LAG Hamm, Urteil vom 22.01.2020 - 6 Sa 1364/19
Fundstelle
openJur 2020, 75592
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Ca 896/19

1. Die einseitig durch den Arbeitgeber erfolgende Anrechnung von Arbeitszeitguthaben während Nichteinsatzzeiten von Zeitarbeitnehmern verstößt gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG.

2. Die einvernehmlich vereinbarte Anrechnung von Arbeitszeitguthaben während Nichteinsatzzeiten von Zeitarbeitnehmern verstößt nur dann nicht gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zeitarbeitnehmer am Abbau seiner Plusstunden durch Freizeitausgleich gerade während der Nichteinsatzzeit interessiert ist.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 27. Juni 2019 - 6 Ca 896/19 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 27. Juni 2019 - 6 Ca 896/19 - zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.

Der Kläger war vom 13. April 2011 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter angestellt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt ein Arbeitsvertrag vom 27. April 2017. Die Wochenarbeitszeit betrug danach 40 Stunden, die Bruttostundenvergütung zum Ende des Arbeitsverhältnisses 18,71 Euro brutto. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall.

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist die Überlassung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Zeitarbeit. Die Beklagte ist seit dem 1. April 2017 Mitglied des Arbeitgeberverbands Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ). Die Beklagte überließ die bei ihr angestellten Arbeitnehmer wie auch den Kläger in großem Umfang an das Unternehmen Aluminiumwerk V. Der Ehemann der Komplementärgeschäftsführerin der Beklagten U war zugleich Kommanditist der Beklagten (Amtsgericht Hamm HRA XXXX) sowie Vorstand der Aluminiumwerk V (Amtsgericht Hamm HRB XXXX).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen der Tarifgemeinschaft der DGB-Mitgliedsgewerkschaften und dem iGZ geschlossenen Tarifverträge der Zeitarbeit Anwendung. Der Manteltarifvertrag (MTV iGZ) in der vorliegend einschlägigen Fassung vom 17. September 2013 lautet auszugweise wie folgt:

"§ 3 Arbeitszeit

[...]

3.2. Arbeitszeitkonto

3.2.1. Für jeden Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Auf dieses Konto werden die Stunden übertragen, die über die regelmäßige Arbeitszeit pro Monat hinaus abgerechnet werden. [...]

3.2.2. Es dürfen nur so viele Stunden auf das Arbeitszeitkonto übertragen werden, dass die Grenzwerte von maximal 150 Plusstunden und 21 Minusstunden nicht überschritten werden. [...]

3.2.3. Die auf dem Arbeitszeitkonto aufgelaufenen Stunden werden in der Regel durch Freizeit ausgeglichen [...]. Dabei können der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in jedem Kalendermonat über jeweils zwei Arbeitstage Zeitguthaben frei verfügen. [...]

[...] Darüber hinaus erfolgt der Freizeitausgleich nach den Wünschen des Arbeitnehmers in Absprache mit dem Arbeitgeber und unter Berücksichtigung betrieblicher Belange. Der Freizeitausgleich ist durch den Arbeitnehmer zu beantragen und bedarf der Genehmigung durch den Arbeitgeber.

3.2.4. Bei Ausscheiden wird ein positives Zeitguthaben ausgezahlt, [...].

[...]

§ 10 Ausschlussfrist

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen.

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.

§ 11 Fälligkeit von Entgeltansprüchen

Die Arbeitnehmer erhalten ein Monatsentgelt auf der Basis der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit oder der regelmäßigen Arbeitszeit pro Monat, das spätestens bis zum 15. Bankarbeitstag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats fällig wird.

[...]"

Dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto waren zum Ablauf des Monats November 2018 laut Vergütungsabrechnung insgesamt 250 Stunden gutgeschrieben.

Mit der Vergütung für den Monat November 2018 zahlte die Beklagte an den Kläger unter anderem einen Betrag in Höhe von 600,00 Euro brutto, der im Rahmen der Abrechnung als "Prämie" bezeichnet wurde.

Laut Handelsregistereintrag vom 14. Dezember 2018 schied der Ehemann der Komplementärgeschäftsführerin und Kommanditist der Beklagten U als Vorstand der Aluminiumwerk V aus. Nachdem sich die Beklagte der Aluminiumwerk V gegenüber auf ein Zurückbehaltungsrecht berief, wies sie den Kläger sowie die übrigen bei der Aluminiumwerk V eingesetzten Arbeitnehmer an, dort ab dem 14. Dezember 2018 keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen. Die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit erfolgte nicht. Im Rahmen einer Betriebsversammlung teilte die Beklagte mit, die Ausfallzeiten würden mit Guthaben auf den Arbeitszeitkonten verrechnet. Die Aluminiumwerk V kündigte daraufhin das Auftragsverhältnis zur Beklagten, nachdem sie mehrfach zur Wiederaufnahme der Leistungen durch die Beklagte aufgefordert hatte.

Im Zeitraum vom 14. Dezember 2018 bis zum 27. Dezember 2018 hätte der Kläger, wäre weiterhin ein Einsatz bei der Aluminiumwerk V erfolgt, insgesamt 48,75 Stunden arbeiten müssen.

Mit Aufhebungsvertrag vom 27. Dezember 2018 vereinbarten die Parteien anlässlich vorliegender Arbeitsvertragsangebote der Aluminiumwerk V an den Kläger und die übrigen dort zuvor eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf desselben Tages. In der Aufhebungsvereinbarung heißt es auszugsweise:

"[...]

2. Das Arbeitsverhältnis wird zum heutigen Stichtag ordnungsgemäß abgewickelt.

3. Der Mitarbeiter erhält zusätzlich zu der Vergütung für Dezember 2018 für noch nicht genommenen Urlaub einen Ausgleich in Geld gemäß Arbeitsvertrag und Tarifbestimmungen.

4. Die Zahlung wird an dem nächsten arbeitsvertraglich festgelegten Zahltag (Januar 2019) einschließlich etwaiger Ausgleichsansprüche für Urlaub erfolgen.

5. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle beiderseitigen Ansprüche der Parteien, gleichviel ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt.

[...]"

Die Beklagte schloss um den Jahreswechsel 2018/2019 mit insgesamt 120 Arbeitnehmern inhaltlich entsprechende Aufhebungsverträge. In die Gespräche um den Abschluss der Aufhebungsverträge war der örtlich zuständige Erste Bevollmächtigte der IG Metall eingebunden.

Im Rahmen der Abrechnung für den Monat Dezember 2018 vergütete die Beklagte im Januar 2019 die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 nicht. Sie zahlte unter anderem - in der Abrechnung ausgewiesen als "Auszahlung aus AZK" - 24 Stunden zu einem Wert von 449,04 Euro brutto aus. Die auf dem Arbeitszeitkonto im Übrigen gutgeschriebenen Stunden vergütete die Beklagte ebenfalls nicht. Ferner zog die Beklagte - in der Abrechnung ausgewiesen als "Nachberechnung 11/2018: Prämie" - einen Betrag in Höhe von 600,00 Euro brutto ab.

Im Januar 2019 machte der Kläger außergerichtlich und schriftlich Vergütungsansprüche für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 geltend. Mit weiterer außergerichtlicher Geltendmachung vom 3. April 2019 beanspruchte der Kläger die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens sowie die erneute Zahlung der von der Beklagten mit der Dezember-Abrechnung wieder abgezogenen Prämie.

