VG Freiburg, Beschluss vom 19.10.2020 - 3 K 2398/20
Fundstelle
openJur 2020, 75624
  • Rkr:

Die Entlassung eines in Ausbildung befindlichen Polizeibeamten auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG wegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung kann auch aufgrund einer weitgehend passiven Mitgliedschaft in einer polizeiinternen WhatsApp-Gruppe, innerhalb der nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverharmlosende und -verherrlichende sowie frauenverachtende Kommentare und Bilder geteilt werden, gerechtfertigt sein, ohne dass es der Feststellung einer gefestigten eigenen rechtsextremen Überzeugung bedarf.

Von einem Polizeibeamten ist zu erwarten, dass er zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens eintritt.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.878,67 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Jahr 2001 geborene Antragsteller wurde am 02.09.2019 als Polizeimeisteranwärter bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (im Folgenden: Hochschule) unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in die Polizei des Antragsgegners eingestellt.

Im Verlauf des sog. Basiskurses wurde festgestellt, dass der Antragsteller mit sechs weiteren Klassenkameraden Mitglied der am 07.09.2020 von einem Klassenkameraden des Antragstellers erstellten WhatsApp-Gruppe "Pozilei bad boys" war. Im Chat dieser Gruppe wurden im Zeitraum der Mitgliedschaft des Antragstellers zwischen dem 21.11.2019 und Anfang Februar 2020 neben ausbildungs- und freizeitrelevanten Sachverhalten u.a. folgende Nachrichten von verschiedenen Mitgliedern der Gruppe - darunter mit Ausnahme der Vorfälle Nr. 9, 19 und 20 nicht der Antragsteller - verschickt:

1. Bild mit Foto und Text: "Neonazi tinder, Stephan 27, Holocaustleugner, Live-Streamer, White Power. Bißchen tollpatschig aber lieb. Swipe nach Rechts LOL. Erstes Date erst ca. 2039 möglich (lange Geschichte...). Keine Jüdinnen!

2. Pornofilm.

3. Hitlerbild mit Kommentar: "Beinkleid kurz ist angesagt!"

4. Bild mit einem Weihnachtsmann auf einem Balkon, der den Hitlergruß zeigt mit Text: "Schönen ersten".

5. Bild eines älteren Mannes mit einer jungen Frau nackt im Bett liegend mit dem Kommentar: "Guck, das war doch gar nicht so schlecht. Lass uns jetzt loslegen, damit ich dir das Louis Vuitton Portemonnaie kaufen kann".

6. Bild einer jungen Frau mit nackten Beinen, an deren Oberkörper eine Rakete befestigt ist und einem daneben knienden Mann in Mantel und Hut, der an der Zündschnur hantiert mit dem Kommentar: "Wenn die Alte wieder nervt".

7. Bild mit einem Paar und dem Text: "When she calls you daddy instead of Reichsführer-SS”.

8. Bild mit einem Hakenkreuzsymbol.

9. Bild eines Mannes mit dem Aussehen Adolf Hitlers auf einem Ruder-Trainingsgerät und dem Kommentar: "Wenn die Leute denken, dass du tot bist, du dich aber auf Weltkrieg 3 vorbereitest". Das von einem Klassenkameraden in der Gruppe verschickte Bild kommentierte der Antragsteller zwei Minuten später mit drei Tränen lachenden Smileys.

10. Bild eines Kreuzworträtsels mit der Frage nach einem alten Blasinstrument und der handschriftlichen Eintragung "FRAU”.

11. Ein Bild der aktuellen Verteidigungsministerin in einer Gruppe von Bundeswehrsoldaten mit dem Kommentar "Ich in der gruppenarbeit wenn ich so getan hab als würde ich mitarbeiten".

12. Ein Bild mit Männern, die den sog. Judenstern tragen mit der Überschrift "BEAR GRYLLS - ULTIMATE SURVIVAL - THE HOLOCAUST".

13. Bild mit schwarzem Smiley und Hitlerbild mit Text: "NICHT ALLE HELDEN TRAGEN MASKEN".

14. Textnachricht eines Gruppenmitglieds: "Was ist ein panzer in Judenviertel? Ghettoblaster".

15. Videosequenzen "HETZFLIX".

16. Bild mit Flakgeschütz und Wehrmachtssoldaten und Text: "Nur noch schnell einen Runterholen dann gibt`s Abendsessen - Karl Heinz, 23, Flakschütze".

17. Bild eines dunkelhäutigen Mädchens in einem Spielzeugfahrzeug und daneben ein Comic-Affe ebenfalls in einem Spielzeugfahrzeug.

18. Hitlerbild mit erhobenen Händen und dem Kommentar: "I SAID GLASS OF JUICE NOT GAS THE JEWS”.

19. Ein von einem Klassenkameraden in die Gruppe gesendetes Foto der Werbekampagne der CDU Hessen mit einem dunkelhäutigen Vater und einer hellhäutigen Mutter wird vom Antragsteller kommentiert mit "Erflogsland".

20. Anfang Februar 2020 beteiligte sich der Antragsteller an einem Chat mit zwei weiteren Gruppenmitgliedern, in der gedanklich die Eroberung von europäischen Ländern durchgespielt wurde. Der Antragsteller schrieb dort: "ich gönn mir erst mal die Bulgarischen Nutten".

