VG Potsdam, Urteil vom 30.09.2020 - 2 K 3257/19
Fundstelle
openJur 2020, 75621
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

2. Der Rechtsstreit wird hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz an das Landgericht Potsdam verwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin steht als Ministerialrätin (A 16) im Dienst des beklagten Landes. Sie begehrt, im Wege des Schadensersatzes wegen unterbliebener Beförderung so gestellt zu werden, als ob sie mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zur Ministerialrätin in der Besoldungsgruppe befördert worden wäre.

Gegen die Klägerin war mit Verfügung vom 5. September 2014 ein Disziplinarverfahren mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht im Rahmen einer vertrauensvollen und von gegenseitigem Respekt getragenen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Unterstellten eingeleitet worden. Hintergrund war eine angeblich von der Klägerin getätigte Äußerung ("... werde Ihnen noch so viel Schwierigkeiten machen, dass Sie noch länger als ein halbes Jahr krank werden") im Zuge der Aushändigung einer dienstlichen Beurteilung im Juli 2014 gegenüber dem damaligen Abteilungsleiter I im M... . Das Disziplinarverfahren wurde am 14. Juli 2017 wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Die Einstellungsverfügung ist im Hinblick auf die Feststellung eines mit einer Geldbuße oder einem Verweis zu ahnden gewesenen Dienstvergehens Gegenstand des Verfahrens VG 17 K 189/18.OL; in jenem Verfahren nahm die Klägerin durch ihren dortigen Prozessbevollmächtigten am 17. April 2018 Akteneinsicht in den Disziplinarverwaltungsvorgang, anknüpfend an eine zuvor schon im Oktober 2017 bei dem M... erfolgte Einsicht in den Disziplinarvorgang.

Die Klägerin beantragte mit einem an die damalige Staatssekretärin im M... gerichteten Schreiben vom 14. Dezember 2018 die Gewährung von Schadensersatz. Zur Begründung machte sie geltend, vor Beförderungen im Dezember 2016 nicht in rechtlich gebotener Weise über den Ausgang des Auswahlverfahrens unterrichtet worden zu sein, obgleich sie gegenüber der Staatssekretärin in einem Gespräch am 26. August 2016 auf ihr Interesse an dienstlichem Fortkommen hingewiesen habe. Das Disziplinarverfahren, dessentwegen ihre "Ausselektion" aus dem Bewerberkreis erfolgt und ihr seit 2014 die Erstellung aktueller dienstlicher Beurteilungen vorenthalten worden seien, hätte spätestens im Dezember 2015 abschließend bearbeitet werden müssen. Da im M... bislang jeder aktive Referatsleiter nach B 2 ernannt worden sei und sie unter Leistungsgesichtspunkten entsprechend zu behandeln gewesen wäre, sei ihr durch die unterbliebene Berücksichtigung bei den Beförderungen 2016 ein Schaden entstanden.

Mit Bescheid des M... vom 7. Februar 2019, der Klägerin zugegangen am 22. Februar 2019, lehnte der Beklagte den Schadensersatzantrag ab. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, denn 2016 sei die Klägerin wegen des seinerzeit laufenden Disziplinarverfahrens von vornherein für eine Beförderung nicht in Betracht gekommen, weshalb sie über den Ausgang jenes Beförderungsverfahrens auch nicht habe informiert werden müssen. Das Disziplinarverfahren sei nicht von vornherein aussichtslos oder aus anderen als rein disziplinarrechtlichen Gründen - rechtsmissbräuchlich - eingeleitet worden. Es sei auch nicht etwa bewusst zögerlich betrieben worden, um sie von Beförderungsrunden auszuschließen. Überdies fehle es an einem kausalen Schaden, denn von einem zwingenden Beförderungsanspruch könne keine Rede sein. Wegen der unterbliebenen Beurteilung sei unklar, ob die Klägerin im Verhältnis zu Konkurrenten für eine Beförderung in Betracht gekommen wäre. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wonach innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage bei dem Verwaltungsgericht Potsdam erhoben werden könne.

Ihren am 18. Februar 2020 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid des M... vom 27. Februar 2020 mit einer dem Ausgangsbescheid vom 7. Februar 2019 entsprechenden Begründung zurück.