Mangels erfolgter Zahlung hat der Kläger mit Klage vom 12. März 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag und der Beklagten zugestellt am 15. März 2019, Vergütung für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum 27. Dezember 2018 geltend gemacht. Weiter hat der Kläger mit Klageerweiterung vom 17. April 2019, bei Gericht eingegangen am selben Tag und der Beklagten zugestellt am 24. April 2019, die Auszahlung von 226 Guthabenstunden auf dem Arbeitszeitkonto beansprucht. Ebenfalls mit dieser Klageerweiterung hat der Kläger die erneute Zahlung der im Rahmen der Abrechnung für den Monat November 2018 zunächst gezahlten und sodann im Rahmen der Abrechnung für den Monat Dezember 2018 wieder abgezogenen Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 eine Vergütung für 32,75 Stunden verlangen. Von den an sich zu leistenden 48,75 Stunden könne die Beklagte gemäß § 3 Ziffer 3.2.3. MTV iGZ einseitig und ohne Absprache mit dem Kläger zwei Tage bzw. 16 Stunden mit den dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden verrechnen. Bei einem Bruttostundenlohn von 18,71 Euro ergebe sich hieraus für 32,75 Stunden ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 612,80 Euro brutto. Zudem habe der Kläger Anspruch auf Auszahlung der auf dem Arbeitszeitkonto verbliebenen Stunden. Von den mit der Abrechnung für den Monat November 2018 ausgewiesenen 250 Stunden habe die Beklagte 24 Stunden mit der Abrechnung für den Monat Dezember 2018 ausgezahlt, so dass 226 Stunden verblieben. Diese seien angesichts der Stundenvergütung in Höhe von 18,71 Euro brutto insgesamt mit 4.228,46 Euro brutto zu vergüten. Der Kläger hat behauptet, zu keinem Zeitpunkt einem Freizeitausgleich zulasten des Arbeitszeitkontos für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 zugestimmt zu haben. Auch habe er nicht auf eine Vergütung der auf dem Arbeitszeitkonto verbliebenen Stunden verzichtet. Ein rechtlich relevanter Grund für die Rückbuchung der Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto sei nicht ersichtlich.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 612,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2019 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.228,42 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, die Klage sei bereits unzulässig. Denn nach den einschlägigen Regelungen des MTV iGZ habe zunächst eine tarifliche Schlichtungsstelle angerufen werden müssen. Die Beklagte hat weiter behauptet, sie sei Ende des Jahres 2018 in Liquiditätsschwierigkeiten geraten, da die Aluminiumwerk V eine für den Monat November 2018 erteilte Rechnung in Höhe von rund 750.000,00 Euro nicht bezahlt habe. Sie sei zum damaligen Zeitpunkt Gefahr gelaufen, Insolvenz anmelden zu müssen. Daher habe sie ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt. Die Arbeitnehmer seien "angewiesen" worden, ihren Einsatzort in den Werkhallen der Aluminiumwerk V nicht aufzusuchen. Die Beklagte habe in der Betriebsversammlung "angekündigt, dass die so entstehenden Ausfallzeiten mit aufgelaufenen Arbeitsstunden auf Zeitkonten der Mitarbeiter verrechnet" würden. Widerstand gegen die Freistellung für die Zeit ab dem 14. Dezember 2018 unter Anrechnung des Guthabens aus dem Arbeitszeitkonto sei weder vom Kläger noch von anderen betroffenen Arbeitnehmern geleistet worden. Die Aufhebungsverträge seien sodann mit denjenigen Arbeitnehmern geschlossen worden, denen eine sofortige Übernahme durch die Aluminiumwerk V in Aussicht gestellt worden sei. Grundlage der Einigung sei - als Gegenleistung für die sofortige Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis - der Verzicht auf die Arbeitszeitguthaben gewesen. Jedem Arbeitnehmer, so auch dem Kläger, sei erklärt worden, dass ein Anspruch auf Ausgleich für geleistete Mehrarbeit nach seinem Zeitkonto entfalle. Der Kläger habe dem zugestimmt. Der Anspruch sei auch verfallen. Die gezahlte Prämie habe aufgrund der einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen zurückverlangt werden können.

Mit Urteil vom 27. Juni 2019 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Der Kläger könne einen Betrag in Höhe von 612,80 Euro brutto als Vergütung für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 nebst Zinsen verlangen. Die Beklagte sei durch den nicht mehr erfolgten Einsatz des Klägers bei der Aluminiumwerk V in Annahmeverzug geraten. Eine Verrechnung mit den auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers vorhandenen Stunden habe die Beklagte nicht vornehmen dürfen. Die Parteien hätten ein Arbeitszeitkonto nach den Regelungen des MTV iGZ geführt. Gemäß § 3 Ziffer 3.2.3. MTV iGZ sei es jeder Vertragspartei lediglich möglich, über zwei Arbeitstage pro Monat durch Verwendung von Stunden aus dem Arbeitszeitkonto zu verfügen, ohne dass es einer Zustimmung der anderen Arbeitsvertragspartei bedürfe. Darüber hinaus bestehe jedoch kein einseitiges Verfügungsrecht. Es sei deutlich zu erkennen, dass es keine einvernehmliche Absprache mit dem Kläger wie auch den übrigen Arbeitnehmern gegeben habe, die gesamte Zeit mittels des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto auszugleichen. Mangelnder Widerstand der betroffenen Arbeitnehmer sei nicht ausreichend. Die Beklagte verkenne, dass Schweigen nicht die rechtliche Bedeutung eines Einverständnisses zukomme. Schweigen im Rechtsverkehr stelle grundsätzlich gerade keine Willenserklärung dar. Aus dem weiteren Vorbringen der Beklagten ergebe sich zudem nicht ausreichend substantiiert, wann und in welchem Zusammenhang der Kläger - außerhalb eines Schweigens in der Betriebsversammlung - einer Verrechnung zugestimmt haben könnte. Mangels Einverständnisses des Klägers mit der Verrechnung der positiven Stunden auf dem Arbeitszeitkonto habe die Beklagte lediglich im Umfang von zwei Tagen eine Verrechnung mit Stunden auf dem Arbeitszeitkonto vornehmen dürfen, was der Kläger im Rahmen seiner Berechnungen berücksichtigt habe. Der Kläger könne auch die Abgeltung der auf dem Arbeitszeitkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vorhandenen positiven und der Höhe nach unstreitigen 226 Stunden nebst Zinsen verlangen. Gemäß § 3 Ziffer 3.2.4. MTV iGZ sei ein bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorhandenes positives Zeitguthaben auszuzahlen. Dieser Anspruch sei nicht durch den Aufhebungsvertrag vom 27. Dezember 2018 und die darin enthaltenen Regelungen entfallen. Bereits dem Wortlaut der Regelungen des Aufhebungsvertrages nach ergebe sich, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzuwickeln sei. Erst mit Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung sollten alle Ansprüche der Parteien erledigt sind. Ein Erlassvertrag oder konstitutives negatives Schuldanerkenntnis sei mangels eines unabhängig von einer umfassenden und ordnungsgemäßen Abrechnung und Abwicklung gegebenen Verzichtswillens des Klägers nicht ersichtlich. Schließlich habe die Beklagte zudem einen Betrag in Höhe von 600,00 Euro brutto nebst Zinsen an den Kläger zu zahlen. Der mit der Abrechnung der Vergütung für den Monat Dezember 2018 erfolgte Abzug sei bereits deshalb unzulässig, weil nach der einschlägigen Rechtsprechung eine Aufrechnung eines überzahlten Bruttobetrages und dem Arbeitgeber daraus vermeintlich zustehenden Rückzahlungsanspruchs gegen anderweitige Bruttovergütungsansprüche des Arbeitnehmers nicht möglich sei. Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung könnten durch den Arbeitgeber im Falle einer Überzahlung nicht ohne weiteres zurückverlangt werden. Die geltend gemachten Ansprüche seien vor dem Hintergrund der Regelung in § 11 MTV iGZ nicht verfallen.

Gegen das der Beklagten am 27. Juli 2019 zugestellte Urteil richtet sich deren am 28. August 2019 eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Oktober 2019 am 25. Oktober 2019 begründete Berufung.