21. Anfang 2020 machte ein Gruppenteilnehmer auf ein Video in Youtube aufmerksam zum Thema "Rechte Polizisten - durch Beamtenstatus geschützt?" und kommentierte es mit folgenden Sätzen: "Wir sagen weiterhin das Wort mit N -Es gibt hier keine meldemuschis :D". "N" meinte nach dem Kontext der Nachricht "Neger" oder "Nigger".

Nach Bekanntwerden des Chats wurden gegen den Antragsteller und die anderen Mitglieder der Gruppe staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen der Verbreitung von Propaganda verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB eingeleitet. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft x vom 27.02.2020 wurden die Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil ein Verbreiten der Darstellungen durch die sich nach außen konspirativ verhaltende Gruppe nicht habe festgestellt werden können.

Dem Antragsteller wurde in der Folgezeit die Teilnahme am Zwangsmittel- und Schießtraining untersagt. Mit Schreiben vom 11.02.2020 wurde er zur beabsichtigten Entlassung angehört. Mit Verfügung vom selben Tag wurde unter Anordnung des Sofortvollzugs ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Der Antragsteller trat der beabsichtigten Entlassung entgegen.

Mit Verfügung der Hochschule vom 19.03.2020 wurde der Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs mit Ablauf des Monats April 2020 aus dem Polizeivollzugsdienst des Antragsgegners entlassen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller, auch wenn er nicht Gruppenadministrator oder treibende Kraft in der Chat-Gruppe gewesen sei, in der Gruppe aktiv gewesen sei, Beiträge geschrieben, kommentiert und mitgelesen habe. Aus den näher beschriebenen Vorkommnissen und dem Strafverfahren gehe hervor, dass berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestünden. Mit seiner Teilnahme in der WhatsApp-Gruppe habe er rechtes, antisemitisches und auch frauenfeindliches Gedankengut toleriert. Die Tatsache, dass er nicht eingegriffen oder sich von der Gruppe verabschiedet habe, zeige deutlich, dass er das menschenverachtende, fremdenfeindliche Verhalten unterstütze und decke. Das Verhalten sei nicht mit der an ihn zu stellenden Vorbildfunktion als angehender Polizeibeamter vereinbar. Gefordert werde ein klares Bekenntnis zur Verfassung, ein Sich-Distanzieren und ein sofortiges Verlassen der WhatsApp-Gruppe. Die Gesinnung der anderen Mitglieder hätte zweifelsfrei erkannt werden können. Im Verhalten des Antragstellers komme zum Ausdruck, dass er sich seiner Vorbildfunktion nicht bewusst sei und es ihm an der nötigen Selbstkontrolle fehle. Eine rechtsradikale Gesinnung müsse ihm nicht nachgewiesen werden. Die Grenzen von Satire und "Schwarzem Humor" seien bei weitem überschritten. Das Verhalten sei geeignet, beim Bürger und im Kollegenkreis Vorbehalte zu bewirken und das Vertrauen in die Beamtenstellung nachhaltig zu untergraben. Die Medien hätten intensiv über den Fall berichtet. Die Polizei könne es sich nicht leisten, Personen auszubilden, die nur den geringsten Zweifel an ihrer Integrität aufkommen ließen. Es mangele an der gebotenen Loyalität, Zuverlässigkeit und Dienstauffassung. Die Einlassungen des Antragstellers seien als reine Schutzbehauptungen zu bewerten.

Der Antragsteller erhob Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, er habe keine Nachrichten gepostet und sei nicht aktiv in der Gruppe gewesen. Er habe die Beiträge der anderen nicht oder nicht genau gelesen. Die Nachrichten habe er nicht gut gefunden und sei mit deren Inhalt auch nicht einverstanden gewesen. Er habe viele Freunde mit Migrationshintergrund.

Mit Widerspruchsbescheid der Hochschule vom 17.06.2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass sich radikales Gedankengut nicht immer dadurch zeige, dass Personen gegenüber anderen auch so aufträten. Oft beginne die Radikalisierung unter Gleichgesinnten und trete erst später zu Tage. So lange könne und wolle man nicht warten. Die vorgebrachten Rechtfertigungsgründe seien konstruiert und dienten lediglich dem Zweck, das Verhalten zu beschönigen. Der Antragsteller hätte die Gruppe jederzeit verlassen können. Allein die Tatsache, dass sich der Antragsteller nicht entschieden gegen die geschmacklosen und widerlichen Posts zu Wort gemeldet habe und zudem auch noch in der Gruppe geblieben sei, begründe berechtigte Zweifel an seiner Eignung. Personen, die bei Unrecht wegsähen und dieses damit unterstützten, seien für den Polizeivollzugsdienst nicht geeignet.

