VG Karlsruhe, Beschluss vom 30.10.2020 - 3 K 4418/20
Fundstelle
openJur 2020, 76722
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Allgemeinverfügung des Gesundheitsamtes Karlsruhe über infektionsschützende Maßnahmen bei einer 7-Tages-lnzidenz innerhalb des Stadtkreises Karlsruhe von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner in der aktuellen Fassung.

Die Antragstellerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt eine Cocktail-Bar in Karlsruhe.

Die Stadt Karlsruhe hat unter dem Datum des 23.10.2020 eine Allgemeinverfügung erlassen, die unter Nr. 2 eine Sperrzeitenregelung sowie in Nr. 3 und 4 Alkoholausschankbeschränkungen enthielt.

Das Gesundheitsamt Karlsruhe hat mit Allgemeinverfügung über infektionsschützende Maßnahmen bei einer 7-Tages-Inzidenz innerhalb des Stadtkreises Karlsruhe von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner vom 23.10.2020 u.a. wie folgt verfügt:

"2. Im Stadtkreis Karlsruhe beginnt die Sperrzeit für Speise- und/oder Schankwirtschaften im Sinne des Gaststättengesetzes bereits um 23.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr des Folgetages, soweit im Einzelfall für den Beginn keine frühere und für das Ende keine spätere Uhrzeit festgelegt ist.

3. Abweichend von § 7 Gaststättengesetz (GastG) dürfen in Gaststätten und in gastgewerblichen Einrichtungen im Sinne des § 25 GastG im gesamten Stadtgebiet an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetags keine alkoholischen Getränke zum alsbaldigen Verzehr über die Straße ("Gassenschank") abgegeben werden.

4. In Verkaufsstellen dürfen an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetags keine alkoholischen Getränke abgegeben werden."

Am 27.10.2020 hat das Gesundheitsamt Karlsruhe eine weitere, insoweit gleichlautende Allgemeinverfügung erlassen.

Mit Telefax vom 27.10.2020 hat eine von zwei Gesellschaftern Widerspruch bei der Stadt Karlsruhe eingelegt. Daraufhin hat die Stadt Karlsruhe mit Schreiben vom 28.10.2020 auf die Allgemeinverfügung des Gesundheitsamts Karlsruhe vom 27.10.2020 verwiesen und ausgeführt, die Entscheidung über den Widerspruch liege nunmehr beim Landratsamt Karlsruhe.

Am 29.10.2020 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe unter Beifügung der Allgemeinverfügung des Gesundheitsamts Karlsruhe vom 27.10.2020 vorläufigen Rechtsschutz beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Allgemeinverfügung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in ihre Grundrechte aus Art. 12 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG dar. Sie wendeten sich insbesondere gegen die Anordnung des Beginns der Sperrzeit für Speise- und/oder Schankwirtschaften mit bereits 23.00 Uhr (Nr. 2); weiterhin richtet sie sich gegen das Verbot des Gassenausschanks an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr des Folgetages (Nr. 3); schließlich richtet sie sich gegen das Verbot, an Verkaufsstellen an Freitagen, Samstagen und vor Feiertagen in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr des Folgetages keine alkoholischen Getränke abzugeben (Nr. 4).

Die Maßnahmen seien weder geeignet, noch erforderlich, noch im engeren Sinne als verhältnismäßig einzustufen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Uhrzeit und Corona-Verbreitung oder Alkohol und Corona-Verbreitung bestehe nicht; die Annahme eines solchen sei als konstruiert zu bezeichnen.

Den Verlautbarungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) sei zu entnehmen, dass lediglich 1,7 % der Covid-19-lnfektionen aus der Gastronomie kämen. Auch sei die Sperrstunde und das Einhergehen des Alkoholverkaufsverbotes nicht das mildeste Mittel; geeignet und erforderlich diesbezüglich wären engmaschige und dichte Kontrollen auch in den Abendstunden, um das Hygienekonzept der Gastronomie, die Mund-Nasenbedeckungen sowie das Abstandsgebot zu kontrollieren und somit einzuhalten. Dies sei den Behörden auch zuzumuten, da im Gegenzug die erlassene Allgemeinverfügung letztlich auch für ihren Betrieb einem Quasi-Berufsverbot gleichkomme.

Sie könnten auch ihre Terrasse mit Heizpilzen letztlich im Freien unter Einhaltung der Abstandsregeln betreiben. Des Weiteren sei zu sehen, dass durch die angeordneten Maßnahmen jüngere Personen keinesfalls vom Feiern abgehalten werden könnten; diese Feiern verlagerten sich dann mehr in den privaten Bereich und die Corona-Abstandsregeln und Hygieneregeln würden überhaupt nicht mehr eingehalten. Hier sei ein Zusammenkommen unter kontrollierten Bedingungen sehr viel effizienter, da die Einhaltung der Regeln durch die Betreiber der Gaststätten effizient kontrolliert werden könnten. Private Feiern und Zusammenkünfte seien so gut wie nicht zu kontrollieren.

