Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 09.11.2020 - 12 B 80/20
Fundstelle
openJur 2020, 77087
  • Rkr:
Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Antragstellerin zur Durchführung der Wahlstation in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 31. März 2021 vorbehaltlos in die Ausbildungsstelle xxxxx)" am Standort xxx zu überweisen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Durchführung einer Wahlstation im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes.

Die Antragstellerin ist seit dem 1. April 2019 Rechtsreferendarin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Am 7. September 2020 beantragte sie, für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 31. März 2021 in eine Ausbildungsstelle bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit am Standort xxx überwiesen zu werden.

Mit E-Mail vom 18. September 2020 lehnte der Antragsgegner dies mit der Begründung ab, dass für xxx eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für nicht notwendige touristische Reisen wegen der Sars-COV-2-Pandemie bestehe. Es werde auf das Schreiben "Informationen des Leiters der Referendarabteilung" vom 12. Mai 2020 verwiesen.

Unter dem 21. September 2020 machte die Antragstellerin geltend, dass es sich bei der die Absolvierung der Wahlstation im Ausland nicht um eine "nicht notwendige touristische Reise" im Sinne der Reisewarnung handele. In ihrem Fall sei es die wichtigste Station des Referendariats, da sie eine Karriere in der internationalen Zusammenarbeit anstrebe. Das Auswärtige Amt biete gegenwärtig selbst Wahlstationen in Auslandsvertretungen in Afrika an. Zudem sei die Lage in xxx stabil und das Land verfüge über eine mit deutschen Standards vergleichbare medizinische Versorgung. Darüber hinaus bestehe bei ihr mangels Vorerkrankungen keine erhöhte gesundheitliche Gefahr. Im Falle eines Lockdowns vor Ort sei die Arbeit vom Home-Office aus gewährleistet. Im Falle einer Einreisesperre durch die xxx Regierung bestehe die Möglichkeit, an einem der deutschen Standorte (Eschborn, Bonn oder Berlin) der GIZ zu arbeiten. Sie bitte daher um Zuweisung auf eigene Verantwortung hin und sei bereit, etwaige Risiken persönlich zu übernehmen.

Mit E-Mail vom 29. September 2020 lehnte der Antragsgegner die Zuweisung erneut ab.

Am 6. Oktober 2020 hat die Antragstellerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und führt aus: Sie habe nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nummer 4 und Satz 2 JAVO einen Anspruch auf die Zuweisung. Die gewählte Ausbildungsstelle sei eine sonstige Stelle im Sinne der Vorschrift und entspreche allen Anforderungen. Die Ablehnung sei nicht auf eine ausreichende Rechtsgrundlage gestützt. Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes stelle kein Hindernis für die Zuweisung dar, da sie gerade kein Reiseverbot beinhalte. Die vor Ort verbreiteten "üblichen" Krankheiten, wie etwa Malaria, hätten den Antragsgegner in der Vergangenheit auch nicht davon abgehalten, Referendarinnen und Referendare afrikanischen Orten zuzuweisen. Die Zahlen der Neuinfektionen seien in xxx geringer als in anderen afrikanischen Staaten, aber auch als in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Bei einem Telefonat mit dem zuständigen Referenten des Antragsgegners sei erkennbar geworden, dass die Dienststelle vordringlich zusätzlichen Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit Wahlstationen im Ausland vermeiden wolle, wie sie wohl im April des Jahres 2020 eingetreten seien. Die Situation sei jedoch nicht vergleichbar, da die Auswirkungen mittlerweile vorhersehbarer geworden seien und die von ihr begehrte Ausbildungsstelle unterstützend zur Seite stehe und gegebenenfalls eine Ausbildungsstelle an einem der Standorte in Deutschland zur Verfügung stelle. Auch durch eine sich bei der Rückreise ergebende Quarantäne entstünden keine Nachteile, da danach keine Pflichtveranstaltungen anstünden und sie für den Zeitraum Erholungsurlaub nehmen könne. Auch der Erlass des Ministeriums für Justiz, Verbraucherschutz und Europa vom 8. Oktober 2020 sei keine geeignete Rechtsgrundlage, da es sich bei der Wahlstation gerade nicht um eine Dienstreise handele. Soweit der Antragsgegner der Auffassung sei, dass § 45 Beamtenstatusgesetz eine Ablehnung gebiete, so sei die Ausübung der Fürsorgepflicht gegen ihren Willen nicht geboten. Zudem sei auch nach den "Informationen des Leiters der Referendarabteilung vom 12. Mai 2020" im Einzelfall eine Zuweisung trotz bestehender Reisewarnung möglich. Die Versagung sei im Übrigen unverhältnismäßig und verletze sie in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 GG.

