VG Trier, Urteil vom 25.06.2019 - 2 K 624/19.TR
Fundstelle
openJur 2020, 77643
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Angabe "Perlwein" bei dem von ihr vermarkteten Erzeugnis "..." zu beanstanden.

Sie ist ein Unternehmen der Weinbranche, das seit Jahrzehnten unter der Marke "..." das Erzeugnis "..." herstellt und vermarktet. Dieses wird aus einem Wein hergestellt, der aus in Italien geernteten Trauben gewonnen worden ist. Dem Wein wird mithilfe einer Karbonisierungsanlage Kohlendioxid zugesetzt, das aus der Vergärung eigener eingelagerter Traubenmoste stammt. Die zu verperlenden Weine werden über die Karbonisierungsanlage geleitet und von dort unmittelbar in Drucktanks auf Lastkraftwagen gepumpt, um sie zur Abfüllung zu transportieren.

Der Beklagte war in der Vergangenheit der Ansicht, dass ein Erzeugnis, das mit aus Mosten gewonnenem Kohlendioxid bearbeitet worden ist, als "Perlwein" bezeichnet werden dürfe. Im Rahmen der Stellungnahme Nr. 2017/25 des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) wurde auf Basis einer vorher dementsprechenden Bewertung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in der Sitzung vom 10. bis 12. Oktober 2017 beschlossen, dass ein Erzeugnis nicht als "Perlwein" bezeichnet werden dürfe, wenn der Überdruck auf "ganz oder teilweise zugesetztes Kohlendioxid" zurückzuführen sei. Insoweit wurde ausgeführt:

"Bei Perlwein ist der Überdruck des Erzeugnisses ausschließlich auf gelöstes Kohlendioxid aus der Gärung des verwendeten Weines, Jungweines, Traubenmoste oder teilweise geborenen Traubenmostes (= endogenes Kohlendioxid) zurückzuführen. Wird zur Druckerhöhung anderes (= exogenes) Kohlendioxid verwendet (auch aus anderen Weinerzeugnissen), dann kann das resultierende Erzeugnis ausschließlich als "Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure" bezeichnet werden."

Im Oktober 2018 forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr gegenüber zu bestätigen, dass keine Bedenken dagegen bestünden, wenn sie das von ihr hergestellte Erzeugnis "...", bei dem das Kohlendioxid aus der Vergärung von Mosten dem Wein zugesetzt werde, weiterhin mit der Bezeichnung "Perlwein" in den Verkehr bringe.

In seinem Antwortschreiben führte der Beklagte aus, dass das Erzeugnis "..." nicht als "Perlwein" bezeichnet werden dürfe. Der ALS habe auf seiner 61. Sitzung beschlossen, dass ein Erzeugnis nicht als "Perlwein" bezeichnet werden dürfe, wenn der Überdruck ganz oder teilweise auf zugesetztes Kohlendioxid - auch soweit es aus der Gärung von Mosten stamme - zurückzuführen sei. Die Weinüberwachung schließe sich dieser Ansicht an. Die Klägerin dürfe ihr Erzeugnis "..." daher nicht mehr als "Perlwein" bezeichnen, sondern lediglich als "Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure".

