OLG Zweibrücken, Urteil vom 26.06.2020 - 2 U 16/19
Fundstelle
openJur 2020, 76611
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz teilweise geändert und insgesamt neugefasst:

1. 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und dessen Ehefrau E... S...-L... als Mitgläubiger 73.099,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger und dessen Ehefrau E... S...-L... als Mitgläubiger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.085,95 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen.

II. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht den Beklagten im Wege der Steuerberaterhaftung dafür verantwortlich, dass seine Ehefrau infolge einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Beratung eine Eigentumswohnung vor Ablauf der 10-Jahresfrist veräußerte und dadurch einen Steuerschaden erlitt.

Der Kläger ist Inhaber eines Kfz-Reparaturbetriebes, seine Ehefrau ist Erzieherin und verfügt über Immobilienvermögen. Über mehrere Jahre übernahm der Beklagte die steuerliche Beratung für die Eheleute. In diesem Zusammenhang erstellte er Einkommenssteuererklärungen sowie die laufende Buchhaltung des Kfz-Reparaturbetriebes. In den vergangenen Jahren wurden die Eheleute L... gem. § 26 des EStG gemeinsam veranlagt.

Die Ehefrau des Klägers erwarb im Jahr 2006 eine Eigentumswohnung im L... "H..." zu einem Kaufpreis von 235.000,00 €, die seit dem Jahr 2007 an den späteren Käufer der Wohnung vermietet war. Die Wohnung befindet sich in einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex. Seit dem Erwerb der Wohnung machten die Eheleute L.../S...-L... im Rahmen ihrer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung neben der linearen Abschreibung (§ 7 Abs. 4 EStG) auch Kosten für Wiederherstellungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach § 7 i EStG ("Sonder-AfA") steuerlich geltend.

Nachdem der Mieter der Wohnung sein Erwerbsinteresse bekundet hatte, veräußerte die Ehefrau des Klägers die Wohnung mit notariellem Vertrag vom 11. Dezember 2014 zu einem Kaufpreis von 286.500,00 €. Der Kaufpreis wurde im Jahr 2015 an die Ehefrau des Klägers gezahlt.

Vor dem Verkauf hatte die Ehefrau des Klägers mit der Zeugin W... (Mitarbeiterin des Beklagten) über die steuerlichen Auswirkungen eines Verkaufs der Eigentumswohnung gesprochen.

In einer E-Mail vom 28. Mai 2014 erklärte die Zeugin W...: "(...) Die Frist privater Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücke liegt innerhalb von 10 Jahre zwischen Anschaffung und Veräußerung".

In der vom Büro des Beklagten erstellten Einkommenssteuererklärung für 2015 wurde der Veräußerungserlös aus dem Verkauf der Wohnung in Ansatz gebracht, wobei die bis zum Veräußerungszeitpunkt geltend gemachten Sonderabschreibungen gewinnerhöhend nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG berücksichtigt wurden. Die vom Finanzamt festgesetzte Nachzahlung wurde von der Ehefrau des Klägers beglichen.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 erhob der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten den Vorwurf der Falschberatung, den der Beklagte im nachfolgenden Schriftwechsel zurückwies.

Der Kläger beziffert seinen Schadensersatzanspruch auf 73.099,31 €. Den vorgenannten Betrag errechnet er aus der Differenz der Steuerlast für das Jahr 2015 mit und ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns aus § 23 EStG.

