OLG Hamburg, Beschluss vom 25.09.2020 - 12 WF 106/20
Fundstelle
openJur 2020, 76693
  • Rkr:

1. Eine Änderung einer gerichtlich gebilligten Umgangsregelung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe ist erst dann angezeigt, wenn die Änderung „geboten“ ist, weil die für eine Änderung sprechenden Umstände die Nachteile einer solchen Änderung „deutlich überwiegen“ (vgl. BeckOGK BGB/Mehrle, Stand 1.11.2018, § 1696 Rn. 73). Ziel dieser Einschränkung der Abänderungsmöglichkeit ist es auch, Kinder vor fortwährenden Gerichtsverfahren zu schützen.

2. Es ist weder gewollt noch praktisch realisierbar, dass sämtliche gerichtlichen Umgangsregelungen, die einmal getroffen wurden, bis zur Volljährigkeit des Kindes permanent nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden. Vielmehr sollen die Eltern grundsätzlich erforderliche Anpassungen der Umgangsregelung einvernehmlich selbst vornehmen.

3. Ein Umgang, den der Berechtigte nicht einfordert, kann nicht vereitelt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. Juli 2018, 7 WF 881/17, FamRZ 2018, 595, juris Rn. 19).

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg – Harburg vom 8. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verfolgt im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsabänderungsverfahren erster Instanz weiter.

Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Aus der Ehe sind der 6-jährige K. und der 4-jährige A. hervorgegangen. Zwischen ihnen sind und waren zahlreiche Umgangs- und Sorgerechtsverfahren anhängig.

Zuletzt einigten sich die Eltern am 2. Januar 2020 in einem Umgangsvermittlungsverfahren darauf, dass der Antragsgegner einen Wochenendumgang alle zwei Monate mit seinen Söhnen und jeden Sonntag einen Videotelefonkontakt wahrnimmt. Die gerichtliche Vereinbarung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Januar 2020 gebilligt. Es erfolgte weiter ein Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung. Der Umgang wurde durch den Vater bisher nicht umgesetzt.

Unter dem 29. Juni 2020 beantragte die Antragstellerin die Umgangsvereinbarung vom 2. Januar 2020 aufzuheben. Sie bereite die beiden Söhne auf die möglichen Umgänge regelmäßig vor, die jedoch nie stattfänden. Es sei für die beiden Söhne sehr schwer nachzuvollziehen, dass es eine wirksame Umgangsregelung gebe und ihr Vater diese Möglichkeiten nicht nutze. Sie seien mittlerweile schwer enttäuscht und wollten den Kindesvater derzeit auch nicht sehen. Die Antragstellerin wolle nicht, dass die beiden Söhne weiterhin durch eine nicht umgesetzte Umgangsregelung enttäuscht würden. Dazu möchte sie nicht eventuellen Ordnungsmittelanträgen des Antragsgegners ausgesetzt sein. Sie wünsche sich für ihre Söhne weiterhin eine stabile Beziehung und regelmäßige Umgänge mit dem Antragsgegner.

Das Familiengericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 8. Juli 2020 zurückgewiesen. Es bestehe kein Regelungsbedürfnis und die von der Antragstellerin erstrebte Aufhebung der getroffenen Umgangsvereinbarung sei als Regelung nicht vorgesehen. Die Umstände hätten sich nicht geändert und es sei keine Umgangsregelung ersichtlich, welche den Bedürfnissen und Gegebenheiten besser gerecht werden könne. Der Antragsgegner nehme den Umgang nicht wahr. Eine zwangsweise Durchsetzung sei von der Mutter nicht gewollt und mache keinen Sinn. Da der Antragsgegner den Umgang nicht wahrnehme stehe auch nicht zu befürchten, dass der Vater im Falle eines Sinneswandels mit einem Ordnungsmittelantrag reagiere. Dies sei ihm verwehrt, da er sich selbst nicht an die Umgangsregelung halte.

Gegen die Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie beantragt nunmehr, den Umgang anderweitig zu regeln. Die Existenz der Umgangsregelung löse bei den Kindern Erwartungen aus, die enttäuscht würden. Die Situation sei für die Kinder und die Antragstellerin belastend. Sie benötigten Planungssicherheit. Es sei für die Kinder leichter, wenn die Umgänge entweder seltener stattfänden oder für einen bestimmten Zeitraum ganz ausgesetzt würden. Zudem sei sehr wohl denkbar, dass der Antragsgegner plötzlich wieder auf Umgänge bestehe und die Antragstellerin mit einem Ordnungsmittelverfahren überziehe.

II.