Die Klägerin hat am 12. Februar 2019 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass das Verfahren, nach dem sie das Produkt "..." herstellt, als "Methode Carstens" oder "...-Verfahren" seit Jahrzehnten anerkannt sei und ein Produkt hervorbringe, das als "Perlwein" bezeichnet werden dürfe. Unter Vorlage eines Infoblattes des Regierungspräsidiums Darmstadt sowie eines Merkblattes des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz macht sie geltend, dass auch staatliche Stellen die von ihr vorgeschlagene Differenzierung in der Vergangenheit vertreten hätten. So habe beispielsweise das Regierungspräsidium Darmstadt zwischen "Perlwein" differenziert, der sich durch "endogene Kohlensäure (Gärungskohlensäure)" auszeichne und "Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure", der industriell hergestelltes Kohlendioxid enthalte. Im Jahr 2016 habe sich ein Mitarbeiter des Landesuntersuchungsamtes Rheinland-Pfalz in der Zeitschrift "Deutscher Weinbau" in einem Artikel ähnlich geäußert. Diese Ansicht sei auch in der Kommentarliteratur herrschend. In Anhang II Nr. 15 der Verordnung (EWG) Nr. 337/1979 habe es noch geheißen, dass Perlwein "natürliches Kohlendioxid" enthalten müsse. Dieser Begriff umfasse jedenfalls auch solches Kohlendioxid, das aus der Vergärung von Most oder Wein stamme. "Endogen" bedeute nichts anderes, als dass es sich um gärungseigenes Kohlendioxid handeln müsse, das bei der Vergärung von Most oder Wein entstehe. "Exogen" sei Kohlendioxid hingegen dann, wenn es nicht aus der Vergärung von Most oder Wein, sondern aus anderen Quellen gewonnen worden sei. Das Wort "endogen" könne auch ohne weiteres so verstanden werden, dass es sich um "im Wein entstehendes "Kohlendioxid" handle und zwar in Abgrenzung vom sogenannten "exogenen, technischen Kohlendioxid", das nicht aus der Vergärung von Wein gewonnen worden sei. Entscheidend sei jedoch nicht die Wortbedeutung, sondern der systematische Zusammenhang. Der Arbeitskreis übertrage offenbar die Bewertung aus der Abgrenzung von "Schaumwein" zu "Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure" und übersehe dabei, dass für Schaumwein und Perlwein unterschiedliche Anforderungen gelten würden. In Anhang VII Teil II Nr. 4 und Nr. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 finde sich die Abgrenzung zwischen "Schaumwein" und "Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure". In Nr. 4 der Vorschrift heiße es dazu, dass bei "Schaumwein" das Kohlendioxid "ausschließlich aus der Gärung" stamme, während "Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure" dann vorliege, wenn das Kohlendioxid "ganz oder teilweise" zugesetzt worden sei. Während es beim "Schaumwein" tatsächlich darauf ankomme, dass das Kohlendioxid, das aus dem Behältnis entweiche "ausschließlich aus der Gärung" stamme, habe der Verordnungsgeber diese Definition beim Perlwein nicht wiederholt, sondern spreche nur von "endogenem" Kohlendioxid.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Angabe "Perlwein" bei dem von der Klägerin vermarkteten Erzeugnis "...", Art. Nr. ..., Los Nr. ..., 35.976 Flaschen, zu beanstanden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aufgrund des Beschlusses des ALS habe er seine Rechtsansicht geändert. Bereits aus der Bedeutung des Wortes "endogen" folge, dass das Kohlendioxid "im Innern" des verwendeten Weines, somit aus der Gärung des Perlweins stammen müsse. Im Bedeutungslexikon Duden fänden sich hierzu insbesondere Beschreibungen aus der Medizin "im Körper selbst, im Körperinnern entstehend, von innen kommend" und der Botanik - "innen entstehend". Auch das englische Wort "endogenous", welches in der englischen Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 verwendet werde, bedeute "wächst oder stammt aus dem Organismus". Anhang VII Teil II Nr. 8 und Nr. 9 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 unterscheide nicht nach der Art des Kohlendioxids, sondern danach, ob das Kohlendioxid welches in Lösung gehe, zugesetzt worden sei oder nicht. Darauf wiesen die Begrifflichkeiten "endogenes gelöstes Kohlendioxid" und "gelöstes Kohlendioxid, das ... zugesetzt wurde" hin. Der Prozess der Kohlendioxidlösung sei entscheidend. Die Begrifflichkeit "endogen" sei im Zusammenhang mit dem Lösungsprozess zu sehen. Durch Gärung entstehendes Kohlendioxid liege zunächst in gelöster Form vor. Erst dann, wenn die Sättigung im gärenden Medium erreicht sei, trete es in die Gasphase über und zeige sich bei offenen Gastanks durch einen Gasaustritt. Durch Anlegen eines Gegendrucks könne die Sättigungsgrenze überschritten werden. Werde der Gegendruck entfernt, könne das Kohlendioxid gasförmig entweichen. Das freigewordene Kohlendioxid könne unter Gegendruck wieder in Lösung gebracht werden (= Imprägnierung). Soweit die Klägerin ausgeführt habe, dass die Begrifflichkeit "natürliches Kohlendioxid" in der nunmehr geltenden Verordnung durch den Begriff "endogenes Kohlendioxid" ersetzt worden sei, stelle sie erneut auf die Herkunft des Kohlendioxids, nicht jedoch auf den Lösungsprozess ab. Soweit die Klägerin auf die Regelungen zum Schaumwein verweise, sei zu berücksichtigen, dass Perlwein im Zuge der ersten Gärung entstehe, wohingegen für Schaumwein im allgemeinen erst ein fertiger Wein entstehe, der dann durch die Fülldosage in eine zweite Gärung gebracht werde. Dieser Vorgang sei bei Perlwein nicht möglich, da Wein nicht mehr angereichert werden dürfe. Das nach dem Öffnen des Behältnisses weiterhin freiwerdende Kohlendioxid werde fachlich als "Mousseux" beschrieben. Das Mousseux aus der Gärung stelle sich in der Regel optisch und organoleptisch anders dar als jenes aus dem Zusatz. Es entspreche bei eigener Gärung und in Abhängigkeit der Qualität des Grundweines und der Dauer des Hefeextraktes einer feineren Perlung als bei zugesetztem Kohlendioxid. Dieser Qualitätsaspekt werde in der Systematik vom Sekt auf den von Perlwein übertragen. Die Verbrauchererwartung gehe dahin, dass Produkte, welche unter Zugabe diverser Zusatzstoffe entstünden, als qualitativ minderwertiger angesehen würden als solche, die ohne einen entsprechenden Zusatz auskommen. Durch eine Umsetzung des Beschlusses könne auch die Gefahr einer möglichen Wettbewerbsverzerrung vermindert werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte des Beklagten, die der Kammer vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Die Feststellungsklage ist gem. § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig. Hiernach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, ihr zu untersagen, das von ihr hergestellte Erzeugnis "..." als "Perlwein" zu bezeichnen.

