VG Regensburg, Urteil vom 22.07.2020 - RO 3 K 16.30576
Fundstelle
openJur 2020, 77610
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist in Ziffer II vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise von subsidiärem Schutz und von Abschiebungsverboten.

Der nach Aktenlage 1977 geborene Kläger ist nach seinem Vorbringen ein lediger und kinderloser irakischer Staatsangehöriger mit arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Laut der Sachverhaltsdarstellung im Bescheid des Bundesamtes für ... (im Weiteren: Bundesamt) reiste er auf dem Landweg in der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 13. September 2013 seinen förmlichen Asylantrag.

Gegenüber der Regierung von Mittelfranken gab der Kläger am 3. September 2013 unter anderem an, er habe in Mosul, Hay Al Mothana, Mahala, Z ..., Haus ... gelebt, seine Telefonnummer habe ...63 gelautet. Er sei am 30. Mai 2013 von Mosul aufgebrochen und nach Istanbul geflogen. Dort sei er zehn Tage untergebracht gewesen. Es seien 27 andere Flüchtlinge dabei gewesen. Sie seien dann zur griechischen Grenze gefahren und hätten die Grenze zu Fuß überquert. Mit einem Auto seien sie dann nach Athen gefahren, wo er bis 25. August 2013 in einer Wohnung untergekommen sei. Er sei dann vom 25. August 2013 bis 27. August 2013 in einem Lkw von Athen direkt nach Deutschland gebracht worden. Sie seien nicht kontrolliert worden und es habe keine Zwischenfälle gegeben. Er wisse nicht, wo er in Deutschland aus dem Lkw gestiegen sei. Am selben Tag sei er zu einer Polizeistation in München gegangen und habe sich dort als Flüchtling gemeldet. Er habe für seine Reise nach Deutschland 4.500 Euro gezahlt.

Bei seiner Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt am 13. September 2013 laut Niederschrift unter anderem an, er sei Araber und gehöre dem Stamm der Ageili an. Im Irak habe er einen Personalausweis besessen, den er 2011 in Mosul ausgestellt bekommen habe. Zudem besitze er noch einen Reisepass, der im Irak sei und den er sich 2013 in Mosul habe ausstellen lassen. Außerdem habe er eine Staatsangehörigkeitsurkunde besessen, die er sich 1994 in Mosul habe ausstellen lassen. Er habe die Dokumente zu Hause zurückgelassen. Mit dem Reisepass sei er vom Irak in die Türkei, nach Istanbul, geflogen. Von dort habe er ihn in den Irak zu seiner Familie zurückgeschickt. Er könne die Dokumente bis zur Anhörung nach Deutschland schicken lassen. Er besitze auch einen Dienstausweis als Polizist. Er habe auch Zeugnisse über die Ausbildung als Polizist. Eine Geburtsurkunde besitze er nicht. Seine letzte offizielle Anschrift im Heimatland habe Hay Muthana, Muhal ..., Z* ... Hausnummer ... gelautet. Dort habe er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten und dort lebe noch seine Mutter, sein Vater sei 2003 verstorben. Seine zwei Brüder und drei Schwestern lebten alle in Mosul, jedoch unter verschiedenen Adressen. Der Kläger selbst habe in Mosul sechs Jahre die Grundschule besucht und zwei Jahre die Mittelschule. Wehrdienst habe er von 1995 bis 2003 geleistet. Seit 2003 bis zu seiner Ausreise sei er Polizist gewesen und er habe im Monat ca.970.000 irakische Dinar verdient, umgerechnet etwa 700 Dollar. Er sei am 30. Mai 2013 von Mosul nach Istanbul geflogen. Bei der Einreise in die Türkei habe er ein Visum bekommen. Er habe sich dort acht Tage aufgehalten. Danach habe ihn der Schlepper in einem verschlossenen Fahrzeug zur griechischen Grenze gebracht und mit einem Schlauchboot hätten sie die Grenze zu Griechenland überquert. Von dort sei er mit dem Bus und dem Auto nach Athen, wo er sich drei Monate in einer Wohnung aufgehalten habe, die ihm der Schlepper besorgt habe. Danach sei er versteckt in einem Wohnwagen nach Deutschland gereist. Am 27. August 2013 sei er in München abgesetzt worden und am gleichen Tag habe er sich in München in der Aufnahmeeinrichtung gemeldet.