Auch das Verbot, nach 23.00 Uhr alkoholische Getränke außer Haus verkaufen zu dürfen, führe nicht zu einem Risiko der Verbreitung des Virus.

In Anbetracht der sehr geringen Erfolgsaussichten der verlängerten Sperrstunde sowie des Alkoholverbotes im Hinblick auf die Eindämmung der Covid-19-Pandemie im Gegensatz zu ihren Rechten aus Art. 12 GG und dem Recht, nicht gänzlich beruflich und finanziell ruiniert zu werden, stellten die angeordneten Maßnahmen insoweit einen groben Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dar. Ein halbwegs rentabler Barbetrieb sei auch bei Öffnungszeiten zwischen 19.00 und 23.00 Uhr nicht möglich. Sie hätten sämtliche Hygienekonzepte peinlich genau umgesetzt und gelebt.

Die Antragstellerin beantragt - sinngemäß ausgelegt -,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen Nr. 2, 3 und 4 der Allgemeinverfügung über infektionsschützende Maßnahmen bei einer 7-Tages-lnzidenz innerhalb des Landkreises Karlsruhe von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner des Gesundheitsamts Karlsruhe vom 29.10.2020 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf seine Begründung in der angefochtenen Allgemeinverfügung. Ergänzend verweist der Antragsgegner darauf, dass der Inzidenzwert am 29.10.2020 für den Landkreis bei 91, für die Stadt bei 102,2 auf 100.000 Einwohner lag und zwischenzeitlich für das Stadtgebiet auf 115,4 und für den Landkreis auf 99,1 gestiegen sei, was bestätige, dass weitergehende Maßnahmen über die Corona-Verordnung des Landes erforderlich blieben. Soweit die Antragstellerin die bzw. ihre Gastronomie ausnehmen wolle, sei das weitgehend diffuse Pandemiegeschehen entgegenzuhalten mit mehr als 1/3 unklarer Ursache im Stadt- und Landkreis Karlsruhe (Stand: 27.10.2020). Soweit ausgeführt werde, durch die Verbote würden die Menschen die "Feierlichkeiten" in den privaten Haushalt verlagern, so sei dem entgegenzuhalten, dass dies richtig sein möge, aber dort weniger unbekannte Kontakte mit einer beliebigen Vielzahl Dritter entstünden. Dies sei in der derzeitigen eskalierenden Situation essentiell und noch viel wichtiger, damit das Gesundheitsamt in der Lage bleibe, Infektionsketten zu durchbrechen und dem Pandemiegeschehen nicht tatenlos, sondern wirksam entgegenzutreten.

Ebenfalls am 29.10.2020 hat eine Gesellschafterin der Antragstellerin bei dem Antragsgegner Widerspruch erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 27.10.2020 gegen die Festsetzung einer Sperrzeit (Nummer 2), gegen das Ausschankverbot (Nummer 3) und gegen das Alkoholausgabeverbot (Nummer 4) in der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.10.2020 hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag der Antragstellerin ist sachdienlich dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die aktuell gültige Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.10.2020 über infektionsschützende Maßnahmen bei einer 7-Tages-Inzidenz innerhalb des Stadtkreises Karlsruhe von 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern wendet. Zwar hat die Antragstellerin den Antrag ausdrücklich gegen die Stadt Karlsruhe gerichtet. Sie hat aber die Allgemeinverfügung des Antragsgegners beigefügt und damit ihr eigentliches Rechtsschutzziel trotz anwaltlicher Vertretung noch hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. Schließlich hat sie auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis vom 29.10.2020 nicht widersprochen.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung ist maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein gebotene summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.02.2018 - 1 VR 11.17 -, juris Rn. 15). Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.1997 - 13 S 1132/96 -, juris Rn. 3; VG Karlsruhe, Beschlüsse vom 18.04.2016 - 3 K 2926/15 - und vom 25.09.2017 - 9 K 11521/17 -).

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischer Prüfung hat der Widerspruch der Antragstellerin voraussichtlich keinen Erfolg, da die Allgemeinverfügung vom 27.10.2020 rechtmäßig ist.

