Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 29.10.2020 - 13 MN 396/20
Fundstelle
openJur 2020, 76044
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der vom Antragsteller sinngemäß gestellte Normenkontrolleilantrag,

§ 17 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 8 der (7.) Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 7. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 346), zuletzt geändert mit Wirkung vom 23. Oktober 2020 durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 22. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 363), vorläufig außer Vollzug zu setzen,

bleibt ohne Erfolg.

Er ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.) und daher abzulehnen. Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. § 17 Abs. 1 bis Abs. 3, Abs. 8 der (7.) Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 7. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 346), zuletzt geändert mit Wirkung vom 23. Oktober 2020 durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 22. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 363), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.). Diese Norm lautet:

§ 17 Ein- und Rückreisende           

(1) 1Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg aus dem Ausland nach Niedersachsen einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 14 Tagen vor ihrer Einreise in einem Risikogebiet nach Absatz 4 aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung, an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder in eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. 2Satz 1 gilt auch für Personen, die zunächst in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. 3Den nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, verpflichteten Personen ist es in diesem Zeitraum nicht gestattet, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem eigenen Hausstand angehören.

(2) 1Die von Absatz 1 erfassten Personen sind verpflichtet, unverzüglich die für sie zuständige Behörde zu kontaktieren und auf das Vorliegen der Verpflichtungen nach Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hinzuweisen. 2Die von Absatz 1 erfassten Personen sind ferner verpflichtet, beim Auftreten von Krankheitssymptomen, die auf eine Erkrankung mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 im Sinne der dafür jeweils aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts hinweisen, die zuständige Behörde hierüber unverzüglich zu informieren.

(3) Für die Zeit der Absonderung unterliegen die von Absatz 1 erfassten Personen der Beobachtung durch die zuständige Behörde.

…       

(8) 1Von Absatz 1 nicht erfasst sind Personen, die über ein ärztliches Zeugnis in deutscher oder englischer Sprache verfügen, das bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 vorhanden sind, und dieses der zuständigen Behörde auf Verlangen unverzüglich vorlegen. 2Das ärztliche Zeugnis nach Satz 1 muss sich auf eine molekularbiologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 stützen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem sonstigen durch das Robert Koch-Institut bekannt gegebenen Staat durchgeführt und höchstens 48 Stunden vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen worden ist. 3Das ärztliche Zeugnis nach Satz 1 ist für mindestens 14 Tage nach der Einreise aufzubewahren.

b) Der Antragsteller, ein deutscher Staatsangehöriger, der in C. auf der zu den Balearen gehörenden Insel Mallorca/Spanien und damit in einem ausländischen Risikogebiet lebt und in D. (Landkreis E.) einen Wohnsitz unterhält, den er nach eigenen Angaben regelmäßig aufsucht und geplantermaßen wieder am 4. November 2020 aufsuchen will, ist durch die angegriffene Quarantäneregelung (Absonderungspflicht) aus § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung möglicherweise in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (Fortbewegungsfreiheit), 2 Abs. 1 (allgemeine Handlungsfreiheit) sowie 3 Abs. 1 GG (allgemeines Gleichbehandlungsgebot) verletzt und diesbezüglich antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. In dem von ihm auch als verletzt gerügten Grundrecht auf Freizügigkeit im Bundesgebiet (Art. 11 Abs. 1 GG) betrifft ihn die Regelung hingegen (von vornherein oder jedenfalls nach den Grundsätzen der Grundrechtskonkurrenz) nicht. Freizügigkeit bedeutet das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.3.2004 - 1 BvR 1266/00 -, BVerfGE 110, 177, 190 f. - juris Rn. 33 m.w.N.); die geschützte Aufenthaltnahme umfasst dabei nur solche Verhaltensweisen, die eine Bedeutung für die räumlich gebundene Gestaltung des alltäglichen Lebenskreises haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.3.2008 - 1 BvR 1548/02 -, juris Rn. 25; Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 69). Die Regelung des § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung verbietet dem Antragsteller nicht etwa - wie er aber meint - die Einreise in das Bundesgebiet oder das Aufsuchen eines von ihm gewählten inländischen Ortes. Dies gilt schon deshalb, weil der Antragsteller die Belegenheit der nach § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung aufzusuchenden „anderen geeigneten Unterkunft“, soweit er nach Niedersachsen einreisen will (andernfalls erfasst ihn diese Regelung ohnehin nicht), dort frei wählen kann. Vielmehr untersagt sie ihm im Schwerpunkt, nach Aufsuchen des in Niedersachsen gelegenen inländischen Ortes diesen wieder zu verlassen (Fortbewegungsverbot). Anders als der Antragsteller es darstellt, hindert die Regelung den Antragsteller zuvor weder faktisch noch rechtlich an einer Einreise nach Niedersachsen oder an einer Reise zu seinem Wohnsitz nach Bückeburg, statuiert mithin gerade kein Einreiseverbot. Durch die von der Absonderungspflicht abgeleiteten Verpflichtungen (Anzeigepflicht aus § 17 Abs. 2 und Beobachtung nach § 17 Abs. 3 Nds. Corona-Verordnung) ist der Antragsteller möglicherweise in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, die vor ungesetzlichem Zwang schützt, verletzt und daher auch insoweit antragsbefugt.

c) Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der Normenkontrolleilantrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 17 Abs. 1 bis Abs. 3 und Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung in der Sache ohne Erfolg. In der Hauptsache bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten (a)), und es droht im Übrigen ohne eine vorläufige Außervollzugsetzung der Norm auch kein gewichtiger Nachteil (b)).

a) Ein noch vom Antragsteller zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG bliebe aller Voraussicht nach ohne Erfolg.