Der Kläger hat behauptet, auf Nachfrage seiner Ehefrau nach den steuerlichen Folgen eines Wohnungsverkaufs vor Ablauf von zehn Jahren (seit dem Erwerb) habe die Mitarbeiterin des Beklagten (Zeugin W...) lediglich darauf hingewiesen, dass bei Veräußerung der Wohnung die bis zum Ablauf der Veräußerungsfrist noch nicht in Anspruch genommene Sonder-AfA verloren gehe, diese mithin für die Jahre 2015 und 2016 nicht mehr in Anspruch genommen werden könnte. Diese Mitteilung sei für den Entschluss zum Verkauf der Wohnung maßgeblich gewesen, da der Verlust der Abschreibungsmöglichkeit für 2 Jahre akzeptabel erschien. Bei richtiger Information über die weiteren steuerlichen Folgen hätte sie dem Verkauf der Wohnung erst nach Ablauf der Spekulationsfrist von 10 Jahren vorgenommen.

Der Beklagte hat behauptet, es fehle bereits an einer vertraglichen Grundlage für eine Haftung, insbesondere habe es kein Dauermandat gegeben. Ein Vertragsverhältnis über die Beratung im Hinblick auf die Immobilientransaktion sei nicht begründet worden. Vielmehr habe die Ehefrau des Klägers in der ersten Hälfte des Jahres 2014 beiläufig gegenüber der Zeugin W... erwähnt, dass sie eine Veräußerung der Wohnung im "H..." erwäge und habe in diesem Zusammenhang um Mitteilung gebeten, wann die Spekulationsfrist ablaufe. In diesem Zusammenhang sei über die Einzelheiten des geplanten Verkaufs der Wohnung nicht gesprochen worden.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen E... S...-L... (Ehefrau des Klägers) und Renate W... (Mitarbeiterin des Beklagten).

Mit Urteil vom 11. Juli 2019, auf das wegen zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstand erster Instanz sowie wegen der Gründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, 36.715,17 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen hat die Kammer die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Anspruch folge aus § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 2 und Abs. 3 ("cic"). Durch die Anfrage der Ehefrau des Klägers bei der Zeugin W... sei ein vertragsähnliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB zustande gekommen. Es sei nämlich im Rahmen eines Steuerberatungsverhältnisses eine Anfrage mit steuerlicher Relevanz an den Berater gerichtet worden. Als langjähriger Mandant des Beklagten habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass auch auf die von seiner Ehefrau gerichtete Anfrage über den Ablauf der Spekulationsfrist zutreffende und eingehende Hinweise erteilt werden, so dass eine informierte Entscheidung darüber ermöglicht wird, ob ein spezieller Auftrag zur Prüfung der Entstehung und gegebenenfalls zur Berechnung des Spekulationsgewinns erteilt werden sollte. Von Beklagtenseite habe die Verpflichtung bestanden, aufgrund der erlangten Kenntnis über die in Rede stehende Immobilientransaktion auf mögliche steuerliche Nachteile hinzuweisen.

Der Zusammenhang zwischen Transaktion und Steuerfolge sei im vorliegenden Fall offenkundig gewesen. Wenn - wie hier - ein Mandant nach Veräußerungsfristen frage, müsse der Steuerberater zumindest einen Warnhinweis auf bislang nicht geprüfte Risiken geben. Er könne nämlich nicht davon ausgehen, dass der Mandant die Einzelheiten der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen ausreichend verstehe. Vorliegend bestehe die Besonderheit darin, dass der steuerlich relevante Veräußerungsgewinn (§ 23 Abs. 3 EStG) sich nicht nur auf dem Veräußerungspreis abzgl. Anschaffungs- und Herstellungskosten und Werbungskosten errechne, sondern sich die Anschaffungs- und Herstellungskosten auch noch um Absetzungen für Abnutzungen, sowie um Sonderabschreibungen vermindere (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG).

Dass ein entsprechender Informationsaustausch stattgefunden habe, ergebe sich aus den Aussagen der Zeuginnen S...-L... und W..., die sich mit dem Schriftverkehr zwischen den Parteien in Einklang bringen lasse. Die letztlich von der Zeugin W... erteilten Informationen enthielten pflichtwidrig keinen Hinweis darüber, welche Folgen insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG zu erwarten waren. Auch die Zeugin W... habe bekundet, dass sie Erinnerungen daran habe, dass die Zeugin S...-L... ihr mitgeteilt habe, die Wohnung im "H..." vielleicht verkaufen zu wollen. Dabei sei nach der Frist nach den Sonderabschreibungen gefragt worden. Sie habe der Zeugin S...-L... Informationen gegeben dazu, wie lange die Sonderabschreibungen (zum Zeitpunkt der Anfrage) noch laufe. Weitere Informationen seien nicht erteilt worden.

