AG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.05.2020 - 32 C 784/19 (89)
Fundstelle
openJur 2020, 77067
  • Rkr:
Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann Vollstreckung durch die Beklagte wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Nichtbeförderung des Klägers am 30. September 2018 auf dem Flug ... 543 von Bogota nach Frankfurt am Main.

Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag über einen Hinflug von Stuttgart über Frankfurt am Main nach Bogota und einen Rückflug von Bogota über Frankfurt am Main nach Stuttgart am 30. September 2018 in der Business Class. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es ausschließlich um den Rückflug am 30. September 2018 auf dem Flug LH 543 von Bogota nach Frankfurt am Main. Der Kläger und seine Frau erhielten beim Check-in Bordkarten für die Business Class. Beim Check-Inn wurde ihnen auch mitgeteilt, dass die Business Class überbucht sei und möglicherweise eine Beförderung in einer anderen Klasse erfolgen könnte. Tatsächlich war die Business Class des Fluges an diesem Tage voll ausgebucht, bzw. sogar überbucht.

Der Kläger und seine Ehefrau, die Zeugin A, betraten das Flugzeug nacheinander mit einigem Abstand, die Ehefrau ging voran. Die beiden zugewiesenen Plätze waren durch andere Personen besetzt. Die Ehefrau des Klägers wurde durch den Purser, den Zeugen B, im Gang angesprochen. Der genaue Wortlaut und Ablauf ist zwischen den Parteien streitig. Der Purser rief den Flugkapitän, den Zeugen C, hinzu. Der Kläger und seine Ehefrau führten mit dem Flugkapitän ein weiteres Gespräch. Dabei wurde ihnen mitgeteilt, dass sie auf dem Flug nicht befördert werden würden. Daraufhin wurde das Gepäck des Klägers und seiner Ehefrau ausgeladen. Das Ticketentgelt für den Flug wurde dem Kläger abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 100,00 Euro gutgeschrieben. Der Kläger und seine Ehefrau buchten einen Flug in der Premium Economy Klasse für den folgenden Tag und wurden dann von der Beklagten befördert.

Der Kläger behauptet, das Boarding habe sich chaotisch gestaltet. Vor dem Einsteigen ins Flugzeug hätten sich der Kläger und seine Ehefrau in die Lounge am Flughafen in Bogota begeben. Der Kläger selbst habe keinen Alkohol konsumiert, da er sich am nächsten Tag einer medizinischen Untersuchung hätte unterziehen müssen. Eine Alkoholisierung seiner Ehefrau habe ebenfalls nicht vorgelegen. Es habe zwar ein Wortwechsel mit dem Purser gegeben, in dem es im Wesentlichen darum ging, wo der Kläger und seine Ehefrau jetzt sitzen sollten. Handgreiflichkeiten gegen den Purser habe es aber nicht gegeben. Sachliche Gründe für die Verweigerung der Beförderung seien durch den Kläger und seine Ehefrau nicht gesetzt worden. Aufgrund der Nichtbeförderung hätten der Kläger und seine Ehefrau Zusatzaufwendungen durch ein Hotel, mehrere Anrufe und 100,00 Euro Bearbeitungsgebühr gehabt. Hinzu kämen 600,00 Euro Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung wegen unberechtigt verweigerter Beförderung hinsichtlich des Klägers. Insgesamt errechneten sich die Ansprüche daher mit 600,00 Euro plus 100,00 Euro Bearbeitungsgebühr für das ursprünglich gebuchte Ticket zuzüglich 77,53 Euro für Telefonanrufe und 248,33 Euro Hotel- und Telefonkosten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.025,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Honoraransprüchen seines Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 255,85 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass das Verhalten des Klägers und seiner Ehefrau einen hinreichenden Grund gegeben habe, dass diese auf dem Flug nicht befördert wurden. Der Purser des Fluges sei von einem Flugbegleiter über merkwürdiges und auffälliges Verhalten des Klägers und seiner Mitreisenden beim Einstieg informiert worden. Der Purser habe bei Ansprache des Klägers und seiner Ehefrau bei beiden Personen den Geruch von Alkohol wahrgenommen, wobei die Ehefrau des Klägers stärker alkoholisiert gewesen sei. Während der Diskussion betreffend der Sitze habe die Ehefrau des Klägers den Purser an seinen rechten Arm geschlagen. Nachdem dieser ihr mitgeteilt habe, dass sie das unterlassen solle, habe sie erneut gegen den Arm geschlagen. Die Zeugin sei weiterhin der Aufforderung des Pursers zum Verlassen des Flugzeuges nicht nachgekommen. Die Zeugin sei dann von einem Flugbegleiter an der Tür 2 R überwacht worden, während der Kläger das Flugzeug bereits verlassen habe. Vor der Tür des Flugzeugs im Finger habe dann ein Gespräch zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und dem herbeigerufenen Flugkapitän stattgefunden. Nachdem dieser sich einen persönlichen Eindruck von den beiden Passagieren verschafft habe und sich die Sachlage vom Purser habe schildern lassen, habe dieser dann die Entscheidung getroffen, die beiden Passagiere wegen Alkoholkonsums, leichter physischer Gewalt und mehrfacher Missachtung der Anweisung des Kabinenpersonals nicht zu befördern.