Im Rahmen seiner Anhörung am 1. September 2014 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt insbesondere an, er habe seinen Reisepass zurückgeschickt, weil man wisse, dass der Schleuser den von einem nehme. Er komme aus Mosul und könne den Pass nicht beibringen; dort hätten die Terroristen die Macht. Ihm sei der Polizeiausweis wichtig, den der Kläger im Rahmen der Anhörung ebenso übergab wie einen Personalausweis sowie eine Staatsangehörigkeitsurkunde. In Griechenland habe er von dem Geld gelebt, dass er gehabt habe; er habe es aus dem Irak mitgebracht und auch Überweisungen bekommen. Die Idee zur Ausreise habe er im April 2013 gefasst, entschlossen habe er sich am 20. Mai 2013 und am 30. Mai 2013 habe er den Irak verlassen. Bis dahin habe er zu Hause mit Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester sowie deren Familien geliebt. Er sei mit Ihnen in telefonischem Kontakt. Seine Asylgründe lägen in seiner Arbeit als Polizist. Er sei einfacher Polizist und Fahrer gewesen. Die Terroristen hätten einmal auf ihn mit Pistolen geschossen. Dies sei an einem Abend im November 2012 gewesen, als er bei seinem Freund beim Abendessen gewesen sei und sie danach vor der Tür gestanden hätten. Zwei Männer seien gekommen und hätten auf den Kläger geschossen, die dritte Kugel habe ihn dann getroffen und er habe sich in einem Haus versteckt. Die ersten zwei Kugeln hätten ihn nicht getroffen, da "er" eine Ladehemmung gehabt habe. Der Kläger wisse, dass sie ihn gemeint hätten; der Freund sei kein Polizist. Der Kläger sei nur weggerannt und habe es seiner Einheit erzählt. Diese hätten gefragt, ob er sie kenne. Er wisse aber nicht, wer die Täter gewesen seien. Er habe kein Problem mit Leuten. Als Polizist wisse man, dass der erste Feind Terroristen seien. Ein anderes Mal sei eine kleine Bombe bei der Arbeit gezündet worden und er habe einen Splitter in den Körper bekommen. Das sei ungefähr im März 2013 bzw. "am 01.03. oder 28.02." gewesen. Sie seien im Dienst mit drei Autos gefahren. Der Chef sei im ersten Fahrzeug gewesen und der Kläger sei der Fahrer des zweiten Wagens gewesen. Am Straßenrand sei eine Bombe vorbereitet gewesen, die dann beim zweiten und dritten Auto explodiert sei. Der Kläger sei verletzt und anschließend in Behandlung gewesen. Er sei an Armen, Beinen und Bauch verletzt worden und habe da immer noch Splitter drin. Die medizinische Behandlung sei schlimm gewesen, es habe weh getan und sie sei ohne Narkose erfolgt. Er sei zwei Stunden im Krankenhaus gewesen und dann zwei Tage lang im Office, dann sei er zu Hause gewesen. Danach habe er nicht mehr im Land bleiben wollen.

