).

Ungeachtet dessen würde auch in einem Dorfgebiet (und erst recht im Kleinsiedlungsgebiet) nicht jede Hundehaltung zulässig sein. Vielmehr ist das Bellen mehrerer Hunde in einem Zwinger aufgrund des Multiplikations- und Ansteckungseffektes auch in einem Dorfgebiet als belästigender und unzulässiger Lärm einzustufen (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 17. Juli 2017 – 3 B 87/17NJW 2018, 181, juris Rn. 13 mit Hinweis auf VGH München, Beschluss vom 13. September 1999 – 24 ZS 99.2303 – juris; vgl. ferner VG Würzburg, Urteil vom 20. Mai 2010 – W 5 K 09.869 – juris). Ob jenseits der Frage nach einem Charakter als Dorfgebiet im vorliegenden Fall für die nähere Umgebung des in Rede stehenden Grundstücks aufgrund in A-Stadt prägend vorhandener Tierhaltung, insbesondere von mehr als zwei Hunden auf den Grundstücken, im Ergebnis ein geringeres Schutzbedürfnis als bei einem allgemeinen Wohngebiet anzunehmen ist, mit der Folge, dass eventuell auch die Haltung von mehr als zwei Hunden gebietsverträglich sein kann, und wo genau die Grenze noch zulässiger Hundehaltung zu ziehen sein wird, ist eine Frage, deren Beantwortung letztlich dem Widerspruchs- oder einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren auf der Grundlage der dort notwendigen Feststellungen zu den konkreten Gegebenheiten in A-Stadt vorbehalten bleiben muss.

Für das hier zu entscheidende vorläufige Rechtsschutzverfahren genügt, dass sich weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch - nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts - aus anderen Umständen, insbesondere nicht aus dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge und auch nicht aus konkreten sonstigen Umständen ergibt, dass eine andere Einschätzung der Schutzbedürftigkeit der Umgebung als diejenige, die die Antragsgegnerin zugrunde gelegt hat, anzunehmen wäre.

bb) Ob, worauf die Antragsgegnerin die angefochtene Verfügung ebenfalls stützt, zugleich auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot durch die Haltung von mehr als zwei Hunden auf den in Rede stehenden Grundstücken im Verhältnis zur Nachbarin in der angrenzenden Doppelhaushälfte verletzt ist, kann offenbleiben. Zwar ist eine Hundehaltung auch dann baurechtlich unzulässig, wenn von ihr unzumutbare Belästigungen ausgehen (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 12 B 3169/19 –, juris). Ob das hier indes der Fall ist, etwa weil die Nachbarin durch Bellen oder Jaulen der Hunde unzumutbaren Lärmimmissionen oder auch unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt ist, lässt sich im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht feststellen. Dem Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin lassen sich diesbezüglich keine über allgemeine Aussagen der Nachbarin („Den ganzen Tag ist einer oder mehrere Hunde am bellen.“) hinausgehenden Erkenntnisse entnehmen.

2. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Untersagungsverfügung hat der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs jedoch Erfolg. Die Antragsgegnerin hat nämlich das ihr in § 80 Abs. 2 LBauO M-V bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen fehlerhaft angewendet, indem sie die von ihr angenommene Störung der öffentlichen Sicherheit durch die Haltung von insgesamt (jedenfalls) fünf Hunden auf den streitgegenständlichen Grundstücken durch Inanspruchnahme (zunächst) allein der Antragstellerin beseitigen will. Denn in der Heranziehung der Antragstellerin, die lediglich Mitnutzerin des ihrem Lebensgefährten gehörenden Grundstücks Flurstück .../4 sowie des im hälftigen Miteigentum einer Erbengemeinschaft und des Lebensgefährten stehenden Grundstücks Flurstück .../3 ist, liegt ein zur Gefahrenabwehr nicht erforderlicher und daher unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Antragstellerin.

Vorliegend geht es der Antragsgegnerin darum, die Haltung von Hunden auf den in Rede stehenden Grundstücken einschließlich des Wohnhauses auf letztlich zwei Hunde zu begrenzen, wobei sie – die Antragsgegnerin - davon ausgeht, dass gegenwärtig die Antragstellerin drei und deren Lebensgefährte zwei Hunde hält. Hiervon ausgehend mag sich schon die Frage stellen, ob die Verfügung zur Einstellung der Haltung von (lediglich) zwei Hunden ein objektiv zur Beseitigung der Störung geeignetes Mittel ist. Sofern der angefochtenen Verfügung die Eignung zur Gefahrenbeseitigung mit dem Argument nicht abgesprochen werden kann, dass durch die Reduzierung der Zahl der gehaltenen Hunde um zwei die Störung jedenfalls minimiert wird, erscheint jedoch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Störerauswahl ermessensfehlerhaft.