Mit Beschluss der Kammer vom 27. November 2019 ist der Beklagten hinsichtlich der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 bestehe nicht, da der Kläger seine Arbeitsleistung nicht angeboten habe. Eines solchen Angebots hätte es jedoch bedurft. Es sei nicht entbehrlich gewesen. Denn das ungekündigte Arbeitsverhältnis habe erst aufgrund des Aufhebungsvertrags mit Ablauf des 27. Dezember 2018 geendet. Der Kläger hätte bei der Beklagten oder der Aluminiumwerk V erscheinen können und müssen. Weiter habe der Kläger durch sein Fernbleiben von der Arbeit nicht lediglich durch ein Schweigen, sondern konkludent sein Einverständnis erteilt, die auf dem Arbeitszeitkonto enthaltenen Stunden als Freizeitausgleich zu verrechnen. Nichts hätte näher gelegen, als zur Arbeit zu erscheinen, wenn der Kläger mit der Verrechnung der Stunden aus dem Arbeitszeitkonto nicht einverstanden gewesen wäre. Die auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden müsse die Beklagte auch im Übrigen nicht mehr vergüten. Denn bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags am 27. Dezember 2018 sei mit dem Kläger vereinbart worden, dass der Verzicht auf die Auszahlung der Stunden die Gegenleistung für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei. Daher könne sich der Kläger nicht darauf berufen, keinen Verzichtswillen gehabt zu haben. Dies ergebe sich schließlich aus Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018. Mit dieser Bestimmung habe geregelt werden sollen, dass außer der Vergütung und einer Urlaubsabgeltung keine Ansprüche mehr bestünden. Da der Kläger die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens erst mit außergerichtlichem Schreiben vom 3. April 2019 geltend gemacht habe, sei der Anspruch zudem aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Das Arbeitsverhältnis habe mit Ablauf des 27. Dezember 2018 geendet, so dass die erste Stufe der Ausschlussfrist am 28. März 2019 abgelaufen gewesen sei. Im Hinblick auf die zurückgebuchte Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto habe die Beklagte lediglich von einer bestehenden tarifvertraglichen Stichtagsregelung Gebrauch gemacht. Der Kläger sei vor dem 31. März des Folgejahres ausgeschieden. Daher könne sie den als tarifvertragliche Sonderzahlung geleisteten Betrag zurückverlangen. Die vom Arbeitsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Ein Betrag in Höhe von 600,00 Euro sei unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen aufrechenbar gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 27. Juni 2019 - 6 Ca 896/19 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe sämtliche Ansprüche zu Recht zugesprochen. Er habe einen Vergütungsanspruch für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018. Eines Angebots der Arbeitsleistung habe es nicht bedurft, denn die Beklagte habe ausdrücklich darauf verzichtet. Die Beklagte habe eine Weisung erteilt, dass der Kläger die Arbeitsleistung bei der Aluminiumwerk V nicht erbringen solle. Der Kläger hätte sich, wäre er dennoch im Entleihbetrieb erschienen, vertrags- und weisungswidrig verhalten. Auf die Frage, ob der Kläger der Verrechnung des Arbeitszeitguthabens zugestimmt habe, was nicht der Fall gewesen sei, komme es nicht an. Denn eine solche Absprache hätte gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG verstoßen. Der von der Beklagten behauptete Verzicht im Hinblick auf eine Auszahlung des Arbeitszeitguthabens, den es zu keinem Zeitpunkt gegeben habe, hätte wiederum gegen § 4 Abs. 4 S. 1 TVG verstoßen. Auf tarifvertragliche Rechte könne grundsätzlich nicht einzelvertraglich verzichtet werden. Eine Zustimmung der Tarifvertragsparteien sei nicht erfolgt. Auch aus den Regelungen der Aufhebungsvereinbarung ergebe sich nichts anderes. Sie wären zudem als unangemessene Benachteiligung und wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Beklagte verhalte sich auch widersprüchlich. Wäre ihre Auffassung insoweit zutreffend, hätte sie schon aus diesem Grunde die im November 2018 ausgezahlte Prämie nicht zurückbuchen können. Auf die Ausschlussfristen könne sich die Beklagte im Hinblick auf die Auszahlung des verbliebenen Arbeitszeitguthabens bereits deshalb nicht berufen, weil der Stundensaldo in der Vergütungsabrechnung für den Monat November 2018 ausgewiesen worden sei. Damit habe es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keiner gesonderten Geltendmachung mehr bedurft. Denn der Sinn und Zweck einer solchen sei bereits erreicht. Ein Verfall sei auch im Übrigen nicht gegeben. Vor dem Hintergrund der tarifvertraglichen Fälligkeitsregelungen in § 11 MTV iGZ sei der 15. Bankarbeitstag des Monats Januar 2019 der 22. Januar 2019 gewesen. Da es sich bei dem 22. April 2019 um einen Feiertag gehandelt habe, sei die erste Stufe der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erst am 23. April 2019 abgelaufen. Weil es sich vorliegend bei den streitgegenständlichen Ansprüchen um Entgeltansprüche im tarifvertraglichen Sinne handele, seien sämtliche Geltendmachungen rechtzeitig erfolgt. Die Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto habe mit der Begründung des Arbeitsgerichts nicht von der Beklagten zurückgebucht werden können. Zudem handele es sich nicht um eine tarifvertragliche Sonderzahlung mit vorgesehener Stichtagsregelung, sondern um eine Anwesenheitsprämie mit anderer Rechtsgrundlage, auf die die tarifvertragliche Stichtagsregelung keine Anwendung finde.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung ist nur teilweise zulässig.

1. Sie ist gemäß §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 28. August 2019 gegen das am 27. Juli 2019 zugestellte Urteil zwar form-, aber nicht fristgerecht innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden. Mit Beschluss der Kammer vom 27. November 2019 ist der Beklagten insoweit jedoch gemäß §§ 233 ff. ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Oktober 2019 ist die Berufung gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG innerhalb jener ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 25. Oktober 2019 begründet worden.

2. Indessen entspricht die Begründung der Berufung insoweit nicht den Anforderungen des §§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO, als sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2019 wendet.

a) Gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Danach genügt eine Berufungsbegründung nur dann den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann nicht verlangt werden. Dennoch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (ständige Rechtsprechung, statt aller: BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11; BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09; BAG 19. Oktober 2010 - 6 AZR 118/10). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG 19. Februar 2013 - 9 AZR 543/11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es demnach nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 14. März 2017 - 9 AZR 633/15; LAG Schleswig-Holstein 11. Mai 2017 - 5 Sa 287/16).

b) Das Arbeitsgericht hat der Klage im Hinblick auf die eingeklagte Prämie in Höhe von 600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit dem 24. April 2019 mit der Begründung stattgegeben, dass die von der Beklagten mit der Abrechnung für den Monat Dezember 2018 erfolgte Aufrechnung unzulässig ist. Der mit der Abrechnung der Vergütung für den Monat Dezember 2018 erfolgte Abzug sei unzulässig, weil eine Aufrechnung eines überzahlten Bruttobetrages bzw. des dem Arbeitgeber daraus folgend zustehenden Rückzahlungsanspruchs gegen anderweitige Bruttovergütungsansprüche des Arbeitnehmers nicht möglich sei. Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung könnten durch den Arbeitgeber im Falle einer Überzahlung nicht ohne weiteres zurückverlangt werden.