Das Bundesamt untersuchte die im Rahmen der Anhörung vorgelegten Unterlagen. Zum Dienstausweis Polizei/Sicherheitskräfte ist als Untersuchungsergebnis am 24. Oktober 2014 vermerkt, dass mit den vorhandenen Untersuchungsmöglichkeiten bei zerstörungsfreier Untersuchung Manipulationen nicht festgestellt werden konnten; authentisches Vergleichsmaterial liege nicht vor. Zum Staatsangehörigkeitsnachweis ist vermerkt, dass das vorgelegte Dokument Spuren von Gebrauch aufweise und Teile des Lichtbildmaterials fehlten, der Bereich des Lichtbildes sei mit transparenter Klebefolie beklebt worden; bei zerstörungsfreier Untersuchung könne nicht festgestellt werden, ob die Spuren durch Manipulation oder unsachgemäßen Gebrauch entstanden seien. Zur ID-Karte ist als Untersuchungsergebnis vermerkt, dass das vorgelegte Dokument doppelt laminiert sei, der handschriftlich eingetragene Teil des Ausstellungsdatums sich auf der 1. Laminatfolie befinde und nicht ausgeschlossen werden könne, dass dies ein Ausstellungsfehler sei bzw. dies so bei der Ausstellung entstanden sei; ob die Spuren durch Manipulation oder unsachgemäßen Gebrauch entstanden seien, könne bei zerstörungsfreier Untersuchung nicht festgestellt werden.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 17. Juli 2015 ließ der Kläger Untätigkeitsklage erheben, der mit Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Februar 2016 (Az. RO 3 K 15.31429) stattgegeben wurde.

Das Bundesamt erkannte mit Bescheid vom 17. März 2016 dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3) und stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) fest (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen; andernfalls werde er in den Irak oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, abgeschoben (Ziffer 5). Ferner befristete das Bundesamt das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den weiteren Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Am 31. März 2016 ließ der Kläger durch Anwaltsschriftsatz vom selben Tag gegenständliche Klage erheben und zur Begründung vortragen, die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Nach entsprechender Aufforderung im Rahmen der Anhörung habe sich der Kläger die ID-Karte und die Staatsangehörigkeitsurkunde zusenden lassen. Diese habe er dann auch Ende September 2013 erhalten und dem Bundesamt vorgelegt. Der entsprechende Sendenachweis werde vorgelegt. Der irakische Reisepass habe mit den beiden anderen Urkunden nicht mitgeschickt werden können, da er der Familie nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe sich auch in der Folgezeit seinen Pass nicht zuschicken lassen können, da der IS Mosul besetzt habe. Die Identität des Klägers sei mit den beiden vorgelegten Dokumenten nachgewiesen; im Übrigen habe er ja zusätzlich seinen Polizeiausweis vorgelegt. Soweit in der Übersetzung des Personalausweises als Geburtsort "Mahad" angegeben sei, könne dies nur auf einem Übersetzungsfehler beruhen. Mahad sei ein Ort im Yezidengebiet in der Nähe von Mosul, der Kläger stamme aber nicht von dort, sondern aus Mosul. Der Kläger sei auch persönlich bedroht worden, worauf er in seiner Anhörung hingewiesen habe. Als er beschossen worden sei, habe er sich gerade bei einem Freund und Nachbarn aufgehalten. Der Anschlag habe ihm persönlich gegolten, was der angefochtene Bescheid ebenfalls nicht berücksichtigt habe. Zwischenzeitlich sei im August 2015 das Haus des Klägers gesprengt und sein Pkw konfisziert worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich im Haus noch der Bruder des Klägers und dessen Frau aufgehalten. Diese seien vor der Sprengung aus dem Haus geholt worden. Der Rest der Familie sei schon früher aus Mosul geflohen; sie hielten sich in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Arbil auf. Die Polizeikollegen des Klägers, die in Mosul verblieben seien, seien zwischenzeitlich alle getötet. Nach der Besetzung durch den IS seien im Bereich Mosul hunderte Polizisten hingerichtet worden. Auf einer Facebook-Seite werde von 2007 Polizistenleichen gesprochen. Soweit der angefochtene Bescheid von einem Berufsrisiko des Klägers als Polizeibeamter spreche, möge dies für die Zeit vor dem Einmarsch der ISIS bzw. des IS gelten. Zwischenzeitlich sei es ein sicheres Todesurteil, wenn man in Mosul als Polizeibeamter gearbeitet habe.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid der Beklagten vom 17. März 2016 wird in Ziffern 1, 3, 4, 5 und 6 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 / Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Ferner ließ er Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung beantragen.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 8. April 2016 unter Bezugnahme auf die Bescheidsgründe,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2020 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen und mit weiterem Beschluss vom selben Tag wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt.

