LG Bonn, Urteil vom 14.02.2020 - 2 O 144/19
Fundstelle
openJur 2020, 77548
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.461,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.313,00 Euro ab dem 26.11.2018 zu zahlen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche im Rahmen eines Kreditkartenvertrages.

Die Klägerin eröffnete auf Antrag des Beklagten vom 31.08.2016 (Anlage K 1 zur Anspruchsbegründung) für diesen am 16.09.2016 unter Einbeziehung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K 2 zur Anspruchsbegründung) ein Girokonto mit der Nummer ... In Ziffer 19 Abs. 3 der AGB ist das außerordentliche Kündigungsrecht und in Ziffer 19 Abs. 1 der AGB das ordentliche Kündigungsrecht der Klägerin mit einer Frist von zwei Monaten vereinbart. Bei Vertragsschluss waren eine Überziehungsmöglichkeit durch Einräumung eines Dispositionskredits von 1.000,00 Euro und ein Sollzinssatz von 6,99% p.a. vereinbart, Anfang 2018 betrug die eingeräumte Überziehungsmöglichkeit 5.000,00 Euro. Der Beklagte erhielt von der Klägerin eine X Kreditkarte, welche zugleich die Debitkarte zu dem streitbefangenen Girokonto war.

Jedenfalls im Zeitraum vom 21.03.2017 bis zum 21.11.2017 veranlasste der Beklagte an die Anbieter Q (Zahlungsposten "Q LTD" bzw. "Q”), Z ("WWW Z COM"), A Ltd. ("A LTD"), G Ltd. ("K") und W ("YCOM"), die über frei zugängliche Internetseiten verschiedene Online-Glücksspiele wie E, O, F und L-Maschinen (Spielautomaten) anbieten, immer wieder Zahlungen mit der Kreditkarte der Klägerin. Diese Casinos verfügen über keine Erlaubnis für die Veranstaltung von Glückspielen in Deutschland. Der Beklagte veranlasste im streitgegenständlichen Zeitraum Zahlungen im Umfang von 22.622,25 Euro. Am 19.11.2017 reklamierte der Beklagte die Buchungen zugunsten der Anbieter von Online-Glücksspiel und forderte die Gutschrift von der Klägerin (Anlage B 7 zur Klageerwiderung).

Der Beklagte belastete das Girokonto über die vereinbarte Kreditlinie hinaus. Ende des ersten Quartals 2018 erteilte die Klägerin dem Beklagten einen Rechnungsabschluss, dem der Beklagte nicht widersprach. Am 20.04.2018 forderte die Klägerin den Beklagten letztmalig erfolglos zum Ausgleich der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Überziehung bis zum 06.05.2018 auf. Mit Schreiben vom 08.05.2018 kündigte die Klägerin den Girokontovertrag mit einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der Kündigung, beließ dem Beklagten das Kapitalnutzungsrecht aber bis zum 12.07.2018, und kündigte den Dispositionskredit per sofort. Der Beklagte wurde zum Ausgleich des Kündigungssaldos, der sich am 08.05.2018 auf 5.313,00 € belief, bis zum 12.07.2018 aufgefordert.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten nun die Zahlung von 5.461,11 €. Der Betrag ergibt sich aus dem Endsaldo in Höhe von 5.313,00 € zuzüglich Zinsen von insgesamt 148,11 € bis zum 26.11.2018.

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Beklagte von ihr an Online-Casinos gezahlte Beträge für Glücksspiele verwendet hat. Sie gehe davon aus, dass die von ihr geleisteten Zahlungen an die Internetanbieter den dort für den Beklagten geführten Konten gutgeschrieben worden, nicht aber unmittelbar Einsätze für Glücksspiele gewesen seien. Die Klägerin behauptet, sie habe zudem nichts von dem Glücksspiel gewusst - anders als der Beklagte. Dieser habe zudem um die Unzulässigkeit des Online-Glücksspiels gewusst. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass sich der Beklagte bei Veranlassung der Kreditkartenbelastungen in Deutschland aufgehalten hat.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.461,11 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.313,00 Euro ab dem 26.11.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Klägerin könne keine Zahlung verlangen, da die von ihr für ihn getätigten Aufwendungen nicht erforderlich gewesen seien. Er habe die Kreditkarte lediglich für Online-Glücksspiel genutzt. Die von ihm geschlossenen Verträge seien ebenso verboten wie die Mitwirkung der Klägerin am Zahlungsvorgang gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Dass die Zahlungsvorgänge das Online-Glücksspiel betrafen, habe die Klägerin anhand des B Codes, eines Codea zur Kategorisierung des Zahlungsdienstemarkts, erkennen können.

