LG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2020 - 12 O 160/20
Fundstelle
openJur 2020, 75740
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 13.07.2020 wird mit der Maßgabe bestätigt,

dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, es im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, im Falle eines von der Antragsgegnerin annullierten Fluges dem Fluggast auf seine Aufforderung zur Erstattung des Flugpreises diese abzulehnen und den Verbraucher zum Zwecke der Erstattung an den Vermittler zu verweisen,

wenn dies geschieht wie in der Email vom 09.06.2020 wie folgt:

...

Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und - rechten widmet. Er ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Antragsgegnerin ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Düsseldorf.

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Der für den 9. Mai 2020 vorgesehene Flug EW5677 von Porto Santo nach Köln-Bonn wurde am 4. April 2020 im Hinblick auf die Corona-Pandemie annulliert. Bezüglich dieses Fluges hatte die Antragsgegnerin mit einem Auftraggeber (sie behauptet der P GmbH) einen Chartervertrag abgeschlossen.

Nach Annullierung des Fluges machte Herr N1 gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf Erstattung der Flugkosten geltend, worauf die Antragsgegnerin mit dem aus dem Tenor der einstweiligen Verfügung ersichtlichen Schreiben antwortete. Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29. Mai 2020 unter Fristsetzung bis zum 8. Juli 2020, 13.00 Uhr, gemäß dem als Anlage AS 3 überreichten Schreiben ab.

Auf den am 10.07.2020 beim Landgericht Düsseldorf eingegangen Antrag hat die Kammer die einstweilige Verfügung durch Beschluss vom 10.07.2020 mit folgendem Tenor erlassen:

Der Antragsgegnerin wird untersagt, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, im Falle eines von der Antragsgegnerin annullierten Fluges dem Fluggast auf seine Aufforderung zur Erstattung des Flugpreises diese abzulehnen und den Verbraucher zum Zwecke der Erstattung an den Vermittler zu verweisen,

wenn dies geschieht wie in der Email vom 09.06.2020 wie folgt:

...

Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Der Antragsteller trägt vor:

Herr N1 habe über eine private Flugbuchung bei der Beklagten am 9. Mai 2020 auf Flug EW5677 von Porto Santo nach Köln/Bonn verfügt, die über P1 erfolgt sei. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG in Verbindung mit Artikel 5 Abs. 1 lit. a), 8 Abs. 1 lit. a) Fluggastrechteverordnung. Zudem erfülle die beanstandete geschäftliche Handlung den Tatbestand der Irreführung im Sinne von § 5 UWG.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 13.07.2020 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Des Weiteren stellt die Antragsgegnerin den Antrag,

hilfsweise, für den Fall, dass die einstweilige Verfügung nicht aufgehoben wird, der Antragsgegnerin Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt vor:

Der Antragsteller habe die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung des Flugpreises nicht glaubhaft gemacht. Deshalb sei sie berechtigt gewesen, Herrn N1 wegen der Rückerstattung etwaiger Zahlungen an seinen Vertragspartner zu verweisen. Sie habe für den streitgegenständlichen Flug weder von Herrn N1 noch von einem Dritten Zahlungen erhalten. Zwischen ihr und Herrn N1 hätten weder unmittelbar, noch mittelbar irgendwelche vertraglichen Beziehungen bestanden. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 finde keine Anwendung, weil der Fluggast N1 weder über eine "bestätigte Buchung" für den streitgegenständlichen Flug verfügt habe, noch die Beklagte diesem gegenüber als "ausführendes Luftfahrtunternehmen" anzusehen sei. Der streitgegenständliche Flug EW5677 sei im Auftrag des Reiseveranstalters P GmbH von der Antragsgegnerin zur Durchführung im Mai 2020 als Voll-Charter-Flug geplant und organisiert worden. Zum Zeitpunkt der Annullierung seien für einen Teil des Gesamtkontingents durch P über das Eingabe-Tool Fluggast-Namen in die Datenbank eingetragen worden. Zahlungen auf das in dem Chartervertrag vereinbarte Beförderungsentgelt seien weder von P, noch von einem Dritten jemals erbracht worden. Unter den eingetragenen Namen habe sich der Name "N2" befunden. Von P sei zu dem Namen "der externe Buchungscode" "F830535" in die Datenbank eingetragen worden, wohingegen der Zeuge und die Antragstellerin den Buchungscode "683535" genannt hätten.

Eine Buchung über P1 bestreitet die Antragsgegnerin mit Nichtwissen und trägt insoweit vor, P1 biete sowohl die Vermittlung einzelner Flüge, aber auch Pauschalreisen als Reiseveranstalter an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze gemäß Anlagen verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer ist mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen. Der Tenor der einstweiligen Verfügung wird sprachlich dahin berichtigt, dass die Antragsgegnerin zur Unterlassung verpflichtet wird (statt "untersagt"). Insofern handelt es sich um eine offenkundige Unrichtigkeit, da der Antragsteller begehrt, dass die Antragsgegnerin es zukünftig im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern unterlässt, im Falle eines von der Antragsgegnerin annullierten Fluges den Fluggast auf seine Aufforderung zur Erstattung des Flugpreises diese abzulehnen und den Verbraucher zum Zwecke der Erstattung an den Vermittler zu verweisen, wenn dies geschieht wie aus der E-Mail vom 09.06.2020 ersichtlich.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Verfügungsantrag hinreichend bestimmt, da die zu unterlassende Handlung unter Berücksichtigung der konkreten Verletzungshandlung hinreichend beschrieben wird.