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 1. HS, Satz 2 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde unter anderem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten (§ 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG). Letzteres beruht auf dem Gedanken, dass bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können (vgl. BR-Drs. 566/99, S. 169 f.; BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 3 C 16.11 -, juris Rn. 26). Dabei lassen die von der baden-württembergischen Landesregierung erlassenen Regelungen das Recht der zuständigen Behörden, weitergehende Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen zu erlassen, unberührt (§ 20 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 [Corona-Verordnung] vom 23.06.2020 [in der Fassung vom 19.10.2020]).

2.2. Die Allgemeinverfügung ist voraussichtlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat das Gesundheitsamt Karlsruhe als zuständige Behörde gehandelt. Nach § 1 Abs. 6a Verordnung des Sozialministeriums über Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz ist im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite im Sinne des § 5 IfSG und des Überschreitens eines Schwellenwertes von 50 neu gemeldeten SARS-Cov-2 Fällen pro 100.000 Einwohner in den vorangehenden sieben Tagen (7-Tage-Inzidenz) innerhalb eines Stadt- oder Landkreises bis zum Ablauf des 31.05.2021 abweichend von Abs. 6 S. 1 das Gesundheitsamt für Maßnahmen nach §§ 16, 17, 28 und 31 IfSG zur Bekämpfung dieses Infektionsgeschehens zuständig. Hat der Stadtkreis kein eigenes Gesundheitsamt, trifft das zuständige Gesundheitsamt die Maßnahme im Einvernehmen mit der Ortspolizeibehörde. Das ist hier durch das nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Gesundheitsdienstgesetz (ÖGDG) zuständige Landratsamt Karlsruhe geschehen, da die Stadt Karlsruhe kein eigenes Gesundheitsamt hat. Die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" hat der Bundestag am 27.03.2020 festgestellt (https://www.bundesregierung.de/Breg-de/aktuelles/epidemie-bund-kompetenzen-1733634). Eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner lag bereits seit dem 23.10.2020, Stand 17.31 Uhr und auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung (und liegt weiterhin zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung; vgl. Abbildung 1 auf Seite 3 des COVID-19 Lageberichts des RKI vom 29.10.2020) vor.

2.3. Die Allgemeinverfügung ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG liegen vor. Gemäß § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.

Bei der durch das Virus COVID-19 verursachten Erkrankung handelt es sich um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG (s. im Einzelnen RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], Stand: 16.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html [Abruf am 29.10.2020]; RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 26.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html?nn=13490888 [Abruf am 30.10.2020]; vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 17). Ansonsten setzt § 28 Abs. 1 IfSG tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Diese Voraussetzungen liegen angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemie vor. § 28 Abs. 1 Satz 1 HS 1 IfSG ermächtigt dabei nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers auch zu Maßnahmen gegenüber Nichtstörern, soweit eine Differenzierung von Störern und Nichtstörern im Fall des SARS-CoV-2-Virus überhaupt sachgerecht ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012 - 3 C 16/11 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 09.04.2020 - 1 S 925/20 -, juris Rn. 33, und vom 13.05.2020 - 1 S 1281/20 -, juris Rn. 17). Die niedrige Eingriffsschwelle der Norm ist nicht auf Tatbestandsebene, sondern im Einzelfall gegebenenfalls auf der Ermessensebene zu kompensieren, indem an die Voraussetzungen der Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Maßnahme je nach deren Eingriffstiefe erhöhte Anforderungen zu stellen sind (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.08.2020 - 20 CS 20.182 -, juris Rn. 24 f). Daher ist es im vorliegenden Falle gleichgültig, ob die Gesellschafter der Antragstellerin und ihre Mitarbeiter selbst krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig sind.

2.4. Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Bekämpfungsmaßnahmen ist der Behörde ein Auswahlermessen eingeräumt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Maßnahmen nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um "notwendige Schutzmaßnahmen" handeln muss. Zudem sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.2012- 3 C 16.11 -, juris Rn. 23 f.; VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 - 14 L 422/20 -, juris Rn. 16; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.08.2020 - 20 CS 20.182 -, juris Rn. 27).

Das dem Antragsgegner somit eröffnete Ermessen ist nach der gebotenen summarischen Prüfung auch fehlerfrei betätigt worden.

2.4.1. Die Festsetzung der Sperrzeit für das Stadtgebiet Karlsruhe weist bei der Auswahl der Maßnahme aller Voraussicht nach keine Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO auf. Insbesondere beeinträchtigt sie die Antragstellerin voraussichtlich nicht unverhältnismäßig in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr durch Nummer 2 der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.10.2020 ist, da sie die jedenfalls teilweise Schließung von Gaststättenbetrieben zur Folge hat, als eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit anzusehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 09.04.2020 - 1 S 925/20 -, juris Rn. 44 f., vom 30.04.2020 - 1 S 1101/20 -, juris Rn. 41 f. und vom 20.08.2020 - 1 S 2347/20 -, juris Rn. 21). Insofern ist sie mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit, d. h. der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, noch gewahrt wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.02.1986 - 1 BvR 1770/83 -, juris Rn. 18, vom 15.12.1987 - 1 BvR 563/85 -, juris Rn. 90 und vom 11.02.1992 - 1 BvR 1531/90 -, juris Rn. 59; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020 - 1 S 925/20 -, juris Rn. 44 f.).

