VG Augsburg, Urteil vom 11.09.2020 - Au 8 K 19.1494
Fundstelle
openJur 2020, 77379
  • Rkr:
Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die am 24. August 2019 gegen 19:30 Uhr im Bereich des Grundstücks des Klägers durch die Polizei mündlich ausgesprochene Verbotsverfügung rechtswidrig ist.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der ihm gegenüber von der Polizei mündlich ausgesprochenen Verbotsverfügung hinsichtlich jeglicher Veranstaltung oder Feier auf seinem Grundstück am 24. August 2019.

Nachdem der Kriminalpolizeiinspektion Erkenntnisse vorlagen, dass die nach polizeilicher Einschätzung rechtsextremistische Szene für den 24. August 2019 im Raum * eine Veranstaltung unter dem Motto "*" plant, weil ein diesbezüglicher Einladungsflyer existierte, erging für das Gebiet einer Verwaltungsgemeinschaft im Bereich * eine sicherheitsrechtliche Allgemeinverfügung vom 21. August 2019. Mit dieser wurde in der Zeit vom 24. August 2019, 00:00 Uhr bis einschließlich 26. August 2018, 00:00 Uhr für den Bereich dieser Verwaltungsgemeinschaft unter Nennung aller Mitgliedsgemeinden alle nicht angezeigten Musikveranstaltungen unter dem Motto "*" und etwaige Ersatzveranstaltungen (Ziffer 1) verboten. Als Rechtsgrundlagen für die Untersagung wurden in der Allgemeinverfügung Art. 19 Abs. 5 Satz 2 LStVG, Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG benannt. Bei der geplanten Veranstaltung handele es sich wegen der überwiegend kommerziellen Natur um eine nicht angezeigte öffentliche Vergnügung i.S.d. Art. 19 LStVG, da Verkaufsinteresse und Freizeitgestaltung im Vordergrund stünden. Die Veranstaltung sei durch einen öffentlichen Flyer mit drei Musikbands, Tattoo-Convention, Freibier und einer Stripshow beworben worden, so dass davon auszugehen sei, dass der Flyer einem nicht eingrenzbaren Personenkreis bekannt geworden sei. Die Veranstaltung habe damit keinen privaten Charakter mehr, sei aber dennoch nicht (rechtzeitig) angezeigt worden. Rechtsrockkonzerte unterfielen grundsätzlich nicht dem Versammlungsrecht, da nicht die öffentliche Meinungsbildung im Vordergrund stehe. Ziel einer Untersagung nach Art. 19 Abs. 5 S. 2 LStVG sei es, Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft zu verhüten.

Diese Allgemeinverfügung wurde einem Bekannten des Klägers, Herrn W., auf dessen Grundstück im Bereich der o.g. Verwaltungsgemeinschaft am 24. August 2019 gegen 13:30 Uhr durch Polizeibeamte übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren Herr W., der sich als dortiger Veranstalter vorstellte, und einige weitere Personen mit dem Aufbau von Zelten in Vorbereitung auf die geplante Feier beschäftigt. Aufgrund der Untersagung der Veranstaltung teilte Herr W. der Polizei mit, dass die dort geplante Veranstaltung nicht mehr stattfinde und mit dem Abbau begonnen werde.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit dieser Allgemeinverfügung hat Herr W. eine gesonderte Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben (Au 8 K 19.1456).

Durch polizeiliche Ermittlungen ist am selben Tag gegen 18:00 Uhr bekannt geworden, dass der ursprünglich im Bereich der o.g. Verwaltungsgemeinschaft bei der dort untersagten Veranstaltung verwendete Getränkeanhänger sowie weitere bepackte Autoanhänger auf dem Grundstück des Klägers im Raum * eingetroffen seien. Die Polizei suchte daraufhin das Grundstück des Klägers auf. Ausweislich einer Sachverhaltsschilderung im Rahmen einer Ordnungswidrigkeitenanzeige hätten sich auf dem Gelände etwa 30 Personen mit zehn Fahrzeugen befunden und Vorbereitungen für eine Veranstaltung stattgefunden (beheizter Grill, Aufbau Pavillons, Bühne und Bierbänke). Eine Genehmigung für die Veranstaltung habe nicht vorgelegen. Der Kläger sei davon ausgegangen, für eine aus seiner Sicht private Vergnügung keine Genehmigung zu benötigen.