Ihr steht auch das Rechtsschutzinteresse zu, eine vorbeugende Feststellungsklage zu erheben. Das Rechtsschutzinteresse für eine derartige Klage ist ausnahmsweise dann gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Ein entsprechender Verweis kann insbesondere dann nicht erfolgen, wenn die Klägerin damit auf die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe in einem Straf- oder Bußgeldverfahren verwiesen würde. Es ist ihr nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen gewissermaßen "von der Anklagebank herab" zu führen. Hier besteht ein als schutzwürdig anerkanntes Interesse, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und fachspezifische Rechtsschutzform einzuschlagen (so OVG RP, Urteil vom 13. März 2019 - 8 A 11522/18 -, juris, Rn. 33 m.w.N.; OVG RP, Urteil vom 2. Juli 2008 - 8 A 10310/08 - juris). Vorliegend wäre der objektive Tatbestand der Strafvorschrift des § 49 Satz 1 Nr. 4 Weingesetz vom 1. September 1994 (BGBl I 2011,66) - WeinG - verwirklicht, wenn die Bezeichnung des von der Klägerin hergestellten Getränkes irreführend im Sinne von § 25 Abs. 1, 2 Nr. 1 WeinG wäre, weil sie mit den Vorgaben des Anhangs VII Teil II Nrn. 8 und 9 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 nicht vereinbar wäre (vgl. zur Bedeutung des § 25 Abs. 2 Nr. 1 WeinG als sanktionsauslösende Vorschrift, Rathke in: Rathke/Boch, Weinrecht, Juni 2017, 116. Ergänzungslieferung, § 25 WeinG, Rn. 113).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die von der Klägerin beim Vertrieb ihres Erzeugnisses vorgesehen Bezeichnungen geben Anlass zu rechtlichen Beanstandungen durch den Beklagten, weil sie gegen das Verkehrsverbot des § 27 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1, 2 Nr. 1 WeinG verstoßen. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 WeinG dürfen Erzeugnisse, die den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, dem Weingesetz oder den auf Grund des Weingesetztes erlassenen Rechtsverordnungen nicht entsprechen, nicht in den Verkehr gebracht, eingeführt oder ausgeführt werden, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die zuständige Behörde kann daher gem. § 31 Abs. 7 WeinG i. V. m. § 39 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs vom 7. September 2005 in der Fassung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I 2013, 1426) - LFGB - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen treffen, die zum Schutz vor Täuschung erforderlich sind (vgl. OVG RP, Urteil vom 11. September 2013 - 8 A 10219/13.OVG -, juris, Rn. 25).