2.4.1.1. Die Festsetzung der Sperrzeit auf 23.00 Uhr für das Gebiet des Stadtkreises Karlsruhe in Nummer 2 der Allgemeinverfügung vom 27.10.2020 dient einem legitimen Zweck. Der Antragsgegner verfolgt mit der Maßnahme das Ziel, die Pandemie des Virus SARS-CoV-2 zum Schutze der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu bekämpfen sowie eine Überlastung des Gesundheitsversorgungssystems durch einen zu hohen gleichzeitigen Anstieg von Patienten mit gleichem Behandlungsbedarf zu vermeiden. Dies ist ein legitimes Ziel (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 26), welches die Antragstellerin auch nicht in Frage stellt.

2.4.1.2. Das Betriebsverbot für gastronomische Einrichtungen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr ist geeignet, einen Beitrag zur effektiven Eindämmung der Weiterverbreitung des Coronavirus zu leisten, weil es die Kontaktmöglichkeiten in den gastronomischen Einrichtungen während dieses Zeitraums beschränkt. Dabei ist eine voraussichtlich vollständige Zweckerreichung regelmäßig nicht erforderlich. Vielmehr kommt es darauf an, dass die zu treffende Maßnahme ein "Schritt in der richtigen Richtung" ist (Rachor/Graulich in Lisken/Denniger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, E. Rn. 159). Der Antragsgegner hat in der Begründung nachvollziehbar ausgeführt, dass hinsichtlich der Neuinfektionen keine schwerpunktmäßige Betroffenheit einzelner Einrichtungen bzw. abgrenzbarer Lebensbereiche mehr erkennbar sei. Es bestehe daher Anlass, die Zusammenkünfte von vielen Menschen grundsätzlich zu beschränken. Dies sei unter anderem durch die verfügte Einschränkung der Betriebszeit von gastronomischen Betrieben möglich, da damit die Zahl der Kontakte zwischen Personen und damit auch das Risiko einer Ansteckung vermindert werden könne. Die Einführung einer Sperrstunde für Gaststätten ab 23.00 Uhr diene insbesondere dazu, dem nächtlichen Ausgehverhalten der Bevölkerung ein steuerbares zeitliches Ende zu setzen.

Die Sperrzeit vermindert die Ansteckungsgefahr bereits dadurch, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen ab einer bestimmten Zeit nicht mehr in den Einrichtungen einfinden. Die Sperrstunde reduziert überdies Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu gastronomischen Einrichtungen. Zusätzlich trägt sie durch die Reduzierung der Gästezahlen dazu bei, dass die Gefahr eines Eintrags der Infektion in das weitere berufliche und private Umfeld der (ausbleibenden) Gäste reduziert wird. Angesichts der derzeit bekannten Übertragungswege des Virus COVID-19 ist die Sperrzeit eine Maßnahme, die eine Einschränkung möglicher Übertragungen zur Folge hat.

Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen. Dabei wird zwischen größeren Tröpfchen und kleineren Aerosolen unterschieden. Während insbesondere größere respiratorische Partikel schnell zu Boden sinken, können Aerosole auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen (RKI, SARS-CoV-2, Steckbrief zur Corona Krankheit 2019 (COVID-19), Stand 16.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText2). Die Aerosolausscheidung steigt bei lautem Sprechen, Singen oder Lachen stark an. In Innenräumen steigt hierdurch das Risiko einer Übertragung deutlich, auch über einen größeren Abstand als 1,5 m (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 26.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung. html). Nach den Empfehlungen des RKI bleiben daher intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Um Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich so weit wie möglich zu vermeiden, ist eine Intensivierung der gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen nötig (RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 26.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html [Abruf am: 30.10.2020]). Dem trägt die festgesetzte Sperrzeit Rechnung, indem sie - neben vielen weiteren Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2, welche auf andere Lebensbereiche abzielen und in deren Zusammenschau die Regelung zu sehen ist - einen weiteren gesellschaftlichen Bereich erfasst, bei dem die Gelegenheit zur Übertragung des Virus eingeschränkt wird (so auch VG Freiburg, Beschluss vom 26.10.2020 - 5 K 3359/20 -).