Am 17.07.2020 hat der Antragsteller Klage erhoben (3 K 2383/20) und den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung wird vorgetragen, dass nicht alle Umstände ausreichend berücksichtigt und insbesondere nicht ermessensfehlerfrei gewürdigt worden seien. Er sei nur Mitglied der Gruppe gewesen, um sich wegen schulischer Belange mit anderen Mitgliedern austauschen zu können. Er habe die Beiträge der anderen nicht gelesen oder nicht genau gelesen, habe nicht geschrieben und sie auch nicht kommentiert und nicht gebilligt. Nach Empfang der Nachrichten 1 bis 18 habe er diese gelöscht, nur die Nachrichten 2 und 19 habe er vergessen zu löschen. Gerade weil er die ihm vorgeworfene Gesinnung nicht teile und nicht habe, habe er die Nachrichten der anderen nicht geschätzt, soweit er sie überhaupt mitbekommen habe, und sich mit ihnen nicht weiter beschäftigt. Es sei ihm zu blöd gewesen, hierauf überhaupt einzugehen. Soweit er in der Gruppe aktiv gewesen sei, liege eine Fehlinterpretation der Gegenseite vor. Er sei leider in eine Sache hineingeraten, die er zutiefst bedauere. Dass keine berechtigten Zweifel an seiner charakterlichen Eignung vorlägen, könne er näher belegen. Er sei vorab nicht abgemahnt worden und habe keine Chance gehabt, sich zu verteidigen. Es sei keine ausreichende Abwägung zwischen den vorgeworfenen Handlungen bzw. Unterlassungen und seiner jahrelang praktizierten Gesinnung in Vereinen, Schule, Freundes- und Familienkreis erfolgt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass er bei Unrecht wegsehe. Die vorgelegten Stellungnahmen belegten das Gegenteil. Sein Berufswunsch und seine Zukunft stünden auf dem Spiel. Zu berücksichtigen sei, dass die Nachrichten in einem engen, vertrauten und nichtöffentlichen Personenkreis verbreitet worden seien, dessen Empfängerhorizont zu berücksichtigen sei. Er habe nicht ahnen können, dass seine Erklärungen von der Gegenseite fehlinterpretiert würden oder Anlass zu plötzlichen Eignungszweifeln böten. Das besonders schützenswerte Interesse auf einstweilige Weiterbeschäftigung überwiege. Es gehe um seine bereits begonnene Ausbildung. Er wolle nicht den Anschluss an seine Mitschüler verlieren. Der Antragsgegner könne ihn ggf. einstweilen in weniger sensiblen Bereichen beschäftigten und ihm ggf. den Zugang zu Waffen verwehren und so seine Interessen ausreichend schützen. Das vorgeworfene Nicht-Handeln könne nicht zur Entlassung führen. Seitdem er wisse, dass sein Verhalten missverständlich ausgelegt werden könne, beteilige er sich an keinerlei Chatgruppen dieser Art und verhalte sich demokratisch vorbildlich.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage 3 K 2383/20 gegen die Entlassungsverfügung der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg vom 19.03.2020 und den Widerspruchsbescheid derselben vom 17.06.2020 wiederherzustellen und die Vollzugsfolgen rückgängig zu machen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig sei. Die Entlassung sei bereits zum 30.04.2020 vollzogen worden. Somit sei Erledigung eingetreten. Mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei eine Wiedereinstellung nicht zu erlangen. Auch sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben. Dass der Antragsteller den Anschluss zu seinen ehemaligen Mitschülern verliere, sei nicht mehr zu verhindern. Diese hätten mittlerweile den Basiskurs absolviert und die erforderlichen Prüfungen abgelegt. Eine Fortführung der Ausbildung wie sie sich der Antragsteller vorstelle, sei nicht möglich. Aufgrund des Ausbildungsverlaufs sei es nicht möglich, ihn in weniger sensiblen Bereichen einzusetzen. Die Ausbildung an der Waffe sei fester Bestandteil der Ausbildung. Die Entlassungsverfügung sei auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers rechtmäßig. Es verwundere insgesamt doch sehr, wenn der Antragsteller vortrage, er habe alles nicht richtig gelesen. Dies sei zum einen nicht glaubhaft, zum anderen widerspreche es auch der eigenen Einlassung, wenn vorgetragen werde, dass er die Nachrichten in der Gruppe nicht gut gefunden habe und mit dem Inhalt nicht einverstanden gewesen sei. Die Einlassungen seien im Gesamtkontext der Konversation konstruiert. Der Antragsteller habe sich aktiv am Chatgeschehen beteiligt, wenn auch nicht so intensiv wie die anderen Beteiligten. Er habe sich von den rechtsextremen, antisemitischen und frauenfeindlichen Äußerungen in keiner Weise und zu keinem Zeitpunkt distanziert. Selbst wenn man annehmen wollte, dass er dieses Gedankengut nicht teile, seien die Eignungszweifel begründet. Die Verbreitung solchen Gedankenguts innerhalb der Organisation werde wesentlich dadurch gefördert und ermöglicht, dass es Angehörige gebe, die dieses duldeten oder gar bestärkten. Es sei zumindest zweifelhaft, dass der Antragsteller später für Recht und Gesetz einstehe und entschieden gegen die Gefährdung der Grundrechte und -werte vorgehe, wenn er dies bereits jetzt nicht tue. Die Polizei lege aufgrund der besonderen Stellung von Polizeibeamten einen strengen Maßstab an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Akten auch aus dem Klageverfahren 3 K 2383/20 Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage 3 K 2383/20 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zum 30.04.2020 ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners fehlt dem Antrag nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Dem steht insbesondere nicht die Tatsache entgegen, dass der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage erst eingegangen ist, als der verfügte Entlassungszeitpunkt bereits verstrichen war. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die sofort vollziehbare Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf kann auch nach dem Zeitpunkt der (ggf. fristlos verfügten) Entlassung beantragt und gewährt werden (vgl. zu einer entsprechenden Konstellation Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.05.2019 - 6 CS 19.481 -, juris).

Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erfolgt durch Erlass eines rechtsgestaltenden Verwaltungsakts, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft sind. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO ändert nichts an der Wirksamkeit der Entlassung, hindert aber den Dienstherrn daran, belastende Folgen aus der Entlassung zu ziehen. Der Suspensiveffekt besteht nicht (mehr), wenn über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden oder - wie hier - die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist. Für die Dauer der aufschiebenden Wirkung muss der Dienstherr den entlassenen Beamten als Beamten behandeln, ihm die Dienstausübung gestatten und die Bezüge fortbezahlen. Wird der Rechtsbehelf rechtskräftig abgewiesen, so tritt die rechtsgestaltende Wirkung der Entlassung zum ursprünglich bestimmten Zeitpunkt rückwirkend ein (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.05.1994 - 4 S 1333/92 -, juris Rn. 38 f.; Beschluss vom 12.07.1996 - 4 S 1860/96 -, juris Rn. 15; v. Roetteken, in v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand Juni 2020, XXIII. Rechtsschutz Rn. 866 m.w.N.). Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bedeutet insoweit lediglich, dass die Rechtsfolgen der Entlassung einstweilen als nicht eingetreten behandelt werden. Eine entsprechende Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann auch vorliegend noch erfolgen. Der Antrag geht daher nicht ins Leere. Eine (teilweise) Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen ist möglich, denn der Antragsteller kann mit Wirkung für die Zukunft weiterbeschäftigt und ihm können die Bezüge vorläufig wieder und ggf. auch rückwirkend ausbezahlt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller den Anschluss zu seinen ehemaligen Mitschülern möglicherweise nicht mehr vollständig wird herstellen können. Dabei geht es nicht um eine erneute Ernennung, sondern um die Beseitigung der Vollziehung der nicht bestandskräftig verfügten Entlassung. Demgemäß ist der Antrag des Antragstellers auf "Wiedereinstellung" sachdienlich als Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO auf Vollzugsfolgenbeseitigung innerhalb des mangels Bestandskraft der Entlassungsverfügung und mangels Ablaufs der Ausbildungszeit noch nicht endgültig beendeten Beamtenverhältnisses auszulegen.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage das Interesse des Antragstellers, vom sofortigen Vollzug der Entlassungsverfügung einstweilen verschont zu bleiben.

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet (a.). Die Entlassungsverfügung erweist sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig (b.). Insgesamt besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug (c.).

a.) Die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Der sich aus dieser Vorschrift ergebende Begründungszwang dient dem Zweck, die Behörde zu veranlassen, sich des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst zu werden und die Frage, ob das öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung erfordert, sorgfältig zu prüfen. Außerdem soll die Begründung dem Betroffenen die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ermöglichen und dem Gericht die Erwägungen der Verwaltungsbehörde, die zu der Anordnung der sofortigen Vollziehung geführt haben, nachvollziehbar machen. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2008 - 4 S 2901/07 -, m.w.N; BVerwG, Beschluss vom 18.09.2001 - 1 DB 26.01 -, jeweils juris). Das ist hier der Fall. In der angegriffenen Verfügung wird nicht bloß formelhaft der Gesetzestext wiedergegeben; auch werden nicht lediglich Allgemeinplätze angeführt, vielmehr wird näher begründet, weshalb bei einer Abwägung der persönlichen Belange mit den dienstlichen und öffentlichen Belangen ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Es wird ausgeführt, es sei dem Dienstherrn nicht zumutbar, einen für den Polizeiberuf charakterlich ungeeigneten Beamten über den in § 31 Abs. 4 LBG genannten Zeitraum hinaus zu beschäftigen. Die sofortige Entlassung ermögliche eine zeitnahe berufliche Neuorientierung. Aufgrund der hohen Anzahl der Vorfälle und der Tatsache, dass der Antragsteller erst nach Bekanntwerden und starkem äußeren Druck reagiert habe, müsse ungeachtet des ausgesprochenen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte von einer gewissen Wiederholungsgefahr bzw. Uneinsichtigkeit ausgegangen werden, da dem Antragsteller die Fähigkeit fehle, Sachverhalte zu hinterfragen und die Konsequenzen abzuschätzen und vieles dafür spreche, dass er die rechtsradikale Gesinnung selbst trage. Im Hinblick auf die mögliche verfassungsfeindliche Beeinflussung der Kolleginnen und Kollegen sei es dem Dienstherrn nicht zuzumuten, dass der Antragsteller weiterhin als Repräsentant der Polizei auftrete. Es bestehe ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, die zahlenmäßig begrenzten Ausbildungsplätze baldmöglichst mit einem geeigneten Bewerber wieder zu besetzen. Diese auf den vorliegenden Sachverhalt bezogenen Ausführungen zeigen hinreichend deutlich, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs bewusst ist. Damit ist den formellen Anforderungen, die § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO stellt, Genüge getan. Ob die Argumente inhaltlich tragfähig sind, ist eine Frage des materiellen Rechts.

b.) Die Entlassung erweist sich auch in der Sache als voraussichtlich formell und materiell rechtmäßig.

Der Antragsteller ist vor Ergehen der Entlassungsverfügung angehört worden (§ 28 Abs. 1 LVwVfG) und der örtliche Personalrat hat der Personalmaßnahme am 13.03.2020 zugestimmt (§ 75 Abs. 3 Nr. 10 LPVG). Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit (vgl. hierzu auch § 31 LBG) wurden im Übrigen weder geltend gemacht noch sind solche für die Kammer zu erkennen.

Auch in der Sache begegnet die Entlassung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage keinen durchgreifenden Bedenken.

Rechtsgrundlage der Entlassungsverfügung ist § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Dem Antragsgegner steht insoweit Ermessen zu und zur Rechtfertigung der Entlassung genügt grundsätzlich jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund. Ausreichend hierfür sind bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 - 4 S 1473/20 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.08.2019 - 3 ZB 18.508 -, jeweils juris und m.w.N.). Ein sachlicher Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der Dienstherr nicht überzeugt ist, dass der Beamte die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (BVerwG, Urteil vom 09.06.1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267). Hiervon ist der Antragsgegner vorliegend voraussichtlich rechtsfehlerfrei ausgegangen.

Die Beurteilung der charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Der dem Dienstherrn bei der Ausfüllung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der charakterlichen Eignung eingeräumte Beurteilungsspielraum führt dazu, dass die hierauf beruhende Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann und zwar darauf, ob der gesetzliche Begriff der persönlichen Eignung oder die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt worden sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 04.08.2020, a.a.O. und vom 30.09.2019 - 4 S 2577/19 -, juris). In Bezug auf die charakterliche Eignung des Beamten als einem Unterfall der persönlichen Eignung ist insoweit die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf diese für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.07.2016 - 2 B 17.16 - und vom 25.11.2015 - 2 B 38.15 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.12.2017 - 4 S 2315/17 -; OVG Bremen, Beschluss vom 13.07.2018 - 2 B 174/18 -; Sächsisches OVG, Beschluss vom 22.06.2017 - 2 B 8/17 -, jeweils juris und m.w.N.). Dabei geht es bei der charakterlichen Nichteignung um innere Tatsachen, deren Feststellung naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden ist. Wie ein Beamter auf Anfechtungen, Belastungen, Herausforderungen und Versuchungen voraussichtlich reagieren wird, lässt sich selten genug mit Gewissheit vorhersagen, sodass es zumeist darauf ankommen wird, ob und mit welcher Überzeugungskraft äußere Tatsachen den Schluss auf negative innere Tatsachen zulassen (vgl. VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 04.08.2020, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2019 - OVG 4 S 20.19 -, juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Antragsteller voraussichtlich zu Recht wegen berechtigter Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst entlassen worden. Der auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruhenden Würdigung des Antragsgegners ist der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg entgegentreten. Der Antragsgegner hat voraussichtlich weder den anzuwendenden Begriff der Eignung noch den gesetzlichen Rahmen verkannt, noch ist er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder hat allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen.

Die angefochtene Verfügung vom 19.03.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2020 wird maßgeblich auf berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers gestützt, weil sich der Antragsteller als Mitglied der innerpolizeilichen WhatsApp-Gruppe, in der u.a. nationalsozialistisches, antisemitisches, rassistisches und frauenverachtendes Gedankengut geteilt worden ist, nicht von diesen Inhalten distanziert und damit die Einstellung und Gesinnung der anderen Teilnehmer konkludent bestärkt bzw. toleriert hat. Auch ist er in der Gruppe durch eigene Beiträge in Erscheinung getreten. Diese Bewertung ist zur Überzeugung der Kammer nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu beanstanden.

Dem Antragsteller wird vorgehalten, sich in einem gerade auch für die Ausübung des Polizeiberufs sehr sensiblen Bereich nicht zur Verfassungsordnung bekannt und nicht für sie eingetreten zu sein. Er ist aus der konspirativ auftretenden WhatsApp-Gruppe nicht ausgetreten und hat während des Bestehens der Gruppe auch sonst nicht zu erkennen gegeben, dass er das dort dokumentierte Gedankengut nicht teilt, sondern im Gegenteil sogar einige Beiträge kommentiert. Das aber zeugt angesichts der auf den ersten Blick erkennbar den Grundwerten der Verfassung widersprechenden Inhalte von einer unzureichenden Dienstauffassung und charakterlichen Eignungsmängeln. Der Antragsgegner geht im Rahmen seiner Würdigung im Ergebnis beanstandungsfrei davon aus, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es dem Antragsteller an der inneren Fähigkeit bzw. Bereitschaft fehlt, in der gebotenen Weise für grundlegende und unabdingbare Werte des Zusammenlebens in unserem Land einzutreten.

Der Antragsgegner hat im Rahmen des Entlassungsverfahrens ein Verhalten des Antragstellers mit unmittelbarem Dienstbezug (innerpolizeiliche Gruppe) überzeugend gewürdigt. Dabei ist gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität eines Beamten stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27.11.2008 - 4 S 2332/08 - und vom 10.03.2017 - 4 S 124/17 -; Sächsisches OVG, Beschluss vom 20.09.2017 - 2 B 180/17 -, jeweils juris m.w.N.). Das Verhalten des Antragstellers hat einen unmittelbaren Bezug zu den dienstlichen Kernaufgaben eines Polizeivollzugsbeamten. Es berührt die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Beamten und zeugt von erheblichen charakterlichen Eignungsdefiziten, die einer späteren Übernahme als Beamter auf Probe und auf Lebenszeit entgegenstehen dürften. Dies schlägt auf die Fortführung des Vorbereitungsdienstes und das Beamtenverhältnis auf Widerruf durch.