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, sie - die Antragstellerin - für die Wahlstation in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 31. März 2021 zur Ausbildungsstelle xxx am Standort xxx zuzuweisen.

Am 17. Oktober 2020 hat das Auswärtige Amt die Reisewarnung für das Land xxx aufgehoben, weil es gegenwärtig kein Sars-COV-2- Risikogebiet mehr ist.

Der Antragsgegner hat daraufhin mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 erklärt, dass die Antragsgegnerin in die begehrte Station unter dem Vorbehalt überwiesen werden soll, dass die Überweisung für den Fall einer erneuten Reisewarnung des Auswärtigen Amtes widerrufen werden kann.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

sie - die Antragstellerin - für die Wahlstation in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 31. März 2021 der Ausbildungsstelle xxx am Standort xxx vorbehaltlos zuzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ein genereller und unbedingter Anspruch auf Überweisung zu einer konkreten, von dem Referendar oder der Referendarin ausgesuchten Ausbildungsstelle bestehe nicht. Die Zuweisung erfolge vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin setze daher eine Ermessensreduzierung auf Null voraus. Bereits im Frühjahr sei die Referendarausbildung durch die Verbreitung des Coronavirus erheblich betroffen gewesen. Dabei hätten sich besondere Problemlagen auch im Zusammenhang mit Auslandsstationen ergeben. Die Einschätzung der Versorgungs- und Gefährdungslage in den verschiedenen Ländern sei schwierig, und es könne je nach der Entwicklung des Infektionsgeschehens vor Ort eine verfrühte Abreise erforderlich oder - wie das Rückholprogramm des Auswärtigen Amtes in der ersten Jahreshälfte gezeigt habe - eine Rückreise erschwert oder zeitweise unmöglich werden. Mit dem Schreiben vom 12. Mai 2020 seien zu den Auslandsstationen transparente Grundsätze aufgestellt worden. Zwar könne die Ausbildung im Ausland für Referendarinnen und Referendare eine besondere Bedeutung haben. Zur Erlangung der durch die JAVO kodifizierten Ausbildungsziele sei die 3-monatige Auslandstation indes nicht notwendig. Demgemäß seien unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, des individuellen Gesundheitsschutzes der Referendare und mit Blick auf das Erfordernis einer Eindämmung des Infektionsgeschehens und eines reibungslosen Ausbildungsbetriebes die Überweisungen in Auslandstationen begrenzt worden. Die Anknüpfung an die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes stelle dabei ein angemessenes, sachgerechtes Mittel dar. Nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes hänge eine Warnung von nicht notwendigen touristischen Reisen gegenwärtig stark mit der Einstufung eines Landes als Sars-COV-2-Risikogebiet zusammen und werde entsprechend aktualisiert. Auch entsprechend dem Erlass des Ministeriums für Justiz, Europa und Verbraucherschutz - der allerdings nicht als rechtliche Grundlage der Zuweisungsentscheidung herangezogen worden sei - sei eine vorsichtige Herangehensweise geboten. Dienstreisen kämen nur in außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht. Ein derartiger besonderer Fall liege hier nicht vor. Soweit sich die Antragstellerin auf ihre gute gesundheitliche Konstitution beziehe, sei eine Differenzierung zwischen gesunden Referendaren und Risikopatienten nicht geboten. Zudem könne aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens nicht garantiert werden, dass die ab Mitte April anzuberaumende mündliche Prüfung absolviert werden könne, da pandemiebedingte Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs zu befürchten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zulässig und begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO setzt sowohl die Glaubhaftmachung (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) eines Bedürfnisses für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache.