Im Übrigen wird zur Vervollständigung der Sachverhaltsdarstellung auf die Inhalte der Gerichts- und der vom Bundesamt vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2020 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes und keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Der angefochtene Bescheid ist auch sonst rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, da er sich nach Überzeugung des Einzelrichters nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe außerhalb des Iraks befinden (§ 3 Abs. 1, 4 AsylG).

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die vorausgesetzte Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer Flüchtlingsschutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen von § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gem. § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen.

Für den Erfolg des Begehrens muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Angesichts des typischen Beweisnotstands, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Anspruch auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 und 4 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei ist es seine Sache, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 - 9 C 141.83 - Buchholz § 108 VwGO Nr. 147). An der Glaubhaftmachung fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90; BVerwG, U.v. 30.10.1990 - 9 C 72.89 - jeweils juris). Zwar besteht hinsichtlich des Sachverhalts grundsätzlich eine Aufklärungspflicht des Gerichts von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Beweise zum Zwecke der Ausforschung zu erheben, fällt allerdings nicht darunter. Zudem besteht die Mitwirkungspflicht des Ausländers, der nicht nur allgemein verpflichtet ist, an der Klärung des Sachverhalts mitzuwirken, sondern auch die Pflicht hat, schon gegenüber dem Bundesamt die erforderlichen Angaben zu machen, § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 25 AsylG.

Vorliegend ist die Beklagte im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass sich aus dem Vorbringen des Klägers keine begründete Verfolgungsfurcht nach § 3 Abs. 1 AsylG herleiten lässt. Dies gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt, dass er im Irak tatsächlich als Polizist beschäftigt war und während dieser Zeit auch ein Bombenanschlag auf einen Polizeikonvoi verübt wurde, bei dem er als Fahrer ein Polizeifahrzeug führte. Insoweit realisierte sich in seiner Person das Risiko der Ausübung des aktiven Polizeidienstes, sodass schon fraglich erscheint, ob es sich überhaupt um eine persönliche, individuelle oder gar asylrelevante Verfolgung gegen den Kläger handelte. Immerhin hatte er als Polizist jederzeit mit derartigen Geschehnissen in Ausübung des Berufes zu rechnen. Aber selbst wenn man eine Vorverfolgung des Klägers durch diesen Anschlag annehmen wollte, würde dies nicht zu einem Anspruch auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz führen.

Das gleiche gilt in Bezug auf den angeblich gezielt gegen den Kläger gerichteten früheren Anschlag, bei dem auf ihn geschossen worden sein soll, als er bei einem Freund war. Insoweit bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob sich dieser Vorfall tatsächlich so begeben hat, wie vom Kläger geltend gemacht. Das diesbezügliche Vorbringen beim Bundesamt war nämlich oberflächlich, detailarm und mit ausgesprochen wenig Substanz versehen. So behauptet der Kläger zwar, eine Kugel habe ihn getroffen, von Verletzungen oder gar einer Behandlung im Krankenhaus berichtet er hingegen nichts. Ebenso wenig führt er etwas zu den Tätern aus, zu ihrer Kleidung und - abgesehen von einer angeblichen Ladehehemmung, mit der er aber erst auf eine Nachfrage die Auflösung einer sonst bestehenden Unstimmigkeit versuchte - sonstigen Umständen des angeblichen Ablaufs, obwohl er als Polizist darin geübt sein müsste, Tatgeschehen darzustellen. Vielmehr behauptet er, lediglich weggelaufen zu sein und es seiner Einheit erzählt zu haben. Es überzeugt auch nicht, dass diese dann letztlich nichts unternommen haben soll, wenn auf einen ihrer Kollegen tatsächlich ein Anschlag verübt worden sein soll. Auch erscheint es wenig plausibel, dass dieser angebliche Anschlag, der sich Monate vor der Ausreise des Klägers zugetragen und unmittelbar diesem persönlich gegolten haben soll, den Kläger noch nicht zu einer Flucht veranlasste, wohingegen die spätere Explosion, die ihn während der Ausübung seines regulären Dienstes verletzte und bei der sich das für ihn berufstypische Risiko, dessen sich der Kläger auch bewusst sein musste, realisierte, dann doch zu einer Flucht veranlasst haben solle, obwohl er sich durch einfaches Quittieren des Dienstes diesem Risiko hätte entziehen können. Es steht daher auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger tatsächlich Opfer eines derartigen Anschlags geworden ist. Der Kläger hat auch nicht die Gelegenheit einer mündlichen Verhandlung genutzt, sein unzureichendes Vorbringen beim Bundesamt zu plausibilisieren und zu substantiierten. Vielmehr erschien er nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung und Urteilsverkündung, obwohl das Gericht ausreichend lange zugewartet hatte.

