FG Münster, Urteil vom 01.10.2020 - 3 K 2983/17 F
Fundstelle
openJur 2020, 77188
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Gehälter, die die späteren Erwerber eines Unternehmens in der Zeit vor dem Erwerb als angestellte Geschäftsführer erhalten haben, bei der gesonderten Feststellung der Ausgangslohnsumme nach § 13a Abs. 1a Erbschaftsteuergesetz (- ErbStG -) in der am 31.12.2012 geltenden Fassung(- ErbStG a. F. -) zu berücksichtigen sind, wenn die Erwerber nach dem Erwerb als Mitunternehmer und folglich nicht mehr als Arbeitnehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes anzusehen sind.

Der Vater des Klägers, Herr I. X., betrieb als Einzelkaufmann eine Fabrikation von Dachrinnen und anderen Metallwaren. Der Kläger und einer seiner beiden Brüder, Herr N. X., waren als Geschäftsführer bei dem Einzelunternehmen ihres Vaters angestellt.

Mit notariellem Vertrag vom 19.12.2012 übertrug der Vater des Klägers im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge sein Einzelunternehmen schenkweise zum 31.12.2012 auf die I. X. OHG, an der der Kläger sowie seine beiden Brüder, Herr N. X. und Herr L. X., je zu 1/3 beteiligt sind.

Das Finanzamt E-Stadt forderte beim Beklagten die gesonderte Feststellung unter anderem der Zahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme des Einzelunternehmens auf den 31.12.2012 an. Nach Aufforderung des Beklagten gaben der Kläger, sein Vater und seine beiden Brüder Erklärungen zur Feststellung des Bedarfswerts für den Gewerbebetrieb auf den 31.12.2012 ab. In diesen wurden unter anderem die Ausgangslohnsumme in Höhe von 1.964.254 Euro sowie die Anzahl der Beschäftigten mit mehr als 20 erklärt.

Am 17.06.2013 erließ der Beklagte entsprechende Bescheide unter anderem über die gesonderte Feststellung der Ausgangslohnsumme und die Anzahl der Beschäftigten nach § 13a Abs. 1a ErbStG auf den 31.12.2012, in denen die Ausgangslohnsumme wie erklärt in Höhe von 1.964.254 Euro festgestellt wurde. Auf der in der Verwaltungsakte des Beklagten enthaltenen Verfügung zu diesen Bescheiden ist unter Ziff. D. die Angabe, dass die Anzahl der Beschäftigten auf 20 Personen festgestellt wurde, handschriftlich korrigiert, indem die Zahl "20" durchgestrichen und durch ">20" ersetzt wurde. Entsprechende Bescheide ergingen an den Vater des Klägers, wobei die Anzahl der Beschäftigten auf der dazugehörigen Verfügung ebenfalls handschriftlich korrigiert wurde. Sämtliche Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Schreiben vom 30.07.2013 beantragte der Vater des Klägers die Änderung der Bescheide nach § 164 Abgabenordnung (- AO -) mit der Begründung, in der erklärten Ausgangslohnsumme seien irrtümlich die Gehälter des Klägers und dessen Bruders enthalten gewesen. Da die Gehälter des Schenkers und des Beschenkten weder die Ausgangslohnsumme noch die Mindestlohnsumme beeinflussen dürften, sei die Ausgangslohnsumme entsprechend um 642.012 Euro zu mindern.

Dieser Änderungsantrag war Gegenstand einer Betriebsprüfung bei dem Kläger, seinem Vater und seinen beiden Brüdern, welche unter anderem hinsichtlich der gesonderten Feststellung der Ausgangslohnsumme und der Anzahl der Beschäftigten angeordnet worden war. Im Betriebsprüfungsbericht vom 13.12.2016 hielt das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C-Stadt fest, dass die Vergütungen an den Kläger und dessen Brüder nach der Einbringung des Einzelunternehmens in die I. X. OHG nicht in die Berechnung der Mindestlohnsumme einzubeziehen seien. Eine Einigung hinsichtlich der Ausgangslohnsumme sei in der Betriebsprüfung nicht erreicht worden.

