AG Erding, Urteil vom 04.11.2019 - 2 C 2516/19
Fundstelle
openJur 2020, 77016
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird entsprechend ihres Anerkenntnis verurteilt, an den Kläger 104,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.03.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 569,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.03.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 674,81 € festgesetzt.

Tatbestand

Von der Abfassung des Tatbestands wird gemäß § 313 b Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

I. Nachdem die Beklagte die Klageforderung in Höhe von 104,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2019 anerkannt hat, war sie entsprechend des Anerkenntnisses zu verurteilen, § 307 ZPO.

II. Hinsichtlich der Ausgleichsleistung wegen der Flugannullierung und des Schadensersatzes für den beschädigten Koffer wurde im Haupttermin am 24.10.2019 in das vereinfachte Verfahren gemäß § 495a ZPO übergegangen. In diesem Zusammenhang bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist auch hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches in Höhe von weiteren 569,99 € begründet.

1. Der Kläger hat aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleichszahlung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c), 7 Abs. 1 lit. a) VO (EG) Nr. 261/2004. Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung nicht aufgrund außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 befreit.

Außergewöhnliche Umstände sind Vorkommnisse, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind, wie beispielsweise Naturkatastrophen, versteckte Fabrikationsfehler oder terroristische Sabotageakte, vgl. EuGH (4. Kammer), Urteil vom 22.12.2008, Az.: C-549/07 Wallentin-Herman/Alitalia - Linee Aeree Italiana SpA und BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az.: Xa ZR 76/07. In den Erwägungsgründen (14) und (15) der VO (EG) Nr. 261/2004 sind als außergewöhnliche Umstände beispielsweise politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen, unerwartete Sicherheitsrisiken und Flugsicherheitsmängel, beeinträchtigender Streik und Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements genannt, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist.

Vorliegend ist das Gericht aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen ... T... zu der Überzeugung gelangt, dass am 10.01.2019 der Flughafen Köln von Streikmaßnahmen betroffen war und diese der Hintergrund für die Annullierung von zahlreichen Flügen waren. Für das Gericht ist dabei durchaus nachvollziehbar, dass in dem Fall, dass das Sicherheitspersonal Streikmaßnahmen angekündigt, die Airlines einen Notfallflugplan erstellen und Flüge annullieren, um ein zu großes Chaos an den betroffenen Flughäfen zu vermeiden. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass ein Flug von München nach Köln annulliert wurde und der Flughafen München gerade nicht von Streikmaßnahmen betroffen war. Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Vorflug des streitgegenständlichen Fluges EW 82 von Köln nach München fliegen und damit an einem vom Streik betroffenen Flugahfen starten sollte, jedoch wäre es der Beklagten aus Sicht des Gerichts zuzumuten gewesen, einen Leerflug von Köln nach München durchzuführen, um eine Annullierung des streitgegenständlichen Fluges zu vermeiden.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich die Beklagte hinsichtlich eines Passagiers, der mit dem Vorflug von Köln nach München transportiert hätte wollen, auf außergewöhnliche Umstände berufen könnte, da die Annullierungsentscheidung nachvollziehbar und im Rahmen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums der Beklagten war, dies gilt aus Sicht des Gerichts jedoch nicht für Passagiere des streitgegenstänlichen Fluges. Der Zeuge T... hat zwar nachvollziehbar ausgeführt, dass am 10.01.2019 am Flughafen Köln statt 24 Kontrollspuren nur ein bis zwei Spuren geöffnet waren und auch das Kabinenpersonal und die Piloten diese passieren müssen, er hat jedoch gleichzeitig angegeben, dass die Crew eines Flugzeugs aus sechs Personen besteht. Unter Berücksichtigung dessen, dass nach Angaben des Zeugen T... 44 Flüge annulliert wurde, wären es höchstens 264 Personen mehr gewesen, die die Sicherheitsstellen passieren hätten müssen, wenn keiner der aus Köln abgehenden Flüge annulliert worden wäre. Dies wäre aus Sicht des Gerichts auch mit dem sehr reduzierten Personal zu schaffen gewesen, zumal sich dies über den ganzen Tag verteilt hätte und eine Kontrolle von Mitarbeitern der Airlines in der Regel aufgrund von deren Flugerfahrung sehr schnell geht.

Aus Sicht des Gerichts war damit die Annullierung des streitgegenständlichen Fluges eine rein wirtschaftliche Entscheidung, da die Beklagte einen Leerflug trotz der Streikmaßnahmen hätte durchführen können. Sie kann sich daher im Ergebnis hinsichtlich des streitgegenständlichen Fluges nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen, weshalb dem Kläger, nach Abtretung des Anspruchs durch seine Lebensgefährtin, ein Ausgleichszahlungsanspruch in Höhe von 500,00 € zusteht.

2. Dem Kläger steht nach Abtretung ferner ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 69,99 € aus Art. 17 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 31 Montrealer Übereinkommen zu.

Gemäß Art. 17 Abs. 2 Montrealer Übereinkommen hat ein Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand.

Das Gericht ist vorliegend zu der Überzeugung gelangt, dass der Trolley der Zeugin M... beschädigt wurde als er sich in der Obhut der Beklagten befand. Die Zeugin hat glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, den Trolley im Dezember 2018 zum Preis von 69,99 € für die Reise nach Köln erworben und vorher nicht benutzt zu haben. Sie führte ferner aus, dass sie nach Ankunft in Köln keine Beschädigungen festgestellt hatte, sondern ihr der Riss zum ersten Mal in München beim Auspacken des Koffers am 17.01.2019 auffiel. Dabei seien insbesondere Kleidungsstücke, die sich an dieser Stelle befanden, feucht gewesen. Sie gab ferner an, den Trolley in Handgepäckgröße auf Wunsch der Beklagten in Köln eingecheckt zu haben. Auf dem Weg vom Flughafen München nach Hause sei der Koffer in der Bahn immer neben ihr gestanden.

Aus Sicht des Gerichts besteht aufgrund dieser Angaben kein Zweifel, dass der zu diesem Zeitpunkt noch neuwertige Trolley auf dem Rückflug von Köln nach München und damit in der Obhut der Beklagten beschädigt wurde und nunmehr aufgrund der Wasserdurchlässigkeit nicht mehr nutzbar ist.

Der Anspruch ist auch nicht gemäß Art. 31 Montrealer Übereinkommen ausgeschlossen, da sich die Zeugin mit einem Schreiben vom 17.01.2019 an die Beklagte wandte und den Schaden geltend machte. Sie hat hierbei die Umstände der Beschädigung geschildert, so dass die Beklagte nachvollziehen konnte, dass es in ihrer Obhut zu der Beschädigung gekommen ist. Auch den Zeitraum zwischen Rückflug am 15.01.2019 und Entdeckung des Schadens am 17.01.2019 konnte die Zeugin nachvollziehbar erklären. Damit ist die Vermutung des Art. 31 Abs. 1 Montrealer Übereinkommen widerlegt.

Da die Zeugin eine schriftliche und fristgemäße Schadensanzeige gemäß Art. 31 Abs. 2 und 4 Montrealer Übereinkommen fertigte, besteht nach Abtretung des Anspruchs an den Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 69,99 €.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung beruht auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 713 ZPO.

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