Aber selbst wenn man beides, also sowohl den behaupteten Bombenanschlag vom März (bzw. Ende Februar) 2013 wie auch die angeblichen Schüsse auf den Kläger mehrere Monate zuvor, als wahr unterstellen wollte, ist das Gericht nicht davon überzeugt ist, dass dem Kläger bei einer nunmehrigen Rückkehr in den Irak erneut Verfolgung drohen würde. Die ehemalige Tätigkeit des Klägers als einfacher Polizist und Fahrer im Irak liegt mittlerweile mehr als sieben Jahre zurück. Mit den vom Kläger bei der Polizei bekleideten Funktionen hatte er auch keine besonders herausragende Stellung inne. Zwar lassen die ausgewerteten Erkenntnismittel durchaus eine erhöhte persönliche Gefährdung von Polizisten erkennen, insbesondere auch von Uniform tragenden Polizisten. Es mag auch zutreffen, dass zu Zeiten des Kalifats des IS in erheblichem Umfang gegen staatliche Polizisten vorgegangen wurde. Jedoch ist das Kalifat 2017 im Irak in der Fläche "besiegt" worden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020, S. 4, 6, 16). Außerdem und vor allem liegt die frühere Tätigkeit des Klägers als Polizist aber sehr lange zurück und es ist nicht damit zu rechnen, dass der Kläger im Falle seine Rückkehr erneut in den Polizeidienst eintritt, so dass stichhaltige Gründe gegen eine Gefährdung des Klägers nach einer so langen Zeitspanne sprechen. Für die vorliegende Fallkonstellation der nach Rang und Verantwortung untergeordneten polizeilichen Tätigkeit gibt es nach den ausgewerteten Erkenntnisquellen keine Hinweise darauf, dass ein ehemaliger einfacher Polizist auch noch nach Jahren in das Visier von Aufständischen oder Terroristen geraten würde (vgl. auch BayVGH, U.v. 20.7.2012 - 13a B 10.30139 - juris Rn. 24; U. v. 28.12.2011 - 13a B 11.30285 - juris Rn. 20; VG München, U.v. 27.12.2016 - 4 K 16.31399 - juris). Es ist daher im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht anzunehmen, dass der Kläger deswegen bei Rückkehr in seine Heimat einer erheblichen persönlichen flüchtlingsschutzrelevanten Gefahr etwa durch einen ihm geltenden Anschlag ausgesetzt wäre. Hieran ändert sich auch nichts durch die erst im gerichtlichen Verfahren schriftlich aufgestellte Behauptung, sein Haus sei im August 2015 gesprengt und sein Pkw konfisziert worden. Schon aufgrund des Zeitablaufs seit seiner Ausreise lässt sich kein belastbarer unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Vorfällen und dem Kläger selbst erkennen, vielmehr spricht einiges dafür, dass die Maßnahmen - so sie denn überhaupt stattgefunden haben sollten - dem Bruder des Klägers gegolten haben könnten als dem Kläger selbst.

Dem Kläger droht darüber hinaus auch keine Verfolgung als Araber mit Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung. (Arabische) Sunniten machen 17 bis 22% der Bevölkerung aus, mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020, S. 7 f). Es ist nicht von einer Gruppenverfolgung der Sunniten auszugehen. Insbesondere angesichts der Größe der Bevölkerungsgruppe am Anteil der Gesamtbevölkerung im Irak und vor allem auch in der irakischen Herkunftsregion des Klägers kann nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angenommen werden.