Unter Hinweis auf den Betriebsprüfungsbericht wurden am 09.01.2017 die Feststellungsbescheide vom 17.06.2013 geändert, wobei die Ausgangslohnsumme unverändert mit 1.964.254 Euro festgestellt wurde. In der Verfügung wurde die Anzahl der Beschäftigten auf 20 Personen festgestellt, ohne dass diese Zahl handschriftlich korrigiert wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit Bescheid vom 06.02.2017 aufgehoben.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinen Einsprüchen vom 03.02.2017 und 09.02.2017, die mit der einheitlichen Einspruchsentscheidung vom 31.08.2017 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Die am 25.09.2017 erhobene Klage richtet sich insbesondere dagegen, dass die Gehälter des Klägers und seines Bruders aus ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer für das Einzelunternehmen vor dessen Einbringung in die I. X. OHG in die gesondert festgestellte Ausgangslohnsumme einbezogen worden sind, während ihre nach der Einbringung nunmehr als Mitunternehmer der I. X. OHG bezogenen Vergütungen als Sondervergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (- EStG -) bei der Ermittlung der Mindestlohnsumme innerhalb der Lohnsummenfrist nicht berücksichtigt würden. Nach Auffassung des Klägers ist die Ausgangslohnsumme um die Gehälter der späteren Mitunternehmer zu kürzen.

Die Vorgehensweise der Finanzverwaltung führe zu unsachgemäßen Ergebnissen und zwinge die Erwerber dazu, Arbeitnehmer einzustellen, um die Mindestlohnsumme einhalten zu können. Deshalb sei die maßgebliche Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass Vergütungen, die vor dem Erwerb an die späteren Gesellschafter (Mitunternehmer) der betroffenen Gesellschaft gezahlt worden seien, nicht in die Ermittlung der Ausgangslohnsumme einfließen würden. Nur so könne auch die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotene rechtsformneutrale Besteuerung erreicht werden, da Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft von der Finanzverwaltung als Arbeitnehmer behandelt würden, während dies bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer Personengesellschaft nicht der Fall sei.

In der mündlichen Verhandlung am 01.10.2020 hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid dahingehend geändert, dass unter Ziff. D. folgende Feststellung getroffen wird: Die Anzahl der Beschäftigen wird festgestellt auf mehr als 20 Personen.

Der Kläger beantragt,

den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Ausgangslohnsumme und der Anzahl der Beschäftigten nach § 13a Abs. 1a ErbStG auf den 31.12.2012 vom 09.01.2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31.08.2017 und des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2020 dahingehend zu ändern, dass die Ausgangslohnsumme um 642.013 Euro auf 1.322.241 Euro herabgesetzt wird,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte wendet ein, dass die vom Kläger vertretene Auffassung weder durch den Gesetzeswortlaut noch durch die verwaltungsinternen Weisungen gedeckt sei. Vielmehr hätten der Kläger und sein Bruder vor dem Erwerb Löhne bezogen, die die Ausgangslohnsumme erhöht hätten, während sie nach dem Erwerb ausschließlich Gewinne, also gewerbliche Einkünfte, erzielten hätten, die bei der Ermittlung der Mindestlohnsumme nicht zu berücksichtigen seien. Ihre gewerblichen Einkünfte würden zudem nicht dadurch gemindert, dass diese (zum Teil) als Tätigkeitsvergütungen gezahlt würden.

Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass sich der Kläger und dessen Vater und Brüder bewusst für die vorliegende Gestaltung der Unternehmensnachfolge entschieden hätten. Es entspräche nicht dem Gesetzeszweck, steuerlichen Nachteilen einer aus diversen Gründen und Erwägungen gewählten Gestaltung durch eine teleologische Reduktion zu begegnen, wenn sich diese grundsätzlich günstige Gestaltung an anderer Stelle als steuerlich nachteilig darstellen würde.

