LAG Niedersachsen, Urteil vom 10.09.2020 - 16 Sa 45/20
Fundstelle
openJur 2020, 75564
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 Ca 293/19

1. Die Differenzierung zwischen regelmäßiger Nachtarbeit (25 %) und unregelmäßiger Nachtarbeit (50 %) bei der Zuschlagshöhe im Manteltarifvertrag für die milchbe- und verarbeitenden Molkereibetriebe Niedersachsen/Bremen vom 22.01.1997 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sie hält sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG zustehenden Einschätzungsprärogative.

2. Praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen (Art. 3 Abs. 1 GG) ist für jede tarifvertragliche Regelung, die unterschiedliche Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit vorsieht, gesondert herzustellen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 05.12.2019 – 2 Ca 293/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über tarifliche Nachtzuschläge für regelmäßige Nachtarbeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Molkereiunternehmen, beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Molkereien Niedersachsen/B-Stadt (ohne Weser-Ems).

Der Manteltarifvertrag für die milchbe- und verarbeitenden Molkereibetriebe Niedersachsen/B-Stadt (ohne Weser-Ems) vom 22.01.1997, in Kraft getreten am 01.01.1997, (im Folgenden: MTV) lautet auszugsweise wie folgt:

㤠3 - Nachtarbeit

Als Nachtarbeit gilt die Zeit von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr.

        

§ 5 - Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

…       

2. Für die regelmäßige Nachtarbeit beträgt der Zuschlag 25 %,

für die unregelmäßige Nachtarbeit beträgt der Zuschlag 50 %.

…       

6. Die Zuschläge werden von dem tatsächlichen Stundenverdienst berechnet. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der höchste, bei gleicher Höhe nur ein Zuschlag zu zahlen, außer dem Zuschlag für Nachtarbeit, der ohne Anrechnung bleibt.

7. Arbeitnehmer, die regelmäßig Wechselschichtarbeit im Dreischichtturnus ausführen, haben für je 65 tatsächlich geleistete Nachtschichten Anspruch auf bezahlte Schichtfreizeiten.

Diese betragen 2 Tage Schichtfreizeit.

…       

        

§ 6 – Löhne und Gehälter

…       

5. Gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelten als verwirkt, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Entstehen geltend gemacht werden.

…“    

Der Kläger ist bei der Beklagten im Wechselschichtdienst eingesetzt. Soweit er während dieses Schichtdienstes Nachtarbeit iSd. MTV leistet, zahlt ihm die Beklagte den Zuschlag in Höhe von 25 % für regelmäßige Nachtarbeit gemäß § 5 Ziff. 2 MTV.

Für regelmäßige Wechselschichtarbeit im 3-Schicht-Turnus zahlt die Beklagte auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 31.01.1991 für Nachtarbeit in der Zeit zwischen 0:00 Uhr und 4:00 Uhr tatsächlich anstelle des Zuschlags von 25% eine Nachtschichtzulage von 40 %. Die vorgesehenen Schichtfreizeiten nach § 5 Ziff. 7 MTV gewährt die Beklagte hingegen tatsächlich nicht.

Mit Schreiben vom 29.04.2019 und 31.05.2019 machte der Kläger Differenzansprüche zu dem 50%igen Zuschlag für unregelmäßig Nachtarbeit geltend.

Der Kläger hat – zusammengefasst - die Auffassung vertreten, die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in der Zuschlagshöhe sei gleichheitswidrig. Nachtarbeit sei nach den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen in jeder Form für Arbeitnehmer belastend und führe zu einer biologischen und sozialen Desynchronisation. Da eine Anpassung „nach oben“ zu erfolgen habe, könne er für jegliche Nachtarbeit den tariflichen Zuschlag von 50 % verlangen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.02.2019 bis 28.02.2019 einen Betrag in Höhe von 225,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.03.2019 bis 31.03.2019 einen Betrag in Höhe von 149,24 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.04.2019 bis 30.04.2019 einen Betrag in Höhe von 125,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.

4. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.05.2019 bis 31.05.2019 einen Betrag in Höhe von 210,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2019 zu zahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 01.06.2019 Nachtarbeitszuschläge des Manteltarifvertrags der Molkereien Niedersachsen/B-Stadt (ohne Weser-Ems) in der Fassung vom 22.01.1997 für zwischen 20:00 Uhr und 5:00 Uhr geleistete „regelmäßige Nachtarbeit“ im Sinne des § 5 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags in gleicher Höhe zu gewähren, wie für „unregelmäßige Nachtarbeit“ im Sinne des § 5 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat – zusammengefasst - die Auffassung vertreten, die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit bei der Zuschlagshöhe halte sich in dem den Tarifvertragsparteien durch die Tarifautonomie eingeräumten Gestaltungsspielraum. Es bestehe ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Höhe der Zuschläge.

Mit Urteil vom 05.12.2019 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Zuschlag in Höhe von 50% aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der für Nachtarbeitszuschläge vorgenommenen Gruppenbildung den ihnen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Neben dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung hätten die Tarifvertragsparteien bei der Höhe des Zuschlags ersichtlich auch darauf abgestellt, ob die Nachtarbeit für die Arbeitnehmer planbar ist und sich diese darauf einstellen können. Dem Ergebnis stehe auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – nicht entgegen. Die in diesem Verfahren zu bewertende Tariflage unterscheidet sich deutlich von der vorliegenden.

Gegen das dem Kläger am 18.12.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.01.2020 (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die am 27.03.2020, innerhalb der bis zum 31.03.2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist, unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet wurde:

Nach Auffassung des Klägers habe das Arbeitsgericht unzutreffend und entgegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 - den Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG auf einen Zuschlag in Höhe von 50% abgewiesen. Nachtarbeit sei nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich für jeden Menschen und in jeder Form schädlich und führe zu einer biologischen und sozialen Desynchronisation. Eine Regelung, die Arbeitnehmer, die in einem besonders hohen Umfang Nachtarbeit leisten, erheblich schlechter stelle als Arbeitnehmer, die weniger Nachtarbeit leisten, diene nicht dem Gesundheitsschutz, sondern wirke sich wie ein Mengenrabatt für den Arbeitgeber aus, der Nachtarbeit in großem Umfang anordne. Die möglicherweise vorhandene Planbarkeit regelmäßiger Nachtarbeit bedeute keine geringere Belastung. Anhaltspunkte dafür, dass unregelmäßige Nachtarbeit im Tarifsinn nur kurzfristig und für den Arbeitnehmer überraschend vorkomme, ergeben sich aus dem Tarifvertrag nicht. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hätten die Tarifvertragsparteien mit der für die Nachtarbeitszuschläge vorgenommenen Gruppenbildung den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten, indem sie für eine Gruppe von Normadressaten ohne sachlichen Grund eine erheblich weniger günstige Zuschlagsregelung geschaffen hätten als für eine vergleichbare Gruppe. Es habe eine Anpassung „nach oben“ zu erfolgen, so dass er für jegliche Nachtarbeit den tariflichen Zuschlag von 50 % verlangen könne. Der Feststellungsantrag sei zulässig. Mit den Geltendmachungsschreiben und der Klage habe er hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass er auch für die Zukunft den Zuschlag in Höhe von 50 % begehre. Ein wiederholter Hinweis würde keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 05.12.2019 - 2 Ca 293/19 - abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.02.2019 bis 28.02.2019 einen Betrag in Höhe von 225,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.03.2019 bis 31.03.2019 einen Betrag in Höhe von 149,24 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.04.2019 bis 30.04.2019 einen Betrag in Höhe von 125,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.

4. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Abrechnungszeitraum 01.05.2019 bis 31.05.2019 einen Betrag in Höhe von 210,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2019 zu zahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 01.06.2019 Nachtarbeitszuschläge des Manteltarifvertrags der Molkereien Niedersachsen/B-Stadt (ohne Weser-Ems) in der Fassung vom 22.01.1997 für zwischen 20:00 Uhr und 5:00 Uhr geleistete „regelmäßige Nachtarbeit“ im Sinne des § 5 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags in gleicher Höhe zu gewähren, wie für „unregelmäßige Nachtarbeit“ im Sinne des § 5 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Ausführungen das arbeitsgerichtliche Urteil. Die Differenzierung bei der Zuschlagshöhe zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit halte sich in dem den Tarifvertragsparteien eingeräumten Gestaltungsspielraum. Die Tarifvertragsparteien hätten – neben dem Gesundheitsschutz - der Planbarkeit von Nachtarbeit Bedeutung beigemessen. Die planbare regelmäßige Nachtarbeit sei im MTV als Regelfall und die unregelmäßige Nachtarbeit als Ausnahmefall ausgestaltet. Dies zeige sich auch daran, dass im Geltungsbereich des MTV nach einer Umfrage durch den tarifschließenden Verband MIV in den Jahren 2016 bis 2018 nur etwa 0,5 % unregelmäßige Nachtarbeit im Verhältnis zu regelmäßiger Nachtarbeit geleistet worden sei. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien die Erbringung von Nachtarbeit im Schichtsystem und die damit verbundenen Erschwernisse in § 5 Ziff. 7 MTV nicht durch einen erhöhten Zuschlag, sondern durch Freizeit und damit einen tatsächlichen Ausgleich für die mit der Erbringung von regelmäßiger Nachtarbeit verbundenen Erschwernissen ausgeglichen hätten. Auch führe ein Verstoß der Zuschlagsregelungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht dazu, dass dem Kläger ein tariflicher Zuschlag von 50 % zustehe. Gerade im Hinblick auf die deutlich unterschiedliche Verteilung der Zuschlagsarten in der Praxis, könne nicht von einem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ausgegangen werden, dass diese bei Kenntnis einer unzulässigen Differenzierung einen 50%igen Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit vereinbart hätten. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der Feststellungsantrag sei unzulässig.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß § 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die bezifferten Zahlungsanträge sind für die streitgegenständlichen Monate als abschließende Gesamtklage zu verstehen. Mit diesem Verständnis sind sie hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

b) Auch der Feststellungsantrag ist zulässig.

aa) Er ist nach gebotener Auslegung hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger begehrt – zukunftsgerichtet ab dem Monat Juni 2019 und ohne zeitliche Einschränkung - für Nachtarbeit iSd. des § 3 MTV anstelle des bislang aufgrund der tarifvertraglichen Regelung gezahlten 25%igen Nachtzuschlags bzw. für den Zeitraum von 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr anstelle des tatsächlich gezahlten 40%igen Zuschlags einen Zuschlag in Höhe von 50%, wie er nach der Regelung in § 5 Ziff. 2 MTV für unregelmäßige Nachtarbeit beansprucht werden kann. Zugunsten des Klägers und im Sinne der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags wurde unterstellt, dass der Kläger sich hierbei auch die tatsächlich gezahlten höheren Zuschläge von 40% für den Zeitraum von 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr anrechnen lässt. Zwar hat sich der Kläger vorbehalten, auch für den Zeitraum von 0:00 Uhr bis 4:00 Uhr die Differenz in Höhe von 25% geltend zu machen. Er hat aber seine Zahlungsanträge nicht entsprechend umgestellt, so dass auch für den in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag davon ausgegangen wird, dass sich der Kläger den tatsächlich in Höhe von 40% geleisteten Zuschlag anrechnen lässt. Nur bei dieser Auslegung ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

bb) Für den Feststellungsantrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Höhe des Nachtzuschlags unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden (vgl. BAG 15. Dezember 2016 – 6 AZR 603/15 – Rn. 19).