Der Beklagte behauptet, den an die Glücksspielanbieter gezahlten 22.622,25 Euro stünden nur Auszahlungen in Höhe von 10.837,76 Euro gegenüber. Er ist der Ansicht, dass die Klägerin ihm in Höhe der Differenz von 11.784,49 € zum Schadensersatz bzw. zur Herausgabe aus ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet ist und erklärt insoweit die Aufrechnung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2019 (Bl. ...# ff. d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 5.313,00 Euro aus dem gekündigten Überziehungskredit eines Girokontovertrags gemäß § 488 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 670, 675c Abs. 1, 675f Abs. 2 BGB.

1. Zwischen den Parteien wurden ein Girokontovertrag und ein Kreditkartenvertrag geschlossen. Letzterer ist als Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f Abs. 2 BGB zu qualifizieren (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 - IX ZR 290/13 -, Rn. 11, juris). Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet, die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Karteninhabers für den jeweiligen Zahlungsvorgang (Autorisierung), § 675j Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat seine Kreditkarte bei verschiedenen Vertragsunternehmen genutzt und damit jeweils den Zahlungsauftrag autorisiert. Ein Widerruf von Autorisierungen gemäß § 675j Abs. 2 BGB ist nicht vorgetragen.

2. Kommt die Klägerin ihrer Verpflichtung nach, so steht ihr ein Aufwendungsersatzanspruch für diese Geschäftsbesorgung gegen den Beklagten als Karteninhaber nach §§ 675c Abs. 1, 670 BGB zu (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - IX ZR 420/01 -, juris Rn. 10). Mit diesen Aufwendungen belastet die Klägerin das Girokonto des Beklagten. Steht kein Guthaben zur Verfügung, gewährt sie ihm einen Kredit gemäß § 488 Abs. 1 BGB mit dem vereinbarten Überziehungszins von 6,99 %. Der Saldo auf dem Girokonto des Beklagten bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin am 08.05.2018 betrug unstreitig 5.313,00 Euro.

3. Die Klägerin durfte die für den Beklagten veranlassten Zahlungen auch für erforderlich halten soweit sie Online-Glücksspiel betrafen.

Die Zahlung des Kreditkartenunternehmens an das Vertragsunternehmen ist ausnahmsweise dann keine Aufwendung i.S.d. § 670 Abs. 1 BGB, die das Kreditkartenunternehmen für erforderlich halten darf, wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt. Dann ist das Kreditkartenunternehmen zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Karteninhaber auch verpflichtet. Da das Vertragsunternehmen durch den Karteneinsatz des Karteninhabers einen abstrakten Zahlungsanspruch gegen das Kreditkartenunternehmen erwirbt mit der Folge, dass diesem Anspruch Einwendungen aus dem Valutaverhältnis nicht entgegengehalten werden können, liegt eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Kreditkartenunternehmens nur vor, wenn das Vertragsunternehmen seine formale Rechtsposition ersichtlich treuwidrig ausnutzt. Das aber ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich oder liquide beweisbar ist, dass dem Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Karteninhaber nicht zusteht (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - XI ZR 420/01 -, BGHZ 152, 75-83, Rn. 19).

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Zahlungen an Online-Glücksspielanbieter mit einem speziellen B Code (B C) gekennzeichnet sind, sodass für die Klägerin erkennbar ist, welcher Branche der Zahlungsempfänger angehört. Ob eine Forderung der Glücksspielanbieter gegenüber dem Beklagten aber tatsächlich besteht oder gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV nichtig ist, ist für die Klägerin indes nicht offenkundig erkennbar (so auch OLG München, Verfügung vom 06. Februar 2019 - 19 U 793/18 Rn. 10; LG München I, Urteil vom 28. Februar 2018 - 27 O 11716/17 Rn. 23; LG Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2019 - 8 O 398/18 Rn. 14 ff. - juris; LG Berlin, Urteil vom 16.04.2019 - 37 O 367/18 Rn. 30 ff., BeckRS 2019, 12147; a.A. AG München, Urteil vom 21. Februar 2018 - 158 C 19107/17 Rn. 17 ff., AG Leverkusen, Urteil vom 19. Februar 2019 - 26 C 346/18 Rn. 11 - juris). Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln unerlaubten Glücksspiels im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages verboten. Doch gibt es legale Glücksspielanbieter auch in Deutschland. Es ist der Klägerin im Massengeschäft der Online-Transaktionen nicht zumutbar, die Lizenz eines jeden Online-Glücksspielanbieters (taggenau) zu überprüfen. Außerhalb Deutschlands ist Glücksspiel zudem oftmals legal möglich und die Klägerin hat keine Kenntnis davon, an welchem Ort die Kreditkarte bei der Nutzung von Online-Dienstleistungen zum Einsatz kommt.

Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die vom Beklagten veranlassten Zahlungen tatsächlich dem Begriff des "Glücksspiels" unterfielen, wenn er hiermit lediglich sein Spielerkonto auf der jeweiligen Internetseite aufgefüllt und nicht unmittelbar einen Spieleinsatz getätigt habe, kommt es mithin nicht mehr an. Diese Differenzierung überzeugt ohnehin nicht. Denn § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV dürfte so auszulegen sein, dass jegliche Teilnahme an illegalem Glücksspiel die Rechtsfolge des § 134 BGB nach sich zieht.

4. Der Kreditkartenvertrag der Parteien ist allein aufgrund des unerlaubten Online-Glücksspiels des Beklagten auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig, da dieser als solcher nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.

5. Ebenso wenig sind die Zahlungen der Klägerin an die Vertragsunternehmen, die Online-Glücksspiel anbieten, oder die Autorisierungen dieser Zahlungen durch den Beklagten gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV nichtig. Denn es handelt sich insoweit nicht um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Wortlaut für ein umfassendes Verbotsgesetz spricht, denn es heißt, dass auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist (siehe auch LG Ulm, Urteil vom 16.12.2019, 4 U 202/18 - vorgelegt als Anlage B 23 zum Schriftsatz des Beklagten vom 07.01.2020). Die systematische Auslegung ergibt jedoch, dass die Regelung nicht in die zwischen dem Spieler und der Bank bestehenden Zahlungsverkehr eingreifen soll. Die Norm ist vielmehr im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 GlüStV zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen wurden. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV dient der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubten Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde (OLG München, Verfügung vom 06. Februar 2019 - 19 U 793/18 Rn. 6, LG Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2019 - 8 O 398/18 Rn. 25 - juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 31.01.2020 vorgelegten Pressemitteilung, der zufolge Niedersachsens Innenministerium deutsche Banken und Sparkassen aufgefordert haben soll, keine Zahlungen mehr an illegale Online-Casinos weiterzuleiten. Dass die Klägerin im streitrelevanten Zeitraum eine solche Aufforderung von einer Aufsichtsbehörde erhalten hatte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch die teleologische Auslegung zwingt entgegen dem Landgericht Ulm (Urteil vom 16.12.2019, 4 U 202/18 - vorgelegt als Anlage B 23 zum Schriftsatz vom 07.01.2020) nicht zu einem anderen Schluss. Denn in welchem Umfang der Staat die Kreditinstitute zur Verfolgung des Ziels heranzieht, den illegalen Online-Glücksspielanbietern den "Cash Flow" zu entziehen, ist mit § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV in sein Ermessen gestellt und wird durch das Tätigwerden der Aufsichtsbehörde bestimmt.

6. Die Klägerin kann neben dem Ersatz ihrer Aufwendungen die bis zur Kündigung am 08.05.2018 aufgelaufenen Sollzinsen aus dem Überziehungskredit gemäß § 489 Abs. 5 BGB verlangen. Der unstreitige Kündigungssaldo ergibt sich aus Anlage K 7 zur Anspruchsbegründung, Bl. ... d.A.

7. Die Forderung der Klägerin ist auch nicht durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Denn dem Beklagten stehen nach dem oben Gesagten keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Herausgabe der Bereicherung im Umfang der behaupteten Differenz zwischen Verlusten und Gewinnen beim Online-Glücksspiel gegen die Klägerin zu.

II. Dem Kläger stehen darüber hinaus Vertragszinsen bis zum Ende des Kapitalnutzungsrechts am 12.07.2018 sowie hiernach Verzugszinsen gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB zu. Die schlüssige Kapitalisierung der Zinsforderung bis zum 26.11.2018 ergibt sich aus Anlage K 8 zur Anspruchsbegründung, Bl. ... d.A.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 10.626,00 Euro (= 5.313,00 Euro [Klage] + 5.313,00 Euro [Hilfsaufrechnung]).

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