Der Senat hat in der Sache am 01.10.2020 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung und des Protokolls der mündlichen Verhandlung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung- FGO -).

Für den vorliegenden Erwerb am 31.12.2012 ist § 13a ErbStG in der Fassung des Art. 8 des Gesetzes vom 01.11.2011 (BGBl. I 2011, 2131) anzuwenden, vgl. § 37 Abs. 6 ErbStG.

Der Beklagte hat bei der Ermittlung der nach § 13a Abs. 1a Satz 1 ErbStG a. F. gesondert festzustellenden Ausgangslohnsumme im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG a. F. zu Recht die Vergütungen der angestellten Geschäftsführer des Einzelunternehmens einfließen lassen. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass Vergütungen an Beschäftigte eines Betriebs in der Ausgangslohnsumme nicht anzusetzen sind, wenn diese nach dem Erwerb entsprechend der ertragsteuerlichen Qualifikation keinen Arbeitslohn, sondern gewerbliche Einkünfte beziehen, ist nicht vorzunehmen.

1. Der Kläger und sein Bruder, Herr N. X., haben vor dem maßgeblichen Stichtag, dem 31.12.2012 als Tag des Wirksamwerdens der schenkweisen Übertragung, Vergütungen im Sinne des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. erhalten, sodass der Beklagte diese zutreffend in die Ermittlung der nach § 13a Abs. 1a Satz 1 ErbStG a. F. gesondert festzustellenden Ausgangslohnsumme im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG a. F. einbezogen hat.

Nach § 13a Abs. 1a Satz 1 ErbStG a. F. stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nummer 1 bis 3 Bewertungsgesetz unter anderem die Ausgangslohnsumme und die Anzahl der Beschäftigten gesondert fest, wenn diese Angaben für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind.

Die Ausgangslohnsumme, die § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG a. F. als die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre definiert, ist Ausgangspunkt für die Prüfung, ob die Steuerbefreiung der §§ 13a und 13b ErbStG a. F. für den Erwerb von Betriebsvermögen gewährt werden kann. Sofern nicht die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb weniger als 21 Beschäftigte hat (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG a. F.), ist nach § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG a. F. Voraussetzung für die Gewährung des Verschonungsabschlags nach §§ 13a und 13b ErbStG a. F. in Höhe von 85 v. H. (sog. Regelverschonung), dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs oder des Betriebs der Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft, dessen Vermögen Gegenstand des Erwerbs ist, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 v. H. der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). Erreichen die maßgebenden jährlichen Lohnsummen innerhalb der Lohnsummenfrist die Mindestlohnsumme nicht, vermindert sich nach § 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG a. F. der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit entsprechend dem prozentualen Umfang der Unterschreitung.

Beantragt der Erwerber nach § 13a Abs. 8 ErbStG a. F. die Anwendung des Verschonungsabschlag in Höhe von 100 v. H. (sog. Optionsverschonung), verlängert sich die Lohnsummenfrist auf sieben Jahre und erhöht sich die Mindestlohnsumme auf 700 v. H., § 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG a. F.

§ 13a Abs. 4 ErbStG a. F. regelt, welche Vergütungen im Einzelnen in die Ermittlung der Lohnsumme einzubeziehen sind. Dabei bestimmt Satz 1 zunächst, welche Personen bei der Ermittlung der Lohnsumme zu berücksichtigen sind. Die Lohnsumme umfasst danach alle Vergütungen, die im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden, mit Ausnahme von Arbeitnehmern, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind. Ferner ist in Satz 1 der Begriff der Vergütung als Löhne, Gehälter und andere Bezüge und Vorteile definiert, wobei in den Sätzen 2 bis 4 geregelt ist, welche Geld- oder Sachleistungen im Einzelnen als Vergütungen zu berücksichtigten sind. Satz 5 betrifft schließlich die Frage, welche Vergütungen an Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften in die Lohnsumme einzubeziehen sind.