Der Feststellungsantrag wahrt die Ausschlussfrist auch für erst zukünftig entstehende Ansprüche, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Feststellungsinteresse nicht in Abrede gestellt werden kann. Soll ein Anspruch zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden, so muss der Schuldner zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert werden (BAG 5. April 1995 – 5 AZR 961/93 – zu 2 b der Gründe). Dies ist mit der Zustellung der Klageschrift geschehen. Die Geltendmachung von Ansprüchen setzt zudem grundsätzlich voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind, dh. der Anspruch entstanden ist. Bei erst in der Zukunft entstehenden Ansprüchen ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Eine Besonderheit liegt aber vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 863/11 – Rn. 31). So liegt der Fall hier. Die Anzahl der Nachtarbeitsstunden nach § 3 MTV ist jeweils in den Entgeltabrechnungen ausgewiesen. Die Parteien streiten dem Grunde nach nur darum, ob für diese ausgewiesenen und der Anzahl nach monatlich unstreitigen Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von 50% anstelle der gezahlten 25% (bzw. 40%) zu zahlen ist. Damit ist dem Zweck der Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 863/11 – Rn. 31), auch für die Zukunft genüge getan.

2. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein weiterer Zuschlag in Höhe von 25% bzw. 10% für geleistete Nachtarbeit unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu. Dementsprechend hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, für regelmäßige Nachtarbeit Nachtarbeitszuschläge in gleicher Höhe zu gewähren, wie für unregelmäßige Nachtarbeit.

a) Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 5 Ziff. 2 MTV. Der Kläger leistet regelmäßig Nachtarbeit, so dass ihm nach den tarifvertraglichen Regelungen (§ 5 Ziff. 2 MTV) lediglich ein Zuschlag von 25 % zusteht. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit.

b) Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, mit Arbeitnehmern, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, gleich behandelt zu werden. Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit bei der Höhe der Nachtzuschläge verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sie bewegt sich im Rahmen der den Tarifvertragsparteien zustehenden Einschätzungsprärogative.

aa) Nach der Rechtsprechung des BAG kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen. Bei der Lösung tarifpolitischer Konflikte sind sie nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Vereinbarung zu treffen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (BAG 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 - Rn. 43).

Der Schutzauftrag des Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der Normunterworfenen kollidiert. Sie müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen (BAG 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 21) und gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen unterbinden (BAG 19. Dezember 2019 – 6 AZR 653/18 - Rn. 25).Dabei haben die Gerichte bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen Individualgrundrechten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Bei der Prüfung, ob Tarifnormen Grundrechte oder andere Rechte der Arbeitnehmer mit Verfassungsrang verletzen, müssen die Gerichte nicht nur die besondere Sachnähe der Tarifvertragsparteien, sondern außerdem beachten, dass sich die Arbeitnehmer im Regelfall durch den Beitritt zu ihrer Koalition oder durch die vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, die die Tarifnormen zum Vertragsinhalt macht, bewusst und freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch für die Zukunft unterworfen haben. Die Gerichte dürfen mithin nicht eigene Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle von Bewertungen der zuständigen Koalitionen setzen (vgl. BAG 19. Dezember 2019 – 6 AZR 563/18 – Rn. 26).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Differenzierung in § 5 Ziff. 2 MTV zwischen regelmäßiger Nachtarbeit (25 %) und unregelmäßiger Nachtarbeit (50 %) weiterhin Bestand. Sie verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der MTV unterscheidet in § 5 Ziff. 2 zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit. Als Nachtarbeit gilt nach § 3 MTV die Zeit zwischen 20:00 Uhr und 5:00 Uhr. Die Gruppe der Arbeitnehmer, die regelmäßig Nachtarbeit leistet, ist mit der Gruppe, die unregelmäßige Nachtarbeit leistet, vergleichbar. Dies ergibt sich daraus, dass beide Arbeitnehmergruppen ihre Arbeitsleistung innerhalb des in § 3 MTV definierten Zeitraums erbringen. Die Regelung in § 5 Ziff. 2 MTV ist eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen, dies gilt sowohl für die regelmäßige als auch die unregelmäßige Nachtarbeit.

(2) Ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung bei der Zuschlagshöhe für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit ist gegeben.