Die in Art. 33 Abs. 5 GG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verankerte, jedem Beamten obliegende Verfassungstreuepflicht stellt eine beamtenrechtliche Kernpflicht dar. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bestimmt, dass der Beamte sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten muss. Damit einher geht nicht nur das Verbot einer gegen die Verfassung gerichteten Verhaltensweise, sondern eine Pflicht zum aktiven Handeln. Bekenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang eine nach außen erkennbare gefestigte Einstellung, die ein Eintreten für die Erhaltung der demokratischen Grundordnung ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 -; Bayerischer VGH, Urteil vom 16.01.2019 - 16a D 15.2672 -, jeweils juris m.w.N.). Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen (vgl. BVerfG, Urteile vom 23.10.1952 - 1 BvB 1/51 - und vom 17.01.2017 - 2 BvB 1/13 -; BVerwG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 WB 43.04 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 22.10.2018 - 1 B 1594/18 -, jeweils juris). Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, dass der Beamte sich zu dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt, aktiv für sie eintritt und sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. zu diesen für Soldaten, Richter und Beamte geltenden Grundsätzen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.1975 - 2 BvL 13/73 - und vom 06.05.2008 - 2 BvR 337/08 -; BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.11.2019 - 1 M 119/19 -, jeweils juris und m.w.N.; s.a. mit zahlreichen Fallbeispielen Baßlsperger, Die Pflichten des Beamten zur politischen Treue, zur Mäßigung und Zurückhaltung, PersV 2019, 204). Dem entspricht auch der Amtseid, den Polizeianwärter bei Amtsantritt leisten, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Landesverfassung und das Recht zu achten und zu verteidigen sowie Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben (vgl. § 47 Abs. 1 LBG). Die danach an einen Polizeibeamten zu stellende Erwartung hat der Antragsteller nicht erfüllt. Sein Verhalten gibt vielmehr Anlass zu Zweifeln, ob er zu jeder Zeit und ohne jeden Vorbehalt für die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Grundwerte eines friedlichen Zusammenlebens einstehen wird.

Das Hinnehmen und kritiklose Kommentieren von nationalsozialistischen und antisemitischen (vgl. hierzu etwa die Vorfälle Nr. 1; 3; 4; 7; 8 ; 9; 12; 13; 14; 18), rassistischen (vgl. hierzu Nr. 17; 19; 21), gewaltverharmlosenden und -verherrlichenden (vgl. hierzu Nr. 9; 14; 15; 16; 20) sowie frauenverachtenden (vgl. Nr. 5; 6; 10; 20) Äußerungen, Symbolen und Bildern innerhalb der geschlossenen WhatsApp-Gruppe von Polizeianwärtern begründet berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf, ohne dass es der Feststellung einer gefestigten eigenen rechtsextremen Überzeugung bedarf. Von einem Polizeibeamten ist zu fordern, dass er entsprechende Chats, in denen das Verschicken von Hakenkreuzsymbolen, Hitlerbildern, antisemitischen, das nationalsozialistische Unrecht verharmlosenden oder gewaltverherrlichenden, rassistischen und frauenverachtenden Äußerungen als "normal" oder als "lustig" ("Schwarzer Humor") angesehen wird, nicht einfach hinnimmt. Vielmehr ist bereits während der Ausbildungszeit zu erwarten, dass sich der Widerrufsbeamte für die Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens aktiv einsetzt und dem widersprechenden Verhalten (gerade) auch innerhalb des Kollegenkreises etwas entgegensetzt. Die auch im vorliegenden Verfahren zum Ausdruck kommende undifferenzierte und unreife Haltung des Antragstellers begründet erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Dem Antragsteller wird insoweit nicht fremdes Verhalten zugerechnet, vielmehr wird sein eigenes Handeln bewertet.

Ungeachtet dessen war der Antragsteller in der Gruppe auch nicht völlig passiv. Er hat ein Bild, das einen Mann mit dem Aussehen Adolf Hitlers auf einem Rudergerät zeigt und mit dem Hinweis auf eine angebliche Vorbereitung auf einen Dritten Weltkrieg versehen ist, mit drei Tränen lachenden Smileys kommentiert. Soweit er ausführt, er habe das Bild mit dem Text für absoluten Quatsch gehalten und mit den Smileys gerade keine Zustimmung signalisiert, ist dies unter Berücksichtigung des üblichen Bedeutungsgehalts lachender Smileys für die Kammer nicht nachvollziehbar. Inwieweit der Antragsteller selbst das verbreitete rechtsextreme Gedankengut teilt, ist nicht abschließend geklärt, er hat jedoch entsprechende Äußerungen als lustig kommentiert und sich insoweit mit ihnen gemein gemacht und sie damit bestärkt.