Die von der Klägerin für das Produkt "..." gewählte Verkehrsbezeichnung "Perlwein" ist irreführend. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 WeinG dürfen Erzeugnisse nicht mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr gebracht, eingeführt oder ausgeführt oder zum Gegenstand der Werbung gemacht werden. § 25 WeinG wird zwar durch die unmittelbar geltende europarechtliche Regelung zur Lauterkeit der Informationspraxis bei der Information der Verbraucher über Lebensmittel verdrängt, gilt jedoch zumindest weiter als tatbestandliche Grundlage der Straf- und Bußgeldvorschriften des Weingesetzes, die durch europarechtliche Vorschriften nicht verdrängt werden (vgl. OVG RP, Urteil vom 21. April 2015 - 8 A 10050/15.OVG - juris). Überdies stimmt das bundesrechtliche Irreführungsverbot ohnehin weitgehend mit dem europarechtlichen Irreführungsgebot überein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2016 - 3 B 52.15 -, juris; OVG RP, Urteil vom 13. März 2019 - 8 A 11522/18 -, juris). Ein Verstoß gegen § 25 WeinG schließt einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchstabe a) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 ein, wonach Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein dürfen, insbesondere auch nicht in Bezug auf die Methode der Herstellung.

Als irreführend sind nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 WeinG insbesondere solche Angaben anzusehen, die gebraucht werden, ohne dass das Erzeugnis den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, im Weingesetz oder in Rechtsverordnungen auf Grund des Weingesetzes für die betreffenden Angaben oder Aufmachung festgesetzten Anforderungen entspricht. Die Bezeichnung eines Erzeugnisses, dem Kohlendioxid zugesetzt worden ist, das aus der Vergärung von anderen Mosten stammt, als "Perlwein" ist nicht mit den Vorgaben von Artikel 78 Absatz 2 i.V.m. Anhang VII Teil II Nr. 8 c) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vereinbar. Nach § 78 Abs. 2 der Verordnung dürfen Begriffsbestimmungen, Bezeichnungen oder Verkehrsbezeichnungen im Sinne des Anhangs VII in der Union nur für die Vermarktung eines Erzeugnisses verwendet werden, das den entsprechenden Anforderungen dieses Anhangs genügt. In Anhang VII Teil II Nr. 8 c) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 wird ein Erzeugnis als "Perlwein" bezeichnet, das "in geschlossenen Behältnissen bei 20 ° C einen auf endogenes gelöstes Kohlendioxid zurückzuführenden Überdruck von mindestens 1 bar und höchstens 2,5 bar aufweist". Ein "Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure" ist hingegen nach Anhang VII Teil II Nr. 9 c) der Verordnung ein Erzeugnis, das "in geschlossenen Behältnissen bei 20 ° C einen auf gelöstes Kohlendioxid, das ganz oder teilweise zugesetzt wurde, zurückzuführenden Überdruck von mindestens 1 bar und höchstens 2,5 bar aufweist."

In seinem Anhang VII differenziert die Verordnung hinsichtlich der Bezeichnungsmöglichkeiten für Perlwein danach, ob das Kohlendioxid aus dem Produkt selbst stammt oder diesem von außen zugesetzt worden ist. Zwar ist der Wortlaut insofern offen, als "endogen" grundsätzlich "im Inneren erzeugt" bedeutet (vgl. Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Endogen, zuletzt besucht am 25. Juni 2019) und sich daher auch auf solches Kohlendioxid beziehen könnte, das in anderen Mosten entstanden ist und dann zugesetzt worden ist. Aus der Systematik der Vorschriften, insbesondere durch die Hervorhebung der Bezeichnung als "Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure" in Abgrenzung zu "Perlwein" wird jedoch der Vorgang des "Zusetzens" des Kohlendioxids zur Herstellung des Überdrucks besonders hervorgehoben. In diesem Zusammenhang drängt sich vielmehr eine Abgrenzung zwischen "endogen" versus "exogen" auf, wobei "endogen" als gärungseigen im Sinne von "in dem betreffenden Produkt entstanden" zu verstehen ist, während "exogen" jegliche Entstehung außerhalb des jeweiligen Gebindes meint (so auch Boch, in: Rathke/Boch, Weinrecht, a.a.O., § 2 WeinG, Rn. 278). Nur nach dieser Lesart ist eine Abgrenzung zum Zusatz von Kohlendioxid möglich, weil nur dann kein Kohlendioxid von außen zugesetzt worden ist.

Soweit Artikel 1 Abs. 4 b i.V.m. Anhang II Nr. 15 der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 des Rates vom 5. Februar 1979 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl. L 54 vom 5. März 1979, S. 1-47), die den heutigen Vorschriften in Anhang VII Teil II Nrn. 8 c) der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorangegangen ist, "natürliches Kohlendioxid" als Bestandteil von Perlwein benannte, kam es durch den ersetzenden Begriff "endogenes" zu einer Einschränkung, die sich jedenfalls auf das Quellenkohlendioxid bezog - vor dem Hintergrund der Hervorhebung des Vorgangs des Zusetzens des Kohlendioxids in der Bezeichnung - jedoch auch als Ausschluss natürlichen Kohlendioxids aus anderen Quellen als dem Produkt selbst zu verstehen ist. Eine Differenzierung zwischen technisch/industrieller Kohlensäure versus natürlicher Kohlensäure ist hingegen nicht herleitbar, weil auch die Quellenkohlensäure natürlichen Ursprungs ist und dennoch zugesetzt werden muss.