Zur Beseitigung einer Gefahr oder einer bereits eingetretenen Störung sind nach §§ 69, 70 Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG M-V) in erster Linie der Verhaltensstörer (§ 69 SOG M-V) oder der Zustandsstörer (§ 70 SOG M-V) heranzuziehen. Im Falle der Tierhaltung ist der Halter regelmäßig Verhaltensstörer und, sofern er auch Eigentümer des Tieres ist, als Eigentümer zugleich Zustandsstörer. Davon ist auch die Antragsgegnerin ausgegangen. Kommen mehrere Personen als Störer in Betracht, hat die Behörde eine Auswahlentscheidung unter den Störern zu treffen, sofern nicht sämtliche Störer zur Gefahrenbeseitigung herangezogen werden sollen. Diese Entscheidung über die Störerauswahl hat sich an den Maßstäben der effektiven Gefahrenabwehr und des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu orientieren. Sie setzt voraus, dass die Behörde die Existenz mehrerer Störer überhaupt erkannt und in ihre Entscheidung einbezogen hat.

Dem angefochtenen Bescheid selbst ist zwar nicht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund, dass der Lebensgefährte der Antragstellerin ebenfalls auf den streitgegenständlichen Grundstücken Hunde hält, eine Auswahlentscheidung zwischen den in Betracht kommenden Störern vorgenommen hätte. Auch ist nicht erkennbar, ob die Antragsgegnerin den Umstand in den Blick genommen hat, dass der Lebensgefährte neben seiner Eigenschaft als Hundehalter auch als Miteigentümer des einen und als Eigentümer des anderen Grundstücks Zustandsstörer im Hinblick auf die auf den Grundstücken stattfindende Nutzung ist.

Allerdings lässt sich dem Verwaltungsvorgang entnehmen, dass die Antragsgegnerin auch die von dem Lebensgefährten gehaltenen Hunde ermittelt hat. Auch hat sie auf der Grundlage ihrer Ermittlungen offenbar, wenngleich nicht dokumentiert, eine Auswahlentscheidung im Hinblick auf den in Anspruch zu nehmenden Störer getroffen. Dabei ist die Entscheidung deshalb zu Lasten der Antragstellerin ausgefallen, weil sie Halterin der beiden zuletzt angemeldeten Hunde ist. In der Antragserwiderung hat die Antragsgegnerin diese Auswahl mit dem ordnungsrechtlichen Prinzip der Heranziehung des Letztverursachers gerechtfertigt und angekündigt, eine weitere Verfügung gegen den Lebensgefährten bezüglich des dritten Hundes erlassen zu wollen.

Diese Entscheidung zur Störerauswahl erweist sich nach dem bisherigen Erkenntnisstand des Gerichts als unverhältnismäßig und deshalb ermessensfehlerhaft. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Annahme der Antragsgegnerin zutrifft, dass die zuletzt hinzukommenden Hunde, soweit mit ihnen die Gesamtzahl gehaltener Hunde von zwei überschritten wird, als „Letztverursacher“ anzusehen sind.

a) Die Verhaltensverantwortlichkeit des § 69 SOG M-V knüpft an das Verhalten von Personen, hier der Antragstellerin, an. Zwar hat diese mit der Anschaffung der von der angefochtenen Verfügung erfassten Hunde – neben der Anschaffung des von dem Lebensgefährten am 1. Juli 2016 angemeldeten Hundes – einen Ursachenbeitrag zur Überschreitung der zulässigen Zahl von Hunden geleistet. Allerdings greift es zu kurz, allein auf diesen (zeitlichen) Umstand der Anschaffung der Hunde abzustellen. Der Verursachungsbeitrag der Antragstellerin kann ebenso gut darin gesehen werden, zugleich mit der Anschaffung der zuletzt angemeldeten Hunde andere von ihr gehaltene Hunde nicht aufgegeben zu haben. Die Entscheidung darüber, welcher Hund den Haushalt der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten zu verlassen hat, stellt sich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 1 Satz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG), die auf die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf abstellt – als eine solche dar, die behördlich zu determinieren in den Fällen der vorliegenden Art nicht notwendig und damit im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erforderlich ist. Denn vor der Untersagung der Haltung eines bestimmten Hundes hat die Behörde unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten insbesondere zu prüfen, ob nicht mildere, aber gleich geeignete Mittel in Erwägung zu ziehen sind (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – W 9 S 18.1522 – juris Rn. 39).