Daher hätte der Kläger keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Ausgleichszahlung, da er und seine Ehefrau durch ihr Verhalten die Nichtbeförderung verursacht hätten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A, B und C. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2019 und 6.5.2020 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Das Gericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger und seine Ehefrau, die Zeugin A, die Nichtbeförderung durch ihr eigenes Verhalten verursacht haben, so dass sowohl vertragliche Ansprüche als auch Schadensersatzansprüche wie auch Ansprüche aus der EU-Verordnung 204/2006 ausscheiden. Es lag ein persönlicher Nichtbeförderungsgrund auf Seiten des Klägers vor.

Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Zeugin A zum Zeitpunkt des Vorfalls zumindest in einem Maße alkoholisiert war, dass sie konkrete Ausfallerscheinungen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung zeigte. In diesem Zustand hat sie den Purser des Fluges, den Zeugen B, zwei Mal mit ihrem Finger körperlich an der Schulter attackiert. Dazu hat die Zeugin A die Anweisung des Pursers, das Flugzeug zu verlassen, mehrfach ignoriert. Dazu hat die Zeugin A vor dem Flugzeug im Gespräch mit Flugkapitän C ebenfalls gegenüber diesem ein aggressives Verhalten gezeigt und versucht, ihn am Revers zu greifen. Dieser Sachverhalt steht fest durch Vernehmung des Flugkapitäns sowie des Pursers, deren Aussagen das Gericht beide als glaubhaft erachtet. Beide Zeugen schilderten ihre Wahrnehmungen sachlich und trotz des langen Zeitraums auffallend präzise. Beide erklärten dies damit, dass solche Situationen, in denen Flugreisenden die Mitreise verweigert wird, ausgesprochen selten sind und diese Ereignisse besondere Wahrnehmungen bei ihnen auslösten.

Der Zeuge B schilderte lebhaft eine, wie er beschrieb, hochemotionale Situation, in der er versuchte, die Zeugin A gewissermaßen zu beruhigen. Er machte deutlich, dass der Zustand der Überbuchung der Business Class für die spätere Entscheidung, den Kläger und seine Ehefrau nicht zu befördern, nicht relevant gewesen sein kann, da das Flugzeug sowohl in der Premium Economy Klasse wie wohl auch der Economy Klasse über genug freie Plätze verfügte. Er war geradezu schockiert über diese Frage des Gerichts, dass er möglicherweise eine Nichtbeförderung hätte im Interesse seines Arbeitgebers provozieren sollen. Insgesamt wirkte der Zeuge B auf das Gericht wie ein hochprofessioneller Purser, welcher seinen Beruf mit großem Einsatz und Freude an seiner Arbeit ausübte und welchen die Situation am 30. September 2018 in besonderem Maße beschäftigte. Der Zeuge C schilderte sachlich, dass für ihn die Entscheidung, den Kläger und seine Ehefrau nicht zu befördern, sowohl auf den Schilderungen des Pursers beruhte als auch aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung, welche er vom Kläger und insbesondere der Zeugin A an diesem Tag hatte. Seine Entscheidung habe er unter Abwägung der Risiken für den Flug als auch für die anderen Passagiere und die Luftsicherheit nach eigener Wahrnehmung getroffen.