Diese Auslegung wird auch durch den weiteren systematischen Zusammenhang der Vorschriften bestätigt. Auch bei den Schaumweinen differenziert der Verordnungseber in den Ziffern 4 und 7 von Anhang VII Teil II nach der Methode wie das Kohlendioxid im Endprodukt gelöst wurde und nicht nach seiner Herkunft. Ohne zu verkennen, dass es sich bei den Schaumweinen um eine andere Produktkategorie als bei den Perlweinen handelt, sind die Bezeichnungsmöglichkeiten "mit zugesetzter Kohlensäure" vergleichbar (so auch Koch: Weinrecht-Kommentar, 4. Auflage, August 2003, 5.5.1).

Nur diese Differenzierung ist inhaltlich - nämlich im Hinblick auf die Qualität des Endproduktes - von Relevanz. Denn anders als die Herkunft des Kohlendioxids kann die Methode der Lösung des Kohlendioxids sich auf die Qualität des Endprodukts auswirken. Insbesondere längeren Gärungszeiten wirken sich auf den Geschmack, insbesondere auf das "Mousseux" - die Perlung -, aus, weil die Kohlensäure bei längerer Gärung - anders als nach dem Zusatz von außen - besser gebunden ist. Insofern ist es für die Qualität des Produktes bestimmend, wie es zur Lösung der Kohlensäure gekommen ist - ob durch das gärungseigene Kohlendioxid, das sofort gelöst wird, oder durch den Zusatz von Kohlendioxid von außen. Zwar ist es bei den so genannten "Schnelldrehern" - wozu das streitgegenständliche Produkt gehört - nach der übereinstimmenden Aussage der Beteiligten für den Verbraucher in der Regel nicht von Bedeutung, wie die Kohlensäure in das Produkt gelangt ist, da der Geschmack sich aufgrund der kurzen Gärungszeiten durch die Herstellungsweise kaum unterscheiden. Dieser konkrete Umstand ist für die Struktur der Norm jedoch nicht maßgebend, weil den Herstellern hiermit die grundsätzliche Möglichkeit eröffnet ist, einen Qualitätsunterschied auch durch die Bezeichnung des Produktes zu verdeutlichen. Soweit auch nicht endogenes Kohlendioxid im Herstellungsprozess von Perlwein nach Ansicht des Beklagten angewendet werden darf, ist dies unerheblich, weil der nach der Verordnung auf das gelöste Kohlendioxid zurückzuführende Überdruck hierdurch nicht erreicht werden darf.

Vor diesem Hintergrund ist die Verwendung der Bezeichnung "Perlwein" in der beabsichtigten Form auch irreführend, weil diese Angabe geeignet ist, falsche Vorstellungen über das Verarbeiten und die Beschaffenheit zu erwecken, die für eine Bewertung bestimmend sind (§ 25 Abs. 3 Nr. 2 WeinG). Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Irreführung ist darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher die fragliche Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Es kommt also weder auf den flüchtigen Verbraucher noch umgekehrt auf den Weinkenner an (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2008 - 3 C 5.08 -, juris, Rn. 32; OVG RP, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 8 A 10809/08.OVG -, juris, Rn. 23). Maßgeblich für die Irreführungsgefahr ist danach die Verkehrsauffassung. Diese kann vom Gericht in eigener Sachkunde beurteilt werden, wenn es sich um einen Begriff handelt, dessen Verständnis in einem bestimmten Sinn einfach und naheliegend ist, die Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und sich die Angabe auf Gegenstände des allgemeinen Bedarfs bezieht (BGH, Urteil vom 10. August 2000 - I ZR 126/98 -, juris, Rn. 29; OVG RP, Urteil vom 11. Februar 2015 - 8 A 10959/14 -, juris, Rn. 32).