Hierbei legt die Kammer – wie auch schon das Arbeitsgericht – neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde, die der Kläger in der Berufungsschrift vom 24.03.2020 (insbesondere unter Punkt 6.2) umfassend darstellt und worauf Bezug genommen wird. Danach ist Nachtarbeit für die Gesundheit umso schädlicher, in je größerem Umfang sie geleistet wird. Allerdings führt der Umstand, dass der unregelmäßig und damit im Ergebnis weniger Nachtarbeit leistende Arbeitnehmer einen höheren Zuschlag (50%) erhält als der Arbeitnehmer, der regelmäßig Nachtarbeit leistet (25%), für sich genommen noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar kann angenommen werden, dass die Gesundheit des Arbeitnehmers, der regelmäßig Nachtarbeit leistet, grundsätzlich in höherem Maße gefährdet ist als die Gesundheit desjenigen, der lediglich unregelmäßig Nachtarbeit leistet. Der Normzweck in § 5 Ziff. 2 MTV beschränkt sich allerdings nicht ausschließlich auf den Gesundheitsschutz. Dies kann ua. auch daraus geschlussfolgert werden, dass im Mittel tarifliche Nachtarbeitszuschläge etwa 25% betragen. Bei Nachtarbeitszuschlägen, die diese Marge überschreiten, ist nicht auszuschließen, dass deren Höhe (auch) auf anderen Gründen beruht (vgl. BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – Rn. 49).

Die Nachtzuschläge verfolgen neben dem Gesundheitsschutz auch den Zweck, die sozialen Folgen („soziale Desynchronisation“), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mehrheit der Arbeitnehmer und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufs verbunden sind, zu mindern (BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 22). Soweit die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, dass derjenige Arbeitnehmer, der keiner solchen Regelmäßigkeit unterliegt, durch die Heranziehung zur Nachtarbeit höher belastet wird als der Arbeitnehmer, der sich auf einen vorgegebenen Rhythmus einstellt und seine Freizeitaktivitäten daran anpasst, hält sich dies in ihrem Beurteilungsspielraum. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 52 ausführt, dass die Teilhabe am sozialen Leben durch unregelmäßige Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen nicht in einem höheren Maße gefährdet werde als bei Nachtarbeit innerhalb von regelmäßigen Schichten, ist doch zu berücksichtigen, dass jede Abweichung von der regulären Arbeitszeit innerhalb – meist lange im Voraus – feststehender Schichten für die davon betroffenen Arbeitnehmer eine erneute Abstimmung der Lebensbereiche Arbeit und Familie, Freunde sowie Freizeit erforderlich macht. Die Balance zwischen (Nacht-)Arbeit und Freizeit sowie Familienverpflichtungen herzustellen, ist umso schwieriger, je unregelmäßiger die Nachtarbeit anfällt (Landesarbeitsgericht Niedersachsen 6. August 2020 – 6 Sa 64/20 – zu B.II.1.c) dd) (1) (b) der Gründe). Entgegen der Auffassung des Klägers kann dieser Aspekt damit als sachlicher Grund Anerkennung finden. Dabei ist dies nicht „die exklusive Meinung des Arbeitsgerichts“, sondern die Einschätzung der Tarifvertragsparteien, die unter Berücksichtigung der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie und der damit einhergehenden geringeren Kontrolldichte durch die Arbeitsgerichte weitestgehend zu akzeptieren ist.