Mit ihrer bereits am 31. Dezember 2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Schadensersatzbegehren weiter. Zur Begründung macht sie geltend: Die Voraussetzungen für den von der Rechtsprechung entwickelten dienstrechtlichen Ausgleichsanspruch seien erfüllt, da im Jahr 2016 ein Beförderungsanspruch schuldhaft vereitelt worden sei. Eine Reaktion auf das Gespräch bei der Staatssekretärin im August 2016 sei ausgeblieben. Ihr sei nicht einmal ansatzweise eine Auskunft über die seinerzeitige Beförderungsrunde und den Stand der disziplinarrechtlichen Ermittlungen gegeben worden. Dass die Ermittlungsführerin bereits unter dem 30. November 2015 einen Entwurf für einen abschließenden Ermittlungsbericht abgegeben hatte, sei ihr daher verborgen geblieben. Es sei seitens des Personalreferats so getan worden, als würde das Disziplinarverfahren "irgendwo im verwaltungsinternen M... -Orbit" schweben. Noch 2017 hätte die Vertreterin des M... gegenüber der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts behauptet, die Angelegenheit sei infolge vordringlicher anderer Dinge aus dem Blick geraten. In einer Besprechungsrunde am 11. November 2016 sei von der stellvertretenden Abteilungsleiterin hingegen noch mitgeteilt worden, es werde wohl bis Weihnachten jenes Jahres über den Abschluss des Disziplinarverfahren entschieden. Ende Januar bzw. Anfang Februar 2017 habe sie von den am 9. Dezember 2016 vollzogenen Beförderungen von einer Beamtin sowie zwei Beamten nach B 2 erfahren. Den genauen Ablauf des Disziplinarverfahrens habe sie erst durch die (im Oktober 2017 erfolgte) Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen die Einstellungsverfügung erfahren. Dem Disziplinarverfahren liege keinerlei Dienstvergehen zugrunde, es sei ein unbewiesener Vorwurf in den Raum gestellt und ein Verfahren ohne jeden Sachgrund (zwecks ihrer Benachteiligung in Bezug auf eine Beförderung) eingeleitet worden. Sachwidrig erfolgt sei 2015 auch eine Erweiterung des Disziplinarvorwurfs auf eine angebliche Beleidigung des stellvertretenden Abteilungsleiters 3 im M... (wegen dessen Bezeichnung als "Verhinderungsvertreter"). Ein laufendes Disziplinarverfahren enthebe den Dienstherrn im Übrigen auch nicht von seiner Verpflichtung, nach Maßgabe der einschlägigen Beurteilungsrichtlinien eine Beurteilung zu erstellen. Erst 2018 habe sich ihr, der Klägerin, definitiv durch eine Akteneinsicht offenbart, dass sie in die Beförderungsauswahlliste des Personalreferats nicht aufgenommen worden war.

Die Nichteinbeziehung in die Beförderungsrunde 2016, die Nichterteilung einer diesbezüglichen Anlassbeurteilung und die unterbliebene Konkurrentenmitteilung vor dem Vollzug der Beförderungen im Dezember 2016 hätten sie, die Klägerin, in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Der Beklagte habe insoweit auch schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig gehandelt, da er die Rechtswidrigkeit seines Vorgehens bei einer hinreichend gewissenhaften Überprüfung hätte erkennen müssen. Aufgrund der rechtswidrig unterbliebenen Erstellung einer dienstlichen Beurteilung komme ihr hinsichtlich der Kausalität des eingetretenen Schadens eine Beweislastumkehr zugute.

Sie habe auch sämtliche ihr zumutbaren Möglichkeiten zur Verhinderung des Schadenseintritts im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB ausgeschöpft. Insbesondere sei sie nicht gehalten gewesen, im Laufe des Jahres 2017 gegen die drei im Dezember 2016 erfolgten Ernennungen Anfechtungsklage zu erheben. Solche Anfechtungsklagen stellten keinen Primärrechtsschutz im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB dar; außerdem sei die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Durchbrechung der Ämterstabilität (Urteil vom 4. November 2010) auf das Singularamt eines Obergerichtspräsidenten bezogen gewesen, während vorliegend beim MIK stets unbesetzte B 2-Stellen zur Verfügung stehen würden. Von den Pflichtwidrigkeiten in Bezug auf das Disziplinarverfahren habe sie erst im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2017 Kenntnis erhalten, nämlich im Rahmen des Verfahrens VG 17 K 3237/17.OL. Es wäre aussichtslos gewesen, seinerzeit Anfechtungsklage gegen die Ernennungen zu erheben. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2018 (2 C 19.17 u. a.) zeigten, dass Obliegenheiten nach § 839 Abs. 3 BGB nur vor Schadenseintritt, d. h. vor dem Vollzug von Ernennungen, gegeben seien. Solchen habe sie, die Klägerin, hier nicht zuwidergehandelt, denn es gab für sie keinen Anlass zu der Annahme, es würden im Dezember 2016 Beförderungen nach B 2 vollzogen. Ein von ihr am 19. Mai 2014 gegen eine - unmittelbar im Anschluss an eine Beschwerdeentscheidung (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2014 - OVG 4 S 70.13 -) noch während des Laufs der Verfassungsbeschwerdefrist vollzogene - Ernennung erhobener Widerspruch habe nur zu massiven Unmutsäußerungen und Repressalien der Abteilungsleitung 1 im M... geführt, nicht jedoch dazu, dass die Dienststelle dazu etwas unternommen hätte. Ein von ihr erhobener Anfechtungswiderspruch im Laufe des Jahres 2017 wäre ebenso ignoriert und einfach unbearbeitet unter den Teppich gekehrt oder aber jedenfalls negativ beschieden worden. Eine dann erhobene Anfechtungsklage hätte im Falle eines Obsiegens mit Sicherheit lediglich das Ergebnis gebracht, die Ernennungen ab Rechtskraft einer Entscheidung aufzuheben, wobei einer der beförderten Ministerialräte bereits im Frühjahr 2018 in den Bundesdienst gewechselt sei. Der bereits eingetretene Schadenseintritt wäre damit nicht verhindert worden, d. h. eine unterstellt fahrlässig unterlassene Anfechtung hätte sich nicht ausgewirkt. Eine andere Sichtweise werde dem manipulativen Agieren des Beklagten nicht gerecht, denn im Vordergrund habe das schadensstiftende Verhalten der Amtswalter des Beklagten zu stehen. Es lägen sachfremde kontinuierlich rechtsmissbräuchliche Verhaltensmuster, ein Verdunkeln von Vorgängen zu ihrer "definitiven Eliminierung ... aus dem Bewerberkreis" vor.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des M... vom 7. Februar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 27. Februar 2020 zu verpflichten, sie dienst-, besoldungs-, und versorgungsrechtlich so zu stellen, als ob sie mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zu B 2 BbgBesO befördert worden wäre,

hilfsweise,den Rechtsstreit unter amtshaftungsrechtlichen Gesichtspunkten des Staatshaftungsgesetzes Brandenburg an das Landgericht Potsdam zu verweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt und vertieft die Begründung der ablehnenden Bescheide und macht zusätzlich geltend, der Anspruch entfalle jedenfalls wegen des unterbliebenen Vorgehens gegen die B 2-Ernennungen der dafür in der Beförderungsrunde 2016 ausgewählten Beamten. Der mit dem Hilfsantrag angekündigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vor dem Landgericht Potsdam stünden dieselben Gründe sowie im Übrigen die Einrede der Verjährung entgegen, welche vorsorglich erhoben werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere auch der - wie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt - beigezogenen Akten zu den Verfahren VG 17 K 3237/17.OL und VG 17 K 189/18.OL nebst Beiakten, sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefte) ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet (I.) und hinsichtlich der mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche antragsgemäß an das Landgericht Potsdam zu verweisen (II.).

I.

Die Klägerin kann nicht beanspruchen, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als ob sie zum 1. Januar 2017 in das von ihr angestrebte Amt einer Ministerialrätin (B 2) befördert worden wäre. Die Ablehnung des entsprechenden Antrags der Klägerin durch die angefochtenen Bescheide des M... ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch eine Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, wenn diese Rechtsverletzung für seine Nichtbeförderung kausal war und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsgrundlage dieses Schadensersatzanspruchs ist das Beamtenverhältnis.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, juris Rn. 17.

Ob eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Klägerin hinsichtlich der Beförderungsrunde 2016 im M... vorliegt und infolge einer Beweiserleichterung bzw. Beweislastumkehr als - im Sinne einer "reellen Chance",

vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, juris Rn. 45 -

kausal für ihre nicht erfolgte Beförderung im Dezember 2016 angesehen werden könnte, kann dahinstehen.

Der von ihr geltend gemachte Anspruch scheitert nämlich jedenfalls daran, dass die Klägerin es unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Die Kammer schließt sich hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Grundsätze den folgenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an (Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1134/17 -, juris Rn. 116 ff.):

"Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht anerkannt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 23.

Die Vorschrift ist zugleich Ausdruck des Grundsatzes, dass der Primärrechtsschutz Vorrang vor dem Sekundärrechtsschutz hat: Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitsakt mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, d. h. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen. Der für rechtmäßige hoheitliche Eingriffe geltende Grundsatz "Dulde und liquidiere" gilt nicht im Bereich der Haftung für rechtswidrige Eingriffe. Soweit der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, gilt daher ebenfalls: es gibt kein "Dulde und liquidiere". Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 24, mit weiteren Nachweisen.

Der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB greift auch beim Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs ein. Der zu Unrecht nicht einbezogene und nicht ausgewählte Bewerber kann Schadensersatz für die Verletzung seines Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG nur dann beanspruchen, wenn er sich bemüht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er rechtliche Schritte im Vorfeld der absehbaren Auswahlentscheidung - durch Erkundigung und Rüge der Nichteinbeziehung in den Bewerberkreis und der Nichtauswahl - oder nach deren Ergehen eingeleitet hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 25, mit weiteren Nachweisen.

Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe, die sich gegen eine Amtspflichtverletzung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung oder Verringerung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind. Der Begriff des Rechtsmittels ist nicht auf die in den Verfahrensvorschriften vorgesehenen Behelfe beschränkt, sondern umfasst auch andere, rechtlich mögliche und geeignete - förmliche oder formlose - Rechtsbehelfe, ist also in einem weiten Sinn zu verstehen. Maßgeblich für die Einordnung einer Handlung als Rechtsbehelf in diesem Sinne ist es, ob sie potentiell geeignet ist, den bevorstehenden Schadenseintritt noch abzuwenden. Der Rechtsbehelf muss sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und ihre Beseitigung beziehungsweise Vornahme bezwecken und ermöglichen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 26, mit weiteren Nachweisen.

Rechtsmittel in diesem Sinne, die der Durchsetzung des Anspruchs auf Beförderung dienen, sind zuvörderst, aber nicht nur die Rechtsbehelfe des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen bevorstehende Ernennungen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 27, mit weiteren Nachweisen.

[...]

Als Rechtsmittel im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB im Sinne der oben genannten Begriffsbestimmung kommt im - hier gegebenen - Fall der Rechtsschutzvereitelung auch die (nachträgliche) Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der erfolgten Ernennung (kombiniert mit der auf Neubescheidung des Beförderungsbegehrens gerichteten Verpflichtungsklage) in Betracht, soweit jene Klage tatsächlich und zumutbar erhoben werden kann.

Ebenso OVG NRW, Urteil vom 4. Juni 2012 - 1 A 1339/10 -, IÖD 2012, 194 = juris Rn. 49 ff.; auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 10 A 10738/14 -, juris Rn. 8.

Denn auch dies ist ein Rechtsbehelf, der sich gegen eine Amtspflichtverletzung - hier im Wege der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs - richtet und sowohl deren Beseitigung als auch die Abwendung oder jedenfalls die Verringerung des Schadens zum Ziel hat und herbeizuführen geeignet ist. Diese Klage ist zwar nicht geeignet, den Schaden insgesamt abzuwenden, da eine rückwirkende Ernennung des Klägers ohnehin nicht möglich ist (vgl. § 8 Abs. 4 BeamtStG), und auch die angefochtene Ernennung nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden kann,

BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, a. a. O., Rn. 39.

Sie kann aber den durch die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs verursachten Schaden begrenzen, indem die Beklagte verpflichtet wird, über das Beförderungsbegehren eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.

Soweit der 1. Senat des erkennenden Gerichts im Urteil vom 20. Juni 2013

- 1 A 1/11 -, a. a. O., Rn. 72 ff. unter Bezug auf BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, a. a. O., Rn. 48,

davon abweichend die Auffassung vertreten hat, das Bundesverwaltungsgericht verlange nur das Bemühen des Betroffenen, um gerichtlichen Rechtsschutz gegen die "bevorstehende Personalentscheidung" nachzusuchen, ist dem insoweit die Grundlage entzogen, als das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Anfechtungsklage als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB (nur) deshalb ausgeschieden hat, weil im von ihm zu entscheidenden Fall der relevante Zeitpunkt der Beförderungen vor dem insoweit grundlegenden Urteil des Senats vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 - gelegen habe.

BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17 -, a. a. O., Rn. 27.

Der Beamte, der sich rechtsfehlerhaft bei einer Beförderungsentscheidung übergangen fühlt, kann danach immer Primärrechtsschutz geltend machen: Im Regelfall durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gegen die bevorstehende Beförderung des Ausgewählten, im Ausnahmefall der Rechtsschutzverhinderung bei Verletzung von Mitteilungs- oder Wartepflichten auch durch Klage auf Aufhebung einer unter solchen Umständen zustande gekommenen Ernennung. Soweit diese Primärrechtsschutzmöglichkeiten reichen, besteht kein Raum für Sekundärrechtsschutz, d. h. einen Schadensersatzanspruch.

So von der Weiden, jurisPR-BVerwG 1/2019 Anm. 6."

Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin ausgeschlossen. Die Klägerin hatte Ende Januar/Anfang Februar 2017 Kenntnis vom Vollzug der Beförderungen nach B 2 erlangt. Es war ihr auch zumutbar, hiernach gegen die Ernennungen vorzugehen. Sie wusste (wie aus ihrem Widerspruch gegen in 2014 erfolgte B 2-Ernennungen folgt) um die Möglichkeit einer Anfechtungsklage gegen Ernennungen von Konkurrenten in den sog. Rechtsschutzvereitelungsfällen. Sie wusste außerdem, dass ihr keine dienstliche Anlassbeurteilung für eine Bewerberauswahl in 2016 erteilt worden war und dass sie folglich in das Bewerbungsverfahren nicht einbezogen worden war. Auch war ihr die Auffassung bekannt, dass sie infolge des (seinerzeit noch immer nicht abgeschlossen gewesenen) Disziplinarverfahrens als nicht geeignet für eine Beförderung angesehen worden war. Ferner hatte sie Kenntnis von den Disziplinarvorwürfen und von den diesen zugrundeliegenden Sachverhalten, also auch davon, dass diese Sachverhalte eine sehr überschaubare Komplexität hatten. Ebenso hatte sie Kenntnis von der langen Dauer des Disziplinarverfahrens, welche sie auch mehrfach selbst beanstandet hatte. Spätestens aufgrund der im Oktober 2017 genommenen Akteneinsicht durch ihren diesbezüglichen Prozessbevollmächtigten hatte die Klägerin überdies genaue Kenntnis vom Ablauf des behördlichen Disziplinarverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt - im Oktober 2017 - war seit der Vornahme der Ernennungen nach B 2 im Dezember 2016 - und insbesondere seit der aufgrund der unterbliebenen Konkurrentenmitteilung erst Ende Januar bzw. Anfang Februar 2017 erlangten diesbezüglichen Kenntnis der Klägerin von diesen Ernennungen - noch kein Jahr verstrichen; die Möglichkeit, im Wege der Anfechtungsklage vorzugehen, wäre daher selbst dann noch gegeben gewesen, wenn man dafür die Kenntnis der Klägerin vom genauen Ablauf in dem Disziplinarverfahren verlangen wollte,

vgl. zur Verwirkung und zu der regelmäßig bei einem Jahr liegenden zeitlichen Grenze BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 10.17 -, juris Rn. 27 ff.; ferner BVerwG, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 -, juris Rn. 12 ff. und OVG NW, Urteil vom 17. Juni 2019 - 6 A 1133/17 -, juris Rn. 103 ff.