Vor dem Hintergrund, dass die Bezeichnung "mit zugesetzter Kohlensäure" die Vorstellung des Verbrauchers weckt, dass ein Prozess des Zusatzes von außen stattgefunden hat, stellt der durchschnittliche Verbraucher sich unter dem Begriff "Perlwein" ein Erzeugnis vor, bei dem eine solcher Zusatz von außen eben nicht erfolgt ist. Tatsächlich wurde bzw. wird dem Produkt "..." jedoch Kohlendioxid auf einer Karbonisierungsanlage von außen zugesetzt. Dabei ist nicht anzunehmen, dass dem durchschnittlichen Verbraucher die bisher praktizierte Differenzierung zwischen "gärungseigenem" und anderem zugesetzten Kohlendioxid bekannt ist. Die Methode der Karbonisierung ist für den Verbraucher jedoch grundsätzlich bestimmend, weil davon auszugehen ist ist, dass er um den möglichen Einfluss der Lösung des Kohlendioxids auf die Qualität des Endproduktes weiß, ihm zumindest bekannt ist, dass ein Zusatz gerade wegen seines potentiellen Einflusses auf die Qualität eines Produktes - auch in anderen Bereichen (Wasser, Bier) - besonders gekennzeichnet wird. Insofern kommt es nicht entscheidend darauf an, dass sich die Methode, wie das Kohlendioxid in das Endprodukt gelangt ist, bei den sogenannten "Schnelldrehern" geschmacklich nicht auswirkt.

Die Klägerin kann aus der Tatsache, dass der Beklagte in der Vergangenheit der Ansicht war, ein dergestalt hergestelltes Getränk dürfe als "Perlwein" bezeichnet werden, keinen Anspruch darauf herleiten, dass ihr dies weiterhin möglich sein muss, weil es sich hier nicht um ein Problem der geänderten Verwaltungspraxis handelt, sondern um die Änderung einer Rechtsansicht. Dabei sind weder der Beklagte noch das Gericht an die Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) gebunden. Der ALS setzt sich aus Vertretern der Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer und der Bundeswehr zusammen. Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, des Bundesinstituts für Risikobewertung, der Arbeitsgruppe der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz "Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Wein und Kosmetika" und des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen (ALTS) sind Gäste. Die Geschäftsführung hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit inne (vgl. Internet: >https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/02_AmtlicheLebensmittelueberwachung/12_ALS/lm_ALS_node.html;jsessionid=1A2C2A9F101E814D7D60E8B8ED068489.2_cid332<, zuletzt besucht am 25. Juni 2019). Der ALS hat die Aufgabe, die Untersuchung und Beurteilung von Erzeugnissen, die dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch unterliegen, innerhalb der Überwachungsbehörden der 16 Bundesländer abzustimmen. Hieraus folgt, dass das Gremium eine beratende Funktion hat. Sowohl aus der Zusammensetzung des Gremiums als auch von seiner Aufgabe her kann es lediglich Standpunkte und Empfehlungen aus fachlicher Sicht abgeben, denen als solche jedoch kein rechtlich verbindlicher Charakter zukommt (vgl. zu den Stellungnahmen des ALTS: Bay VGH, Urteil vom 3. Mai 2018 - 20 BV 16.1961 -, juris, Rn. 35). Eine Bindungswirkung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Artikel 3 Grundgesetz in Verbindung mit der Vollzugspraxis liegt vorliegend bereits auch schon deswegen nicht vor, weil der Verwaltung vorliegend kein Ermessen eingeräumt ist (vgl. zur Selbstbindung der Verwaltung: Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, 18. Auflage 2017, § 40 VwVfG, Rn. 50). Soweit der Beklagte eine einheitliche Vollzugspraxis erreichen möchte, ist allein dies für die Auslegung der Vorschrift vor diesem Hintergrund unbeachtlich.

Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei der von der Klägerin angewandten Methode um ein eingeführtes Verfahren zur Herstellung von Perlwein handelt, das in Fachkreisen anerkannt, so in der Kommentarliteratur jahrelang vertreten (vgl. Koch, a.a.O., 4.1.2) und vom Beklagten in der Vergangenheit nicht beanstandet worden ist. Vor diesem Hintergrund und ihm Hinblick darauf, dass die Klägerin die streitgegenständliche Charge offenbar im Vertrauen auf die bisherige Praxis des Beklagten hergestellt hat, dürfen weitere vollstreckbare Eingriffsmaßnahmen im Hinblick auf diese Charge unverhältnismäßig sein. Ob dies im Hinblick auf die lange Zeit unbeanstandete Herstellungsmethode auch für einen gewissen Übergangszeitraum bis zu einer Umstellung der Produktion durch die Klägerin gilt, wird vom Beklagten zu prüfen sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.