Im Übrigen trifft es zwar zu, dass sich das Infektionsrisiko in gastronomischen Einrichtungen, deren Gästezahl bereits durch die Regelungen der derzeit geltenden Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung) des Landes Baden-Württemberg vom 23.06.2020 in der ab 19. Oktober 2020 gültigen Fassung (vgl. § 4) beschränkt wird, nach 23.00 Uhr nicht anders darstellt als zuvor. Das ändert, wie ausgeführt, aber nichts daran, dass die Sperrstunde für die Zeit danach einen Beitrag zur Kontaktreduzierung leistet. Der Hinweis der Antragstellerin, bei einer verlängerten Sperrstunde würde lediglich eine Verlagerung hin zu privaten Feiern stattfinden, die nach den Feststellungen des RKI ganz maßgeblich für die steigenden Infektionszahlen ursächlich seien, stellt die Geeignetheit der Verlängerung der Sperrzeit nicht in Frage. Dabei ist zunächst darauf zu verweisen, dass nach der Corona-Verordnung sowohl Ansammlungen (§ 9 Abs. 1) als auch private Veranstaltungen (§ 10 Abs. 3 Nr. 1) von mehr als zehn Personen ohnehin verboten sind. Auch insoweit mag es zu Verstößen kommen. Dass die befürchtete Verlagerung aber zumindest annähernd im gleichen Umfang stattfinden sollte, ist nicht anzunehmen (OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2020 - 13 B 1581/20.NE -, juris Rn. 54). Angesichts der Tatsache, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass bei einer Sperrstunde um 23.00 Uhr sämtliche Gäste privat weiter feiern, kommt es aber durch die angegriffene Sperrzeitverlängerung jedenfalls zu einer Reduzierung der Kontakte bzw. Kontaktdauer.

2.4.1.3. Die Sperrzeitverlängerung ist aller Voraussicht nach auch erforderlich. Das setzt voraus, dass keine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Maßnahme, kein milderes Mittel, in Betracht kommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.10.2020 - 1 S 2871/20 -, juris Rn. 41; Rachor/Graulich in Lisken/Denniger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, E. Rn. 164). Verfassungsrechtlich geboten ist die Anwendung eines milderen Mittels aber nur bei dessen voraussichtlich gleicher Eignung für die Erreichung des angestrebten Zwecks (Rachor/Graulich, in Lisken/Denniger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, E. Rn. 165). Ein solches, gleich geeignetes milderes Mittel ist hier bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich. Sofern nach § 5 Corona-Verordnung bereits Hygienekonzepte als mildere Mittel vorgeschrieben sind, von der Antragstellerin umgesetzt und auch als wirksame Maßnahme erachtet werden (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 42), sind solche Regelungen jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet, eine Ansteckungswahrscheinlichkeit zu verringern (a.A. aber VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 - 14 L 422/20 -, juris Rn. 20).

2.4.1.4. Nach Einschätzung der Kammer ist die Sperrzeitverlängerung auch angemessen, d.h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 32). Das gilt auch in Ansehung des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Antragstellerin, der diese in Anbetracht des hinter der Bezeichnung als Cocktail-Bar mutmaßlich stehenden Konzepts schwerer treffen wird als andere vergleichbare Einrichtungen. Dem erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit steht jedoch ein nach Auffassung der Kammer noch gewichtigeres Allgemeininteresse entgegen. Die Antragstellerin stellt selbst nicht in Abrede, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie besteht. Die durch das SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 kann in Einzelfällen einen schweren, bis hin zum Tode führenden Verlauf nehmen und im Falle einer weiten, schlimmstenfalls exponentiellen Verbreitung zu einer Hospitalisierung einer Vielzahl von Personen und damit einhergehend zu einer Überlastung des Gesundheitswesens führen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2020 - 1 S 2831/20 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Die Gefahr eines exponentiellen Wachstums wird auch anhand des täglichen Lageberichts des RKI zur Corona-Virus-Krankheit-2019 vom 29.10.2020 deutlich (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Okt_2020/2020-10-29-de.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 30.10.2020). Daraus ergibt sich, dass in diesem Zeitraum die 7-Tage-Inzidenz deutschlandweit auf 99 Fälle pro 100.000 Einwohnern gestiegen ist (Am 23.10.2020 lag sie deutschlandweit noch bei 60,3 Fällen, vgl. täglicher Lagebericht vom 23.10.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Okt_2020/2020-10-23-de.pdf?__blob=publicationFile). In Baden-Württemberg ist nach dieser Quelle diese Inzidenz von 61,3 Fälle (am 23.10.2020) auf 95,9 Fälle pro 100.000 Einwohner (am 29.10.2020) gestiegen. Auch im Stadtkreis Karlsruhe stieg die 7-Tage-Inzidenz nach den Angaben des Antragsgegners von 55,4 am 23.10.2020 auf 102,2 am 29.10.2020.

Die steigenden Infektionszahlen gaben und geben mithin Anlass, über die bereits bestehenden Einschränkungen hinaus weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus SARS-CoV-2 in Form der streitgegenständlichen Sperrstundenfestsetzung zu ergreifen. Aufgrund des vom Antragsgegner in der Begründung zur Allgemeinverfügung vom 27.10.2020 zutreffend beschriebenen zunehmend diffusen Ausbreitungsgeschehens bedeutet dies, neben den bisher als hauptsächlich angeführten Infektionsquellen wie privaten Feiern oder Altenheimen auch Maßnahmen in weiteren Lebensbereichen zu ergreifen, um Zusammenkünfte von vielen Menschen generell zu beschränken. Durch das rechtzeitige Einführen örtlicher Beschränkungen soll ein Übergreifen der Infektionsdynamik auf ganz Deutschland und damit die Wiedereinführung deutsch-landweiter und umfassender Beschränkungen verhindert werden.

Hinzukommt, dass der Betrieb der Antragstellerin - anders als die Beherbergungsbetriebe in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15.10.2020 (- 1 S 3156/20 - juris) - von seinem Typ auf Kontaktaufnahme gerichtet ist. Anders als in Beherbergungsbetrieben, in denen die Gäste in abgeschlossenen Räumlichkeiten gegebenenfalls mit einer überschaubaren Personenanzahl übernachten und deren Kontaktdaten hinterlegt sind (juris Rn. 44), dient der Betrieb einer Gaststätte in den Abendstunden ab 23.00 Uhr typischerweise nicht mehr der Einnahme von Mahlzeiten, sondern der Geselligkeit.

Hinzukommt ferner, dass die Verlängerung der Sperrzeit Teil eines Bündels von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist. So wird zusätzlich der Ausschank, Verkauf und die Abgabe von alkoholischen Getränken zum alsbaldigen Verzehr über die Straße ("Gassenschank") in der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr verboten (Ziff. 3 der angefochtenen Allgemeinverfügung). Dies dient ausweislich der Begründung der angefochtenen Allgemeinverfügung auch dazu, ein Ausweichverhalten der betroffenen Kundenkreise ab der Sperrstunde in den öffentlichen Raum zu verhindern. Des Weiteren wird eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Karlsruher Innenstadt auf öffentlichen Straßen und Wegen und Plätzen sowie in öffentlichen Grünanlagen sowie auf Wochenmärkten und beim Besuch von Messen angeordnet.

Des Weiteren dürfen die durch die Corona-Verordnung eingeführten Beschränkungen nicht unberücksichtigt bleiben. Wie oben angesprochen werden in dieser private Ansammlungen und Versammlungen zahlenmäßig beschränkt. Auch wurden die Situationen, in denen eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, zuletzt erheblich ausgeweitet (vgl. § 3 Corona-Verordnung). Der Betrieb von Clubs und Diskotheken bleibt verboten (§ 13 Nr. 1 Corona-Verordnung). Dasselbe gilt für Tanzveranstaltungen mit Ausnahme von Tanzaufführungen sowie Tanzunterricht und -proben (§ 10 Abs. 5 Corona-Verordnung).

Insgesamt ist nach Auffassung der Kammer ein hinreichend systematisches Vorgehen zu erkennen, bei dem für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens erforderlichen Einrichtungen und Veranstaltungen weiterhin möglichst offengehalten werden sollen. Insoweit werden Schutz- und Hygieneanforderungen gestellt. Im Übrigen ist das Bestreben einer weitgehenden Kontaktreduzierung ersichtlich.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass die Allgemeinverfügung auf den 20.11.2020 zeitlich befristet ist und zudem bei Unterschreiten der 7-Tage-Inzidenz von 50 automatisch außer Kraft tritt.

2.4.2. Auch das Ausschank- (Nr. 2) und Alkoholverkaufsverbot (Nr. 3) erweist sich aus Sicht der Kammer als verhältnismäßig.

2.4.2.1. Beides dient ebenfalls einem legitimen Zweck. Der Antragsgegner verfolgt mit dieser Maßnahme ebenfalls das Ziel, die Pandemie des Virus SARS-CoV-2 zum Schutze der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu bekämpfen sowie eine Überlastung des Gesundheitsversorgungssystems durch einen zu hohen gleichzeitigen Anstieg von Patienten mit gleichem Behandlungsbedarf zu vermeiden. Dies ist ein legitimes Ziel (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 26), welches die Antragstellerin ebenfalls nicht in Frage stellt.