1. Ein Anordnungsgrund liegt vor.

Der Antragstellerin ist ein weiteres Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Denn eine Entscheidung in der Hauptsache käme zu spät, da sie ihre Wahlstation am 1. Januar 2021 antreten muss.

Es ist vorliegend auch ausnahmsweise eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache durch den einstweiligen Rechtsschutz gerechtfertigt, da der Antragstellerin ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden können (BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1/99 -, BVerwGE 109, 258-268, Rn. 24 f.). Die Antragstellerin kann die Wahlstation, die vom 1. Januar 2021 bis zum 31. März 2021 stattzufinden hat, nicht verschieben und auch nicht zu einem anderen Termin wiederholen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Mai 2011 - M 5 E 11.1830 -, Rn. 16, juris und OVG Weimar, Beschluss vom 31. März 2000 - 2 ZEO 220/00 -, Rn. 5, juris).

Auch durch die im Schriftsatz vom 27. Oktober 2020 erteilte Zusage des Antragsgegners, der Antragstellerin unter Widerrufsvorbehalt die begehrte Stelle zuzuweisen, ist der Anordnungsgrund nicht entfallen. Der Antragstellerin ist hier nicht zuzumuten, eine Planung und Vorfinanzierung ihres Auslandsaufenthalts einschließlich der Beantragung des Visums, der Buchung eines Fluges, der Suche nach einer Unterkunft vor Ort usw. vorzunehmen, solange im Raum steht, dass im Falle einer - jederzeit denkbaren - erneuten Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ein Widerruf der Überweisung erfolgt.

2. Der Antragstellerin steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Die im Rahmen dieses Verfahrens gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass die Antragstellerin einen Anspruch darauf hat, vorbehaltlos in die von ihr gewünschte Wahlstation in, überwiesen zu werden.

Die Antragstellerin befindet sich als Rechtsreferendarin gemäß §§ 8, 9 Juristenausbildungsgesetz (JAG), § 4 Abs. 3 Landesbeamtengesetz (LBG) in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Auf die Auszubildenden in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis sind nach § 4 Abs. 2 Satz 2 LBG mit Ausnahme von § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) die für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes etwas anderes bestimmt wird. Derartige anderweitige Regelungen finden sich in den auf § 14 JAG beruhenden §§ 30 ff. der Juristenausbildungsverordnung (JAVO). Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 JAVO überweist die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichtes die Rechtsreferendarin oder den Rechtsreferendar in die einzelnen Stationen. Nach § 32 Abs. 3 Satz 2 JAVO kann die Ausbildung in der Wahlstation mit dem Schwerpunktbereich Staat und Verwaltung neben den unter § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 JAVO benannten Stellen auch bei einer einschlägigen überstaatlichen, zwischenstaatlichen oder ausländischen Stelle oder einer sonstigen Stelle, bei der eine sachgerechte Ausbildung gewährleistet ist, durchgeführt werden. Nach § 30 Abs. 8 JAVO soll die Rechtsreferendarin oder der Rechtsreferendar mindestens drei Monate vor Beginn der Wahlstation der Präsidentin oder dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes unter Bezugnahme des Schwerpunktbereiches die gewählte Stelle anzeigen.

a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überweisung liegen vor.

Bei der von der Antragstellerin gewählten Stelle in xxx ist ihre sachgerechte Ausbildung bei der gebotenen summarischen Prüfung gewährleistet. Bei dem Begriff der "sachgerechten Ausbildung" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt und insbesondere im Lichte der in § 31 Abs. 1 JAVO niedergelegten Ziele der Referendarausbildung zu verstehen ist. Danach sollen die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare in die Aufgaben der Rechtspflege, der Verwaltung und der Anwaltschaft eingeführt werde, sodass diese ihre im Studium erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen und lernen, sie in der beruflichen Praxis umzusetzen. Bedenken hinsichtlich der Gewährleistung einer sachgerechten Ausbildung bestehen nicht. Auf den Inhalt der Ausbildung bezogene Gesichtspunkte haben in den Erwägungen des Antragsgegners keine Rolle gespielt und sind auch nicht ersichtlich. Vielmehr stützt der Antragsgegner die Versagung hier maßgeblich auf organisatorische Erwägungen.