Es kann offen bleiben, ob seitens der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem annullierten Flug EW5677 gegenüber Herrn N1 bereits eine Pflicht zur Erstattung des Flugpreises nach Art. 5 Abs. 1 lit. a), 8 Satz 1 lit. a) Fluggastrechteverordnung bestand und insoweit eine Zahlung an den Fluggast oder eine Erstattung des Flugpreises an P1 erfolgen musste. Denn unabhängig von einer bestehenden Rückzahlungspflicht ergibt sich aus der E-Mail vom 9. Juni 2020, in der eine Erstattungspflicht der Antragsgegnerin mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass der Zeuge "nicht direkt bei F gebucht" habe, weshalb "eine Modifizierung aus technischen Gründen nicht möglich" sei und sich der Zeuge an seine "Buchungsstelle" wenden solle, eine irreführende geschäftliche Handlung, bezüglich derer der Antragsteller Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 7 UWG beanspruchen kann.

Der Antragsteller ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes hinsichtlich des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine irreführende geschäftliche Handlung, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG). Unlauter handelt danach, wer im geschäftlichen Verkehr irreführende Angaben macht (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Auflage 2020, § 5 UWG Rn.- 1.2). Diese Angaben können dabei auch nach Vertragsschluss erfolgen, z. B. durch das "Kleinreden" tatsächlich bestehender Rechte, womit sämtliche Rechte des Verbrauchers gemeint sind (Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Auflage 2016, § 5 I Rn. 14, 15).

Die Angaben in der streitgegenständlichen E-Mail vom 9. Juni 2020 beziehen sich auf Rechte des Verbrauchers. Durch die beanstandete E-Mail werden Ansprüche des Verbrauchers nach der Fluggastrechteverordnung unter Hinweis darauf, dass "nicht direkt bei F gebucht" wurde, weshalb "eine Modifizierung aus technischen Gründen nicht möglich" sei zurückgewiesen. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob tatsächlich eine Erstattungspflicht der Antragsgegnerin bestand. Jedenfalls durfte die Antragsgegnerin den Zeugen nicht "aus technischen Gründen" an die "Buchungsstelle" verweisen. Die Kammer muss in diesem Zusammenhang nicht auf die Einzelheiten der Fluggastrechteverordnung eingehen und entscheiden, wann insoweit eine Erstattungspflicht des Luftfahrtunternehmens besteht in dem Fall, in dem einerseits ein Charterflugvertrag abgeschlossen und andererseits der Flug über P1 gebucht worden ist. Die erhebliche Irreführung durch die E-Mail der Antragsgegnerin ergibt sich vorliegend bereits aus dem Umstand, dass diese ohne weitere Klärung des Sachverhalts die Forderung mit der streitgegenständlichen E-Mail zurückgewiesen hat. Dies ist unlauter im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG, weil es nicht der unternehmerischen Sorgfalt entspricht und geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu erschweren. Dies gilt umso mehr, als dass für das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art. 14 der VO (EG) Nr. 261/2004 eine Verpflichtung besteht, Fluggäste über ihre Rechte zu informieren. Vor diesem Hintergrund war die Antragsgegnerin verpflichtet, auf eine Klärung der Voraussetzungen einer Erstattungspflicht hinzuwirken. Soweit sie auf das Erstattungsbegehren mitteilte, dass eine "Modifizierung" aus "technischen Gründen" nicht möglich sei und den Verbraucher an seine "Buchungsstelle" verwies, ergibt sich hieraus eine geschäftliche Handlung, die geeignet ist, das Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr folgt aus der irreführenden geschäftlichen Handlung. Die Antragsgegnerin hat auf die Abmahnung keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und im vorliegenden Verfahren ihr Verhalten als rechtmäßig verteidigt.

Es besteht auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund. Dieser wird gemäß §12 UWG vermutet. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung von C, dass er erst am 10.06.2020 durch Mitteilung des N1 vom vorliegenden Sachverhalt Kenntnis erlangt hat. Sie hat einen Monat danach den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beim Landgericht eingereicht. Dieser Zeitablauf widerlegt die Eilbedürftigkeit nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zur Bestätigung einer einstweiligen Verfügung bedarf es nicht. Ebenfalls kommt eine Sicherheitsleistung nach §§ 921 Satz 2, 936 ZPO nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich ist, dass der Antragsgegnerin durch die tenorierte Unterlassungspflicht ein Schaden droht. Dies hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.

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