Selbst wenn eine Haftung aufgrund eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses verneint würde, käme eine Haftung wegen des bestehenden Dauermandats in Betracht, da der Beklagte bereits seit den 1990er Jahren der steuerliche Berater des Klägers gewesen sei. In deren Zusammenhang habe der Beklagte auch gerade von den Abschreibungen im Zusammenhang mit der Wohnung im "H..." gewusst.

Das notwendige Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) werde vermutet. Das Verschulden der Zeugin W... sei dem Beklagten gem. § 278 BGB zuzurechnen. Die Pflichtverletzung sei auch kausal für einen Schaden des Klägers. Es stehe fest, dass die Wohnung im H... nicht innerhalb der Spekulationsfrist veräußert worden wäre, wenn der Kläger und seine Ehefrau über die steuerlichen Folgen der Veräußerung hinreichend belehrt worden wären. Die Zeugin S...-L... habe insoweit glaubhaft bekundet, dass sie die Immobilie nur habe veräußern wollen, weil sie dann mit Dingen wie Hausverwaltung oder Bewohnerversammlungen im Zusammenhang mit der WEG nichts mehr zu tun gehabt hätte. Auch sei die Veräußerung nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung eines neuen Objektes in O... erfolgt. Dessen Finanzierung sei vielmehr auch ohne den Verkaufserlös gesichert gewesen.

Den aus dem Veräußerungsgewinn und dem Zinsbetrag errechneten Schadensbetrag könne der Kläger aber nur zu 50 Prozent geltend machen. Im Hinblick auf die Einkommenssteuerschuld sei der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau Gesamtschuldnerin, wobei ohne vertragliche Regelung im Innenverhältnis von einer hälftigen Teilung auszugehen sei (§ 44 AO, § 421 BGB). Im Laufe des Verfahrens habe sich herausgestellt, dass die Zahlung der Steuerschuld über das Konto der Ehefrau abgewickelt worden sei. Der Kläger könne nur den Betrag als Schaden geltend machen, in dessen Höhe er nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Wege des Gesamtschuldnerausgleiches hafte. Daher könne er nur 50 Prozent des Schadens verlangen. Es spiele insoweit keine Rolle, ob die Zahlung durch die Ehefrau oder durch den Kläger geleistet worden sei, da jeweils Gesamtschuldnerausgleichsansprüche bestünden.

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien.

Der Kläger trägt vor, entgegen der Auffassung des Erstgerichtes könne der Kläger den gesamten Schaden geltend machen, der den Eheleuten L.../S...-L... entstanden sei. Verträge über die Erstellung einer Einkommenssteuererklärung unter Zusammenveranlagung seien gemäß § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB den Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfes zuzuordnen. Hieraus folge, dass gem. § 432 BGB bei einem solchen Vertrag Leistung an alle gefordert werden könne. Zuletzt habe der Kläger auch die Zahlung an sich und seine Ehefrau verlangt. Die Aufteilung des Schadens im Innenverhältnis der Eheleute spiele dagegen für die Berechnung des Schadens keine Rolle. Aus diesem Grund seien auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe erstattungsfähig.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 11. Juli 2019 den Beklagten zu verurteilen,

1. an den Kläger sowie dessen Ehefrau, Frau E... S...-L..., 73.099,91 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen,