Dem ist die Beklagte lediglich mit dem Hinweis entgegengetreten, die vom Arbeitsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung sei "nicht einschlägig". Im Übrigen hat die Beklagte im Rahmen der Berufungsbegründung hiervon losgelöst völlig andere rechtliche Überlegungen zur Rechtsgrundlage der Prämienzahlung und einer etwaigen Pfändbarkeit des Nettoeinkommens des Klägers angestellt, ohne zu erklären, weshalb eine Aufrechnung mit einem vermeintlich überzahlten Bruttobetrag gegen den Bruttovergütungsanspruch des Klägers für den Monat Dezember 2018 dennoch und entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zulässig sein soll. Damit lässt die Berufungsbegründung nicht erkennen, weshalb das arbeitsgerichtliche Urteil nach Ansicht der Beklagten unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Die Berufungsbegründung setzt sich mit dem maßgeblichen Argument des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht auseinander. Hierauf ist die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2020 gemäß. § 139 Abs. 1 und 2 ZPO ausdrücklich hingewiesen worden.

c) Im Übrigen entspricht die Berufungsbegründung den erforderlichen Anforderungen. Die Beklagte hat sich mit der arbeitsgerichtlichen Entscheidung eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, dass nach ihrer Auffassung ein Vergütungsanspruch für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 deshalb nicht gegeben ist, weil der Kläger seine Arbeitsleistung nicht angeboten habe und somit kein Annahmeverzug vorgelegen habe. Der Kläger sei auch mit einer Freistellung unter Anrechnung des Arbeitszeitguthabens einverstanden gewesen. Ein Anspruch auf Auszahlung des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto bestehe zudem und entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts deshalb nicht, weil dieser insbesondere durch Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung abbedungen sei. Im Übrigen seien die Ansprüche verfallen.

II. Die hiernach nur teilweise zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Indem sich die Beklagte auf die vorrangige Zuständigkeit der tariflichen "Schlichtungsstelle" gemäß § 9 MTV iGZ beruft, steht der Klage nicht die prozesshindernde Einrede des Schiedsvertrages gem. § 102 Abs. 1 ArbGG entgegen.

a) Die Einrede kann nur wirksam erhoben werden, wenn eine den Erfordernissen des § 101 ArbGG entsprechende Schiedsabrede besteht. Für die Arbeitsgerichtsbarkeit ist grundsätzlich gemäß § 4 ArbGG von der Unzulässigkeit von Schiedsverträgen auszugehen. Ausnahmen davon lässt § 101 ArbGG nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien nach Maßgabe des § 101 Abs. 1 ArbGG und für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen bestimmter Berufsgruppen zu, § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Dazu zählen Bühnenkünstler, Filmschaffende oder Artisten. Mit der Herausnahme bestimmter Berufsgruppen aus dem generellen Verbot von Schiedsabreden soll den jeweiligen Besonderheiten dieser Gruppen Rechnung getragen werden. Diese Regelung ist abschließend. Für andere Berufsgruppen können auch Tarifvertragsparteien keine tarifvertraglichen Schiedsabreden treffen (BAG 6. August 1997 - 7 AZR 156/96; GMP/Germelmann, ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 101, Rn. 21).

b) Der Kläger gehört keiner Berufsgruppe an, für die § 101 Abs. 2 ArbGG eine Vereinbarung einer Schiedsklausel gestattet.

2. Die Klage ist im Hinblick auf die Zahlung von Vergütung für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 auch begründet. Denn der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG i.V.m. §§ 615 Satz 1, 611 Abs. 1, 611a Abs. 2 BGB i.V.m. Ziffern 2 und 3 des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2018 Annahmeverzugslohn in Höhe von 612,80 Euro brutto beanspruchen.

a) Gemäß § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt.

Die Beklagte befand sich im vorbenannten Zeitraum gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Denn sie hat die Arbeitsleistung des Klägers nicht angenommen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beklagten trotz unterbliebenen Angebots der Arbeitsleistung durch den Kläger.

aa) Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer zur Begründung des Annahmeverzugs im Sinne des § 293 BGB die Arbeitsleistung gemäß § 294 BGB tatsächlich anbieten. Ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB genügt, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von der Anwendbarkeit des § 296 BGB, wonach ein Angebot der Arbeitsleistung unter Umständen entbehrlich sein kann, aus (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 m.w.N.; BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 m.w.N.) Die Regelung des § 296 BGB ist im ungekündigten Arbeitsverhältnis hingegen grundsätzlich unanwendbar (BAG 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14; BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12). Allerdings kann ein Angebot der Arbeitsleistung dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Arbeitgeber auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 21. Oktober 2015 - 5 AZR 843/14; BAG 24. September 2014 - 5 AZR 611/12; BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat. Denn die Aufhebung der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber bedeutet einen Verzicht auf das Angebot der Arbeitsleistung (BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 432/12; BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12).

bb) Vorliegend hat die Beklagte unstreitig und bedingt durch eine Auseinandersetzung mit der Aluminiumwerk V sämtliche dort eingesetzten Arbeitnehmer wie auch den Kläger im Rahmen einer Betriebsversammlung - so ihr eigener Vortrag - "angewiesen", ihre Arbeit im Entleihbetrieb ab dem 14. Dezember 2018 nicht mehr aufzunehmen, und sie freigestellt. Die Zuweisung eines anderen Einsatzes erfolgte nicht. Damit hat die Beklagte durch Freistellung auf das Angebot der Arbeitsleitung verzichtet. Aus der Besonderheit der Zeitarbeit ergibt sich vorliegend zudem, dass neben der unmissverständlichen Freistellung durch die Beklagte der Kläger seine Arbeitsleistung zumindest bei der Aluminiumwerk V gar nicht hätte anbieten können, ohne neben dem darin liegenden Angebot der Arbeitsleistung bereits durch das Erscheinen im Entleihbetrieb gegen das von der Beklagten ausgeübte Direktionsrecht gemäß § 106 S. 1 GewO zu verstoßen. Hierauf weist der Kläger im Rahmen seiner Berufungserwiderung zu Recht hin. Der Beklagten kam es angesichts des Zahlungsverzugs der Entleihfirma in Höhe von vorgetragenen 750.000,00 Euro nach dem Inhalt ihres Sachvortrags offenbar besonders darauf an, dass ihre Arbeitnehmer nicht nur freigestellt sein, sondern gerade bei der Aluminiumwerk V keine Leistungen mehr erbringen sollten. Ein anderweitiger Einsatz wurde dem Kläger nicht zugewiesen.

b) Dem aus dem Annahmeverzug der Beklagten folgenden Vergütungsanspruch des Klägers gemäß § 615 S. 1 BGB steht nicht entgegen, dass die Freistellung laut Mitteilung der Beklagten im Rahmen der durchgeführten Betriebsversammlung unter Anrechnung des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto erfolgen sollte.

aa) Mit der Anrechnung des Arbeitszeitguthabens hat sich der Kläger nicht einverstanden erklärt.

(1) Eine ausdrückliche Zustimmung ist unstreitig nicht erfolgt.

(2) Dem Arbeitsgericht ist zudem beizupflichten, dass auch ein bloßes Schweigen des Klägers - und auch seiner übrigen Arbeitskollegen - auf die Mitteilungen im Rahmen der Betriebsversammlung keine Zustimmung beinhaltete. Schweigen stellt im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung dar (statt aller: LAG Hamburg 24. Mai 2000 - 4 Sa 103/98).

(3) Schließlich ist - wie von der Beklagten nunmehr erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung angeführt - im Fortbleiben des Klägers von der Arbeit aufgrund der ausgesprochenen Freistellung und eindeutigen "Anweisung" keine konkludente Zustimmung zur Anrechnung des Arbeitszeitguthabens zu sehen.

Dies bedarf jedoch keiner eingehenden Erörterung und kann dahinstehen.

bb) Denn aufgrund der bestehenden gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG wäre die von der Beklagten angenommene einvernehmliche Freistellung unter Anrechnung des Arbeitszeitguthabens ohnehin unwirksam.

(1) Grundsätzlich existiert kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Arbeit nicht mit bezahlter Freizeit entgolten werden dürfte und stets in der Abrechnungsperiode, in der sie geleistet wurde, zu vergüten wäre. Sowohl den Arbeitsvertrags-, als auch den Tarifvertragsparteien bleibt es unbenommen, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto anzusammeln und in der Folgezeit durch bezahlte Freizeit auszugleichen. Dies kommt dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ebenso wie einem verbreiteten Bedürfnis von Arbeitnehmern entgegen (BAG 16. April 2014 - 5 AZR 483/12 m.w.N) und gilt auch im Bereich der Zeitarbeit.

Das Recht des Zeitarbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers kann jedoch gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG grundsätzlich nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG erklärt die Regelung zum Annahmeverzug nach § 615 S. 1 BGB, die nach allgemeinen Regeln der Privatautonomie unterliegt, für unabdingbar. Der Verleiher muss den Zeitarbeitnehmer also stets vergüten, auch wenn der Zeitarbeitnehmer beim Entleiher keine Arbeit hat oder nicht für einen Entleiher tätig ist (so ausdrücklich: Thüsing AÜG/Mengel, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 44). Zudem darf ein auch in der Zeitarbeit zulässiges Arbeitszeitkonto nicht dazu eingesetzt werden, diesen gesetzlichen Grundsatz zu umgehen und das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Zeitarbeitnehmer abzuwälzen. Vereinbarungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten das Arbeitszeitkonto - uneingeschränkt und einseitig - abzubauen, sind unwirksam (BAG 16. April 2014 - 5 AZR 483/12 m.w.N). Im Falle einer konkreten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Zeitarbeitnehmer zum Abbau eines Arbeitszeitguthabens während ganz bestimmter Nichteinsatzzeiten müssen zudem objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zeitarbeitnehmer am Abbau seiner Plusstunden durch Freizeitausgleich gerade in der Nichteinsatzzeit interessiert ist (Schüren/Hamann/Schüren, 5. Aufl. 2018, AÜG, § 11 Rn. 137 m.w.N.).

(2) Gerade der vorliegende Streitfall macht deutlich, dass eine Freistellung durch die Beklagte unter Anrechnung des Arbeitszeitguthabens über die gemäß § 3 Ziffer 3.2.3. MTV iGZ tarifvertraglich vorgesehenen zwei Tage hinaus eine Umgehung der gesetzlichen Vorgaben in § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG bedeuten würde und nach objektiven Anhaltspunkten nicht im Interesse des Klägers lag.

Die Beklagte hatte die tarifvertraglichen Grenzen eines zulässigen Arbeitszeitguthabens bereits bei weitem überschritten. Während § 3 Ziffer 3.2.2. MTV iGZ einen maximalen Plussaldo des Arbeitszeitkontos von 150 Stunden zulässt, stand das Konto des Klägers im Dezember 2018 ausweislich der November-Abrechnung bereits bei 250 Stunden. Ungeachtet dieses tarifwidrigen Verhaltens, das zudem auch gegen § 2 Abs. 4 S. 3 der seinerzeit gemäß § 3a AÜG geltenden Dritten Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (LohnUGAÜV 3) verstieß, hätte das von der Beklagten angestrebte Vorgehen dazu geführt, dass ihre Auseinandersetzung mit der Aluminiumwerk V einseitig zulasten der Arbeitnehmer abgewickelt worden wäre. Denn die Arbeitnehmer sollten den aufgebauten Saldo, der bis dahin nichts anderes darstellte, als geleistete, aber (noch) nicht vergütete Arbeitszeit, entgegen den tarifvertraglichen Vorgaben in § 3 Ziffer 3.2.3 MTV iGZ, wonach der Freizeitausgleich über zwei Tage hinaus nach den Wünschen des Arbeitnehmers in Absprache mit dem Arbeitgeber und unter Berücksichtigung betrieblicher Belange erfolgen sollte, wesentlich im Interesse der Beklagten abbauen. Die Beklagte hätte das weit über das zulässige Maß hinaus gefüllte Arbeitszeitkonto ganz maßgeblich in ihrem eigenen Interesse - und nicht im Interesse des Klägers und seiner Arbeitskollegen - eingesetzt, um damit die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gegenüber der Aluminiumwerk V und ihre damit offenbar einhergehende wirtschaftliche Bedrängnis finanziell aufzufangen. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie zum damaligen Zeitpunkt Gefahr lief, Insolvenz anmelden zu müssen. Weiter konkretisiert hat die Beklagte diese Behauptung hingegen nicht. Vorteile für den Kläger und die übrigen bei der Aluminiumwerk V eingesetzten Arbeitnehmer, die sich aus der Anrechnung des Arbeitszeitguthabens ergeben könnten, sind nicht erkennbar. Die vorgearbeitete Zeit sollte nach dem vorgetragenen Willen der Beklagten mithin dazu genutzt werden, die wirtschaftliche Bedrängnis für die Beklagte zu beseitigen, die durch die Auseinandersetzung mit der Aluminiumwerk V herbeigeführt worden war. Genau eine solche Abwälzung von wirtschaftlichen Risiken, die aus dem Geschäftsmodell der Zeitarbeit folgen, auf die Zeitarbeitnehmer will die gesetzliche Regelung jedoch unterbinden.

cc) Inwieweit die von der Beklagten vorgetragene Vereinbarung zudem vor dem Hintergrund der normativen Geltung des § 3 MTV iGZ - insbesondere Ziffer 3.2.3. - im Arbeitsverhältnis der Parteien gegen die zwingende Wirkung der Tarifregelungen und das Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 TVG verstieß, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung mehr (zum Günstigkeitsprinzip statt aller: BAG 14. Februar 2017 - 9 AZR 488/16 m.w.N.).

c) Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs ist unstreitig geblieben. Im Zeitraum vom 14. Dezember 2018 bis zum 27. Dezember 2018 hätte der Kläger, wäre weiterhin ein Einsatz bei der Aluminiumwerk V erfolgt, insgesamt 48,75 Stunden arbeiten müssen. Von diesen an sich zu leistenden 48,75 Stunden konnte die Beklagte gemäß § 3 Ziffer 3.2.3. MTV iGZ zwei Tage bzw. - hier vor dem Hintergrund der vereinbarten Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - 16 Stunden mit den dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden verrechnen. Bei einem Bruttostundenlohn von 18,71 Euro ergibt sich hieraus nach dem Lohnausfallprinzip (ErfK/Preis, 20. Auflage 2020, § 615 BGB, Rn. 76) für 32,75 Stunden ein Auszahlungsbetrag in Höhe von 612,80 Euro brutto.

d) Zinsen kann der Kläger in dem durch das Arbeitsgericht zugesprochenen Umfang gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 291 BGB beanspruchen.

3. Die Klage ist schließlich auch begründet, soweit der Kläger die Auszahlung seines Arbeitszeitguthabens verlangt. Der Kläger hat gemäß § 3 Ziffer 3.2.4 MTV iGZ in Verbindung mit Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2018 insoweit einen Anspruch auf Zahlung eines Betrags in Höhe von 4.228,42 Euro brutto.

a) Gemäß § 3 Ziffer 3.2.1. MTV iGZ wird für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Auf dieses Konto werden die Stunden übertragen, die über die regelmäßige Arbeitszeit pro Monat hinaus abgerechnet werden. Gemäß § 3 Ziffer 3.2.4. MTV iGZ wird bei Ausscheiden ein positives Zeitguthaben ausgezahlt. Gemäß Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2018 war das Arbeitsverhältnis der Parteien zum "heutigen Stichtag" - mithin zum 27. Dezember 2018 - ordnungsgemäß abzuwickeln.

b) Die - der Höhe nach ebenfalls unstreitig - auf dem Arbeitszeitkonto verbliebenen 226 Guthabenstunden waren demnach an den Kläger auszuzahlen.

c) Der Kläger hat auf den Anspruch nicht verzichtet.

aa) Die Beklagte behauptet, jedem einzelnen Arbeitnehmer, so auch dem Kläger, anlässlich des Abschlusses des Aufhebungsvertrags erklärt zu haben, dass ein Anspruch auf Ausgleich für geleistete Mehrarbeit nach dem Arbeitszeitkonto entfalle. Hiermit sei der Kläger einverstanden gewesen. Der Kläger hat dies ausdrücklich bestritten. Die Kammer hatte - auch wenn die Beklagte für ihren streitigen Vortrag Beweis durch Benennung von Zeugen angetreten hat - den Sachverhalt nicht weiter aufzuklären. Die Beklagte hat rund um den Jahreswechsel 2018/2019 und damit innerhalb weniger Tage mit 120 Arbeitnehmern Aufhebungsverträge abgeschlossen. Sie hätte gemäß § 138 Abs. 1 ZPO im Einzelnen darlegen müssen, wann sie mit welchem der betroffenen Arbeitnehmer was wie besprochen hat. Der sehr pauschale Vortrag, "der Kläger" habe ihrem Ansinnen, es müsse auf die Auszahlung der Arbeitszeitguthaben verzichtet werden, "zugestimmt", kann angesichts der Vielzahl innerhalb kürzester Zeit geschlossener Aufhebungsverträge nicht genügen. Der Vortrag der Beklagten entbehrt jeglicher Substanz. Würde hierauf Beweis erhoben, würde ein unzulässiger Ausforschungsbeweis erhoben (zur Unzulässigkeit eines Ausforschungsbeweises statt aller: LAG Hamm 12. April 2011 - 19 Sa 1951/10; LAG Hamm 18. Dezember 2009 - 10 Sa 993/09; LAG Hamm 20. November 2009 - 10 Sa 875/09).

bb) Auch aus Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018 ergibt sich nichts anderes. Die Parteien haben geregelt, dass "mit Erfüllung dieser Vereinbarung" alle beiderseitigen Ansprüche der Parteien, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt sind.

Ein Verzicht auf die Auszahlung des Zeitguthabens kann dem nicht entnommen werden.

(1) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer entsprechenden Ausgleichsquittung abgegebenen Erklärungen haben, ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Als rechtstechnisches Mittel für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kommen insbesondere der Erlassvertrag, das konstitutive und das deklaratorische Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis im Sinne des § 397 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (st. Rspr.: BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12; BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06; BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05; BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04; BAG 19. November 2003 - 10 AZR 174/03; BGH 28. Juni 1968 - V ZR 77/65). Maßgebend ist das Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers. Dieser ist nach Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (statt aller: BGH 2. Mai 2007 - XII ZR 109/04). Zu berücksichtigen ist ferner der Grundsatz der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (statt aller: BGH 7. November 2001 - VIII ZR 213/00). Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die Frage, ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung vorliegt (BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06).

(2) Bei der streitgegenständlichen Ausgleichsquittung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des §§ 305 Abs. 1 S. 1 und 2, 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Ohne Streit hat die Beklagte sämtlichen betroffenen 120 Arbeitnehmern die vorformulierten Aufhebungsverträge zur Unterschrift vorgelegt und diese unterschreiben lassen. Für die Auslegung kommt es deshalb zudem darauf an, wie die Klausel - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr.: BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12).

(3) Hiernach ist ein Verzicht auf die Vergütung des Arbeitszeitguthabens nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der Regelung unter Abwägung der Interessen der Parteien nicht gegeben.

(a) Aus dem Wortlaut der Regelung ergibt sich, dass erst "mit Erfüllung dieser Vereinbarung" alle Ansprüche erledigt sein sollen. Maßgeblich ist somit, was im Übrigen in der Aufhebungsvereinbarung geregelt worden und danach seitens der Beklagten geschuldet ist. Erst wenn dies erfüllt ist, kämen evtl. keine weiteren Ansprüche hinzu. Von "verzichten" - in welcher Form auch immer - ist zudem nicht die Rede. In der vorliegenden konkreten Situation durfte die Beklagte als verständige und redliche Arbeitgeberin nicht davon ausgehen, der Wille des Klägers habe sich darauf gerichtet, ohne weitere wörtliche Erwähnung Ansprüche wie die Auszahlung des sehr hohen Arbeitszeitguthabens, dessen Wert weit über eine Bruttomonatsvergütung hinausging, zum Erlöschen zu bringen.

(b) Auch der Inhalt der weiteren Ziffern der Aufhebungsvereinbarung ergibt keinen Ausschluss der Vergütung des Arbeitszeitguthabens.

(aa) Ziffer 2 der Aufhebungsvereinbarung legt fest, dass das Arbeitsverhältnis zum "heutigen Stichtag" ordnungsgemäß abgewickelt wird. Dies hält lediglich fest, dass damit sämtliche bis zum 27. Dezember 2018 bestehenden Ansprüche auszugleichen sind und eine ordnungsgemäße "Abwicklung" erfolgt. Dem Wortlaut kann nicht entnommen werden, welche Ansprüche dies konkret sein sollen. Dies könnte sich lediglich aus dem Zusammenhang mit den weiteren Regelungen der Aufhebungsvereinbarung ergeben.

(bb) Gemäß Ziffer 3 der Aufhebungsvereinbarung heißt es, dass der Kläger "zusätzlich zu der Vergütung für Dezember 2018" für noch nicht genommenen Urlaub einen Ausgleich in Geld gemäß Arbeitsvertrag und Tarifbestimmungen erhält. Diese Regelung hält fest, welche Ansprüche des Klägers auszugleichen sind. Benannt werden die Vergütung für Dezember 2018 und eine Urlaubsabgeltung. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Regelung nicht entnommen werden, dass sämtliche anderen Ansprüche damit ausgeschlossen sein sollten. Ohne dass dies noch entscheidungserheblich wäre, hat die Beklagte dies offenbar auch selbst nicht so verstanden. Anderenfalls hätte sie bereits nach ihrer eigenen Auffassung aus diesem Grund die im November 2018 ausgekehrte Prämie nicht mehr mit der Dezember-Abrechnung aufrechnen dürfen. Zudem ist die Kammer der Auffassung, dass die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens ohnehin als Teil der Dezember-Vergütung in diesem Sinne anzusehen ist. Denn im letzten Monat des Bestands eines Arbeitsverhältnisses - hier der Dezember 2018 - ist das Guthaben gemäß § 3 Ziffer 3.2.4. MTV iGZ auszuzahlen. Damit ist die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens Teil der Dezember-Vergütung. Es handelt sich auch nicht um eine Sonderzahlung oder dergleichen, sondern schlicht um die Vergütung geleisteter, aber bis dahin noch nicht bezahlter Arbeit (so ausdrücklich BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09: "Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers in anderer Form").

(c) Schließlich ergeben auch die sonstige Umstände des Abschlusses der Vereinbarung vom 27. Dezember 2018 nicht, dass der Kläger auf Bezahlung der vorgeleisteten, bis dahin aber nicht vergüteten Stunden hätte verzichten wollen.

(aa) An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Erlass liegt im Zweifel nicht vor. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind. Wenn feststeht, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben (BGH 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 m.w.N.). Dem steht die Annahme nicht entgegen, eine Ausgleichsquittung sei im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Denn dies betrifft den Umfang der Ausgleichsklausel, wenn die Rechtsqualität dem Grunde nach geklärt ist (BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06).

(bb) Die Kammer kann nicht erkennen, inwieweit ein vermeintlicher Verzicht - wie von der Beklagten vorgetragen - nach seinem Sinn und Zweck eine positive Gegenleistung der Beklagten für das sofortige Ausscheiden des Klägers und seiner Arbeitskollegen gewesen sein könnte. Die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten mag angesichts der vorliegenden Arbeitsvertragsangebote an den Kläger und die übrigen zuvor dort eingesetzten Arbeitnehmer durch die Aluminiumwerk V für diese günstig gewesen sein. Zwingend darauf angewiesen waren die Arbeitnehmer wirtschaftlich jedoch nicht - zumindest nicht in Gestalt sofortiger Beendigungen der Arbeitsverhältnisse. Denn das wirtschaftliche Risiko der Vorgänge im Dezember 2018 lag - wie bereits ausgeführt - unverkennbar im Wesentlichen aufseiten der Beklagten. Angesichts des gekündigten Auftragsverhältnisses durch die Aluminiumwerk V stand die Beklagte ohne Entleihbetrieb, aber mit 120 Zeitarbeitnehmern da, für die sie unstreitig keine sofortige Verwendung hatte. Nach ihrem eigenen Vortrag drohte angesichts dadurch gegebener Liquiditätsengpässe die Insolvenz, ohne dass die Beklagte dies konkret mit Zahlen untermauert hätte. Den Arbeitnehmern schuldete sie zumindest bis zum Ende einer etwaigen ordentlichen Kündigungsfrist gemäß § 615 S. 1 BGB Annahmeverzugsvergütung, ohne aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG die vorhandenen erheblichen Arbeitszeitguthaben einseitig anrechnen zu können. An dieser Stelle hätte sich zusätzlich nachteilhaft ausgewirkt, dass die Beklagte weit über das tarifvertraglich zulässige Maß hinaus hohe Kontenstände aufgebaut hatte und ihren Arbeitnehmern so erhebliche Vergütungsansprüche schuldete. Dahinstehen kann die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der von der Beklagten vorgetragene Verzicht als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam wäre (statt aller zu dieser Thematik: BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 m.w.N.).

Auch im Übrigen sind keine Umstände anzunehmen, die auf einen Verzicht des Klägers schließen ließen. Die Beklagte hat - außer ihres unsubstantiierten Vortrags zu einer vermeintlichen mündlichen Einigung - hierzu nichts angeführt.

(4) Auf die Anwendung der sogenannten "Unklarheitenregel" in § 305c Abs. 2 BGB kommt es nicht mehr an.

(a) Nach dieser Norm gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen "erhebliche Zweifel" an der richtigen Auslegung bestehen. Die nur entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (statt aller: BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 m.w.N.).

(b) Der Inhalt der Ausgleichsklausel in Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018 ist nach der hier gefundenen Auslegung, wie bereits ausgeführt, unzweifelhaft. Sie ist deshalb nicht unklar im Sinne des § 305c BGB.

cc) Ungeachtet dessen, dass die Kammer keinen Verzicht auf die Auszahlung des Arbeitszeitguthabens erkennen kann, wäre ein solcher gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 TVG unwirksam.

(1) Gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 TVG ist ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Das in § 4 Abs. 4 S. 1 TVG geregelte gesetzliche Verbot des Verzichts auf entstandene tarifvertragliche Rechte sichert die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrags. Es soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer nicht durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen auf die ihm zustehenden Ansprüche verzichtet. Ob ein sachlicher Grund für einen Verzicht vorliegt, ist ohne Bedeutung. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien dem in einem Vergleich ausgesprochenen Verzicht zustimmen (§ 182 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 1 TVG). Das Verzichtsverbot erfasst alle tarifrechtlich unmittelbar und zwingend geltenden Rechte aus dem Tarifvertrag, setzt also beiderseitige Tarifgebundenheit oder eine Allgemeinverbindlicherklärung des betreffenden Tarifvertrags voraus. Ein "Verzicht" im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 1 TVG liegt bei allen Verfügungen und vertraglichen Vereinbarungen vor, die Ansprüche oder Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigen. Auch eine Ausgleichsklausel über tarifliche Ansprüche ist unwirksam, wenn sie ein negatives Schuldanerkenntnis oder einen Erlass enthält (Treber, in: Schaub Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Auflage 2019, § 209, Rn. 1 ff. m.w.N.; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 4. Auflage 2017, § 4, Rn. 657 ff. m.w.N.).

(2) Die Parteien sind beidseits kraft Verbandsmitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 1 TVG normativ an den MTV iGZ gebunden. Gemäß § 3 Ziffer 3.2.1 MTV iGZ wird für jeden Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, dessen positiver Saldo gemäß § 3 Ziffer 3.2.4. MTV iGZ mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuzahlen ist. Auf diesen tarifvertraglichen Zahlungsanspruch kann der Kläger nicht verzichten, ohne dass gegen § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG verstoßen würde.

(3) Auch wenn rund um die Gespräche zwischen den Parteien sowie der Beklagten mit den übrigen betroffenen Arbeitnehmern - in welcher Art und Weise auch immer - der örtlich zuständige Erste Bevollmächtigte der IG Metall eingebunden gewesen war, ist darin allein kein von den Tarifvertragsparteien gebilligter Vergleich zu sehen. Abgesehen davon, dass auf Arbeitnehmerseite nicht lediglich die IG Metall Tarifvertragspartei ist, sondern eine Tarifgemeinschaft bestehend aus sämtlichen DGB-Mitgliedsgewerkschaften (zur Rechtsnatur von Tarifgemeinschaften: Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 4. Auflage 2017, § 2, Rn. 521 ff.), ist zum Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen eines entsprechenden Vergleichs in tatsächlicher Hinsicht nichts vorgetragen.

d) Der Anspruch des Klägers auf Vergütung des Arbeitszeitguthabens ist gemäß §§ 10, 11 MTV iGZ in Verbindung mit Ziffer 4 des Aufhebungsvertrags vom 27. Dezember 2019 nicht verfallen.

aa) Der Kläger hat den Anspruch mit außergerichtlichem Schreiben vom 3. April 2019 rechtzeitig innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht.

(1) Die tarifvertragliche Regelung in § 10 MTV iGZ sieht vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.

Zur Fälligkeit enthält § 11 MTV iGZ eine Regelung für "Entgeltansprüche". Danach erhalten Arbeitnehmer ein Monatsentgelt auf der Basis der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit oder der regelmäßigen Arbeitszeit pro Monat, das spätestens bis zum 15. Bankarbeitstag des auf den Abrechnungsmonat folgenden Monats fällig wird. Dies war vorliegend im Hinblick auf "Entgeltansprüche" aus dem Monat Dezember 2018 gemäß § 187 Abs. 1 BGB der 22. Januar 2019.

In Ziffer 4 der Aufhebungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018 ist zudem vereinbart, dass die ausstehende Vergütung im Januar 2019 auszuzahlen ist.

(2) Bei der Vergütung des Arbeitszeitguthabens handelt es sich vorliegend um einen "Entgeltanspruch" im Sinne der tarifvertraglichen Regelung.

(a) Tarifverträge sind wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (statt aller: BAG 23. Juli 2019 - 3 AZR 377/18 m.w.N.).

(b) Eine Zeitgutschrift, die zunächst an die Stelle des ursprünglichen Vergütungsanspruchs gemäß §§ 611 Abs. 1, 611a Abs. 2 BGB tritt, wandelt sich mit Entstehen des Auszahlungsanspruchs - hier aufgrund § 3 Ziffer 3.2.4 MTV iGZ - wieder in einen Vergütungsanspruch (s.o., BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09: "Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers in anderer Form"). Es handelt sich dabei nach wie vor um die Vergütung geleisteter Arbeitszeit und damit im Wortsinn um "Entgelt". Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung sowie Gesamtzusammenhang und Systematik ist nicht ersichtlich, weshalb die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens am Ende des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Zeitpunkt - zumal früher, als das monatliche Entgelt für den letzten Anstellungsmonat - fällig werden sollte. Dies hat die Beklagte offenbar selbst auch so verstanden, als sie einen Teil des Arbeitszeitkontos - 24 Stunden - ausweislich der erteilten Abrechnung für den Monat Dezember 2018 selbst mit dem Abrechnungslauf für Dezember 2018 im Januar 2019 abgerechnet und ausgezahlt hat. Ein anderweitiger Wille der Tarifvertragsparteien hat in § 11 MTV iGZ keinerlei Niederschlag gefunden.

Der Auszahlungsanspruch wurde daher - entgegen der Auffassung der Beklagten - vorliegend nicht direkt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 27. Dezember 2018, sondern erst am 15. Bankarbeitstag im Januar 2019, mithin am 22. Januar 2019 fällig. Der Fristablauf trat gemäß § 188 Abs. 2, 193 BGB am 23. April 2019 ein.

(3) Das vorstehend gefundene Ergebnis folgt zudem aus der Regelung in Ziffer 4 der Aufhebungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018, wonach für die Zahlungsansprüche im Rahmen der ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses auf den "arbeitsvertraglich festgelegten Zahltag (Januar 2019)" Bezug genommen wird.

(4) Die Geltendmachung mit Schreiben vom 3. April 2019 fand mithin innerhalb der am 23. April 2019 ablaufenden Ausschlussfrist statt. Insofern ist unschädlich, dass der Anspruch lediglich dem Grunde nach geltend gemacht und erst mit am 24. April 2019 zugestellter Klageerweiterung vom 17. April 2019, was im Rahmen der ersten Stufe der Ausschlussfrist nicht als "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt angesehen werden kann (BAG 16. März 2016 - 4 AZR 421/15), nach Ablauf der ersten Stufe der Ausschlussfrist beziffert worden ist. Denn bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am 22. Januar 2020 ist zwischen den Parteien lediglich der Anspruchsgrund streitig gewesen und nicht die Anspruchshöhe. Die Parteien streiten lediglich darüber, ob überhaupt eine Freistellung unter Anrechnung des Arbeitszeitguthabens erfolgt ist. Nicht gestritten wird über die Höhe der sich daraus ggf. ergebenden Beträge. Dementsprechend war die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs dem Grunde nach für die Zeit vom 14. Dezember 2018 bis zum Ablauf des 27. Dezember 2018 ausreichend (so ausdrücklich bereits: BAG 7. September 1982 - 3 AZR 1252/79; ErfK/Preis, 20. Auflage. 2020, § 218 BGB, Rn. 59 m.w.N.).

Entscheidungserheblich war all dies wiederum nicht.

bb) Denn eine Geltendmachung der Vergütung des Arbeitszeitguthabens durch den Kläger ist entbehrlich gewesen.

(1) Eine einmal in einer schriftlichen Vergütungsabrechnung des Arbeitgebers ausgewiesene Lohnforderung ist streitlos gestellt und muss nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden. Dies folgt aus dem Zweck von Ausschlussfristen. Der Gläubiger soll durch diese angehalten werden, die Begründetheit und Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen. Er soll den Schuldner innerhalb der maßgebenden Fristen darauf hinweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen noch erhoben werden. Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit der Erteilung einer vorbehaltlosen Vergütungsabrechnung ist dieser Zweck der Ausschlussfrist erreicht, ohne dass es einer weiteren Geltendmachung bedarf. Die Obliegenheit zur Geltendmachung lebt nicht wieder auf, wenn der Arbeitgeber die Forderung später bestreitet (statt aller so bereits: BAG 21. April 1993 - 5 AZR 399/92; BAG 20. Oktober 1982 - 5 AZR 110/82; BAG 8. August 1979 - 5 AZR 660/77).

Diese Grundsätze sind auf die Ausweisung von Arbeitszeitguthaben in einem vom Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto zu übertragen. Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos. Einer weiteren Geltendmachung bedarf es nicht mehr (BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 m.w.N.). Dem steht nicht entgegen, dass Buchungen und Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto kein Anerkenntnis im Rechtssinne, d.h. keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern lediglich Wissenserklärungen darstellen (hierzu: BAG 23. September 2009 - 5 AZR 973/08; BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07). Die Notwendigkeit zur Geltendmachung eines auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Anspruchs lebt auch nicht wieder auf, wenn sich beispielsweise wegen des Ablaufs eines Ausgleichszeitraums oder der Schließung eines Arbeitszeitkontos ein Freizeitausgleich- wieder in einen Zahlungsanspruch wandelt. Der Zahlungsanspruch ist - wie dargelegt - im Verhältnis zum Zeitguthaben kein neuer Anspruch im Sinne der Ausschlussfrist. Er ersetzt ihn lediglich, nachdem eine Freistellung ausscheidet. Die Geltendmachung einer Zeitgutschrift oder der gleichwertigen Zahlung entsprechen einander (BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 m.w.N.).

(2) Die Beklagte hat dem Kläger mit der Abrechnung für den Monat November 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 250 Stunden mitgeteilt. Dieser Betrag war mithin streitlos gestellt. Ausgezahlt hat die Beklagte hingegen lediglich 24 Stunden, sodass - ebenso streitlos - 226 Stunden verblieben, deren Auszahlung der Kläger vorliegend begehrt.

cc) Im Übrigen ist schließlich von einer Teilunwirksamkeit der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in § 10 MTV iGZ auszugehen, "insoweit" gemäß § 3 Satz 1 MiLoG nicht eine Vergütung der im Arbeitszeitkonto eingestellten Stunden in Höhe des seinerzeit maßgeblichen Mindestlohns in Höhe von 8,84 Euro brutto pro Stunde sichergestellt ist.

(1) Zu den Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs im Sinne des § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifvertragliche Ausschlussfristen. Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führt zur Teilunwirksamkeit einer den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmenden tariflichen Verfallklausel. Denn die Norm selbst ordnet - ohne dass es eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedürfte - die Unwirksamkeitsfolge an, allerdings nur "insoweit", als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist (BAG 20. Juni 2018 - 5 AZR 377/17).

Gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 MiLoG sind im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgeglichene Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat in Höhe des Mindestlohns (ErfK/Franzen, 20. Auflage. 2020, § 2 MiLoG, Rn. 4) auszugleichen.

(2) Nach diesen Grundsätzen ist die tarifvertragliche Ausschlussfrist in § 10 MTV iGZ gemäß §§ 3 Satz 1, 2 Abs. 2 S. 2 MiLoG, (teil-) unwirksam, "insoweit" dadurch der gesetzliche Mindestlohn betroffen wäre. Angesichts der Teilunwirksamkeit unterliegt ein Betrag in Höhe von (226 x 8,84 Euro brutto =) 1.997,84 Euro brutto danach nicht dem Verfall.

e) Zinsen kann der Kläger in dem durch das Arbeitsgericht zugesprochenen Umfang gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 291 BGB beanspruchen.

4. Soweit vorliegend mit Arbeitsvertrag vom 27. April 2017 vom normativ geltenden MTV iGZ abweichende Regelungen zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind diese - wenn vorliegend einschlägig - entweder gemäß § 4 Abs. 3 TVG für den Kläger günstiger - was sich angesichts des Obsiegens des Klägers nicht auswirkt - oder treten gemäß § 4 Abs. 1 TVG hinter den tarifvertraglichen Regelungen zurück (zum Verhältnis von Tarifvertrag zu abweichenden einzelvertraglichen Regelungen: ErfK/Franzen, 20. Auflage 2020, § 4 TVG Rn. 3).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision liegt nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen ist noch von klärungsbedürftiger grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

Auch weicht das Urteil in den entscheidungserheblichen Fragen von keiner Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG genannten Gerichte ab.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.

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