§ 17 Abs. 1 und 8 sowie Abs. 2 und 3 Nds. Corona-Verordnung kann nach Tatbestand und Rechtsfolge auf §§ 30 Abs. 1 Satz 2, 28 Abs. 1 Satz 1, 32 Satz 1 IfSG bzw. §§ 29 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1, 32 Satz 1 IfSG gestützt werden.

aa) Der Senat hat eine ähnliche Vorgängerregelung, die für Ein- und Rückreise aus bestimmten ausländischen Risikogebieten eine Absonderungspflicht (Quarantäne) sowie weitere daraus abgeleitete Pflichten vorsah, aus § 5 Abs. 1 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der ab dem 25. Mai 2020 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134) bereits in seinem Beschluss vom 5. Juni 2020 - 13 MN 195/20 -, juris Rn. 10 ff., für rechtmäßig erachtet. An dieser Bewertung und den dortigen Ausführungen hält er auch für die streitgegenständliche Verordnungsbestimmung unverändert fest.

bb) Soweit der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens mit seiner Argumentation im Übrigen ersichtlich versucht, die Ausführungen des Senats im stattgebenden Beschluss vom 15. Oktober 20120 - 13 MN 371/20 -, Nds. GVBl. S. 366 und juris Rn. 26 ff., der sich auf das Beherbergungsverbot für nach Niedersachsen aus inländischen Risikogebieten einreisende Personen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Beherbergungsverordnung vom 9. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 357) bezogen hat, auf die Regelung des § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung für Ein- und Rückreisende aus ausländischen Risikogebieten zu übertragen, führt dies nicht zum Erfolg und zeitigt kein anderes Ergebnis.

(1) Die Rüge des Antragstellers, die Kriterien und Modalitäten der Einstufung als Risikogebiet im Sinne des § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung seien nicht hinreichend bestimmt oder im Übrigen materiell rechtswidrig, richtet sich inhaltlich gegen die Zuständigkeits- und Verfahrensregelung aus § 17 Abs. 4 Nds. Corona-Verordnung und betrifft daher keinen der hier explizit streitgegenständlich gemachten Absätze des § 17 dieser Verordnung (dies sind nur die Absätze 1, 2, 3 und 8, vgl. die Antragsschrift v. 23.10.2020, Bl. 3 der GA, sowie den Schriftsatz v. 28.10.2020, Bl. 44 der GA). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auch postuliert, eine ausländische Region dürfe nicht schon bei Erreichen einer 7-Tages-Inzidenz von kumulativ mindestens 50 Fällen je 100.000 Einwohner, sondern erst unter Einbeziehung weiterer Aspekte zum Risikogebiet erklärt werden, bedarf dieser Einwand aus demselben Grunde im vorliegenden Verfahren keiner Stellungnahme durch den Senat.

(2) Dass entgegen der Ansicht des Antragstellers ein nennenswerter Eintrag an Neuinfektionen durch Ein- und Rückreisende aus ausländischen Risikogebieten erfolgt und die Regelung deshalb einen erheblichen Beitrag gegen eine Weiterverbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 zu leisten geeignet ist und bleibt, lehrt die Erfahrung aus den Sommer(ferien)monaten des Jahres 2020 und wird auch durch die vom Antragsgegner mit der Antragserwiderung vom 28. Oktober 2020 (Bl. 49 ff. der GA) eingereichten statistischen Erkenntnisse des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA) zu Expositionsorten laborbestätigter COVID-19-Fälle belegt. Dass dieser Anteil danach in jüngerer Zeit gesunken ist, lässt abweichend von der Auffassung des Antragstellers nicht auch auf ein gesunkenes Risiko der Aktivitäten dieses Lebensbereichs schließen, sondern ist lediglich auf den Umstand zurückzuführen, dass derzeit zahlenmäßig weniger derartige Ein- und Rückreisen aus dem Ausland stattfinden. Die Argumentation des Antragstellers, das Infektionspotential sei bei Reisetätigkeit aus ausländischen Risikogebieten demjenigen bei inländischer Reisetätigkeit gleichzuerachten, für die der Senat in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2020 (a.a.O., Rn. 58) allerdings keinen nennenswerten Anteil an den Neuinfektionszahlen in Niedersachsen angenommen hat, übersieht die in dieser Entscheidung - mit Blick auf die Unklarheiten der Reisewege, die Kumulation einer Vielzahl Reisender mit anderen unbekannten Reisenden und der Unmöglichkeit oder Erschwertheit der Kontaktnachverfolgung im Ausland - gerade vorgenommene sachlich differenzierte - abweichende - Bewertung einer Einreise oder Rückkehr aus ausländischen Risikogebieten, die auf Seite 8 der Antragsschrift vom 23. Oktober 2020 (Bl. 9 der GA) sogar wörtlich wiedergegeben wird, so dass auch für eine vom Antragsteller behauptete vor Art. 3 Abs. 1 GG ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der beiden Reisetätigkeiten kein Raum ist.

