AG Köln, Urteil vom 05.11.2020 - 125 C 302/20
Fundstelle
openJur 2020, 76807
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 85% und der Kläger zu 15%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger buchte am 9. Januar 2020 einen Hin- und Rückflug von Frankfurt am Main nach Venedig für sich, seine Ehefrau und seine zwei minderjährigen Kinder. Die Flüge sollten jeweils am 06. April 2020 und am 14. April 2020 durchgeführt werden. Sie wurden dann annulliert, was der Kläger am 14. März 2020 über einen Blick auf die Internetseite der Beklagten feststellte. Der Kläger stornierte seine Buchung am 16 März 2020. Der Erhalt der Stornierung wurde ihm auch bestätigt. Nachdem er keine Rückzahlung erhalten hatte, forderte er die Beklagte am 24. März 2020 und am 18 Mai 2020 schriftlich zur Zahlung auf. Bevor er die zweite Zahlungsaufforderung versendete, wurde ihm in einem Gespräch mit der Kundenhotline der Beklagten versichert, dass die Erstattung im System der Beklagten verbucht sei und auf dem ursprünglichen Zahlungsweg erfolgen werde.

Der Kläger hat wegen einer Forderung in Höhe von 517,14 Euro den Erlass eines Mahnbescheids beantragt. Dieser ist am 19.06.2020 erlassen worden. Die Beklagte hat gegen den Mahnbescheid Widerspruch erhoben, der am 03.07.2020 am Amtsgericht Hünfeld eingegangen ist. Am 21.07.2020 ist das Verfahren an das Amtsgericht Köln abgegeben worden. Nachdem die Beklagte am 28. Juli 2020 einen Betrag von 477,24 Euro gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 477,24 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte hat für den erledigten Teil des Rechtsstreits die Kostentragungspflicht anerkannt.