2. an den Kläger weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 495,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. August 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 11.07.2019 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,

zwischen den Parteien sei kein Beratungsvertrag zustande gekommen. Vor dem Hintergrund, dass die Immobilientransaktion alleine von der Ehefrau des Klägers vorgenommen worden sei und auch nur diese den Beklagten aufgesucht habe, komme allenfalls mit der Ehefrau des Klägers ein Vertragsverhältnis in Betracht. Die Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter habe der Kläger nicht dargelegt. Der Beklagte habe auch keine Pflichten gegenüber dem Kläger oder seine Ehefrau verletzt. Die gestellten Fragen seien vielmehr vollständig und zutreffend beantwortet worden. Schließlich sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden. Die Wohnung im "H..." sei von der Ehefrau des Klägers alleine erworben und alleine veräußert worden. Der Kaufpreis für die Wohnung sei auch alleine an die Ehefrau gezahlt worden. Auch den Kredit, mit dem die Steuernachzahlung beglichen worden sei, sei alleine von der Ehefrau des Klägers aufgenommen worden. All dies habe sich auf das Vermögen des Klägers nicht ausgewirkt. Es stehe auch kein Steuerschaden des Klägers im Raum. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei die Steuerlast bereits vollständig durch dessen Ehefrau bereinigt gewesen. Soweit das Landgericht im Hinblick auf die Einkommenssteuerschulden auf die Gesamtschuldnerschaft nach § 44 AO i. V. m. § 426 BGB verweise, möge dies aus steuerlicher Hinsicht zutreffend gewesen sein. Zivilrechtlich sei allein die Zeugin S...-L... verpflichtet gewesen, die Steuerlast zu tragen. Denn sie sei es gewesen, die die Steuerlast ausgelöst habe und die zu versteuernden Einnahmen erzielt habe. Sie sei mithin im Innenverhältnis alleine verpflichtet gewesen, die Steuerlast zu tragen. Die Annahme, dass die Ehefrau die wirtschaftlichen Vorteile gehabt hätte, der Kläger aber die wirtschaftlichen Nachteile zur Hälfte tragen müsse, sei absurd. Da die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation nicht gegeben seien, könne der Kläger nicht etwaige Ansprüche seiner Frau geltend machen. Ohnehin sei unklar, weshalb der Kläger selbst und nicht seine Ehefrau die Klage erhoben habe.

Mit Einverständnis der Parteien hat der Senat mit Beschluss vom 5. Mai 2020 das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs.2 ZPO angeordnet und einen Hinweis zur Sach- und Rechtslage erteilt.

II.

Die Berufungen beider Parteien sind verfahrensrechtlich bedenkenfrei. In der Sache hat die Berufung des Klägers mit den zuletzt gestellten Anträgen vollen Erfolg, wohingegen die Berufung des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen ist.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist in Höhe von 73.099,91 € begründet und folgt aus §§ 675, 280 Abs.1, 241 Abs.2 BGB

Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis in Form eines Dauermandates (1.). Durch die auf Nachfrage nur unzureichend erteilte Auskunft der Mitarbeiterin W... hat der Beklagte zumindest eine Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs.2 BGB verletzt (2.). Diese Pflichtverletzung hat der Beklagte auch im Sinne des § 280 Abs.1 Satz 2 BGB zu vertreten, da ihm das Verschulden seiner Mitarbeiterin, der Zeugin W..., gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen ist (3.). In der Folge hat der Beklagte den vermeidbaren Steuerschaden zu ersetzen (4), der beiden Eheleuten gemeinsam entstanden ist (5.). Diesen Schaden kann der Kläger allein in voller Höhe verlangen (6.), solange er die Zahlung an sich und seine Ehefrau verlangt. Schließlich sind auch mit der Berufung des Klägers weiter verfolgten Nebenforderungen in vollem Umfang begründet (7.)