Soweit er ausführt, bei der gedanklichen Eroberung von Ländern sei seine Äußerung fehlinterpretiert worden, er sei dem Chat nicht einmal genau gefolgt, zeigt sich auch darin ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln, das den berechtigten Erwartungen, die an einen Polizeibeamten zu stellen sind, nicht genügt. Wenn der Antragsteller ausführt, er habe mit seinem Kommentar allein auf eine Situation in der Schule angespielt, in der ein Lehrer eine Frage zu "bulgarischen Nutten" gestellt habe, er sei keinesfalls Anhänger von Eroberungsszenarien oder von sexistischen Äußerungen, geht er über den Inhalt des Chats hinweg und reflektiert auch im vorliegenden Verfahren sein eigenes Tun nicht ansatzweise selbstkritisch.

Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller ausführt, bei der Nachricht "Erflogsland" habe er sich lediglich vertippt. Er habe nur "Erfolgsland" noch einmal tippen und den aus Hessen stammenden Mitschüler necken wollen, der sein Bundesland immer als besonders cool herausstelle. Seine Äußerung habe mit dem abgebildeten dunkelhäutigen Vater absolut nichts zu tun. Damit übergeht er nicht nur, dass seine Äußerung innerhalb des Chats angesichts der dort offenkundig rassistischen Überzeugungen einiger Klassenkameraden anders verstanden worden sein dürfte und dass (auch) die nachfolgende Unterhaltung mit einem Klassenkameraden innerhalb des Chats von erkennbar rassistischen Untertönen geprägt ist ("So würde ich das auch nicht nennen").

Soweit der Antragsteller anführt, die Reportage auf Youtube habe er sich gar nicht angesehen - auch nicht die Nachricht mit "wir sagen weiterhin..." und er fühle sich jedenfalls nicht mit dem "wir" angesprochen, beschränkt sich sein Vortrag ebenfalls auf das Motto "nichts sehen, nichts hören, nichts wissen". Zum Ausdruck kommt darin eine charakterliche Haltung, die grundsätzliche Zweifel an der Eignung für den Polizeiberuf weckt, weil sie der Stärkung entsprechenden Gedankenguts und einem innerhalb der Polizei nicht hinnehmbaren Korpsgeist letztlich Vorschub leistet. Eine Abschottung der sieben Gruppenmitglieder ("Gang") innerhalb der Klasse von 30 Personen, wie sie in dem "wir sagen..." zum Ausdruck kommt, wurde dementsprechend auch in den Zeugenvernehmungen der Klassenkameraden im Ermittlungsverfahren deutlich.

Nicht gefolgt werden kann dem Vorbringen des Antragstellers, wenn er vorträgt, er sei leider in eine Sache hineingeraten, die er zutiefst bedauere. Hätte er auch nur geahnt, dass seine Äußerungen bei seinem Dienstherrn tatsächlich Zweifel an seiner charakterlichen Eignung hervorrufen könnten, so hätte er von den Mitschülern gefordert, ihn sofort aus der Gruppe zu löschen. Er sei mit den anderen der Gruppe nicht befreundet. Es sei ihm überhaupt nur darum gegangen, sich wegen schulischer Belange auszutauschen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Nachrichten in einem engen, vertrauten und nichtöffentlichen Personenkreis verbreitet worden seien, dessen Empfängerhorizont zu berücksichtigen sei.

Dem Antragsteller musste sich angesichts der Deutlichkeit der verwendeten Symbole und Bilder - namentlich zu nennen sind das Hakenkreuz, der sog. Davidstern, die Hitlerbilder sowie die rassistischen Darstellungen und Äußerungen in Bezug auf dunkelhäutige Menschen und das frauenverachtende Menschenbild - selbst bei nur oberflächlicher Betrachtung aufdrängen, dass ihre polizeiinterne Verbreitung - die wie geschehen jederzeit öffentlich bekannt werden kann - geeignet ist, das Ansehen der Bürger in die Funktionsfähigkeit und Neutralität des Staates und das Vertrauen darin zu gefährden, dass der Antragsteller als Polizeibeamter die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Der Antragsteller muss sich in diesem Zusammenhang auch vorhalten lassen, dass seine Haltung widersprüchlich ist, wenn er im Schreiben vom 17.02.2020 gegenüber der Staatsanwaltschaft vorträgt, dass er sich nicht vorstellen könne, in einer Polizei zu arbeiten, in der Leute toleriert würden, die solches nationalsozialistisches Gedankengut verbreiteten, selbst aber die Verbreitung im persönlichen Kreis der Kollegen hinnimmt und teilweise sogar belustigt kommentiert. Der Antragsteller hat die Gruppe, die im Unterschied zu "normalen" WhatsApp-Gruppen sehr abgeschottet war, nicht verlassen, obwohl ein Austritt jederzeit möglich gewesen wäre und die schulischen Informationen durch die bestehenden allgemeinen Klassengruppen ohne weiteres hätten abgedeckt werden können. Das Vorbringen, dass es ihn einerseits nicht interessiert, er aber anderseits die fraglichen Inhalte innerlich abgelehnt und Nachrichten teilweise gelöscht habe, verdeutlicht, dass er gerade nicht bereit ist, für die grundlegenden Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens aktiv einzustehen. Der Antragsgegner erwartet indes - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus - von einem, auch einem jungen Polizeibeamten zu Recht eine klare Haltung.

Die Kammer geht derzeit mangels konkreter Anhaltspunkte nicht davon aus, dass der Antragsteller darüber hinaus durch rassistisches oder rechtsextremes Handeln nach außen in Erscheinung getreten ist. Sein durch Vorlage von schriftlichen Bescheinigungen (AS 47 ff.) näher dokumentiertes Vorbringen dazu, dass er viele Freunde mit Migrationshintergrund habe und alle Freunde, Klassen- und Sportkameraden gleich welchen Hintergrunds gleichbehandelt habe, sich in seinem Ringerverein für den Verbleib eines ausländischen Mitsportlers in Deutschland und bei dessen Arbeitssuche eingesetzt habe und nicht rechtsextrem oder sexistisch aufgefallen sei, kann nachvollzogen werden. Nach den vorgelegten Stellungnahmen handelt es sich beim Antragsteller um einen jungen Mann, der im privaten Bereich durchaus aufgeschlossen, friedfertig und hilfsbereit ist und herzliche und unvoreingenommene Kontakte auch zu Menschen mit Migrationshintergrund und zu Frauen pflegt. In krassem Widerspruch dazu stehen jedoch die genannten Beiträge in der WhatsApp-Gruppe mit ihren den Grundwerten der Verfassung widersprechenden Inhalten, die der Antragsteller einfach hingenommen hat, ohne auch nur ansatzweise zu erkennen zu geben, dass er diese Äußerungen und dieses Gedankengut nicht teilt. Er war zwar innerhalb der WhatsApp-Gruppe eher ein "Mitläufer" und gehörte nicht zu den Tonangebenden innerhalb dieser Gruppe. Das aber hindert aus den vorgenannten Gründen die vom Antragsgegner getroffene Einschätzung nicht. Die Aktivitäten des Antragtellers in der Gruppe belegen ebenso wie sein Vorbringen im vorliegenden Verfahren, dass er die in der Gruppe geteilten Bilder und Äußerungen verharmlost und bagatellisiert. Deren Häufigkeit über einen längeren Zeitraum lassen auch ein "Augenblicksversagen" ausgeschlossen erscheinen. Der Rückschluss von den Chatinhalten und dem in diesem Zusammenhang gezeigten Verhalten des Antragstellers auf seine innere Einstellung ist vom Antragsgegner auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgt und genügt insoweit den rechtlichen Anforderungen (vgl. zu diesen Anforderungen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020, a.a.O.).

Dem steht auch die Selbsteinschätzung des Antragstellers, dass er sich der Aufgabe als Polizeibeamter gewachsen fühle und seine wahre Gesinnung weltoffen sei, nicht entgegen. Der Dienstherr stellt die berechtigte Erwartungshaltung, dass der Beamte zu jeder Zeit für diese weltoffene Haltung einsteht und sich positioniert. Dem Antragsteller wird insoweit nicht eine Gesinnung vorgehalten, sondern ein dienstrechtlich relevantes Versagen.

Die Entscheidung des Antragsgegners erweist sich auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität eines Beamten stellen darf, insgesamt als voraussichtlich verhältnismäßig. Eine mildere Maßnahme war angesichts der Schwere der Vorwürfe und des entstandenen Ansehens- und Vertrauensverlusts der Polizei in der Öffentlichkeit nicht geboten. Auch einer weitergehenden Erläuterung oder Ermahnung bedurfte es insoweit nicht.

Der Antragsgegner hat das Entlassungsverfahren unmittelbar nach Bekanntwerden des Sachverhalts eingeleitet und daher auch keinen Vertrauensschutz zugunsten des Antragstellers begründet.

Der Antragsgegner hat schließlich ermessensfehlerfrei davon abgesehen, den Antragsteller, an dessen Eignung für den Polizeivollzugsdienst berechtigte Zweifel bestehen, noch seine Ausbildung abschließen zu lassen. Der Antragsgegner hat dabei die Bedeutung des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG, wonach die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden soll, nicht verkannt. Da im Fall der Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt, kann keine Rechtspflicht des Antragsgegners gegeben sein, einen Beamten auf Staatskosten weiter auszubilden, dessen spätere Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit aufgrund der berechtigten Zweifel an der charakterlichen Eignung aller Voraussicht nach ausgeschlossen ist (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 30.09.2019 und vom 27.11.2008, jeweils a.a.O.; s.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.04.2019 - OVG 4 S 16.19 -, jeweils juris).

c.) Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der voraussichtlich rechtmäßigen Entlassung überwiegt insgesamt das private Interesse des Antragstellers, davon einstweilen verschont zu bleiben. Das erforderliche Vertrauen des Dienstherrn in die persönliche Integrität des Antragstellers als Polizeivollzugsbeamter wurde nachhaltig erschüttert. Eine Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes ist dem Dienstherrn angesichts des gewichtigen Pflichtverstoßes auch im Hinblick auf den dienstlichen Bezug des Fehlverhaltens, die besondere Stellung von Polizeibeamten und die berechtigte Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit entsprechenden Vorfällen innerhalb der Polizei nicht zumutbar. Ungeachtet dessen ist auch nach der gesetzlichen Wertung keine weitergehende "Kündigungsfrist" einzuhalten (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 3 LBG).

d.) Eine Aufhebung der Vollzugsfolgen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO kommt aus den genannten Gründen damit ebenfalls nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beil. 2013, 58; 3-facher Betrag der monatlichen Anwärterbezüge; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.09.2019, a.a.O.).