Es war der Klägerin auch zumutbar, gegen die fraglichen Ernennungen vorzugehen. Dass ihr Anfechtungswiderspruch in 2014 "versandet" war, spricht nicht gegen eine solche Zumutbarkeit, ebenso wenig die Aussicht, dass sie sich durch ein solches Vorgehen den Unmut von Kollegen und der Personalverantwortlichen im MIK zugezogen haben würde. Schließlich zögert die Klägerin, wie nicht zuletzt die relativ zahlreichen von ihr geführten Prozesse in dienstrechtlichen Angelegenheiten zeigen, auch sonst nicht, gegen zu ihren Lasten getroffene beamtenrechtliche Entscheidungen vorzugehen. Der offenbar nicht erst im Nachhinein von der Klägerin gewonnene, für die Kammer allerdings nicht recht nachvollziehbare subjektive Eindruck, der Beklagte hätte das Disziplinarverfahren gezielt zu ihrem Nachteil in Bezug auf eine Beförderung nach B 2 geführt, hätte ihr umso mehr Anlass geben müssen, die aus ihrer Sicht rechtswidrig erfolgten Ernennungen anzugreifen.

Der (mögliche) Schadensersatzanspruch ist auch insgesamt nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, obgleich die Klägerin im Wege einer erfolgreichen Anfechtungsklage lediglich eine Aufhebung der fraglichen B 2-Ernennungen ex nunc hätte erreichen können. Der von der Klägerin angeführte gegenteilige Ansatz des Verwaltungsgerichts Aachen,

Beschluss vom 2. Mai 2018 - 13 K 3938/15 -, juris Rn. 65 ff.,

ist nicht überzeugend. Duldet ein Beamter nämlich - wie die Klägerin - den Vollzug von Ernennungen, hat dies zur Folge, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch, wegen dessen Verletzung Schadensersatz beansprucht werden kann, erlischt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 -, juris Rn. 10 ff.

Infolge des Erlöschens des Bewerbungsverfahrensanspruchs kann ein Bewerber nicht mehr verlangen, selbst anstelle eines Mitbewerbers befördert zu werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012, a. a. O., Rn. 12.

Der Möglichkeit, den Bewerbungsverfahrensanspruch durchzusetzen, d. h. im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage eine erneute - rechtmäßige - Auswahlentscheidung durch den Dienstherrn zu erwirken, hat sich der Beamte, der - wie die Klägerin - eine solche zumutbare Klage nicht erhebt, begeben. Darauf, dass die rechtsbeständigen Ernennungen rechtswidrig erfolgt seien, kann der Beamte, der gegen diese Ernennungen nicht vorgegangen ist und sie daher gegen sich gelten lassen muss, keinen Schadensersatzanspruch mehr stützen.

Vgl. auch OVG NW, Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 A 1235/15 -, juris Rn. 38.

Er steht insoweit nicht anders als ein Beamter, der einen - rechtswidrigen - Abbruch eines Auswahlverfahrens hinnimmt.

Vgl. zum Erlöschen des Bewerbungsverfahrensanspruchs und zum Ausschluss von Schadensersatz durch den Abbruch eines Auswahlverfahrens (etwa auch wegen einer zuvor durch eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung vermittelte Kenntnis von einer erfolgten Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs selbst) BVerwG, Urteil vom 29. November 2012, a. a. O., Rn. 15.

II.

Auf den von der Klägerin nur hilfsweise der Sache nach geltend gemachten Anspruch nach § 1 des Staatshaftungsgesetzes (in der Fassung der Änderung durch das Erste Brandenburgische Rechtsbereinigungsgesetz vom 3. September 1997, GVBl. I, S. 104) ist der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes an das gemäß § 6a des Staatshaftungsgesetzes i. V. m. § 3 des Brandenburgischen Gerichtsorganisationsgesetzes (in der Fassung der Änderung durch Art. 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2011, GVBl. I Nr. 32) zuständige Landgericht Potsdam zu verweisen, denn der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist insoweit aufgrund der genannten abdrängenden Sonderzuweisung nicht eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Vgl. zur prozessrechtlich möglichen Verknüpfung eines Hauptantrages mit einem in die Zuständigkeit eines anderen Rechtswegs fallenden Hilfsantrag mit der Konsequenz der Verweisung nur - jeweils m. w. N. - Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Januar 2020, § 17 GVG Rn. 26, sowie Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 17 GVG Rn. 42.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe i. S. d. §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO für eine Berufungszulassung liegen nicht vor.

BeschlussDer Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 des Gerichtskostengesetzes auf 45.333,78 Euro festgesetzt.

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