Die Vergütungen des Klägers sowie dessen Bruders für ihre Tätigkeiten als angestellte Geschäftsführer des Einzelunternehmens ihres Vaters stellen jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm solche im Sinne des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. dar. Das ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

2. Eine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. dahingehend, dass Vergütungen nicht in die Ausgangslohnsumme einfließen, wenn der oder die Erwerber nach dem Erwerb als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist bzw. sind, ist nicht vorzunehmen.

a. In der Literatur wird überwiegend eine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. dahingehend gefordert, dass die vor dem Erwerb als Arbeitnehmer bezogenen Vergütungen der späteren Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme nicht berücksichtigt werden (Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 83. Lieferung März 2020, § 13a Rn. 32; Hannes/Holtz, in: Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Auflage 2018, § 13a Rn. 45; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülcher/Gottschalk, ErbStG, 58. Lieferung November 2019, § 13a Rn. 90; Levedag/Obser, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, 5. Auflage 2019, § 59, Rn. 44; Hannes/Steger/Stalleiken, BB 2011, 2455 (2462); Bernhard/Landherr, NWB 2015, 3903 (3906); Bron/Grosse, ZEV 2020, 456 (463)).

Hintergrund dieser Forderung ist die Auffassung der Finanzverwaltung in H 13a.4 der am 31.12.2012 geltenden Erbschaftsteuer-Richtlinien (- ErbStR -) 2011 (entsprechend in H E 13a.4 ErbStR 2019), wonach - unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung - der angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft nicht zu den Beschäftigten im Sinne des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. zähle. H E 13a.5 ErbStR 2019 ergänzt diese Ansicht dahingehend, dass die Vergütung eines Gesellschafters einer Personengesellschaft in dem Umfang unberücksichtigt bleibe, in dem sie als Sondervergütung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren sei. Die Finanzverwaltung greift somit auf die ertragsteuerliche Qualifizierung der Einkünfte von mitunternehmerisch beteiligten Gesellschaftern einer Personengesellschaft zurück, der zufolge diese Mitunternehmer keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sondern gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielen. Dagegen zählt nach Auffassung der Finanzverwaltung der angestellte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft zu den berücksichtigungsfähigen Beschäftigten, sodass seine Vergütung grundsätzlich - mit Ausnahme überhöhter Vergütungen, die als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren seien (H E 13a.5 ErbStR 2019) - zu berücksichtigen sei (H 13a.4 ErbStR 2011, H E 13a.4 ErbStR 2019).

Die Ansicht der Finanzverwaltung führt in Fällen wie dem vorliegenden dazu, dass die Vergütungen, die vor dem Erwerb erzielt wurden, die Ausgangslohnsumme erhöhen, während die Vergütungen, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft nach dem Erwerb bezogen werden, - anders als (angemessene) Vergütungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft - nicht zum Erreichen der Mindestlohnsumme beitragen. Dieses Ergebnis wird in der Literatur als unangemessen (Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 83. Lieferung März 2020, § 13a Rn. 32; Hannes/Holtz, in: Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Auflage 2018, § 13a Rn. 45) und verzerrt (Bernhard/Landherr, NWB 2015, 3903 (3906)) kritisiert. Da der Erwerber des Unternehmens es zudem selber in der Hand habe, den mit der Lohnsummenregelung bezweckten Arbeitsplatzerhalt hinsichtlich seines Arbeitsplatz nach dem Erwerb zu gewährleisten, sei ein Schutz des Erwerbers "vor sich selbst" und damit eine Berücksichtigung seiner Vergütung in der Ausgangslohnsumme nicht erforderlich (Levedag/Obser, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 2, 5. Aufl. 2019, § 59, Rn. 44).