Nach allem steht dem Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.

2. Auch die Voraussetzungen von § 4 AsylG sind vorliegend nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Irak die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Auch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ist nach obigen Ausführungen nicht glaubhaft. Die Berufung auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak ohne konkreten individuellen Bezug genügt nicht, um die Voraussetzungen von § 4 AsylG zu begründen. Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen in Bezug auf die Herkunftsregion des Klägers nicht vor.

Auf Grundlage der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel kann nicht angenommen werden, dass allen irakischen Staatsangehörigen mit arabischer Volkszugehörigkeit und schiitischem oder sunnitischem Glauben im gesamten Irak Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohen, so dass ihnen unabhängig von ihrer Herkunftsregion und ihrer individuellen Gefahrensituation subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 AsylG zu gewähren wäre (so auch BayVGH, B.v. 5.12.2018 - 5 ZB 18.33041 - juris Rn. 5). Für die Frage, ob eine Person bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist im Übrigen auf die tatsächlichen Verhältnisse in ihrer Herkunftsregion abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 13 m.w.N. und BayVGH, B.v. 22.3.2018 - 20 ZB 16.30038 - juris Rn. 8). Dabei kann sogar offenbleiben, ob in der Region von Mosul ein bewaffneter Konflikt im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegt. Denn ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt begründet subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3e AsylG). Es reicht nicht aus, dass in der Herkunftsregion ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Für die individuelle Betroffenheit bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2018 - 5 ZB 18.33041 - juris Rn. 8). Erforderlich ist, dass durch die Auseinandersetzungen, an denen bewaffnete Gruppen beteiligt sind, ein Grad an willkürlicher Gewalt entsteht, so dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, und der Betroffene somit tatsächlich internationalen Schutz benötigt (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 a.a.O. LS 3). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt nicht schon bei inneren Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder ähnlichen Handlungen vor. Vielmehr muss ein Konflikt ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie dies etwa bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 22).

Eine solche Gefahrendichte, wie sie für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erforderlich wäre, kann für die Region von Mosul jedoch nicht festgestellt werden. Zwar muss in Mosul wie auch anderen Provinzen weiterhin mit schweren Anschlägen gerechnet werden; insbesondere ist dort auch die Terrormiliz "IS" im "Verborgenen" durchaus noch aktiv (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020, S. 16). Gleichwohl kann in der Herkunftsregion des Klägers ein derart hoher Grad willkürlicher Gewalt, nach dem eine Zivilperson dort allein durch die Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, nicht angenommen werden. Schon angesichts der Größe der Einwohnerzahl des Gouvernements Ninive (Ninawa) von über 3 Millionen ist eine Zahl von Getöteten und Verletzten im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl, die zu der oben genannten Gefahrendichte führen würde, den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen. Die Zahl der zivilen Opfer im Irak hatte mit landesweit mindestens 26.600 (so www.uniraq.org, UNAMI, Civilian Casualties) bzw. nahezu 54.000 (so http://www.iraqbodycount.org) im Zeitraum Januar 2014 bis Dezember 2016 zwar einen Stand erreicht, wie es ihn zuletzt in den Bürgerkriegsjahren 2006 und 2007 gegeben hatte. 2017 ging die Zahl getöteter und verletzter Zivilisten aber bereits deutlich zurück, wobei ein Großteil dieser Opfer auf terroristische Aktivitäten und Selbstmordanschläge, insbesondere durch die Terrororganisation Islamischer Staat, zurückzuführen waren. Seither gingen die Zahlen noch weiter zurück. Wurden in 2016 von www.iraqbodycount.org landesweit noch über 16.000 und in 2017 noch über 13.000 Todesopfer gezählt, wurden für 2018 landesweit über 3.300 und in 2019 noch rund 2.400 Todesopfer erfasst (www.uniraq.org zählte für das Jahr 2018 landesweit über 900 tote und über 1.600 verletzte Zivilisten). Erkenntnisse darüber, dass sich das Zahlenverhältnis zwischenzeitlich entscheidungserheblich geändert hätte, liegen nicht vor und wurden vom Kläger auch nicht dargelegt. Die Zahl der getöteten und verletzten Personen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung würde daher selbst dann nach Lage der Erkenntnismittel nicht die Annahme der erforderlichen Gefahrendichte begründen, wenn es allein in der Herkunftsregion des Klägers zu einem erheblichen Teil der landesweit erfassten Opfer gekommen wäre. Individuelle Umstände, die zu einer relevanten Erhöhung der Gefahr für den Kläger führen würden, sind ebenfalls nicht glaubhaft gegeben.