Die Zeugin A dagegen schilderte einen Sachverhalt, den das Gericht als beschönigend einordnet. Sie räumte zwar leichten Alkoholkonsum durch zwei Gläser Wein ein, bestritt jedoch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen. Dies steht im deutlichen Widerspruch zur Wahrnehmung der anderen Zeugen und auch zu dem Verhalten, das sie gegenüber diesen zeigte. Dieses Verhalten deutet doch auf alkoholbedingte Verhaltensveränderungen hin. Aus Sicht des Gerichts ist das körperliche Anfassen des Pursers durch die Beweisaufnahme belegt und die Zeugin selbst hat die Weigerung, das Flugzeug zu verlassen, auch grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, auch wenn die Beweggründe hierfür von ihr anders dargestellt wurden.

Rechtlich sieht das Gericht hier eine Ermessensentscheidung des Flugkapitäns hinsichtlich der Nichtbeförderung des Klägers und seiner Ehefrau, die aufgrund berechtigter Tatsachen erfolgte und die ihrem Inhalt nach nachvollziehbar und verhältnismäßig war.

Grundsätzlich ist ein Flugkapitän auf einem Flug gemäß § 12 Abs. 2 Luftsicherungs- gesetz mit der Polizeigewalt ausgestattet, um die Sicherheit des Fluges und der anderen Passagiere an Bord in jeder Lage zu gewährleisten. Da sich das Flugzeug noch nicht in der Luft befand, ist diese Norm zwar nicht unmittelbar einschlägig, der Sinn und Zweck muss jedoch auch für eine Entscheidung am Boden gelten, denn es kann nicht darauf ankommen, dass eine Maschine zunächst abheben muss, um dann ggf. wieder landen zu müssen, wenn Passagiere die konkrete Luftsicherheit beeinträchtigen. Das Verhalten des Klägers und seiner Ehefrau war geeignet, auf einem Transatlantikflug von 11 Stunden die Luftsicherheit zu gefährden, denn zumindest die Zeugin A hat gegenüber dem Purser nachgewiesen ein aggressives Verhalten durch körperliche Berührungen gezeigt, das den Tatbestand eines "unruly passengers" begründet. Körperliche Berührungen in aggressiver Manier muss kein Purser dulden. Weiterhin hat die Zeugin den Anweisungen des Pursers nicht Folge geleistet, der für die Sicherheit an Bord ebenfalls wie der Kapitän Verantwortung trägt. Wenn ein Purser sie auffordert, das Flugzeug zu verlassen und dies mehrfach und sie diese Anweisungen ignoriert, dann besteht die Gefahr, dass sie auch anderen Anweisungen des Pursers zur Sicherheit nicht Folge leisten würde. Hinzu kommt das geschilderte apathische Verhalten der Zeugin, was zu gesundheitlichen Problemen auf dem Flug führen kann, welche ebenfalls die Luftsicherheit gefährden könnten.

Diese Elemente in einer Gesamtschau reichen nach Auffassung des Gerichts dafür aus, dass der Kapitän eine ermessensfehlerfreie Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass der Kläger und die Zeugin A nicht auf dem hier streitgegenständlichen Flug befördert werden.

Damit scheiden nach Auffassung des Gerichts jegliche Schadenersatzansprüche wie auch Ausgleichsansprüche und Ansprüche nach der EU-Verordnung 204/2006 aus, denn das eigene Verhalten des Klägers und seiner Ehefrau sind für diese Entscheidung maßgeblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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