Die gemäß §§ 76 Abs. 1, 2 FamFG, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Antragstellerin verfolgt ihr Ziel einer Neuregelung des Umgangs nicht im Wege eines erneuten Umgangsvermittlungsverfahrens gemäß § 165 FamFG, sondern in einem Abänderungsverfahren gemäß § 166 Abs. 1 FamFG. Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB ist ein gerichtlich gebilligter Vergleich zum Umgangsrecht zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Der Maßstab des § 1696 Abs. 1 ist als qualifizierte positive Kindeswohlprüfung strenger als der in anderen Vorschriften vorgesehene Maßstab einer einfachen positiven Kindeswohlprüfung. Bei der Abänderung einer Umgangsregelung sind die Anforderungen für eine Abänderung niedriger als bei der Abänderung einer Sorgeentscheidung (vgl. MükoBGB/Lugani, 8. Auflage 2020, § 1696 Rn. 24). Ziel dieser Einschränkung der Abänderungsmöglichkeit ist es auch, Kinder vor fortwährenden Gerichtsverfahren zu schützen (vgl. BeckOK BGB/Veit, Stand 1.11.2019, § 1696 Rn. 14). Eine Änderung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe soll dann angezeigt sein, wenn die Änderung „geboten“ ist, weil die für eine Änderung sprechenden Umstände die Nachteile einer solchen Änderung „deutlich überwiegen“ (vgl. BeckOGK BGB/Mehrle, Stand 1.11.2018, § 1696 Rn. 73).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es ist weder von der Antragstellerin vorgetragen noch ersichtlich, dass sich eine Abänderung der vereinbarten Umgangsregelung positiv auf das Kindeswohl auswirken würde.

Es ist weder gewollt noch praktisch realisierbar, dass sämtliche gerichtlichen Umgangsregelungen, die einmal getroffen wurden, bis zur Volljährigkeit des Kindes permanent nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden. Vielmehr sollen die Eltern grundsätzlich erforderliche Anpassungen der Umgangsregelung einvernehmlich selbst vornehmen (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Auflage 2020, § 89 Rn. 17). Die Antragstellerin hat vorliegend nicht einmal den Versuch einer außergerichtlichen Abänderung der Umgangsregelung dargelegt. Die von ihr im gerichtlichen Verfahren aufgezeigten Möglichkeiten zur Neuregelung des Umgangs überzeugen nicht.

Für den von der Antragstellerin in den Raum gestellten befristeten Ausschluss des Umgangs des Antragsgegners gemäß § 1684 Abs. 4 BGB mit seinen Söhnen genügen die dargelegten Gründe nicht. Eine Kindeswohlgefährdung ist nicht ansatzweise erkennbar.

Eine gerichtliche Regelung größerer Abstände zwischen den seltenen Umgangsterminen würde auch nicht zum Ziel führen. Der Antragsgegner nimmt nach dem Vortrag der Antragstellerin derzeit gar keinen Umgang wahr. Die Gründe dafür hat die Antragstellerin nicht genannt. Sie hat auch nicht vorgetragen, ob und inwieweit sie mit dem Antragsgegner über eine Neuregelung des Umgangs gesprochen hat und ob sie nach den Gründen für die ablehnende Haltung des Antragsgegners gefragt hat. Deshalb ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen der Antragsgegner bei einer geänderten Umgangsregelung den Umgang mit seinen beiden Söhnen wahrnehmen sollte. Weiter lässt sich durch eine Neuregelung des Umgangs nicht vermeiden, dass die Kinder durch die Nichtwahrnehmung von Umgängen durch den Antragsgegner nicht wieder enttäuscht werden. Eine Enttäuschung der Kinder ließe sich zielführender durch eine Kommunikation der Eltern untereinander als durch eine gerichtliche Abänderung der Umgangsregelung erreichen. Aber auch die Antragstellerin hat nicht dargelegt, inwieweit sie im Vorfeld der nur alle zwei Monate stattfindenden Umgangstermine (vergeblich) Kontakt zum Antragsgegner aufgenommen hat um zu erfahren, ob dieser den Umgang wahrnehmen wird.

Schließlich ist eine Abänderung auch nicht deswegen angezeigt, weil der Antragstellerin ein Ordnungsmittel wegen der Nichteinhaltung der gerichtlich gebilligten Umgangsregelung droht. Dies ist nicht der Fall. Denn ein Umgang, den der Berechtigte nicht einfordert, kann nicht vereitelt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. Juli 2018, 7 WF 881/17, FamRZ 2018, 595, juris Rn. 19).

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (§§ 76, FamFG; 127 Abs. 4 ZPO).