Die für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderliche Gefahrendichte ist daher für den Kläger im Fall seiner Rückkehr auf Grundlage der Erkenntnisse im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht gegeben. Danach ist dem Kläger vom Bundesamt subsidiärer Schutz nicht zu gewähren.

3. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 14. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben würden, sind in Bezug auf den Kläger nicht feststellbar. Dem Kläger droht im Fall der Abschiebung in den Irak keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK. Insbesondere ist die humanitäre Lage in der Herkunftsregion des Klägers nach Auffassung des Einzelrichters nicht derart außergewöhnlich prekär bzw. ist das Gefährdungsniveau nicht derart hoch, dass Art. 3 EMRK beeinträchtigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2015 - 13 a ZB 15.30063 - juris; VG München, U. v. 13.5.2016 - M 4 K 16.30558 - juris).

Unter Bezugnahme auf ein Urteil des EGMR vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 8. Januar 2018 (Az. 20 ZB 17.30839) u.a. dargelegt, in ganz außergewöhnlichen Fällen könnten auch schlechte humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" seien. Hierbei sind indes auch die individuellen Umstände miteinzubeziehen. Der Kläger ist nach Aktenlage ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, der im Heimatland bereits selbstständig tätig war, über informationstechnisches Verständnis und Sprachfertigkeiten verfügt. Dass der Kläger aktuell und auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein sollte, im Irak seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, erschließt sich nicht, zumal er im Irak auch über Verwandte verfügt. Dass ein Bestreiten des Lebensunterhalts generell nicht möglich sei, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Positionspapier des UNHCR vom 14. November 2016 nicht. Die Grundversorgung im Irak stellt sich in Teilen zwar gerade für ärmere Bevölkerungsschichten als schwierig dar (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 2.3.2020, S. 25f), die individuelle Situation des Klägers lässt jedoch nicht darauf schließen, dass ihm der Zugang zu dieser verwehrt bliebe.

Substantiierte individuelle Gründe für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden soll, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Übrigen wäre die Sperrwirkung von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei verfassungskonformer Auslegung ausnahmsweise nur dann nicht beachtlich, wenn dem Ausländer auf Grund allgemeiner Verhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefahren drohten. Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung mit der Formulierung umschrieben, eine Abschiebung müsse ungeachtet der Erlasslage ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges" dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, B. v. 14.11.2007 - 10 B 47/07 - juris). Es ergibt sich indes nicht, dass dem Kläger, der auch nicht ersichtlich zu einem vulnerablen Personenkreis gehört, mangels ersichtlicher Lebensgrundlage in der Heimat landesweit der alsbaldige sichere Hungertod drohen würde.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Übrigen auch geklärt, dass einer vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung für ein bestimmtes Land keine Indizwirkung für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, bei der in verfassungskonformer Auslegung der Regelungen ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht anzunehmen ist, zukommt. Denn es ist auszuschließen, dass die für die Reisewarnung maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage mit jenen identisch sind, anhand derer das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zu beurteilen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2019 - 4 ZB 18.30367 - juris Rn. 15 m.w.N.).

4. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG, § 59 AufenthG), der Ausreisefrist (§ 38 Abs. 1 AsylG) und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot im Sinne von § 11 Abs. 1 AufenthG bestehen nicht.

Die Klage war nach alldem insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

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