Weitere tatbestandliche Voraussetzungen bestehen nicht. Insbesondere handelt es sich bei dem Rundschreiben vom 12. Mai 2020, in dem auch die Vorgaben hinsichtlich der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes benannt wurden, nicht um eine Vorschrift im Rechtssinne, auf die eine Ablehnung gestützt werden könnte, sondern nur um eine Mitteilung, durch die den Referendaren die gegenwärtige Verwaltungspraxis erläutert wird. Der Erlass des Ministeriums für Justiz, Verbraucherschutz und Europa vom 8. Oktober 2020 betrifft bereits seinem Anwendungsbereich nach nur Dienstreisen, nicht jedoch eine mehrere Monate andauernde Station im Rahmen des Referendariats.

b. Der Antragsgegner kann auch auf die von ihm vorgebrachten Ermessenserwägungen weder eine gänzliche Ablehnung der Zuweisung noch eine Zuweisung unter Widerrufsvorbehalt (§ 107 Abs. 2 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz (LVwG)) stützen.

Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Zuweisung im Ermessen des Antragsstellers liegt, oder ob es sich - wofür insbesondere der Wortlaut der §§ 30 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 8 JAVO spricht - um eine gebundene Entscheidung handelt.

Die vom Antragsgegner angeführten Gründe rechtfertigen eine Untersagung auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Überweisung grundsätzlich in seinem Ermessen steht.

Zwar ist dem Gericht die Überprüfung der Ermessensausübung nur eingeschränkt möglich (§ 114 Satz 1 VwGO). Jedoch muss sich das Ermessen innerhalb des Zwecks der Norm halten, die der Verwaltung die Befugnis zur Ermessensausübung einräumt (Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Rn. 21 zu § 114) und darf die Grenzen dieses eingeräumten Ermessens nicht überschreiten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die hier vom Antragsgegner angeführten Gründe rechtfertigen die Einschränkung des Wahlrechts der Antragstellerin nicht. Insoweit wäre die Entscheidung des Antragsgegners - sofern man denn vom Vorliegen einer Ermessensvorschrift ausginge - ermessensfehlerhaft.

Die Regelungen der Ausbildungs-und Prüfungsordnung für Juristen verfolgen vorrangig den Zweck, die inhaltlichen Anforderungen an den Vorbereitungsdienst aufzustellen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Mai 2011 - M 5 E 11.1830 -, Rn. 19, juris - dort lag eine nach Landesrecht erforderliche sozialversicherungsrechtliche Erklärung der Ausbildungsstelle nicht vor). Der möglichst reibungslose Ablauf der Referendarausbildung ist vom Zweck der Vorschriften zwar ebenfalls (mit) umfasst. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass nicht jede organisatorische Überlegung des Dienstherrn dazu führen kann, dass der Referendar in seinem nach § 31 Abs. 3 Satz 2 JAVO grundsätzlich bestehende Wahlrecht eingeschränkt wird. Vielmehr müssten derartige organisatorische Gründe von einem gewissen Gewicht sein, um eine Versagung zu rechtfertigen. Anderenfalls ist das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert und wäre der Referendar entsprechend seiner Anzeige zuzuweisen.

Die Ermessenserwägungen des Antragstellers mit dem Ziel, das hiesige Infektionsgeschehen einzudämmen, sind bereits nicht vom Zweck der Ermächtigungsgrundlage umfasst. Soweit der Antragsgegner oder das Ministerium hierzu bspw. in dem Erlass vom 8. Oktober 2020 in Bezug auf die Durchführung von Dienstreisen Anordnungen gegenüber ihren Beschäftigten treffen, so geschieht dies in Ausübung des Weisungs- bzw. Hausrechts. Diese sind in Bezug auf die Zuweisung eines Referendars zu einer Wahlstation jedoch nicht einschlägig.