(3) Die vom Antragsteller als milder erachteten allgemeinen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen (Abstandsgebot, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Bedeckung, Lüften, Flächendesinfektion, Nutzung der Corona-Warn-App) geben dem Senat keinen Anlass, die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung in Zweifel zu ziehen. Sie sind in Bezug auf das spezifische Risiko von Vireneinträgen durch Einreise und Rückkehr aus ausländischen Risikogebieten, dem durch § 17 Abs. 1 bis 3, Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung entgegengewirkt werden soll, entweder nicht gleichermaßen wirksam oder belasten Dritte oder die Allgemeinheit in stärkerer Weise.

(4) Auch die Angemessenheit der Regelung des § 17 Abs. 1 Nds. Corona-Verordnung wird vom Antragsteller gegenüber der vom Senat in seinem Beschluss vom 5. Juni 2020 (a.a.O., Rn. 35 m.w.N.) grundsätzlich vorgenommenen Abwägung zwischen der vorübergehenden Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) mit dem öffentlichen Gesundheitsschutz (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht überzeugend in Zweifel gezogen. Die Eingriffsintensität wird im Übrigen maßgeblich durch die „Freitestungsmöglichkeit“ aus der ebenfalls streitgegenständlichen Norm des § 17 Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung und durch die Befreiungsregelung aus § 17 Abs. 9 Nds. Corona-Verordnung gemindert. Soweit der Antragsteller behauptet, die Anforderungen des § 17 Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung könnten in zeitlicher, personeller und sprachlicher Hinsicht realistischerweise nicht erfüllt werden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Anders als der Antragsteller es darstellt, sind Ein- oder Rückreisende angesichts des § 17 Abs. 8 Satz 2 Nds. Corona-Verordnung nicht gehalten, den von dieser Norm für ein Entfallen der Absonderung (§ 17 Abs. 1) sowie der Anzeigepflicht und Beobachtung (§ 17 Abs. 2, Abs. 3) geforderten Negativtest noch im ausländischen Staat vor Antritt ihrer Reise ins Bundesgebiet vornehmen zu lassen. Vielmehr können sie einen solchen Test auch spätestens bei Einreise, etwa im Testzentrum am Flughafen, absolvieren (vgl. § 36 Abs. 7 Satz 2 IfSG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung (des Bundes) zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 6. August 2020 (BAnz AT 07.08.2020 V1)). Erbringt dieser ein negatives Ergebnis und zeigt der Ein- oder Rückreisende auch keine Symptome, die auf eine Erkrankung an COVID-19 hinweisen (vgl. § 17 Abs. 10 Nds. Corona-Verordnung), so wird er nach § 17 Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung von der Absonderungs- und Anzeigepflicht sowie von der Beobachtung frei. Etwaig entstehende Kosten eines solchen Tests tragen zu müssen, erscheint als „erweiterte Rahmenbedingung“ einer Auslandsreise entgegen der Ansicht des Antragstellers zumutbar.

b) Selbst wenn man aber unterstellte, die angegriffene Regelung aus § 17 Abs. 1 bis 3, Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung wäre rechtswidrig und in einem noch einzuleitenden Normenkontrollverfahren in der Hauptsache gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären, so fehlte es im vorliegenden Fall an einem gewichtigen Nachteil, aufgrund dessen es im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO „dringend geboten“ (unaufschiebbar) wäre, die vom Antragsteller angegriffene Norm vorläufig außer Vollzug zu setzen. Mit anderen Worten mangelt es im Hinblick auf die begehrte einstweilige Anordnung insoweit jedenfalls an einem Eilbedürfnis (an einem „besonderen Außervollzugsetzungsinteresse“).

Mit Blick auf § 17 Abs. 8 Nds. Corona-Verordnung besteht grundsätzlich eine einfache Möglichkeit, durch Testung vor der oder bei Einreise den mit der Quarantäne- und Anzeigepflicht sowie gesundheitsamtlicher Beobachtung verbundenen Einschränkungen zu entgehen. Die Obliegenheit zur Einholung einer derartigen Bescheinigung und die vorhergehende Testung nach jedem 48-stündigen oder längeren Aufenthalt in einem ausländischen Risikogebiet stellen keine schweren Nachteile dar. Der vorläufigen Außervollzugsetzung des § 17 Abs. 1 bis 3 der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bedarf es demnach ohnehin nicht (vgl. bereits Senatsbeschl. v. 16.7.2020 - 13 MN 267/20 -, juris Rn. 1, zur nahezu identischen Vorläuferregelung der Quarantänepflicht bei Ein- und Rückreisen nach Niedersachsen in § 27 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226)).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).