Soweit ersichtlich vertreten allein Claussen/Thonemann-Micker (in: BeckOK ErbStG, Stand: April 2020, § 13a Rn. 108) die Ansicht, die Korrektur sei dadurch vorzunehmen, dass die nach dem maßgeblichen Erwerb an die Gesellschafter-Geschäftsführer der Personengesellschaft gezahlten Vergütungen abweichend von der ertragsteuerlichen Qualifizierung bei der Ermittlung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen als Arbeitslohn berücksichtigt werden sollten. In ähnlicher Weise versteht der Senat auch die Auffassung von Scholten/Korezkij (DStR 2009, 253 (255)), die sich jedenfalls für eine von der ertragsteuerlichen Qualifizierung losgelöste eigenständige erbschaftsteuerliche Definition des Begriffs der "Vergütung" aussprechen.

b. Den Bedenken des Klägers ist nicht durch eine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG a. F. zu begegnen.

Eine teleologische Reduktion zielt darauf ab, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken (BFH, Urteil vom 26.07.2007, IV R 9/05, BFHE 219, 173 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine teleologische Reduktion kommt daher nur bei Divergenzen zwischen dem Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck in Betracht (vgl. zu den Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion auch: Kruse/Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtordnung, 161. Lieferung Juni 2020, § 4 AO Rn. 381). Gegenüber einer vom Wortlaut der Rechtsnorm abweichenden Auslegung ist besondere Zurückhaltung geboten; sie kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH, Urteile vom 16.12.1986, VIII R 375/83, BFHE 149, 157; vom 07.04.1992, VIII R 79/88, BFHE 168, 111). Dagegen ist es nicht Aufgabe einer teleologischen Reduktion, rechtspolitische Fehler zu korrigieren, also ein Gesetz zu verbessern, das sich - gemessen an seinem Zweck - noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (BFH, Urteil vom 07.04.1992, VIII R 79/88, BFHE 168, 111 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

aa. Die besondere Zurückhaltung, mit der die teleologische Reduktion bereits grundsätzlich anzuwenden ist, ist nach Auffassung des Senats insbesondere geboten, wenn die teleologische Reduktion wie im vorliegenden Fall nicht nur eine Rechtsanwendung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm, sondern darüber hinaus auch eine Abkehr von grundsätzlichen Prinzipien des Steuergesetzes, wie vorliegend dem Stichtagsprinzip, bedeuten würde.

Im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gilt nahezu uneingeschränkt das sog. Stichtagsprinzip, das sich insbesondere aus § 11 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 ErbStG (a. F.) ergibt. Bei der danach gebotenen Stichtagsbetrachtung sind, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, zukünftige, nach dem Stichtag liegende Ereignisse, bei der Feststellung des Ist-Zustands zum maßgeblichen Stichtag nicht zu berücksichtigen. Dadurch werden Rechtsunsicherheiten vermieden, die sich ansonsten dadurch ergeben könnten, dass nach dem Stichtag oder sogar nach der gesonderten Feststellung der Ausgangslohnsumme liegende Ereignisse oder auftretende Umstände gewissermaßen rückwirkend zu berücksichtigen wären.

Vor diesem Hintergrund gebietet es neben dem insofern eindeutigen Wortlaut auch das Stichtagsprinzip, alle im maßgeblichen Zeitraum vor dem Erwerb gezahlten Vergütungen im Sinne des § 13a Abs. 4 ErbStG a. F. ungeachtet solcher Umstände, die sich erst nach dem maßgeblichen Stichtag realisieren, in die Ausgangslohnsumme einfließen zu lassen. Der Umstand, dass die Erwerber nach dem Erwerb weiterhin Vergütungen erhalten, oder gar die Frage, wie diese dann ertragsteuerlich zu qualifizieren sind, dürfen daher keinen Einfluss auf die Bestimmung des Ist-Zustands zum maßgeblichen Stichtag haben. Auch das Erreichen oder Nichterreichen der Mindestlohnsumme beruht auf Umständen, die nach dem Stichtag eintreten und deshalb auszublenden sind. Mit der begehrten teleologischen Reduktion würde jedoch genau dies erfolgen.