2.4.2.2. Beides ist auch geeignet, das Infektionsrisiko zu reduzieren. Alkoholkonsum kann im Einzelfall aufgrund seiner enthemmenden Wirkung zu im Hinblick auf den Infektionsschutz problematischen Verhaltensweisen (Schreien, lautes Reden, geringere Distanz zwischen Einzelpersonen etc.) im Rahmen einer Ansammlung führen. Daher trägt das Alkoholverkaufsverbot ab 22.00 Uhr sowohl im Rahmen der Gastronomie als auch ausgehend von allen übrigen Verkaufsstellen dazu bei, eine alkoholbedingte Enthemmung und eine fortgesetzte Nichtbeachtung der Hygiene und Infektionsschutzregeln zu verhindern. Die enthemmende Wirkung von Alkohol erscheint ohne Weiteres dazu angetan, die Wirksamkeit der zur Kontaktbeschränkung und zur Einhaltung von Mindestabständen im öffentlichen Raum erlassenen Regelungen (vgl. § 1 Abs. 2 und 3, § 2 Abs. 1 Corona-Verordnung) negativ zu beeinflussen. Dass die diesbezüglichen Vorgaben bei alkoholbedingter Enthemmung zwar nicht notwendigerweise vorsätzlich missachtet, aber schlicht vergessen werden können, dürfte nicht zweifelhaft sein. Im Übrigen dürfte auch davon auszugehen sein, dass die Bereitschaft zur Einhaltung hygienerechtlicher Schutzvorschriften in einer auch alkoholbedingt enthemmten Grundstimmung generell sinkt (OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2020 - 13 B 1581/20 NE -, juris Rn. 55). Der Antragsgegner hat in der Begründung der Allgemeinverfügung nachvollziehbar ausgeführt, dass Beobachtungen in der Vergangenheit gezeigt haben, dass die geltenden Maßgaben der Corona-Verordnung vor allem zu fortgeschrittener Stunde und mit fortschreitendem Alkoholkonsum missachtet wurden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Sperrstunde ab 23.00 erscheint es der Kammer nachvollziehbar, dass das Alkoholverkaufsverbot weiter dazu dient, die kontaktbeschränkenden Wirkungen der Sperrzeit zu unterstützen und fortzuführen. Denn wenn ab 23.00 Uhr sämtliche Gastronomiebetriebe endgültig schließen müssen, ist davon auszugehen, dass insbesondere in diesen Betrieben in der letzten Stunde vermehrt Alkohol konsumiert werden würde, um dem Verkaufsverbot sozusagen vorzugreifen und soweit es nach der Sperrzeit weiterhin an anderen Verkaufsstellen noch Alkohol verfügbar wäre, so wäre davon auszugehen, dass sich ab diesem Zeitpunkt, alkoholisierte Gruppen im öffentlichen Raum ansammeln, was dem Ziel der Sperrzeit, die Kontakte zu beschränken, gerade widersprechen würde.

2.4.2.3 Beide Verbote sind aller Voraussicht nach auch erforderlich. Ein milderes Mittel bei dessen voraussichtlich gleicher Eignung für die Erreichung des angestrebten Zwecks ist hier bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht ersichtlich (so auch VG Berlin, Beschluss vom 15.10.2020 - 14 L 422/20 -, juris Rn. 20). Sofern nach § 5 Corona-Verordnung bereits Hygienekonzepte als mildere Mittel vorgeschrieben sind, von der Antragstellerin umgesetzt und auch als wirksame Maßnahme erachtet werden (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 42), sind solche Regelungen jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet, eine Ansteckungswahrscheinlichkeit zu verringern. Denn wie der Antragsgegner zutreffend in seiner Begründung der Allgemeinverfügung ausführt, führt eine steigende Alkoholisierung gerade dazu, dass sich einzelne Personen oder Gruppen weniger an entsprechende Hygienevorschriften halten. Eine weitere allgemeine alleinige Sperrzeitverkürzung der Gastronomie auf 22.00 Uhr wäre dagegen für den Antragsteller belastender (Bayerischer VGH, Beschluss vom 19.06.2020 - 20 NE 20.1127 -, juris Rn. 40 ff.). Ebenso sind auch hinsichtlich des zeitlich beschränkten Verbots des Verkaufs alkoholischer Getränke, gleich geeignete, den Adressatenkreis des Verbots weniger belastende Maßnahmen nicht ersichtlich. Insbesondere stellte eine strengere Überwachung und Durchsetzung der Einhaltung der Vorgaben der Corona-Verordnung durch die Polizei- und Ordnungsbehörden schon mit Blick darauf, was insoweit angesichts der zwangsläufig begrenzten personellen Ressourcen vernünftigerweise erwartbar ist, keine gleichwertige Alternative dar (so auch OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2020 - 13 B 1581/20 NE -, juris Rn. 64). Eine Beschränkung der Verbote auf bestimmten Alkohol wäre im vorliegenden Fall auch kein milderes Mittel, da eine Alkoholisierung und die daraus folgende sinkende Bereitschaft, sich an Hygienevorschriften zu halten, nicht an eine bestimmte Sorte Alkohol geknüpft ist, sondern von jedweder Sorte ausgehen kann.