U.a. auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten angeführten Umfrage des tarifschließenden Verbands, wonach in den Jahren 2016 bis 2018 nur rund 0,5 % der geleisteten Nachtarbeit unregelmäßige Nachtarbeit war, kann unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien die unregelmäßige Nachtarbeit als einen Ausnahmetatbestand verstanden wissen wollten, welcher die unregelmäßige Nachtarbeit für Arbeitgeber verteuern und gleichzeitig Arbeitnehmern, die keine regelmäßige Nachtarbeit leisten - etwa deshalb, weil keine vertragliche Verpflichtung besteht oder es sich etwa um Mehrarbeit handelt - als Anreiz für die (ausnahmsweise) Tätigkeit von 20:00 Uhr bis 5:00 Uhr dienen sollte. Auch dieser Aspekt stellt einen sachlich vertretbaren Grund für die Differenzierung in der Höhe des Zuschlags für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit dar. Wie der Kläger unter Verweis auf die Entscheidung vom 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – (Rn. 15) zutreffend ausführt, ist bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung. Durch die Verteuerung der unregelmäßigen Nachtarbeit für Arbeitgeber einerseits und die Schaffung eines Anreizes durch die lukrative Ausgestaltung der Zuschläge für Arbeitnehmer andererseits, besteht die generelle Auswirkung der Regelung auch in einer Steuerungsfunktion durch die Tarifvertragsparteien, die unregelmäßige Nachtarbeit auf Ausnahmefälle in Ausnahmesituationen zu beschränken. Hierbei muss es hingenommen werden, dass, insbesondere unter Berücksichtigung der Anreizfunktion, die Einzelfallgerechtigkeit nicht in jedem Fall gegeben ist.

Dass die Differenzierung in der Höhe der Zuschläge zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit unter Berücksichtigung der neuen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse uU. nicht mehr zeitangemessen und nicht die gerechteste Lösung ist, ist unter Berücksichtigung der den Gerichten zustehenden geringen Kontrolldichte hinzunehmen. Ausreichend ist ein sachlich vertretbarer Grund für die Differenzierung. Dieser liegt vor.

(3) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Verpflichtung, den Gesundheitsschutz vor den Belastungen der Nachtschichtarbeit nach den gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen sicherzustellen, ein Eingriff in den den Tarifparteien eingeräumten Regelungsspielraum nicht erforderlich. Der für regelmäßige Nachtarbeit zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Zuschlag steht insbesondere § 6 Abs. 5 ArbZG nicht entgegen.

§ 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 18). Nur wenn eine tarifvertragliche Regelung nicht besteht, besteht hiernach ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag zum Bruttoarbeitsentgelt. Ist eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht einschlägig, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Zuschlag iHv. 25 % auf den jeweiligen Brutto(stunden)lohn einen angemessenen Ausgleich darstellt (BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 16, BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn, 59 mwN). Von dieser Zuschlagshöhe kann abzuweichen sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen oder quantitativen Aspekten vom Regelfall abweicht (vgl. BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 27 ff.). Bei der Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der damit einhergehenden erhöhten gesundheitlichen Belastung regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % als angemessen anzusehen (BAG 9. Dezember 2015 - 10 AZR 423/14 - Rn. 28).

Im vorliegenden Fall haben sich die Tarifvertragsparteien für regelmäßige Nachtarbeit auf einen Zuschlag verständigt, der den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Angemessenheit von Nachtzuschlägen – wohlgemerkt im Falle des Nichtbestehens einer tarifvertraglichen Regelung – entspricht. Ohne besondere Umstände ist damit auch der tarifvertraglich vereinbarte Nachtzuschlag für regelmäßige Nachtarbeit in § 5 Ziff. 2 MTV unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes als angemessen anzusehen. Eines staatlichen Eingriffs bedarf es nicht.

(4) In § 5 Ziff. 7 MTV sind für Arbeitnehmer, die regelmäßig Wechselschichtarbeit im Dreischichtturnus ausführen, für je 65 tatsächlich geleistete Nachtschichten 2 Tage bezahlte Schichtfreizeit vorgesehen. Anspruch auf die bezahlten Tage Schichtfreizeit haben damit nur die Arbeitnehmer, die (auch) regelmäßig Nachtarbeit leisten, denn ein Dreischichtturnus setzt sich in der Regel aus einer Früh-, Spät- und Nachtschicht zusammen. Nur wenn in drei Schichten - und damit auch in Nachtschicht – gearbeitet wird, besteht Anspruch auf 2 Tage bezahlte Schichtfreizeit. Der in § 5 Ziff. 7 MTV geregelte Ausgleich bezweckt damit zum einen, die mit der Wechselschicht einhergehenden Belastungen auszugleichen, zum anderen aber auch den Ausgleich der Erschwernisse, die mit der Nachtarbeit verbunden sind, da der Anspruch auf die bezahlten Schichtfreizeiten die regelmäßige Tätigkeit (auch) in der Nachtschicht voraussetzt. Im Falle der lediglich unregelmäßigen Nachtarbeit besteht kein Anspruch auf die Schichtfreizeit.