bb. Eine Divergenz zwischen dem Zweck der Norm und ihrem Wortlaut, welche zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde, ist in Fällen wie dem vorliegenden nicht gegeben. Eine teleologische Reduktion der Norm ist daher nicht gerechtfertigt.

aaa. Die Ausgestaltung der Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG a. F., insbesondere die hohen Freistellungsquoten von 85 v. H. (§ 13b Abs. 4 ErbStG a. F.) oder gar 100 v. H. (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG a. F.) des ansonsten der Besteuerung zugrunde zu legenden Werts des betrieblichen Vermögens, lässt allgemein die Intention des Gesetzgebers erkennen, unternehmerisches und land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim unentgeltlichen Übergang durch Erbschaft oder Schenkung von steuerlichen Belastungen weitgehend frei zu halten, um so die Liquidität der Betriebe zu schonen (BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, Rz. 135 nach juris). Mit der Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren (§ 13a Abs. 5 bzw. 8 Nr. 2 ErbStG a. F.) soll der Bestand der übergegangenen Unternehmen über einen längeren Zeitraum in der Hand des Erwerbers gesichert werden (BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, Rz. 135 nach juris).

In dem Regelungskonstrukt der §§ 13a und 13b ErbStG a. F. dient die Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1, 4 und 8 Nr. 1 ErbStG a. F.) im Speziellen dem Zweck, den Erwerber betrieblichen Vermögens zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu veranlassen (BVerfG, Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, Rz. 135 und 206 nach juris).

Die Begründung der Bundesregierung vom 28.01.2008 zum Entwurf des Gesetzes zur Reform des Erbschaft- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) in der Drucksache 16/7918 des Deutschen Bundestags verweist auf Seite 33 auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der klein- und mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft sowie auf die Probleme der Unternehmen, die im Erbfall trotz Begünstigung die anfallende Erbschaftsteuer nicht aus liquidem Vermögen oder aus laufenden Erträgen begleichen zu können. Die Liquiditätsreserven und die Investitionsfähigkeit der Betriebe sollten insbesondere zum Erhalt von Arbeitsplätzen nicht durch staatliche Eingriffe erschöpft werden. Die Lohnsummenregelung diene, neben der Behaltensfrist des § 13a Abs. 5 ErbStG a. F., als Indikator für die Unternehmensfortführung und der Erhaltung der Arbeitsplätze, welche wesentliche Voraussetzungen für die sehr weitreichende oder sogar vollständige Steuerbefreiung des ansonsten steuerpflichtigen Erwerbs von Betriebsvermögen sind. Auch der Bericht des Finanzausschusses vom 26.11.2008 zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 16/11107) stellt auf die Arbeitsplatzwirkung ab, die als Begründung für die Verschonungsmaßnahmen diene.

Die Lohnsummenregelung bezweckt dabei nicht den Erhalt des nämlichen Arbeitsplatzes, sondern dient dazu, über das Instrument der Lohnsumme eine gewisse Qualität und Quantität der Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten, ohne dass es ein Verstoß wäre, einzelne oder eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zugunsten von Gehaltserhöhungen anderer Arbeitsplätze abzubauen (vgl. BT-Drs. 16/7918, Seite 33).

Eine Empfehlung der Ausschüsse unter der Federführung des Finanzausschusses an den Bundesrat vom 04.02.2008 (BR-Drs. 4/1/08 unter Ziffer 9 b)) sah vor, den Entwurf des § 13a Abs. 4 ErbStG dahingehend zu ergänzen, dass Erblasser oder Schenker sowie der Erwerber nicht als Beschäftigte angesehen werden sollen, wobei dies schließlich im Gesetz nicht umgesetzt wurde.

bbb. Die Berücksichtigung der vor dem Erwerb bezogenen Vergütungen widerspricht nicht dem Zweck der Norm, sondern dient unmittelbar seiner Erfüllung.