2.4.2.4. Die fraglichen Maßnahmen sind auch angemessen, d.h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen auch hier in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.10.2020 - 1 S 3156/20 -, juris Rn. 32). Das gilt auch in Ansehung des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Antragstellerin. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass jedenfalls das Ausschankverbot ab 22.00 Uhr - für den Straßenschank ist eine vergleichbare Betroffenheit nicht näher geltend gemacht und auch sonst nicht zu erkennen - einen immerhin gewichtigen Eingriff darstellen dürfte. Diesem steht jedoch ein nach Auffassung der Kammer noch gewichtigeres Allgemeininteresse entgegen. Die steigenden Infektionszahlen (vgl. zu den konkreten Zahlen insofern unter 2.4.1.4.) gaben und geben Anlass, über die bereits bestehenden Einschränkungen hinaus weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus SARS-CoV-2 in Form des streitgegenständlichen Alkoholabgabeverbots zu ergreifen. Aufgrund des vom Antragsgegner in der Begründung zur Allgemeinverfügung vom 27.10.2020 zutreffend beschriebenen zunehmend diffusen Ausbreitungsgeschehens bedeutet dies, neben den bisher als hauptsächlich angeführten Infektionsquellen wie privaten Feiern oder Altenheimen auch Maßnahmen in weiteren Lebensbereichen zu ergreifen, um Zusammenkünfte von vielen Menschen generell zu beschränken.

Den Umfang der durch die Verbote verursachten Umsatzeinbußen hat die Antragstellerin nicht mitgeteilt; schon deswegen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das zeitlich beschränkte und bis zum 20.11.2020 befristete Verbot für sich genommen ihren Betrieb existenziell bedroht. Angesichts dessen überwiegen die dargestellten öffentlichen Interessen an der Unterbindung weiterer Infektionen und der damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit und das Leben einzelner Personen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems die finanziellen Interessen der Antragstellerin (vgl. hierzu ausführlich unter 2.4.1.4.).

Ferner ist zu bedenken, dass die fraglichen Maßnahmen Teil eines Bündels von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind, welche insgesamt ausweislich der Begründung der angefochtenen Allgemeinverfügung auch gerade dazu dienen, ein Ausweichverhalten der betroffenen Kundenkreise ab der Sperrstunde in den öffentlichen Raum zu verhindern. Des Weiteren dürfen die durch die Corona-Verordnung eingeführten Beschränkungen auch beim Alkoholverbot nicht unberücksichtigt bleiben. Wie oben angesprochen werden in dieser private Ansammlungen und Versammlungen zahlenmäßig beschränkt. Auch wurden die Situationen, in denen eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, zuletzt erheblich ausgeweitet (vgl. § 3 Corona-Verordnung). Der Betrieb von Clubs und Diskotheken bleibt völlig verboten (§ 13 Nr. 1 Corona-Verordnung). Dasselbe gilt für Tanzveranstaltungen mit Ausnahme von Tanzaufführungen sowie Tanzunterricht und -proben (§ 10 Abs. 5 Corona-Verordnung).

Insgesamt ist nach Auffassung der Kammer auch hinsichtlich des Alkoholverkaufsverbots ab 22.00 Uhr ein hinreichend systematisches Vorgehen zu erkennen, bei dem die für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens erforderlichen Einrichtungen und Veranstaltungen weiterhin möglichst offengehalten werden sollen und gleichzeitig eine weitgehende Kontaktreduzierung umgesetzt werden kann.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

B E S C H L U S S

Der Streitwert wird gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG (in Anlehnung an Ziffer 45.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen) auf 5.000 € festgesetzt. Da die angegriffene Regelung spätestens mit Ablauf des 20. November 2020 außer Kraft tritt, voraussichtlich aber durch die ab dem 02.11.2020 geltende komplette Schließung aller Gastronomiebetriebe für die Dauer des Monats November keine Wirkung mehr auf die Antragstellerin haben wird, zielt der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.10.2020 - 13 B 1581/20.NE -, juris Rn. 71; VG Karlsruhe, Beschluss vom 23.10.2020 - 1 K 4274/20 -).