Im Einzelnen:

1. Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis in Form eines Dauermandates. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war der Beklagte bereits seit den 1990er Jahren (mit einer Unterbrechung) steuerlicher Berater des Klägers und seiner Ehefrau. Für den Kfz-Reparaturbetrieb des Klägers übernahm er die Lohnbuchhaltung, für die Eheleute hat er die Einkommenssteuererklärungen gefertigt. In diesem Zusammenhang hat er auch und gerade die Einkünfte der Ehefrau des Klägers aus der Vermietung der Eigentumswohnung einschließlich der Geltendmachung der Sonderabschreibungen nach § 7 i EStG erklärt. Dass die Parteien im vorgenannten Umfang in einer vertraglichen Verbindung zueinander standen, stellt auch der Beklagte nicht konkret in Abrede. Auch aus seiner Berufungsbegründung lässt sich entnehmen, dass er die "alljährliche steuerlichen Veranlagung" des Klägers und seiner Ehefrau bearbeitet hat. Im Zuge dessen waren beide Eheleute Vertragspartner des Klägers.

2. Es kann dahin stehen, ob der unstreitige Informationsaustausch zwischen der Zeugin S...-L... und der Zeugin W... eine über das bestehende Dauermandat hinausgehendes gesondertes Mandat zur Aufklärung über die steuerlichen Auswirkungen der Immobilientransaktion begründet hat, das die Beratung eines steueroptimierten Vorgehens im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung beinhaltet hätte. Denn er hat jedenfalls Neben- und Rücksichtspflichten des Steuerberaters im Sinne des § 241 Abs.2 BGB begründet (a.), die hier verletzt (b.) worden sind.

a. Die Aufgabe (und damit der Pflichtenkreis) des Steuerberaters richtet sich zwar grundsätzlich zunächst nach dem Inhalt und dem Umfang des erteilten (Dauer-)Mandats. Der Steuerberater ist dabei verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es nach gefestigter höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung, den Mandaten nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage treten, hinzuweisen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12; Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15. April 2014 - 3 U 633/13). Vorliegend trat im Vorfeld des Verkaufs der Eigentumswohnung eine steuerrechtliche Fehleinschätzung der Ehefrau des Klägers offen zu Tage, da sie glaubte, im Falle eines Verkaufs vor Ablauf der 10-Jahresfrist nur die Abschreibungsmöglichkeiten für die kommenden Jahre zu verlieren, aber nicht im Blick hatte, dass der Veräußerungsgewinn zu versteuern ist und dass bei dessen Ermittlung nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG die in der Vergangenheit in Anspruch genommenen Abschreibungen (einschließlich Sonder-AfA) die Anschaffungskosten vermindern und damit den steuerrechtlich relevanten Gewinn (und damit auch die Steuerlast) in beträchtlichem Umfang erhöhen (vgl. zur Rechtslage Ratschow in Blümisch, EStG, Stand: November 2019, § 23 Rn. 190). Von dieser Fehleinschätzung der Ehefrau des Klägers hat der Beklagte über seine Mitarbeiterin, der Zeugin W..., im Zuge der Nachfrage erfahren. Die Ehefrau des Klägers hat die Zeugin W... nicht nur von dem geplanten Verkauf der Eigentumswohnung in Kenntnis gesetzt, sondern ihr auch zu verstehen gegeben, dass sie sich über die etwaigen steuerrechtlichen Auswirkungen Gedanken machte und hierbei die aufgezeigte Problematik (Versteuerung des Veräußerungserlöses, Problematik der AfA der Vorjahre) offensichtlich nicht im Blick hatte. Dies folgt sowohl aus der Aussage der Zeugin S...-L... (Ehefrau des Klägers) als auch aus der Aussage der Zeugin W....