Nunmehr beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei dem ursprünglich geltend gemachten Forderung nicht um eine Entgeltforderung handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 288 Abs. 5 S. 1 BGB auf die Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 Euro gegen die Beklagte. Die Beklagte ist nicht mit einer Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 5 BGB in den Verzug geraten. Der Begriff der Entgeltforderung in § 288 Abs. 2 und 5 BGB stammt aus der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung der Zahlung im Geschäftsverkehr, bzw. der vorigen Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 (EU-Zahlungsverzugsrichtlinie), und ist genauso auszulegen wie in § 286 Abs. 3 BGB (BGH, Urteil vom 16. 6. 2010 - VIII ZR 259/09 -, Rn. 10-12 = NJW 2010, 3226, 3226; Palandt/Grüneberg, 79. Auflage 2020, § 288 Rn. 8, 15). Der Gesetzgeber wollte bei der Umsetzung der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie die Beschränkung auf Entgeltforderungen, die diese in den Erwägungsgründen 8, 11 sowie Art. 1 Abs. 2 vornimmt, übernehmen (Stellungnahme des BR zu dem von der BReg. vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Dr 14/6857, S. 1; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des BT, BT-Dr 14/7052, S. 187). Eine Entgeltforderung ist eine Geldforderung, die die Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht (BGH, Urteil vom 21. 4. 2010 - XII ZR 10/08-, Rn. 23 = NJW 2010, 1872, 1873; BGH, Urteil vom 16. 6. 2010 - VIII ZR 259/09 -, Rn. 12 = NJW 2010, 3226, 3226; Palandt/Grüneberg, 79. Auflage 2020, § 286 Rn. 27). Entgeltlichkeit ist nicht identisch mit einer gegenseitigen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, sondern liegt immer dann vor, wenn die Leistung des einen Teils Bedingung für die Entstehung der Verpflichtung des anderen Teils ist (BGH, Urteil vom 16.06.2010 -VIII ZR 259/09-, Rn. 13 = NJW 2010, 3226, 3227). Die Zahlung ist das dann das wirtschaftliche Gegenüber zu der erbrachten oder noch zu erbringenden Leistung. Kaufpreisforderungen, Miete sowie Pacht sind demnach Entgeltforderungen (BeckOK/Lorenz, 55. Edition 2020, § 286 BGB Rn. 40), genauso wie der handelsrechtliche Ausgleichanspruch nach § 89b HGB (BGH, Urteil vom 16. 6. 2010 -VIII ZR 259/09-, Rn. 14 = NJW 2010, 3226, 3227; Palandt/Grüneberg, 79. Auflage 2020, § 286 Rn. 27). Demgegenüber sind Schadensersatzforderungen, Ansprüche aus Rücktritt (§ 346 BGB) oder der Rückgewähranspruch nach der Ausübung eines Widerrufsrechts aus dem Verbraucherschutz (§ 357 BGB) keine Entgeltforderungen (OLG Nürnberg, Endurteil vom 26.7.2017 - 2 U 17/17 Rn. 40 = NJW-RR 2017, 1263, 1266; Palandt/Grüneberg, 79. Auflage 2020, § 286 Rn. 27; MüKo/Ernst, 8. Auflage 2019, § 286 BGB Rn. 82; für § 357 Abs. 1 BGB: Korch NJW 2015, 2212, 2213-2215; a.A. Emde NJW 2019, 2270). Hier kommt es nicht darauf an, ob der ursprüngliche Anspruch auf eine Entgeltforderung gerichtet war. Deswegen kann auch die zu dem ursprünglichen Verweis auf § 286 Abs. 3 BGB in der bis 13.6.2014 geltenden Fassung des § 357 Abs. 1 Satz 2 BGB vertretene Ansicht, dieser sei nur deklaratorisch gewesen, nicht überzeugen (OLG Nürnberg, Endurteil vom 26.7.2017 - 2 U 17/17 Rn. 40 = NJW-RR 2017, 1263, 1266). Der mit der Klage ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung aus dem Vertrag zwischen den Parteien bzw. aus Art. 5 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ist vergleichbar mit einem verbraucherrechtlichen Anspruch nach dem Ausüben eines Widerrufsrechts. Die Rückzahlung des Flugpreises ist nicht darauf ausgerichtet, dass der Fluggast eine Gegenleistung in Form einer Dienstleistung oder der Lieferung von Gütern erbringt. Die Fluggesellschaft kommt mit der Rückzahlung lediglich ihren gesetzlichen Pflichten nach. Auch wenn die Beklagte aus dem ursprünglichen Beförderungsvertrag eine Entgeltforderung geltend machen konnte, da sie selbst als Gegenleistung die Beförderungsleistung erbringen sollte, gilt dies nicht umgekehrt für die Rückforderung des Flugpreises nach Annullierung. Diese beiden Ansprüche sind getrennt zu betrachten.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in Höhe von 477,24 Euro für erledigt erklärt haben, sind der Beklagten nach § 91a Abs. 1 BGB die Kosten des Rechtsstreits gemäß ihrem Kostenanerkenntnis aufzuerlegen. Im Übrigen, also für die nach der Erledigung noch verlangten 40,00 Euro trägt der Kläger die Kosten. Eine Kostenbeteiligung ist diesbezüglich in Höhe von 15% angemessen. Zwar machen die 40,00 Euro weniger als 10% der Hauptforderung aus. Jedoch hat ihre Weiterverfolgung zu deutlich höheren Verfahrenskosten geführt, weil erst dadurch die vollen Gerichtsgebühren angefallen sind. Überschlägig sind es 15% (=70,00 Euro weitere Gerichtskosten / ca. 420,00 Euro Verfahrenskosten insgesamt).

III.

Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Streitwert bis zum 01.09.2020: 517,24 Euro

Streitwert ab dem 02.09.2020: 40,00 Euro

Rechtsbehelfsbelehrung (die Ausführungen zu C) gelten nur insoweit, wie die Kostenentscheidung auf § 91a ZPO beruht):

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

C) Gegen die Kostengrundentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zulässig, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 EUR und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln oder dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.

Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln oder dem Landgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.