Mit mündlicher Anordnung vom 24. August 2020 gegen ca. 19:30 Uhr wurden die dort anwesenden Personen unter Untersagung der Veranstaltung und jeglicher Ersatzveranstaltung sowie unter Androhung der Räumung des Geländes durch die vor Ort tätigen Polizeibeamten aufgefordert, binnen einer Stunde die Örtlichkeit zu verlassen. Der Kläger habe eine öffentliche Vergnügung veranstaltet, ohne diese rechtzeitig der zuständigen Gemeinde anzuzeigen bzw. deren Erlaubnis einzuholen.

Der Kläger ließ am 19. September 2019 Klage erheben und beantragt sinngemäß:

Es wird festgestellt, dass die am 24. August 2019 gegen 19:30 Uhr im Bereich des Grundstücks des Klägers, durch die Polizei mündlich ausgesprochene Verbotsverfügung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Bereits am 12. August 2019 hätten Polizeibeamte dem Bekannten des Klägers, Herrn W., mitgeteilt, dass sie von der geplanten Feier wüssten und sie diese nicht dulden würden. Dies hätten die Beamten dem Bekannten des Klägers auch am 24. August 2019 noch einmal erklärt und damit begründet, dass es sich um eine Veranstaltung von "Rechtsradikalen" handele. Auf den Vorschlag von Herrn W., dass die Beamten vor Ort bleiben und kontrollieren könnten, dass von den Bands keinerlei strafrechtlich relevante Texte gesungen würden, hätten die Beamten erklärt, dass sie dazu nicht bereit seien und die Veranstaltung "platt machen" würden. Auch auf den Vorschlag von Herrn W., auf "Live-Musik" gänzlich zu verzichten, seien die Beamten nicht eingegangen. Diese hätten unabhängig von allen Vorschlägen des Bekannten des Klägers die Feierlichkeit notfalls durch polizeiliche Zwangsmittel unterbinden wollen. Die Polizeibeamten hätten dem Bekannten des Klägers erklärt, dass die Veranstaltung andernorts abgehalten werde könne, solange dies nicht auf dem Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft als dem räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung stattfinde. Der Bekannte habe sich mit weiteren Personen dafür entschieden, die Feier nicht vor Ort abzuhalten und versucht, eine Ersatzfeierlichkeit auf dem Grundstück des Klägers außerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung durchzuführen. Der Bekannte habe den Kläger um Überlassung des Grundstücks zu diesem Zweck gebeten, womit der Kläger einverstanden gewesen sei, weshalb er sich gegen 19:30 Uhr auf dem streitgegenständlichen Grundstück befunden habe.

Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da der Kläger beabsichtige, auch in Zukunft gleichartige Feiern zu veranstalten. Aufgrund der herabsetzenden Wirkung durch die Darstellung in der Presse habe der Kläger auch ein Rehabilitationsinteresse.

Der vor Ort tätige Polizeibeamte habe sich zur Begründung des Verbots analog auf die in der Allgemeinverfügung enthaltene Begründung berufen. Dem Polizeibeamten, der sich am 24. August 2019 um 19:30 Uhr auf die in der Allgemeinverfügung enthaltene Begründung berufen habe, habe der Text der Allgemeinverfügung gar nicht bekannt sein können, weshalb die so erfolgte Untersagungsverfügung unwirksam sei. Die Allgemeinverfügung vom 21. August 2020 sei ihrem Wortlaut nach durch öffentliche Bekanntmachung bekannt gemacht worden, enthalte jedoch keine Begründung. In den allgemeinen Hinweisen sei ausgeführt, dass diese mit Begründung im Ordnungsamt der erlassenden Verwaltungsgemeinschaft ausliege und dort eingesehen werden könne. Selbst wenn dem Polizeibeamten die Begründung bekannt gewesen wäre, sei die mündlich ausgesprochene Verbotsverfügung rechtswidrig, da es an einem Grund für das Verbot der Feierlichkeit fehle. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestanden und das Verbot sei auch nicht zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen der Allgemeinheit oder erheblicher Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft erforderlich gewesen. Da es sich um eine private Feier mit geladenen Gästen auf dem Grundstück des Klägers gehandelt habe, lägen die Voraussetzungen einer öffentlichen Vergnügung im Sinne von Art. 19 LStVG nicht vor. Es komme somit lediglich Art. 2 Abs. 1 PAG in Betracht. Es mangele aber an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bzw. für den Fall, dass man dennoch Art. 19 LStVG annehme, an einer Gefahr für die dort genannten Rechtsgüter. Jedenfalls ergebe sich die Rechtswidrigkeit aus einem Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, da dem Beklagten mildere Mittel, nämlich konkrete Anordnungen, zur Verfügung gestanden hätten.

Die in der Allgemeinverfügung benannten Gründe seien nur vorgeschoben; tatsächlich habe man sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen und allein aufgrund der politischen Einstellung der Teilnehmer die Veranstaltung untersagt. Dies begründe auch einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei verletzt und die Anordnung ermessensfehlerhaft.

Dass - wie in der Allgemeinverfügung ausgeführt - verantwortliche Personen, die für die Einhaltung notwendiger Sicherheitsauflagen in die Pflicht genommen werden könnten, nicht bekannt seien, sei falsch. Dem Beklagten sei der Kläger bekannt gewesen. Der Kläger sei bereit gewesen, mit den Beamten die Veranstaltungszeiten zu vereinbaren. Dem Beklagten sei neben anderen Modalitäten bekannt gewesen, dass man mit ca. 150 Gästen rechne. Daher sei auch ein mit den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden abgestimmtes Sicherheitskonzept nicht erforderlich gewesen. Es lägen keine Anhaltspunkte für eine Gegenveranstaltung vor. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Natur sei von vornherein nicht zu befürchten gewesen, straßenverkehrsrechtliche Anordnungen aufgrund der relativ geringen Besucherzahlen nicht erforderlich. Eine Jugendgefährdung sei ausgeschlossen, eine Gestattung nach § 12 GastG sowie eine Anzeige nach § 47 VStättV nicht erforderlich. Es werde bestritten, dass die Erfahrung der Polizei gezeigt habe, dass bei Veranstaltungen dieser Art mit erheblicher Wahrscheinlichkeit mit verfassungsfeindlichen Handlungen zu rechnen sei. Es werde auch bestritten, dass vergangene Veranstaltungen eine Wiederholung von Körperverletzungsdelikten und Verstößen gegen das Waffengesetz als wahrscheinlich erscheinen lasse. Die Frage von Flucht- und Rettungswegen stelle sich bei einer Feier im Freien nicht (Art. 31 BayBO).

Auf die Klagebegründung wird im Einzelnen verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die zu erwartende Teilnehmerzahl habe durch den Kläger nicht genau benannt werden können. Auch tiefgehender Überprüfungen der Veranstaltungsörtlichkeit hätten in der Kürze der Zeit nur im begrenzten Umfang durchgeführt werden können. Es sei etwa nicht bekannt gewesen, inwieweit ausreichend Toilettenanlagen vorhanden gewesen seien, ob der Lärmschutz eingehalten werden könne, ob Flucht- und Rettungswege vorhanden bzw. gekennzeichnet seien, inwieweit Zugangskontrollen durch geeignetes Personal stattfinden würden und ob etwa Hygienevorschriften beim Ausschank eingehalten würden. Ein sicherer Verlauf der geplanten Ersatzveranstaltung sei nicht gewährleistet gewesen. Zwingend erforderliche Auflagen hätten vom Veranstalter bei der Kürze der Vorlaufzeit nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werde können. Auch die zuständige Sicherheitsbehörde habe nicht erreicht werden können bzw. sei vom Kläger auch nicht eigenständig kontaktiert worden. Es habe daher außer Zweifel gestanden, dass es sich um eine Ersatzveranstaltung zur ursprünglich untersagten Veranstaltung gehandelt habe.

Bereits die Zulässigkeit der Klage sei fraglich, da kein Feststellungsinteresse vorliege. Es werde nicht davon ausgegangen, dass der Kläger künftige Veranstaltungen wieder ohne fristgemäße Anzeige bzw. Erlaubnis durchführen werde. Auch ein Rehabilitationsinteresse liege nicht vor, da die Untersagung keinen diskriminierenden Charakter gehabt habe.

Entgegen der Darstellung des Klägers habe es sich um eine anzeigepflichtige öffentliche Vergnügung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 LStVG gehandelt. Die ursprünglich geplante Veranstaltung sei im Vorfeld durch einen Flyer beworben worden, welche einem nicht näher eingegrenzten Personenkreis bekannt geworden sei, so dass von einer öffentlichen Vergnügung auszugehen gewesen sei. Es sei nicht abschätzbar gewesen, wie viele Besucher tatsächlich kommen würden. Die gemäß Art. 19 Abs. 3 LStVG erforderliche Erlaubnis habe nicht vorgelegen. Daher habe der Kläger eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG begangen. Infolgedessen sei die Veranstaltung zutreffend gemäß Art. 11 Abs. 1, 2 Nr. 1 PAG untersagt worden. Dies sei auch verhältnismäßig gewesen, da keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Auch einzelne Anordnungen hätten nichts daran geändert, dass die erforderliche Erlaubnis bzw. Anzeige nicht vorgelegen habe und damit eine Ordnungswidrigkeit gegeben gewesen sei. Für entsprechende Anordnungen sei die Polizei darüber hinaus nicht zuständig gewesen.

Der Kläger ließ wiederholend und vertiefend replizieren, dass die Polizei sich nicht auf fehlende Informationen berufen könne, da sie alle erforderlichen Informationen vom Kläger habe erhalten können, allerdings hätten die Polizeibeamten gar nicht gefragt. Auch Toilettenanlagen, Lärmschutz, Zugangskontrollen oder die Einhaltung der Hygienevorschriften hätten die Beamten nicht interessiert. Unabhängig davon hätten die Beamten nach einer Teilnehmerzahl gar nicht gefragt, sondern von Anfang an darauf beharrt, dass die Feier auf jeden Fall untersagt werden würde.

Der Beklagte stelle Behauptungen ins Blaue hinein auf, welche nicht Grundlage einer Gefahrenprognose sein könnten. Es sei nicht vorgetragen, welche Auflagen denn zwingend erforderlich gewesen sein sollten und auch nicht ersichtlich, weshalb diese nicht rechtzeitig erfüllt hätten werden können.

Es habe keine Pflicht bestanden, die Veranstaltung vorher schriftlich bei der Gemeinde anzuzeigen. Eine Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 LStVG sei nicht erforderlich gewesen. Eine Ordnungswidrigkeit sei nicht begangen worden. Die Frage nach einer Versagung gem. Art. 19 Abs. 4 LStVG stelle sich daher schon nicht. Ein öffentliches Inverkehrbringen des Flyers liege nicht vor, da dieser lediglich in geschlossenen Gruppen in sozialen Medien an dem Kläger bzw. einigen Freunden bekannte Personen verbreitet worden sei. Ein kommerzielles Interesse habe nicht bestanden, was bereits am Freibier erkennbar sei. Den anwesenden Polizeibeamten sei mitgeteilt worden, dass eine Gästeliste bestehe und nur die dort aufgeführten Personen Zutritt erhielten. Zudem hätten alle Gäste eine auf die Person individualisierte Einladungskarte vorweisen müssen. Auch hätte bereits ein einzelner Polizeibeamter gereicht, um am Eingang sämtliche eintreffende Gäste zu überprüfen und mit der Gästeliste abzugleichen.

Die Beweislast für das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr liege bei der Behörde. Konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte als Grundlage einer Gefahrprognose lägen nicht vor. Auch der bloße Vortrag des Beklagten, dass Anordnungen "wohl aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich gewesen" seien, genüge nicht. Dieser bestätige vielmehr, dass die Beamten sich mit der Frage von Anordnungen nicht auseinandergesetzt und damit ermessensfehlerhaft gehandelt hätten. Das Verhältnismäßigkeitsgebot sei verletzt, es liege schon kein legitimer Zweck vor, da der ausschließliche Grund für das polizeiliche Vorgehen ungeachtet der Gesetzeslage und ungeachtet etwaiger Gefahren allein die politische Verortung der Feier als eine solche der "rechten Szene" gewesen sei. Dies habe der anwesende Polizeibeamte dem Kläger und den anderen dort anwesenden Personen auch so zu verstehen gegeben.

Weiter habe der Polizeibeamte auch nicht "blind" an der Allgemeinverfügung festhalten bzw. sein Handeln danach ausrichten dürfen, da der dort angegebene Sachverhalt nicht mehr vorgelegen habe. Die Veranstaltung auf dem Grundstück des Klägers habe einen vollständig anderen Charakter gehabt. Es habe schon kein "Rechtsrockkonzert" mehr vorgelegen, als dem Beklagten angeboten worden sei, auf Live-Musik zu verzichten. Auch die Örtlichkeit sei offenbar bekannt gewesen. Den Behörden hätten jedenfalls am 24. August 2020 alle von diesen für relevant erachtete Informationen vorgelegen. Auch sei dem Polizeibeamten mitgeteilt worden, dass aufgrund der Verlegung wohl nur noch ein Bruchteil der ursprünglich geladenen Gäste - rund 30-40 Personen - erscheinen werde. Insofern wohne dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch ein zeitliches Moment inne, dass die Behörde zur Anpassung ihres Handelns zwinge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakte und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass die polizeiliche Verbotsverfügung rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft, weil es sich bei den vom Kläger beanstandeten Maßnahmen der Polizei um einen Verwaltungsakt handelt (Art. 35 BayVwVfG). Da sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, war § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog anzuwenden.

b) Der Kläger kann auch ein Feststellungsinteresse geltend machen. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits vollzogener und damit erledigter (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt jedenfalls bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B.v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B.v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. - juris Rn. 36; BVerfG, B.v. 3.2.1999 - 2 BvR 804/97 - juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2001 a. a. O.; BayVGH, U.v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 27).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger ein Feststellungsinteresse. Es steht die Möglichkeit schwerwiegender Grundrechtseingriffe im Raum, etwa hinsichtlich der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Ob tatsächlich insoweit eine Verletzung der genannten Grundrechte vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Während der polizeilichen Maßnahme am Samstag, dem 24. August 2019 gegen 19:30 Uhr konnte der Kläger keinen gerichtlichen Rechtsschutz erreichen. Sofern die Maßnahme der Beklagten rechtswidrig gewesen ist, ist der Kläger durch diese in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG möglicherweise verletzt worden.

Der Kläger kann auch ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - BVerwGE 146, 303 = juris Rn. 24 f.). Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (ebd.). Dies kann namentlich bei Grundrechtsverletzungen, die auf polizeiliche Maßnahmen zurückgehen, der Fall sein (Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 119). Dies ist vorliegend gegeben. Bis zum Tätigwerden der Polizei sind keine Straftaten, keine Drohungen oder erkennbare Gefahren für Personen oder Sachen vorgetragen. Durch die Auflösung der Veranstaltung und die Art des Einschreitens wird aber der Eindruck erweckt, als habe der Veranstalter sich in einer Weise rechtswidrig verhalten, dass das sofortige Einschreiten erforderlich wurde. Dieser Makel kann durch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit beseitigt werden.

2. Die Klage ist auch begründet. Die von der Polizei getroffene Maßnahme in Gestalt einer Verbotsverfügung war rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Es fehlt bereits an einer nachvollziehbaren, eigenen Gefahrenprognose des Beklagten. Bei der Veranstaltung des Klägers kann es sich zwar um eine nicht angezeigte öffentliche Vergnügung handeln, für die keine Erlaubnis vorlag und die daher den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gem. Art. 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG erfüllen würde. Eine solche Ordnungswidrigkeit könnte auch dem Grunde nach eine Gefahr begründen, die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigen kann. Vorliegend hat der Beklagte jedoch jedenfalls deshalb rechtswidrig gehandelt, weil er sein Ermessen nicht ausgeübt hat.

a) Bei der (Ersatz-)Veranstaltung vom 24. August 2019 handelt es sich nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes. Die Polizei war bei der Auflösung der Veranstaltung daher nicht auf die Voraussetzungen des Versammlungsgesetzes beschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 19 ff.) handelt es sich bei Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes um Veranstaltungen, die durch eine gemeinschaftliche, auf Kommunikation angelegte Entfaltung mehrerer Personen gekennzeichnet sind, und zwar zum Zwecke gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Versammlungen fallen auch dann unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit, wenn sie mit Musik und Tanz verbunden sind; in diesem Fall ist die Beurteilung, ob eine Versammlung vorliegt, nach dem Schwergewicht der Veranstaltung vorzunehmen (BVerfG a.a.O.). Vorliegend ist nicht von einer Versammlung auszugehen, vielmehr steht der reine Unterhaltungszweck bzw. die Zusammenkunft als solche im Vordergrund. Der Kläger spricht von einer privaten Feierlichkeit, der Beklagte geht von einer Konzertersatzveranstaltung aus. In beiden Fällen ist nicht ersichtlich, dass das Schwergewicht der Veranstaltung auf dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung liegt. Die spezielleren Eingriffsnormen der Versammlungsgesetzte sind daher nicht einschlägig.

b) Das Vorliegen einer nachvollziehbaren Gefahrprognose zur Begründung einer polizeilich relevanten Gefahr ist bereits fraglich. Die Auflösung der Veranstaltung wird seitens des Beklagten gestützt auf Art. 11 Abs. 2 Nr. 1 PAG. Danach kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um Ordnungswidrigkeiten zu verhüten oder zu unterbinden.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen liegt dabei grundsätzlich bei der anordnenden Behörde (BayVGH, B.v. 17.10.2016 - 10 CS 16.1468 - juris Rn. 29 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17).

Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich, bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichten hierzu nicht aus (BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 10 CS 15.431 - juris Rn. 18 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17 u.a.).

(a) Zwar kommt grundsätzlich eine zu unterbindende Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG in Betracht. Danach kann mit Geldbuße belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine öffentliche Vergnügung ohne die erforderliche Anzeige oder Erlaubnis veranstaltet. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LStVG hat, wer eine öffentliche Vergnügung veranstalten will, dies der Gemeinde unter Angabe der Art, des Orts und der Zeit der Veranstaltung und der Zahl der zuzulassenden Teilnehmer spätestens eine Woche vorher schriftlich anzuzeigen. Eine solche Anzeige liegt unstreitig nicht vor. Die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 1 LStVG ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 2 LStVG ausgeschlossen. Sonderregelungen nach Art. 19 Abs. 6 LStVG sind ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Vorrang der Vorschriften des Versammlungsrechts bestand vorliegend nicht (vgl. oben a)).

(b) Jedoch finden sich in der polizeilichen Behördenakte keinerlei Hinweise darauf, auf welche konkreten Anhaltspunkte der Beklagte das Vorliegen einer öffentlichen Vergnügung stützt. In den vorgelegten Behördenakten ist keine Aktennotiz zur Untersagungsverfügung als solche enthalten. Es findet sich lediglich eine Sachverhaltsdarstellung im Rahmen einer Ordnungswidrigkeitenanzeige bzgl. der Nichtanzeige öffentlicher Veranstaltungen (Bl. 10 der Behördenakte). Dem Sachbearbeiter sei bekannt, dass die o.g. Verwaltungsgemeinschaft für ihren Bereich ein Konzert per Allgemeinverfügung untersagt habe und diese Veranstaltung letztlich durch Polizeikräfte beendet werden musste. Weitere Details lägen dem Sachbearbeiter - der zugleich der vor Ort unmittelbar handelnde Polizeibeamte war - nicht vor. Es sei bei dem Kläger eine nicht angezeigte, öffentliche Veranstaltung festgestellt worden. Eine Genehmigung habe nicht vorgezeigt werden können.

(c) Aus dieser Sachverhaltsdarstellung geht jedoch nicht hervor, weshalb der Beklagte konkret von einer öffentlichen Veranstaltung ausgeht, zumal der Kläger nicht der Veranstalter des untersagten Konzerts in der o.g. Verwaltungsgemeinschaft war, die Örtlichkeit auch nicht im räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung lag und daher auch räumlich gänzlich andere Rahmenbedingungen vorlagen. Die Anwesenheit von 30 Personen, die Pavillons aufbauen und grillen, genügt dafür jedenfalls als solches noch nicht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Veranstaltung beim Kläger u.U. sehr wohl als Ersatzveranstaltung für das untersagte Konzert in der o.g. Verwaltungsgemeinschaft gedacht war und die Voraussetzungen einer öffentlichen Vergnügung womöglich tatsächlich vorlagen. Jedenfalls aber hätte der Beklagte eine eigene Gefahrprognose vornehmen und diese dokumentieren müssen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen liegt nämlich grundsätzlich bei der anordnenden Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2016 - 10 CS 16.1468 - juris Rn. 29).

c) Doch selbst wenn man - wofür einige Anhaltspunkte sprechen - vom Vorliegen einer öffentlichen Vergnügung ausgeht und damit eine Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 7 Nr. 1 LStVG im Raum steht, hat der Beklagte jedenfalls ermessensfehlerhaft gehandelt.

Die gerichtliche Kontrolle einer Ermessensausübung ist zwar nur eingeschränkt möglich. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es darf die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Des Weiteren kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägung hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO), wenn die Behörde jedenfalls ihren Ermessensspielraum erkannt hat.

Die Anordnung ist vorliegend jedenfalls deshalb rechtsfehlerhaft, weil die vorgeschriebene Ermessensausübung des Beklagten gänzlich unterblieben ist, was auch im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führt. Es liegt ein Ermessensausfall vor.

Die Polizei hat nämlich im Einzelfall den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. Art. 4 PAG zu beachten und ihr Ermessen pflichtgemäß nach Art. 5 Abs. 1 PAG auszuüben. Aus diesen bindenden gesetzlichen Vorgaben folgt auch, dass keine sachfremden Erwägungen der Entscheidung im Einzelfall zugrunde gelegt werden dürfen. "Rein politische Gründe" sind nicht geeignet, ein polizeiliches Einschreiten zu rechtfertigen. Die Beachtung der polizeilichen Handlungsgrundsätze kann vielmehr stets nur im Einzelfall überprüft und beurteilt werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2007 - 24 ZB 06.3155 - juris Rn. 22 f.).

Ausweislich der Behördenakte sei eine nicht angezeigte, öffentliche Veranstaltung festgestellt worden. Nach Androhung der Räumung durch den Sachbearbeiter und Fristsetzung von einer Stunde sei das Gelände von den Anwesenden widerspruchsarm verlassen worden. Hinweise darauf, dass der Beklagte selbst ein (Entschließungs- oder Auswahl-) Ermessen ausgeübt hat, finden sich nicht, sondern lediglich ein Hinweis auf die Allgemeinverfügung der o.g. Verwaltungsgemeinschaft. Die Ausübung eines eigenen Ermessens wäre jedoch zwingend erforderlich gewesen, zumal der Kläger nicht der Veranstalter des untersagten Konzerts in der o.g. Verwaltungsgemeinschaft war, die Örtlichkeit auch nicht im räumlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung lag und daher auch räumlich gänzlich andere Rahmenbedingungen vorlagen. Eine auf die aktuelle Veranstaltung bezogene eigene Gefahrenprognose des Beklagten ist nicht in den Akten dokumentiert (vgl. dazu bereits oben). Es finden sich auch keinerlei Hinweise in den Akten, weshalb der Beklagte zu dem Schluss gekommen ist, dass eine sofortige Untersagung der Feier des Klägers eine verhältnismäßige Maßnahme gewesen sein könnte. Dies wird den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung nicht gerecht. Auch die Ausführungen im gerichtlichen Verfahren sind aufgrund dieses Ermessensausfalls nicht geeignet, diesen Fehler zu beseitigen (BayVGH, B.v. 3.2.2006 - 24 CS 06.314 - juris Rn. 20).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.