b. Die Verletzung der Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB besteht darin, dass der Beklagte die offen zutage getretene Fehlvorstellung über die steuerlichen Folgen eines Verkaufs der Wohnung innerhalb des 10-Jahreszeitraums nicht ausräumte, sondern verstärkte. Die Zeugin W... selbst bekundete gegenüber dem Erstgericht, die Zeugin L... habe ihr mitgeteilt, dass sie die Wohnung "vielleicht verkaufen wolle". In diesem Zusammenhang habe sie gefragt, "was mit der Sonderabschreibung ist" (Bl. 343 d.A.). Die an die Zeugin W... gerichtete Frage beschränkte sich nach der eigenen Darstellung der Zeugin W... nicht auf die Dauer und den Ablaufzeitpunkt der Frist. Wer an ein Steuerberaterbüro die Frage richtet, "was [im Falle des Verkaufs] mit der Sonderabschreibung ist", will über die steuerlichen Folgen des Verkaufs informiert werden und gibt zu verstehen, gerade keine Kenntnis von den Einzelheiten zu haben. Nach eigenen Angaben hat die Zeugin W... ausweislich der Vernehmungsniederschrift des Erstgerichtes (Bl. 343 d.A.) der Ehefrau des Klägers nur mitgeteilt "wie lange die Sonderabschreibung noch läuft" und "dass sie zwei Jahre verlieren würde und diese 10-Jahresfrist gelten würde". Die während des gesamten Verfahrens vertretene Position des Beklagten, die gestellte Frage sei mit dieser Information "vollständig und zutreffend" beantwortet worden (Bl. 492 d.A.), vermag der Senat - zumal aus Sicht eines Steuerberaters - nicht nachzuvollziehen. Die erteilte Auskunft der Zeugin W... war offensichtlich unzureichend und irreführend.

Die Frage, "was mit der Sonderabschreibung ist", konnte in der vorliegenden Situation nicht alleine mit dem Verweis auf den Verlust künftiger Abschreibungen vollständig beantwortet werden. Vielmehr besteht die wesentliche Auswirkung in der Versteuerung des Veräußerungsgewinnes und den von § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG vorgegebenen Berechnungsparametern. Die resultierenden steuerrechtlichen Folgen waren gerade in Bezug auf die Wohnung im "H..." mit drastischen steuerlichen Folgen verbunden, da seit dem Erwerb in beträchtlichem Umfang Sonderabschreibungen in Anspruch genommen wurden, die den steuerrechtlich maßgeblichen Veräußerungsgewinn (und damit im Ergebnis die Steuerlast) erhöhen. Aus Sicht eines Steuerberaters stellte sich der Verkauf der Wohnung vor Ablauf der 10-Jahresfrist als offen zutage getretene Fehlentscheidung dar. Bei dieser Sachlage hätte die Ehefrau des Klägers auf die vorgenannten steuerlichen Folgen hingewiesen werden müssen sowie darauf, dass die Problematik nach Ablauf der 10-Jahresfrist nicht mehr besteht. Aus Anlass der Nachfrage hätte es dieser Klarstellung auch ohne ausdrückliches Mandat zur Beratung bedurft. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte in den Vorjahren mit den Einkommenssteuererklärungen der Eheleute betraut war, wäre er unter dem Gesichtspunkt der Neben- und Rücksichtspflicht dazu angehalten gewesen, über die steuerlichen Folgen eines Wohnungsverkaufs vollumfänglich aufzuklären. Ohne gesondertes Mandat konnten die Eheleute L.../S...-L... zwar keine Detailauskunft mit Steuerberechnung verlangen. Aus Sicht des Beklagten hätte aber mit Rücksicht auf die Belange seiner Mandanten zumindest der dringende Anlass dazu bestanden, über die Risiken im Großen und Ganzen aufzuklären sowie zu einer detailierten Beratung anzuraten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die steuerrechtliche Behandlung der Immobilientransaktion in einem engen Zusammenhang zu der Einkommenssteuererklärung der Eheleute L... stand, die fortlaufend von dem Büro des Beklagten bearbeitet wurde.

3. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Die gesetzliche Vermutung des § 280 Abs.1 Satz 2 BGB ist nicht ausgeräumt, sondern bestätigt worden. Er muss sich das Verschulden seiner Mitarbeiterin W... gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Da die Zeugin W... die Ansprechpartnerin für die Klägerseite im Büro des Beklagten war, ist dem Beklagten auch deren Wissen um die wesentlichen Vorgänge (insbesondere die in der Vergangenheit in Ansatz gebrachten Sonderabschreibungen) gem. § 166 Abs. BGB zuzurechnen (zur Wissenszurechnung in einem ähnlich gelagerten Fall vgl. Schröder, DStR 2011, 191).

4. Durch den Verkauf vor Ablauf der 10-Jahresfrist ist den Eheleuten L... im Zuge ihrer Zusammenveranlagung zur Einkommenssteuer ein Steuerschaden in Höhe von 73.099,91 € entstanden (unstreitige Steuermehrbelastung infolge der Besteuerung des Veräußerungsgewinnes im Veranlagungszeitraum 2015).

Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist gegeben. Es ist davon auszugehen, dass die Ehefrau des Klägers bei ordnungsgemäßer Information durch den Beklagten den Verkauf der Eigentumswohnung bis zum Ablauf der 10-Jahresfrist zurückgestellt hätte. Ihren Einwand, es habe sich um einen unvermeidbaren Notverkauf gehandelt, hat der Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr aufgegriffen. Es erscheint im Übrigen auch nicht plausibel. Der Kläger hat unter Verweis auf Erklärungen der Banken aufgezeigt, dass jedenfalls keine Dringlichkeit zum Verkauf unter Hinnahme eines Steuerschadens von mehr als 70.000,00 € bestanden hat. Er hat nachvollziehbar und überzeugend dargetan, dass die Wohnung in Kenntnis der steuerrechtlichen Auswirkungen erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Ablauf der 10-Jahresfrist verkauft worden wäre. Gegenüber dem Erstgericht hat die Ehefrau den Verkaufsentschluss auch plausibel damit begründet, dass sie lediglich die Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft als lästig empfunden habe. Diese Erwägungen wären bei lebensnaher Betrachtung zurückgestellt worden, wenn sie Kenntnis von den steuerlichen Folgen des vorzeitigen Verkaufs gehabt hätte.

5. Der Steuerschaden ist den Eheleuten L.../S...-L... gemeinsam entstanden, da sie im Außenverhältnis für die Steuerforderung der Finanzbehörde als Gesamtschuldner haften (§ 44 AO). Der gebotene Vergleich der Gesamtvermögenssituation mit und ohne schädigendes Ereignis orientiert sich am Gesamtvermögen der zusammen veranlagten Ehegatten. Mit seinem hiergegen zuletzt vorgebrachte Einwand, "die Ehegatten" seien kein Rechtssubjekt im Sinne der deutschen Rechtsordnung und könnten daher keinen Schaden erleiden, verkennt der Beklagte die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte und hat den Hinweis des Senates mit Beschluss vom 5. Mai 2020 offenkundig fehlinterpretiert. Maßgeblich ist, dass der Kläger und seine Ehefrau als Parteien des Steuerberatervertrages gemeinsam eine unteilbare Beratungsleistung in Anspruch genommen haben. Infolge der (ebenfalls unteilbaren) Nebenpflichtverletzung des Beklagten gegenüber beiden Eheleuten ist den Eheleuten ein gemeinsamer Schaden in Form einer Steuermehrbelastung entstanden. Inhaber dieses (streitgegenständlichen) Schadensersatzanspruches sind nicht "die Eheleute" als eigenständiges Rechtssubjekt, sondern der Kläger und seine Ehefrau in schlichter Forderungsgemeinschaft, mithin als Mitgläubiger im Sinne des § 432 BGB. Diese Bewertung des Senates steht in Einklang mit der gefestigten höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fallkonstellationen (Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 16. Mai 2002, 4 U 105/01; Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2004, 23 U 101/04; Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 12. April 2010, 14 U 2159/08; BGH, Urteil vom 5. März 2009, III ZR 302/07). Gegenüber einem Mitgläubiger kann sich der Beklagte als Schädiger und Schuldner des Schadensersatzanspruches nicht darauf berufen, der Anspruch stehe im Innenverhältnis nicht dem einen, sondern dem anderen Mitgläubiger zu. Aus diesem Grund bedarf es nicht der Voraussetzungen der Drittschadensliquidation, denn aus Sicht des Klägers liegt kein fremder, sondern ein eigener Schaden vor.