Die Berücksichtigung der Vergütungen bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme trägt dazu bei, dass die im maßgeblichen Stichtag vorhandenen Arbeitsplätze in ihrer Quantität oder Qualität erhalten bleiben.

Zwar hat der Erwerber eines Betriebs es regelmäßig selber in der Hand, ob sein Arbeitsplatz auch nach dem Erwerb weiterhin bestehen bleibt und von ihm bekleidet wird, sodass der Eindruck entstehen mag, dass dieser Arbeitsplatz weniger schutzwürdig als der eines angestellten Arbeitnehmers sein könnte. Es ist aber bei bestimmten Beteiligungsverhältnissen und gesellschaftsvertraglich regelmäßig vorgesehenen Stimmenmehrheitsklauseln, die dazu führen, dass er allein den Erhalt seines Arbeitsplatzes nicht in der Hand hat, auch denkbar, dass ein Gesellschafter gegenüber seinen Mitgesellschaftern ebenso schutzbedürftig wie ein angestellter Arbeitnehmer ist. Zudem würde die begehrte teleologische Reduktion die Möglichkeit eröffnen, die bisherige Geschäftsführertätigkeit des Erwerbers unter Aufgabe seiner Tätigkeit für das Unternehmen an einen angestellten Geschäftsführer zu übergeben, dessen Vergütungen in die Mindestlohnsumme einfließen, um so Potential für einen Stellenabbau zu generieren. Dies soll mit der Vorschrift verhindert werden.

Mit der begehrten teleologischen Reduktion entfiele zudem das mit der Ausgangslohnsumme verknüpfte Indiz für die Unternehmensfortführung, weil die streitgegenständlichen Vergütungen von vornherein bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme unberücksichtigt blieben.

Schließlich beruht das von der Literatur als verzerrt kritisierte Ergebnis nicht maßgeblich darauf, dass die vor dem Erwerb bezogenen Vergütungen berücksichtigt werden, sondern vielmehr darauf, dass die nach dem Erwerb bezogenen Vergütungen nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der Mindestlohnsumme nicht berücksichtigt werden. Eine Lösung dieses Konflikts, sofern er denn als lösungsbedürftig angesehen werden sollte, kann ebenso bei der Ermittlung der Mindestlohnsumme erreicht werden, indem die nach dem Erwerb bezogenen Vergütungen unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Qualifizierung im Rahmen der Mindestlohnsumme angesetzt werden. Über diese Frage hat das Gericht vorliegend allerdings nicht zu entscheiden.

3. Ein anderes Ergebnis ist auch vor dem Hintergrund der Forderung nach einem Gebot der rechtsformneutralen Besteuerung nicht geboten. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass Art. 3 Abs. 1 GG kein allgemeines Verfassungsgebot einer rechtsformneutralen Besteuerung enthält (BFH, Urteil vom 06.12.2016, I R 50/16, BFHE 256, 122 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Lediglich im hier nicht einschlägigen Umsatzsteuerrecht hat das Bundesverfassungsgericht bisher angenommen, dass die Rechtsform, in der die Leistung von einem Unternehmer erbracht wird, allein kein hinreichender Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung ist (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1999, 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151). Eine Übertragung auf den vorliegen Fall kommt nicht in Betracht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Dem steht nicht entgegen, dass die Regelungen in § 13a Abs. 1 Sätze 2 bis 4, Abs. 4 ErbStG a. F. auslaufendes Recht betreffen, da sie im Wesentlichen inhaltsgleich, lediglich mit Anpassungen an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136), in § 13a Abs. 3 ErbStG fortgeführt werden.

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