Die in § 5 Ziff. 7 MTV geregelte zusätzliche Kompensation der regelmäßigen Nachtarbeit durch Gewährung von Schichtfreizeiten ist bei dem Maß der Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 5 ArbZG, wonach der Ausgleich für Tätigkeit während der Nachtzeit auch in der Gewährung einer angemessenen Zahl bezahlter freier Tage bestehen kann. Diese Form der Kompensation entspricht dem in § 1 Nr. 1 ArbZG verfolgten Ziel des Gesundheitsschutzes sogar in höherem Maße als die Zahlung von Zuschlägen (vgl. BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – zu B II 2 a der Gründe).

(5) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2018 - 10 AZR 34/17 – mit der vorliegenden Entscheidung in Einklang zu bringen. In dem Urteil vom 21. März 2018 hatte der 10. Senat – wie die Kammer im vorliegenden Fall auch - praktische Konkordanz zwischen der Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien und den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen herzustellen und die Grundrechtsausübung der Tarifvertragsparteien überwiegend deshalb hinter den Gleichheitsrechten der Normunterworfenen zurücktreten lassen, weil der Zuschlag für Nachtarbeit (50%) im Verhältnis zum Zuschlag für Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit (15%) ua. „um mehr als das Dreifache höher“ war (BAG 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 47) und damit eine deutliche Schlechterstellung der Nachtarbeit leistenden Schichtarbeitnehmer bei der Bezahlung der Nachtarbeit im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen leisten, bestehe (BAG 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 48). Gegenüber dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. März 2018 zugrunde lag, unterscheidet sich der hier zur Entscheidung stehende Fall vor allem darin, dass Unterschiede in der Zuschlagshöhe hier nur im Umfang von 25 % zu 50 %, unter Berücksichtigung der Schichtfreizeiten sogar im Umfang von weniger als 25 % bestehen und von den Tarifvertragsparteien auch für regelmäßige Nachtarbeit ein der Gesundheitsgefährdung jedenfalls angemessener Zuschlage von 25% vereinbart wurde. Dafür, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 - jegliche tarifvertragliche Differenzierung zwischen Nachtarbeit und Nachtarbeit in Schichtarbeit bzw. unregelmäßiger und regelmäßiger Nachtarbeit als unzulässig erachtet, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Entscheidung vom 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 - lässt insbesondere nicht erkennen, dass der Senat von der früheren Entscheidung vom 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 –, in welcher über eine Differenzierung von Nachtarbeit (50%) und Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit (20%) im Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel zu entscheiden war, abrücken wollte (vgl. BAG 21. März 2018 – 10 AZR 34/17 – Rn. 54).

cc) Da ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Nachtarbeit in der Zuschlagshöhe gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob eine „Angleichung nach oben“ in jedem Fall zu erfolgen hat, insbesondere auch dann, wenn die unregelmäßige Nachtarbeit nach der Auslegung des Tarifvertrags und der gelebten Praxis die Ausnahme, die regelmäßige Nachtarbeit die Regel ist. Gegen eine Anpassung nach oben spricht, dass eine Lückenschließung im Wege der ergänzenden Tarifauslegung zu unterbleiben hat, wenn unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung verbleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden (BAG 12. Dezember 2013 – 8 AZR 942/12 – Rn. 19 mwN).

dd) Sowohl die Zahlungsanträge als auch der Feststellungsantrag sind unbegründet. Die Berufung unterliegt damit insgesamt der Zurückweisung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 97 Abs.1 ZPO.

Die Kammer hat der entscheidungserheblichen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weshalb gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde.