LAG Hamm, Urteil vom 13.05.2020 - 6 Sa 1940/19
Fundstelle
openJur 2020, 75453
  • Rkr:
Verfahrensgang

Wird ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung von Urlaub und Freizeitausgleich, einvernehmlich freigestellt, ohne dass eine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung während der Freistellung anderweitig erzielten Verdienstes getroffen wird, ergibt sich auch aus einer ebenfalls vereinbarten "Sprinterklausel" allein keine Anrechnung.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 6. November 2019 - 3 Ca 241/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Vergütungsklage über die Frage, ob sich der Kläger während eines vertraglich vereinbarten Freistellungszeitraums anderweitig erzielten Verdienst anrechnen lassen muss.

Der am 27. September 19XX geborene Kläger war bei der Beklagten und deren Tochtergesellschaft seit dem 1. September 1982 angestellt, zuletzt bei der Beklagten seit dem Jahr 2014 als Personalleiter der C Unternehmensgruppe in R 1 . Die Bruttomonatsvergütung betrug 9.676,00 Euro zzgl. Arbeitgeberanteil VL und Erstattung einer Kontoführungsgebühr, insgesamt 9.703,87 Euro.

Die Beklagte ist Teil einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe, die Bauteile, Komponenten und einbaufertige Module für die Automobilindustrie entwickelt und produziert (AG Iserlohn HRB XXXX).

Im September und Oktober 2018 begann die Umsetzung einer Betriebsstilllegung durch Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gegenüber allen Arbeitnehmern der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaft.

Der Kläger bat die Beklagte um ein vorzeitiges Ausscheiden. Nach Vorlage zunächst zweier Vertragsentwürfe durch den Kläger und konkreten Verhandlungen der Parteien auch über die Höhe einer sogenannten Sprinterprämie vereinbarten die Parteien mit Aufhebungsvertrag vom 12. September 2018 unter anderem Folgendes:

"[...]

1. Die Arbeitgeberin und Herr M sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen, auf Veranlassung des Arbeitnehmers, mit Ablauf des 30.04.2019 durch diesen Aufhebungsvertrag enden wird.

2. Ab dem 21.09.2018 wird Herr M bis zum 30.04.2019 unter Anrechnung aller noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts in Höhe von 9.676,00 € brutto unwiderruflich bezahlt von der Arbeit freigestellt.

[...]

5. Herr M erhält das Recht mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vor dem 30.04.2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit dem Zeitpunkt, den Herr M angibt. In diesem Fall erhält Herr M in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindungssumme für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 2.690,00 € brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag in Höhe von 90,00 € brutto. Sofern Herr M diese Regelung in Anspruch nehmen sollte, sind die Ansprüche aus dieser Regelung bereits jetzt entstanden und vererblich und mit der letzten Entgeltabrechnung auszuzahlen.

[...]"

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags verfügte der Kläger über einen Urlaubsanspruch für das Jahr 2018 von acht Tagen sowie einen Freizeitausgleichsanspruch von 0,62 Stunden.

Ab dem 7. Januar 2019 nahm der Kläger eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auf und teilte dies der Beklagten zuvor mit. Der Kläger erzielt insoweit monatlich ein höheres Einkommen als bei der Beklagten.

Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 14. Januar 2019 berief sich die Beklagte im Hinblick auf die bis zum 30. April 2019 ausstehenden Vergütungsansprüche auf ein Zurückbehaltungsrecht, forderte den Kläger auf, die Höhe der im neuen Arbeitsverhältnis erzielten Vergütung mitzuteilen und verwies auf die im Aufhebungsvertrag zu Ziffer 5 vereinbarte Regelung.

Der Kläger teilte die Höhe des seit dem 7. Januar 2019 erzielten Verdienstes nicht mit. Die Beklagte zahlte für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum Ablauf des 30. April 2019 keine Vergütung.

Mit Klage vom 12. Februar 2019 sowie Klageerweiterung vom 17. Juni 2019 hat der Kläger die Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2019 bis April 2019 in Höhe von jeweils 9.703,87 Euro brutto nebst Zinsen geltend gemacht.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, ihm stünden die Ansprüche uneingeschränkt zu. Er hat gemeint, die Regelung in § 615 S. 2 BGB sei nicht anwendbar, auch nicht kraft Vereinbarung der Parteien. Dass die Beklagte gegebenenfalls bei Abschluss des Aufhebungsvertrags den inneren Willen gehabt habe, der Kläger möge während des Freistellungszeitraums keine weitere Vergütung erzielen, könne sein, sei aber nicht Gegenstand der Vereinbarung. Die Parteien hätten die Vergütungsansprüche zudem im Freistellungszeitraum betragsmäßig beziffert, was gegen eine Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes spreche. Eine Anrechnung hätte auch vorausgesetzt, dass der im Freistellungszeitraum zu gewährende Urlaub von noch acht Tagen für das Jahr 2018 zeitlich festgelegt worden wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall und betreffe gleichermaßen den nicht weiter benannten anteiligen Urlaubsanspruch für das Jahr 2019 sowie den vereinbarten Ausgleich des Arbeitszeitkontos. Durch die Vereinbarung in Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags sei schließlich auch nicht konkludent geregelt, dass eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes erfolgen müsse. Die Regelung enthalte lediglich eine Option, nicht hingegen eine Verpflichtung zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 38.815,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 9.703,87 Euro seit dem 1. Februar, 1. März, 1. April und 1. Mai 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, aus der Regelung in § 615 S. 2 BGB ergebe sich eine Anrechnung des erzielten weiteren Verdienstes. Dass eine Anwendbarkeit der Regelung in § 615 S. 2 BGB nicht ausdrücklich vereinbart sei, stehe dem nicht entgegen. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitgeber nicht auf eine Anrechnung verzichte. Sie gehe davon aus, dass dem Kläger mit dem Beginn der Freistellung der Resturlaub für das Jahr 2018 und sodann Freizeitausgleich wegen des verbliebenen Arbeitszeitguthabens gewährt worden sei. Urlaubsansprüche für das Jahr 2019 habe der Kläger ohnehin nicht erworben, denn der Kläger hätte nicht gleichzeitig die Pflichten aus den seit dem 7. Januar 2019 parallel bestehenden beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen können. Die Beklagte hat behauptet, die Aufnahme der Vereinbarung in Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags habe dem Wunsch des Klägers entsprochen. Die Vereinbarung einer Sprinterklausel ziele durch die - vorliegend anteilige - Kapitalisierung der Vergütung für die vereinbarte Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses darauf ab, den Kläger anzuhalten, möglichst ein neues Anstellungsverhältnis einzugehen und damit die Beklagte von der vollen Vergütungszahlung zu befreien. Dieser Sinn und Zweck liefe leer, wenn der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis begründen könnte und zudem berechtigt wäre, anrechnungsfrei weiteren Verdienst zu erzielen, ohne sein bisheriges Arbeitsverhältnis zu beenden.

Mit Urteil vom 6. November 2019 hat das Arbeitsgericht der Klage - abgesehen von zwei Tagen Zinslauf am 1. April 2019 und 1. Mai 2019 - stattgegeben. Eine Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes folge nicht aus § 615 S. 2 BGB. Denn aufgrund der vereinbarten Freistellung habe keine Arbeitspflicht des Klägers bestanden und somit auch kein Annahmeverzug vorliegen können. Auch außerhalb der Regelung in § 615 S. 2 BGB komme eine Anrechnung nicht in Betracht. Ausdrücklich sei keine Anrechnung vereinbart. Die Höhe der fortzuzahlenden Vergütung sei in Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags konkret beziffert, was gegen eine Anrechnung spreche. Der Zeitraum während der Freistellung, in dem Urlaub gewährt werden solle, sei nicht festgelegt. Während der Gewährung von Urlaub, über dessen zeitliche Lage danach der Kläger zu befinden habe, scheide jedoch eine Anrechnung aus. Auch aus der Regelung in Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags folge nichts anderes. Die Sprinterklausel stelle eine Option dar, beinhalte jedoch keine Pflicht des Arbeitnehmers, im Falle der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses stets das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu beenden. Dass aufgrund der niedrigen Höhe der Sprinterprämie die vorzeitige Beendigung für die Beklagte finanziell vorteilhaft gewesen wäre, führe nicht dazu, der Sprinterklausel einen Anrechnungsvorbehalt entnehmen zu können. Mangels Regelungslücke scheide eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Das Verhalten des Klägers sei insbesondere vor dem Hintergrund der Diskrepanz zwischen fortzuzahlender Bruttovergütung und der im Falle vorzeitiger Beendigung zu zahlenden Abfindung auch nicht treuwidrig.

Gegen das der Beklagten am 11. November 2019 zugestellte Urteil richtet sich deren am 9. Dezember 2019 eingegangene und am 13. Januar 2020 (Montag) begründete Berufung.

Die Beklagte meint unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation weiterhin, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei unerheblich, wann dem Kläger im Freistellungszeitraum Urlaub und Freizeitausgleich gewährt worden sei. Denn gemäß § 615 S. 2 BGB sei anderweitiger Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt anzurechnen, in dem der Arbeitnehmer seine Dienste anderweitig verwendet habe. Davon abgesehen sei eine Freistellung unter Anrechnung von Urlaub ohnehin unter Berücksichtigung der Regelung in § 366 Abs. 2 BGB und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass im Falle der Nichtgewährung Urlaubsabgeltung zu zahlen sei, dahingehend auszulegen, dass dem Kläger ab dem Zeitpunkt der Freistellung zunächst Urlaub als lästigere Schuld gewährt worden sei. Eine Anrechnung des durch den Kläger in den Monaten Januar 2019 bis April 2019 im Rahmen des zum 7. Januar 2019 neu aufgenommenen Arbeitsverhältnisses erzielten Verdienstes ergebe sich schließlich insbesondere aus der in Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags vereinbarten Sprinterklausel und der geringen Höhe der Sprinterprämie. Die Beklagte habe im Rahmen der Verhandlungen des Vertrags deshalb keiner höheren Sprinterprämie zugestimmt, weil sie an sich kein Interesse an einem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers gehabt habe. Sie habe die Mitarbeit des Klägers als R im Rahmen der sich seinerzeit anbahnenden Schließungsphase gern noch in Anspruch nehmen wollen und habe der dringenden Forderung des Klägers nach Freistellung allein aufgrund seiner langjährigen Verdienste nachgegeben. Sie behauptet, sie habe seinerzeit darauf "spekuliert", dass der Kläger das Arbeitsverhältnis mit ihr zeitnah beenden werde. Sie sei jedoch nicht bereit gewesen, dessen vorzeitige Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses auch noch mit einer hohen Sprinterprämie zu belohnen. Das in Gestalt der Sprinterklausel vereinbarte "prämierte Beendigungsrecht" des Klägers belege den Parteiwillen, der Kläger habe nur so lange ungekürzt bezahlt freigestellt werden sollen, wie er keine anderweitigen Einkünfte erziele. All dies ergebe sich zumindest aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Das Verhalten des Klägers sei im Übrigen treuwidrig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 6. November 2019 - 3 Ca 241/19 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es möge sein, dass die Beklagte es für sich als unangemessen empfinde, wenn der Kläger seine volle Vergütung erhalte, hierfür nicht arbeiten müsse und obendrein zwischenzeitlich eine bezahlte Anschlussbeschäftigung aufgenommen habe. Dennoch sei nichts anderes vereinbart. Die Vereinbarung der Sprinterklausel sei auch nicht sinnlos gewesen. Hätte der Kläger sie in Anspruch genommen, wäre er ohne dann noch bestehendes Wettbewerbsverbot auf dem Arbeitsmarkt frei in der Wahl der Anschlussbeschäftigung gewesen. Nehme er die Sprinterklausel - wie geschehen - nicht in Anspruch, bleibe er bei Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden. Zuzugeben sei der Beklagten, dass die Sprinterklausel vorliegend "eher unattraktiv dotiert" gewesen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Die Berufung der Beklagten ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG am 9. Dezember 2019 gegen das am 11. November 2019 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 222 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 13. Januar 2020, einem Montag, begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet. Denn das Arbeitsgericht hat zu Recht im ausgeurteilten Umfang auf die zulässige Klage die durch den Kläger geltend gemachten Beträge zugesprochen.

1. Der Kläger hat gemäß Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags vom 12. September 2018 in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien gegen die Beklagte für die Monate Januar 2019 bis einschließlich April 2019 Anspruch auf Vergütung in Höhe von monatlich 9.703,87 Euro brutto und insgesamt 38.815,48 Euro brutto.

a) Der Kläger muss sich den Wert des aus dem zum 7. Januar 2019 begründeten Arbeitsverhältnis erzielten Verdienstes nicht gemäß § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen.

aa) Gemäß § 615 S. 2 BGB ist der Wert desjenigen, was der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs aus einer anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die vom Arbeitgeber nach § 615 S. 1 i.V.m. §§ 611 Abs. 1, 611a Abs. 2 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistung schuldet. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11; BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01; BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00; BAG 9. November 1999 - 9 AZR 922/98). Auch eine Anrechnung von Zwischenverdienst gemäß § 615 S. 2 BGB scheidet dann aus (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11; BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05; BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01).

bb) Gemäß Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags vom 12. September 2018 wurde der Kläger für die Zeit vom 21. September 2018 bis zum Ablauf des 30. April 2019 unter Anrechnung aller noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts in Höhe eines ausdrücklich bezifferten Betrags bezahlt von der Arbeit freigestellt. Die Freistellung erfolgte unwiderruflich unter Anrechnung zeitlich nicht festgelegter Urlaubsansprüche sowie des Arbeitszeitguthabens. Dementsprechend folgt der monatliche Vergütungsanspruch des Klägers direkt aus Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags und nicht aus § 615 S. 1 BGB. Da der Kläger aufgrund der vereinbarten Freistellung nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen ist, befand sich die Beklagte im Zeitraum vom 21. September 2018 bis zum Ablauf des 30. April 2019 nicht in Annahmeverzug. Eine Anwendbarkeit der Regelung in § 615 S. 2 BGB scheidet aus.

b) Außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelung in § 615 S. 2 BGB haben die Parteien vertraglich keine Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes vereinbart.

aa) Wird vertraglich eine Freistellung des Arbeitnehmers bestimmt, kommt es für die Frage der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes vorrangig auf die Auslegung des Vertrags an (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11).

bb) Gemäß §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch in einem zweiten Auslegungsschritt auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Sinn und Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., statt aller auch zur u.U. erforderlichen Deutlichkeit einer vertraglichen Freistellungsregelung: BAG 20. November 2019 - 5 AZR 578/18 m.w.N.).

cc) Der Wortlaut des Aufhebungsvertrags der Parteien vom 12. September 2018 ist bzgl. der Frage der Anrechnung anderweitig erzielten Einkommens unergiebig. Ausdrücklich haben die Parteien keine Anrechnung vereinbart.

dd) Die in Ziffer 2 des Aufhebungsvertrags vereinbarte unwiderrufliche Freistellung unter ausdrücklicher Bezifferung der fortzuzahlenden Bruttomonatsvergütung sowie unter zeitlich nicht festgelegter Anrechnung von Urlaub und Freizeitausgleich spricht zudem ihrem Sinn und Zweck nach ebenfalls gegen eine konkludent vereinbarte Anrechnung anderweitigen Einkommens.

(1) Wie bereits das Arbeitsgericht unter Inbezugnahme der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 17.10.2012 - 10 AZR 809/11) zutreffend ausgeführt hat, stellt bereits die ausdrückliche betragsmäßige Bezifferung des monatlichen Vergütungsanspruchs ein Argument gegen eine Anrechnung dar. Denn durch diese ausdrückliche Bezifferung der fortzuzahlenden Vergütung soll regelmäßig sichergestellt werden, dass sich die Parteien nicht im Nachhinein über die Höhe derselben streiten. Es wird konkret fixiert, in welcher Höhe der Arbeitgeber während des Freistellungszeitraums zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet sein soll. Hätte insoweit eine Anrechnung vereinbart sein sollen, wäre es gerade nicht (allein) auf den konkret benannten Betrag, sondern ggf. auch auf einen An- und Berechnungsmodus angekommen, um im Falle anderweitig erzielten Verdienstes bestimmen zu können, in welcher Höhe der Kläger noch Vergütungsansprüche geltend machen können soll. In jedem Fall hätte nicht unbedingt eine konkrete Bezifferung des Betrags erfolgen müssen.

(2) Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die vereinbarte Erfüllung von Urlaub während des Freistellungszeitraums, ohne dass diesbezüglich zugleich eine zeitliche Festlegung erfolgt ist, ebenfalls gegen eine Anrechnung anderweitigen Einkommens spricht.

(a) Die Anrechnung von vergütungspflichtigen Urlaubsansprüchen ohne nähere Festlegung des Urlaubszeitraums kann aus Sicht des ausscheidenden Arbeitnehmers nur bedeuten, dass sich die Arbeitgeberin vorbehaltslos zur Fortzahlung des Entgeltes im Freistellungszeitraum verpflichten wollte und er über seine Arbeitsleistung frei verfügen konnte. Denn einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung kann der Arbeitnehmer regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraumes festzulegen. Da während des Urlaubs anderweitig erzielter Verdienst auf das vom Arbeitgeber geschuldete Arbeitsentgelt vor dem Hintergrund der Regelungen in §§ 1, 8 BUrlG gerade nicht anzurechnen ist (BAG 25. Februar 1988 - 8 AZR 596/85), scheidet auch eine Auslegung der Erklärung in dem Sinne aus, die Arbeitgeberin habe sich nur im Rahmen der Vorschriften über den Annahmeverzug zur Zahlung verpflichten wollen. Ein wirksamer Anrechnungsvorbehalt setzt stets voraus, dass der Urlaub hinsichtlich seines Beginns und Endes im Freistellungszeitraum festgelegt wird (so ausdrücklich: BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01; LAG Köln 27. Oktober 2006 - 4 Sa 796/06).

Mangels Festlegung des Urlaubszeitraums in Ziffer 2 der Aufhebungsvereinbarung der Parteien ist es dem Kläger überlassen worden, diesen seinerseits zeitlich frei festzulegen. Da damit nicht klar ist, wann dies konkret der Fall ist, kann nicht bestimmt werden, wann eine Anrechnung anderen Verdienstes hätte in Betracht kommen können.

(b) Die Auffassung der Beklagten, gemäß § 615 S. 2 BGB sei der anderweitige Verdienst des Arbeitnehmers auf die Vergütung für die gesamte Dauer des Annahmeverzugs und nicht nur auf die Vergütung für den Zeitabschnitt anzurechnen, in dem der Arbeitnehmer seine Dienste anderweitig verwendet habe (so BAG 22. November 2005 - 1 AZR 407/04; BAG 29. Juli 1993 - 2 AZR 110/93), und daher komme es nicht darauf an, wann der Kläger im Freistellungszeitraum den ihm zustehenden Urlaub in Anspruch genommen habe, übersieht, dass vorliegend im Freistellungszeitraum zum Einen bereits kein Annahmeverzug vorliegt. Die von der Beklagten in Bezug genommene Art und Weise der Anrechnung setzt zum Anderen dem Grunde nach bereits eine Anrechnung gemäß § 615 S. 2 BGB oder aufgrund Vereinbarung voraus und kann nicht zur Begründung derselben herangezogen werden.

(c) Auch die Auffassung der Beklagten, bei der Gewährung von Urlaub handele es sich gegenüber der im Übrigen während des Laufs der Beendigungsfrist erfolgten Freistellung um die lästigere und damit zuerst erfüllte Schuld gemäß § 366 Abs. 2 BGB (so: LAG Mecklenburg-Vorpommern 21. Juni 2016 - 2 Sa 31/16; offenbar ähnlich: LAG Nürnberg 24. April 2002 - 4 Sa 405/01), teilt die Kammer nicht.

§ 366 Abs. 2 BGB regelt den Fall, dass der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete zur Tilgung sämtlicher Schulden nicht ausreicht (vgl. zum Verhältnis von gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsansprüchen: BAG 7. August 2012 - 9 AZR 760/10). Mit der Auffassung der Beklagten nicht vereinbar ist, dass ein Arbeitnehmer - hier der Kläger - entsprechend der vorstehend abgehandelten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung entnehmen kann, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraumes festzulegen. Er kann frei entscheiden, "wohin" er den Urlaub im Freistellungszeitraum "legt". Für die Bestimmung einer festen Tilgungsreihenfolge von Urlaubsanspruch und Freistellungsanspruch im Sinne des § 366 Abs. 2 BGB ist dann kein Raum mehr.

(d) Nicht mehr streitentscheidend ist, dass die Beklagte schließlich auch nicht mit der Argumentation durchdringen kann, dem Kläger stehe für das Jahr 2019 kein Urlaubsanspruch zu. Er könne nicht im alten und im neuen Arbeitsverhältnis die ihm obliegenden Pflichten parallel erfüllen.

Diese Auffassung bezieht nicht ein, dass der Kläger im Arbeitsverhältnis zur Beklagten aufgrund der erfolgten unwiderruflichen Freistellung keine Leistungspflichten mehr zu erfüllen hatte und insofern keine Pflichtenkollision zum neu begründeten Arbeitsverhältnis mehr eintreten konnte (hierzu: BAG 21. Februar 2012 - 9 AZR 487/10). Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, warum nicht in zwei gesonderten Arbeitsverhältnissen parallel Urlaubsansprüche begründet worden sein sollen.

(3) Gegen eine Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes spricht weiter, dass es vorliegend auch an einer zeitlichen Festlegung des Freizeitausgleichs während der Freistellungsphase fehlt.

(a) Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, die eine Freistellung während einer Kündigungs- bzw. Beendigungsfrist haben kann, muss der Arbeitnehmer deutlich erkennen können, ob der Arbeitgeber als Schuldner eines Freizeitausgleichsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken, allein den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen - insbesondere auch der Anrechnung anderweitigen Verdienstes im Sinne des § 615 S. 2 BGB - verzichten will (BAG 20. November 2019 - 5 AZR 578/18; BAG 20. August 2019 - 9 AZR 468/18; BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13). Weiter ist zu beachten, dass es sich bei einem Arbeitszeitguthaben um ausstehende Vergütung für bereits geleistete, aber bis dahin noch nicht bezahlte Arbeit handelt (so ausdrücklich BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09: "Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers in anderer Form"). Erfolgt die Gewährung des Freizeitausgleichs in einer Freistellungsphase, bedeutet dies nichts anderes, als dass der selbständige Anspruch auf Ausgleich des Arbeitszeitguthabens zwar in der Freistellung zeitlich "aufgeht". Es handelt sich jedoch - wenn auch nicht wie beim Urlaub vor dem Hintergrund zwingender urlaubsrechtlicher Vorgaben - um einen eigenständigen Anspruch auf Vergütung bereits in der Vergangenheit geleisteter Arbeit. Eine Anrechnung bezweckt unter bestimmten Voraussetzungen den Ausschluss zweier gegenwärtig parallel verdienter Vergütungen. Darum geht es im Falle des Freizeitausgleichs aber gerade nicht, weil hier in der Vergangenheit verdiente Vergütung ausgeglichen wird, auf die nicht ohne weiteres anderweitig erzielter Verdienst angerechnet werden kann. Hierzu bedarf es entweder einer Regelung mit zeitlicher Festlegung des Ausgleichszeitraums und einer dann gegebenenfalls möglichen Anrechnung im noch verbleibenden Freistellungszeitraum. Oder aber es muss - soweit im Einzelnen rechtlich zulässig - eine deutliche Regelung getroffen werden, die eine Anrechnung auch während des Freizeitausgleichs zulässt (zu den möglichen Rechtsgrundlagen für einen darin gegebenenfalls zu sehenden Verzicht: BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 135/12; BAG 7. November 2007 - 5 AZR 880/06; BAG 8. März 2006 - 10 AZR 349/05; BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 139/04; BAG 19. November 2003 - 10 AZR 174/03; BGH 28. Juni 1968 - V ZR 77/65).

(b) All dies fehlt vorliegend. Die Parteien haben lediglich eine Freistellung (auch) unter Anrechnung des Freizeitausgleichs getroffen. Eine zeitliche Festlegung des Freizeitausgleichs ist ebenso wenig erfolgt wie eine deutliche Regelung, dass anderweitiger Verdienst auch während des Freizeitausgleichs angerechnet werden soll. Dies bedeutet, dass der Kläger - wie im Falle des Urlaubs - nach Auffassung der Kammer frei entscheiden konnte, wann der Freizeitausgleich erfolgen sollte und zwar ohne Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes.

Dass das Arbeitszeitkonto des Klägers im vorliegenden Fall lediglich ein sehr geringes Guthaben im Umfang von 0,62 Stunden auswies, ist insofern nicht maßgeblich.

ee) Schließlich spricht auch Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags der Parteien nicht für eine Anrechnung anderweitig durch den Kläger während des Freistellungszeitraums erzielten Einkommens.

(1) Gemäß Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags wurde dem Kläger in Form einer sogenannten Sprinterklausel das Recht eingeräumt, mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vor dem 30. April 2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Das Arbeitsverhältnis sollte im Falle der Inanspruchnahme mit dem Zeitpunkt enden, den der Kläger selbst angibt. In entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG hätte der Kläger im Falle vorzeitigen Ausscheidens eine Abfindungssumme für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 2.690,00 Euro brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag in Höhe von 90,00 Euro brutto erhalten. Hierbei handelte es sich betragsmäßig um etwa 25 Prozent der frei werdenden Bruttomonatsvergütung.

(2) Zuzugeben ist der Beklagten, dass durch die Vereinbarung von Sprinterklauseln in der Regel ihrem Sinn und Zweck nach grundsätzlich das Ziel verfolgt wird, insbesondere freigestellten Arbeitnehmern, auf deren Arbeitsleistung der Arbeitgeber während des Laufs einer Kündigungs- bzw. Beendigungsfrist verzichten kann, dann ein vorzeitiges Ausscheiden zu ermöglichen, wenn eine Anschlussbeschäftigung gefunden wird. Einerseits soll ausscheidenden Arbeitnehmern die wirtschaftliche Absicherung belassen werden, die gerade längere Kündigungs- bzw. Beendigungsfristen mit sich bringen. Zugleich werden "Lücken" im Lebenslauf vermieden, wenn die Suche von Anschlussbeschäftigungen nicht direkt zum Erfolg führt. Andererseits soll dann, wenn der ausscheidende Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung findet, die kurzfristige Aufnahme dieser ermöglicht werden. Der Arbeitnehmer erhält ein einseitiges vorzeitiges Beendigungsrecht. Indem die dadurch frei werdende Bruttovergütung vollständig oder - wie hier - anteilig als Abfindung ausgezahlt wird, profitieren zudem beide Arbeitsvertragsparteien unter Umständen aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Privilegierung einer entsprechenden Abfindungszahlung, die nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV beitragspflichtig ist (BSG 21. Februar 1990 - 12 RK 65/87 und 12 RK 20/88; vgl. Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 18. Auflage 2019, § 122, Rdn. 42).

All dies spricht zunächst dafür, dass der vorzeitigen Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung durch ausscheidende Arbeitnehmer gerade durch Vereinbarung einer Sprinterklausel begegnet werden soll.

(3) Entgegen der Ansicht der Beklagten definiert die vorliegende Vertragsgestaltung zur Sprinterklausel jedoch nicht die einzig möglichen Rahmenbedingungen, unter denen der Kläger im Rahmen des auslaufenden Arbeitsverhältnisses ein neues Anstellungsverhältnis aufnehmen konnte. Es blieb dem Kläger unbenommen, wie geschehen nicht von der vorzeitigen Beendigungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, sondern das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Beendigungsfrist am 30. April 2019 bestehen zu lassen und ohne Auswirkungen auf die Vergütungspflicht der Beklagten parallel während der Freistellungsphase ein neues Anstellungsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber zu begründen. Denn über die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung hinaus definiert die vorliegende vertragliche Regelung in Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung keine Pflicht, im Falle des Antritts einer Anschlussbeschäftigung in jedem Fall das Arbeitsverhältnis zur Beklagten aufzulösen. Aus der Sprinterklausel des Aufhebungsvertrages ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im Falle der vorzeitigen Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung nicht vorzeitig enden musste. Vielmehr ist mit der Sprinterklausel eine Option geregelt, indem es - wie allgemein üblich - heißt: "Herr M erhält das Recht, ... vor dem 30.04.2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden." Es ist gerade eben nicht eine Pflicht geregelt, sondern lediglich ein Recht. Jedenfalls als Optionsregelung enthält Ziffer 5 des Aufhebungsvertrags keinen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass sich der Kläger bei Nichtnutzung der Option anderweitigen Verdienst entgegen der im Übrigen getroffenen Freistellungsvereinbarung anrechnen lassen musste (so zur Vertragsgestaltung "Der Arbeitnehmer erhält die Möglichkeit,..." ebenso: LAG Köln 27. Oktober 2006 - 4 Sa 796/06; a.A. zur Regelung "Dem Arbeitnehmer wird zugestanden, ..." : LAG Hessen 2. Dezember 1993 - 13 Sa 283/93).

(4) Nicht durchdringen kann die Beklagte nach Auffassung der Kammer mit der Argumentation, gerade die niedrige Dotierung der Sprinterprämie spreche für eine Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes.

Die Beklagte behauptet, die geringe Höhe der Prämie in Höhe von etwa 25 Prozent des Bruttomonatseinkommens gehe vorliegend darauf zurück, dass sie an sich kein Interesse an einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gehabt habe. Sie behauptet, sie habe seinerzeit darauf "spekuliert", dass der Kläger das Arbeitsverhältnis mit ihr zeitnah beenden werde. Daher sei sie nicht bereit gewesen, eine vorzeitige Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses auch noch mit einer hohen Sprinterprämie zu belohnen. Das in Gestalt der Sprinterklausel vereinbarte "prämierte Beendigungsrecht" des Klägers belege den Parteiwillen, der Kläger habe nur so lange ungekürzt bezahlt freigestellt werden sollen, wie er keine anderweitigen Einkünfte erziele. Anderenfalls wäre die Vereinbarung einer Sprinterklausel sinnlos, vor allem dann, wenn die Sprinterprämie deutlich niedriger sei, als die an sich geschuldete Bruttomonatsvergütung.

Richtig ist, dass eine Sprinterprämie in Höhe von (deutlich) weniger als etwa 80 Prozent der frei werdenden Bruttomonatsvergütung für den ausscheidenden Arbeitnehmer keine erhöhte Attraktivität aufweist, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Denn dadurch geht der Vorteil einer Abfindung aufgrund der Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung im Vergleich zur ansonsten während des Freistellungszeitraums fortzuzahlenden Entgelts verloren. Für die Beantwortung der Frage der Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes ist diese Tatsache jedoch nicht ergiebig. Nur weil die Beklagte ggf. darauf - wie sie selbst wortwörtlich vorträgt - "spekuliert" hat, dass der Kläger vorzeitig ausscheiden möge, und darauf gehofft hat, Vergütung einzusparen und aus diesem Grund im Rahmen der Verhandlungen eine niedrigere Sprinterprämie durchgesetzt hat, schränkt dies nicht die Handlungsoptionen des Klägers ein. Innere Motive und Hoffnungen, die die Beklagte im Rahmen der Verhandlung angetrieben haben mögen, sind für die Frage der Vertragsauslegung nicht relevant. Gemäß §§ 133, 157 BGB ist zwar bei der Auslegung einer individualvertraglichen Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei es aber gerade nicht lediglich auf den inneren Willen eines der beiden Erklärenden ankommt, sondern auf den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert (BGH 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98; BGH 5. Oktober 1961 - VII ZR 207/60; LAG Niedersachsen 11. September 2009 - 10 Sa 1588/08). Dabei haben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht zu bleiben. Die Motive, aus denen jeder der Partner den Vertrag schließt, sind für die Rechtsfolgen des Vertrages grundsätzlich unbeachtlich, weil sie nicht Teil der vertraglichen Vereinbarung selbst sind (BAG 17. November 2010 - 4 AZR 127/09; BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05; LAG Köln 30. Juni 2017 - 4 Sa 939/16). Die bei den Vertragsverhandlungen durch die Beklagte gegebenenfalls angestellten Überlegungen zu einem möglichst zügigen Ausscheiden des Klägers können daher das Auslegungsergebnis vorliegend nicht beeinflussen. Nur weil sich die Beklagte aufgrund einer einseitigen Motivation auf eine im Ergebnis für sie wirtschaftlich unattraktive Vertragsgestaltung eingelassen hat, bedeutet dies nicht, dass diese nicht das Resultat der vorzunehmenden Vertragsauslegung sein kann. Vielmehr hätte - darauf hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen - die offenbar gegebene Motivation der Beklagten Anlass gegeben, entgegen der getroffenen Vereinbarung ausdrücklich einen Anrechnungsvorbehalt zu vereinbaren.

(5) Schließlich kann die Beklagte auch nicht durchdringen, soweit sie der Sprinterklausel jeglichen Sinn abspricht, wenn der Kläger berechtigt sein sollte, parallel zum auslaufenden Arbeitsverhältnis mit ihr parallel eine bezahlte Anschlussbeschäftigung aufzunehmen.

Richtig weist der Kläger nämlich darauf hin, dass ein qualitativer Unterschied besteht, ob er das Arbeitsverhältnis zur Beklagten bestehen lässt und insofern an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden bleibt, oder ob er das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und sodann - mangels nachvertraglichen Wettbewerbsverbots - frei in der Verwendung seiner Arbeitskraft ist. Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer nach dem Rechtsgedanken des § 60 Abs. 1 HGB grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 m.w.N.; BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 m.w.N.). Das Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses und damit auch bis zum Ablauf einer Kündigungs- bzw. Beendigungsfrist. Auch eine Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf. Der Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist (BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 m.w.N.). Demnach konnte der Kläger im Rahmen der von ihm gewählten Konstellation vorliegend nur dann eine Anschlussbeschäftigung im weiter bestehenden Arbeitsverhältnis aufnehmen, wenn es sich nicht um eine entsprechende Konkurrenztätigkeit handelte. Dies ist ihm ausweislich seines eigenen, im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO unbestritten gebliebenen Vortrags offenbar auch gelungen.

c) Eine ergänzende Auslegung des Aufhebungsvertrags im Hinblick auf eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes kommt nicht in Betracht. Eine Freistellungsvereinbarung ohne Anrechnungsregelung ist nicht lückenhaft (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11 m.w.N.).

d) Eine Anrechnung ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten.

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend unter Inbezugnahme der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ausgeführt hat, beruht die Tatsache, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 7. Januar 2019 bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach der vorgenommenen Vertragsauslegung eine "doppelte Vergütung" zusteht, auf der einvernehmlichen Freistellung ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11). Dieses Ergebnis kann nicht als schlechthin unangemessen angesehen werden. Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht in der Einschätzung, dass die Diskrepanz zwischen der fortzuzahlenden Bruttomonatsvergütung und der Sprinterprämie auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist. Die Beklagte konnte bei der ausgehandelten Vertragsgestaltung nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Kläger die Sprinterklausel in Anspruch nimmt, statt - wie geschehen - unter Bestehenlassen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Beendigungsfrist am 30. April 2019 im Freistellungszeitraum unter Berücksichtigung des Wettbewerbsverbots eine bezahlte Anschlussbeschäftigung aufzunehmen.

e) Im Übrigen steht die Höhe der klägerseitig geltend gemachten Vergütungsansprüche - auch im Hinblick auf den Arbeitgeberanteil VL sowie die Erstattung der Kontoführungsgebühr - in Höhe von insgesamt monatlich 9.703,87 Euro zwischen den Parteien nicht im Streit.

2. Zinsen kann der Kläger in dem durch das Arbeitsgericht zugesprochenen Umfang gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 193 BGB beanspruchen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Kammer hält es gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage für geboten, die Revision zuzulassen.

1. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn ihre Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder sie wegen ihrer tatsächlichen, z.B. wirtschaftlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAG 25. September 2012 - 1 AZN 1622/12; BAG 28. Juni 2011 - 3 AZN 146/11; BAG 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren. Dies kann der Fall sein, wenn die Rechtsfrage über eine einzelne Arbeitgeberin hinaus Bedeutung hat und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts betroffen ist. Dass eine Mehrzahl von Arbeitnehmern einer Arbeitgeberin unter den Geltungsbereich einer Norm fällt, kann eine allgemeine Bedeutung allenfalls dann begründen, wenn die zu klärende Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl bereits anhängiger oder konkret zu erwartender gleichgelagerter Prozesse ist (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZN 146/11; BAG 5. Oktober 2010 - 5 AZN 666/10).

2. Zwar hat sich das Bundesarbeitsgericht entsprechend den abgehandelten Entscheidungen bereits umfassend damit auseinandergesetzt, inwieweit anderweitiger Verdienst in Freistellungsphasen anzurechnen ist (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 809/11; BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01). Zudem liegt dem vorliegenden Rechtsstreit eine konkrete, individuell ausgestaltete Vertragsgestaltung zugrunde. Dennoch stellt sich über diesen konkreten Fall hinaus die Frage, ob aus der Vereinbarung einer sogenannten Sprinterklausel in einem Aufhebungsvertrag generell geschlossen werden kann, während der Kündigungs- bzw. Beendigungsfrist und Freistellung des Arbeitnehmers durch diesen erzielter Verdienst aus einem anderen Arbeitsverhältnis sei auf das im Freistellungszeitraum durch den bisherigen Arbeitgeber fortzuzahlende Entgelt anzurechnen. Die Bedeutung dieser Rechtsfrage ergibt sich nicht zuletzt aus der allgemeinen Verbreitung von Sprinterklauseln in Aufhebungsverträgen und Beendigungsvergleichen im deutschen Arbeitsrecht.

Zugleich liegen - wenn auch wiederum im Rahmen von Einzelfallentscheidungen zu konkreten Vertragsgestaltungen und damit nicht im Sinne einer Divergenz gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG - nicht einheitliche Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte vor. Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit Entscheidung vom 2. Dezember 1993 (13 Sa 283/93) eine Sprinterklausel abweichend zu der hier und bereits durch das Landesarbeitsgericht Köln mit Entscheidung vom 27. Oktober 2006 (4 Sa 796/06) vertretenen Auffassung dahingehend ausgelegt, dass durch sie eine Pflicht zur Anrechnung während des Freistellungszeitraum erzielten anderweitigen Verdienstes begründet wird.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei

REVISION

eingelegt werden.

Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: 0361 2636-2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts www.bundesarbeitsgericht.de.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.