OLG München, Beschluss vom 20.02.2020 - 5 U 6517/19
Fundstelle
openJur 2020, 76192
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019, Aktenzeichen 27 O 5326/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über den Widerruf eines von der beklagten Bank gewährten Verbraucherdarlehens zur Finanzierung des Erwerbs eines Kfz. Hinsichtlich aller Einzelheiten des Verfahrens im ersten Rechtszug, auch der dort gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch den Klägern am 08.11.2019 zugestelltes Endurteil vom 17.10.2019 abgewiesen, weil der Widerruf verfristet gewesen sei. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 18.11.2019 eingelegten Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis 29.01.2020 mit am 27.01.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet haben. Es fehlten die Pflichtangaben zur Art des Darlehens und zu den sonstigen Kosten. Die Widerrufsbelehrung enthalte widersprüchliche und unzutreffende Belehrungen hinsichtlich der abgeschlossenen Versicherungen.

Die Kläger beantragen in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 17.10.2019 - Az. 27 O 5326/19 wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger EUR 24.253,28 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des KFZ der Marke BMW, Modell 318d Touring mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. ...03 nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren;

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des KFZ der Marke BMW, Modell 318d Touring mit der FahrzeugIdent.-Nr. ...03 nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren in Verzug befindet;

3. die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsschutzversicherung der Kläger, die H. Rechtsschutzversicherung AG zur Schaden-Nr. ...00 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.274,15 nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 437,55 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

5. Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Senat hat die Kläger mit seinem am 04.02.2020 zugestellten Beschluss vom 03.02.2020 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem sind die Kläger entgegengetreten. Die Beklagte könne sich auf den gesetzlichen Musterschutz nicht berufen. Sie habe das gesetzliche Muster für mehrere verbundene Verträge verwendet, obwohl das Muster eine solche Verwendung nicht vorsehe. Die Besonderheit eines Annuitätendarlehens, der sich mit jeder Rate ändernde Zinsanteil und Tilgungsanteil sei für den Verbraucher entscheidend, darauf hingewiesen werde jedoch nicht. Einem durchschnittlichen Verbraucher sei nicht bekannt, dass die Rücksendung des Fahrzeugbriefs als Sicherheitenfreigabe die Erfüllung eigener Pflichten der Bank darstelle. Daher sei die Nennung bei den Sonderleistungen unrichtig. Die Revision sei zuzulassen, weil die genannten Belehrungsfehler Gegenstand in tausenden Verfahren seien. Es lägen Divergenzen vor und die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Der BGH habe nicht über alle gerügten Fehler entschieden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den bereits zitierten Senatsbeschluss Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019, Aktenzeichen 27 O 5326/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen der Kläger geben keinen Anlass zu einer geänderten Betrachtung.

1. Die Beklagte kann sich - wie hingewiesen - auf den Musterschutz berufen, da die erteilte Widerrufsinformation bis auf die unschädlichen Anpassungen in der Formatierung und der Verwendung der direkten Anrede inhaltlich und gestalterisch vollständig dem Muster Anlage 7 zu Artikel 247 § 6 Absatz 2 und § 12 Absatz 1 EGBGB entspricht. Die Beklagte hat sich exakt an die Gestaltungshinweise Nr. 5-5g für verbundene Verträge gehalten. Die Auffassung der Berufung, dass im Falle mehrerer verbundener Geschäfte das Muster nicht anzuwenden und folglich ein Musterschutz von vornherein ausgeschlossen sei, findet im Gesetz keine Stütze.

2. Mit der im Hinweisbeschluss unter 1. wiedergegebenen Beschreibung ist die Art des Darlehens ausreichend präzise dargestellt. Es folgt aus der Natur der Sache, dass bei einem verzinslichen Ratendarlehen mit gleichbleibender Ratenhöhe deren Zinsanteil von Rate zu Rate sinkt und deren Tilgungsanteil entsprechend steigt. Die Aufnahme dieser mathematischen Selbstverständlichkeit würde den Informationsgehalt der zitierten Beschreibung nicht erhöhen, sondern allenfalls deren Lesbarkeit und Verständlichkeit vermindern, was nicht im Interesse des bezweckten Verbraucherschutzes ist. Über Einzelheiten kann sich der Kunde mithilfe eines Tilgungsplans informieren, den er "von der Bank jederzeit verlangen" kann (vgl. Anl. K 1, S. 5 von 11).

3. Die Ausführungen, denen zufolge ein durchschnittlicher Verbraucher das Verzeichnis von "Preise[n] und Sonderleistungen im Kredit- und Leasinggeschäft im Inland" (als unnumerierte Anlage vorgelegt mit dem Schriftsatz vom 27.01.2020) missverstehen müsse, gehen ersichtlich an der Sache vorbei. Entscheidend für das Anlaufen der Widerrufsfrist ist allein, dass die Beklagte, wie vorliegend geschehen, dem Kunden gegenüber "im Vertrag" u.a. alle Gebühren nennt, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag immer anfallen. Dazu zählen "Sonderleistungen jedoch nicht.

4. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Als Streitwert ist wie hingewiesen der Klagebetrag ohne Nutzungen (§ 4 Abs. 1 ZPO) anzusetzen.

Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Revisionszulassung nicht vor. Aus demselben Grund war eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich, § 522 Abs. 2 Nr. 3, 4 ZPO, da eine Einzelfallentscheidung zu treffen war, die auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs getroffen wird. Mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil die Rechtsverfolgung für die Beklagte keine existentielle Bedeutung hat und das erstinstanzliche Urteil zutreffend begründet ist (§ 522 Abs. 2 S.1 Nr. 4 ZPO; vgl. dazu Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 1. Juli 2011, BT-Drucks. 17/6406, Seite 9). Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (BGH, Beschluss vom 21.11.2018, VII ZR 1/18, Rn. 13, juris, m.w.N.). Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Die Revision ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht. Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2016, II ZR 290/15, Rn. 7, juris m.w.N.).