Das ist aber bei Sachverhalten wie hier, wo lediglich die Zahl der gehaltenen Hunde, ohne Rücksicht auf Rasse oder Verhalten des Hundes, zu begrenzen ist, der Fall. In solchen Fällen ist es ein milderes Mittel und muss es dem Hundehalter überlassen bleiben zu entscheiden, von welchem Hund er sich zu trennen bereit ist. Dies behördlich vorzugeben ist weder zur effektiven Gefahrenabwehr noch vor dem Hintergrund einer etwaig notwendig werdenden Vollstreckung im Falle der Nichtbefolgung einer Verbotsverfügung geboten. Auch dann, wenn die Festsetzung von (ggf. auch weiterem) Zwangsgeld nicht die beabsichtigte Beugewirkung erreichen sollte, erscheint es nicht erforderlich, zur Anwendung des dann ggf. in Betracht zu ziehenden Vollstreckungsmittels des unmittelbaren Zwangs (vgl. § 90 SOG M-V) in der Ordnungsverfügung die zu entfernenden Hunde konkret zu bezeichnen. Vielmehr reicht in den Fällen der vorliegenden Art, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Individualität der einzelnen Hunde für die Gefahrenbeseitigung irrelevant ist, wenn die Bestandsreduzierung im Rahmen einer ggf. notwendig werdenden Vollstreckung durch Herausnahme irgendwelcher Hunde erreicht wird.

Dass die Antragstellerin, worauf die Antragsgegnerin hinweist, nach Erhalt des Anhörungsschreibens vom 14. November 2019 die Möglichkeit gehabt hatte, zwei andere Hunde zu benennen oder durch freiwillige Reduzierung des Hundebestandes das Verfahren zu beenden, ändert nichts daran, dass die dann ausgesprochene Ordnungsverfügung aus sich heraus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss. Mit anderen Worten: Die vor Erlass einer Ordnungsverfügung für den Betroffenen tatsächlich gegeben gewesene Möglichkeit, die angekündigte Verfügung zu vermeiden, kann nicht zu der Annahme führen, eine unverhältnismäßige Verfügung werde dadurch rechtmäßig. Die im Bauordnungsrecht anerkannte Option des Betroffenen zur Benennung eines Austauschmittels wird für diesen nämlich erst relevant, wenn er von der Behörde rechtmäßig zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet worden ist.

b) Das Gericht verkennt nicht, dass sich die Antragsgegnerin zu ihrer Vorgehensweise aufgrund des vorangegangenen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens veranlasst sah. Indessen hat sie im Anschluss daran nicht den Hinweis des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28. August 2019 – 3 M 511/18) auf den Beschluss des OVG Schleswig vom 11. Oktober 1995 zum Az. 4 M 94/95, juris, aufgegriffen, dessen Leitsatz formuliert, dass in den Fällen, in denen die Störungsbeseitigung eine nicht aufteilbare Leistung verlangt, eine gegen jeden einzelnen Störer gerichtete Verfügung zur Erbringung seines Anteils zur Störungsbeseitigung wegen tatsächlicher bzw. rechtlicher Unmöglichkeit rechtswidrig ist, sondern die Behörde gehalten ist, nach den Grundsätzen der Störerauswahl (lediglich) einen der Störer in Anspruch zu nehmen. Hiervon ausgehend hätte geprüft werden können, ob entweder gegenüber der Antragstellerin die Untersagung der Haltung ihrer drei Hunde oder, nach dem Vorgesagten als vielleicht milderes Mittel, die Untersagung der Haltung von mehr als zwei Hunden gegenüber dem Lebensgefährten, ungeachtet seiner Haltereigenschaft, aus dem Gesichtspunkt der Zustandsstörereigenschaft als Eigentümer bzw. Miteigentümer der in Rede stehenden Grundstücke auszusprechen und gegen die Antragstellerin eine Duldungsverfügung zu erlassen war.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

Der zulässige Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. aus B-Stadt begründet. Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Auch hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013. Dabei hat das Gericht für das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Hälfte des Auffangstreitwerts angesetzt.

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