Unerheblich ist auch der Einwand, zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung fehle es an einem Schaden in Gestalt eines Steuerschadens, da die Ehefrau des Klägers ihre Steuerschulden inzwischen durch Zahlung aus eigenen Mitteln beglichen habe. Mit der Begleichung der Steuerschuld ist im Verhältnis zum Beklagten keine Schadenskompensation eingetreten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Ehefrau des Klägers mit der Zahlung (auch) die Schadensersatzforderung des Beklagten erfüllen wollte. Da eine derartige Bestimmung weder vorgetragen noch ersichtlich ist und geradezu abwegig erscheint, hat die Begleichung der Steuerschuld allenfalls Auswirkungen auf das Innenverhältnis der Eheleute, nicht jedoch auf die in Mitgläubigerschaft bestehende Regressforderung gegenüber dem Beklagten. Die von Beklagtenseite im Schriftsatz vom 29. Mai 2020 angeführten Rechtsprechungszitate zur Schadensberechnung geben dem Senat keinen Anlass zu einer anderen Bewertung, da den zitierten Entscheidungen durchweg Fallgestaltungen zugrunde lagen, die in keinem Zusammenhang zu den hier maßgeblichen Fragestellungen stehen.

6. Aufgrund der Mitgläubigerschaft (§ 432 Abs.1 Satz 1 BGB) ist der Kläger berechtigt, den gesamten, den Eheleuten entstandenen Schaden alleine geltend zu machen, muss aber Zahlung an sich und seine Ehefrau verlangen. Diesen Anforderungen werden die zuletzt gestellten Anträge des Klägers gerecht.

Zur Geltendmachung des gesamten Anspruchs wäre er wegen § 1357 Abs.1 BGB auch dann berechtigt, wenn ein Vertragsverhältnis nur zwischen seiner Ehefrau und dem Beklagten vorläge und die Pflichtverletzung nur gegenüber der Zeugin S...-L... verübt worden wäre (Oberlandesgericht Düsseldorf aaO). Das Geschäft, das der Deckung des Lebensbedarfes dient, wäre hierbei nicht die Immobilientransaktion, sondern die Erteilung des steuerrechtlichen Mandates. In Anbetracht der vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse und des maßgeblichen Lebenszuschnitts (Selbständigkeit des Klägers, Mieteinnahmen) ist die Beauftragung eines Steuerberaters angemessen und stellt ein Geschäft dar, das regelmäßig von einem Ehegatten auch ohne Konsultation und Mitwirkung des anderen Ehegatten erledigt werden kann.

7. Aus §§ 280 Abs.1, 241 Abs.2, 675 BGB kann der Kläger auch Erstattung der Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung verlangen. Der Anspruch besteht unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer auch in der geltend gemachten Gesamthöhe von 2.085,95 €. Da die Rechtsverfolgungskosten in gleicher Weise auf die vertragliche Nebenpflichtverletzung des Steuerberatervertrages zurückzuführen sind, kann der Kläger auch ebenfalls nur Leistung an sich und seine Ehefrau gemeinsam (§ 432 Abs.1 BGB) verlangen, was er bei seiner Antragstellung zuletzt berücksichtigt hat.

Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB, bzw. §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 286 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs.2 Satz 1 ZPO besteht entgegen der Auffassung des Beklagten keine Veranlassung. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht mit seiner Auffassung nicht von der Rechtsprechung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes ab.

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