Soweit sich der Antragssteller auf seine Fürsorgepflicht beruft, so vermag dies die Versagung der Zuweisung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Bei der Handhabung von Beurteilungsspielräumen und Ermessensentscheidungen ist der Dienstherr zwar verpflichtet, im Rahmen einer sachgerechten Interessenabwägung die schutzwürdigen Belange der/des Beamten/in und ihrer/seiner Familie wohlwollend zu berücksichtigen und zu wahren (Kohde in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, 19. Update Juni 2020, I. Allgemeines, Rn. 16). Jedoch ist dem mit der Antragstellerin entgegenzuhalten, dass dies gegen ihren ausdrücklichen Willen erfolgen würde und sie auch erklärt hat, etwaige Risiken zu übernehmen. Zudem ist ausgesprochen zweifelhaft, ob die Untersagung eines Auslandsaufenthalts bei der gegenwärtigen pandemischen Lage überhaupt ein geeignetes Mittel darstellt, um die individuelle Gesundheit des Referendars zu schützen, da die Gefahr einer Ansteckung innerhalb Deutschlands ebenfalls besteht. Gegebenenfalls müsste die Antragstellerin im Falle einer Einschränkung des Reiseverkehrs oder einer mit ihrer Dienstpflicht kollidierenden Quarantäneanordnung mit einem Verlust ihrer Dienstbezüge rechnen, wenn sie den Auslandsaufenthalt trotz Reisewarnung angetreten hätte. Dies ist jedoch ihr persönliches Risiko. Ihr stünden auch aufgrund der Zusage der GIZ, dass ggf. Standorte in Deutschland vorhanden seien, im Falle einer deutlichen Veränderung der Situation vor Ort in xxx frei, kurzfristig auf die Auslandsstation zu verzichten.

Auch im Hinblick auf das Ziel der Gewährleistung eines reibungslosen Ausbildungsbetriebes ist der Widerrufsvorbehalt nicht erforderlich. Da sich an die Wahlstation der Antragstellerin nur noch die mündliche Prüfung anschließen wird, kann sich der Auslandsaufenthalt im Falle von Rückreisebeschränkungen, Quarantäneanordnungen oder Unterbrechungen des Reiseverkehrs allenfalls noch auf diese auswirken. Die Antragstellerin hat bereits ausgeführt, dass sie im Falle einer 14-tägigen Quarantäneanordnung Erholungsurlaub nehmen könne. Hierfür bestünde selbst für den Fall, dass ihr einer der frühesten Termine für die mündliche Prüfung ab Mitte April zugewiesen wird, ausreichend Zeit. Damit beschränkt sich die Möglichkeit einer organisatorischen Mehrbelastung des Antragsgegners durch die Auslandstation auch im Falle einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt allein auf die Gefahr, dass der Reiseverkehr aus xxx für mehr als zwei Wochen gänzlich zum Erliegen kommt. In diesem - unwahrscheinlichen - Falle wäre es immer noch möglich, der Antragstellerin durch das Gemeinsame Prüfungsamt einen späteren Prüfungstermin zuzuweisen. Der organisatorische Mehraufwand hierfür ist dem Antragsgegner zumutbar.

Insgesamt fallen damit die dem Antragsteller mit der begehrten vorbehaltlosen Zuweisung erwachsenden organisatorischen Erschwernisse nicht maßgeblich gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der freien Wahl ihrer Ausbildungsstation ins Gewicht. Da sonst keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich sind, die gegen eine Zulassung der Ausbildungsstelle sprechen, wäre - ein Ermessen des Antragsgegners vorausgesetzt - dieses auf Null reduziert und ein Anspruch der Antragstellerin auf Überweisung zur der Ausbildungsstelle glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Ist Streitgegenstand eine Versetzung, ist für den Wert des Streitgegenstands der Auffangwert festzusetzen (OVG Schleswig Beschluss vom 8. April 2020 2 - MB 14/19 -; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juli 2007 - 6 E 718/07 -, Rn. 2 f., juris). Dies ist auf die Zuweisung eines Referendars in eine Station übertragbar. Auf den Auffangwert ist die in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehene Reduzierung nicht anwendbar (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29. Mai 2015 - 3 O 23/15 -; Beschluss vom 10. August 1995 - 3 O 19/95 -).