Bayerisches LSG, Urteil vom 23.09.2020 - L 3 U 305/19
Fundstelle
openJur 2020, 75418
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger am 12.4.2017 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1961 geborene Kläger ist seit Januar 2006 bei der Firma T. (im Folgenden: Arbeitgeber) in O-Stadt als Qualitätstechniker beschäftigt. Am Unfalltag wollte der an seinem Arbeitsplatz tätige Kläger gegen 13.30 Uhr das auf der Fensterbank hinter ihm stehende Radiogerät ausschalten und sich unmittelbar anschließend zu einer dienstlichen Besprechung begeben. Dabei berührte er - noch auf seinem Schreibtischstuhl sitzend - mit der rechten Hand die Antenne des Radiogeräts und erlitt einen Stromschlag. Das Radiogerät stand im Eigentum des Klägers und war mit einem Prüfsiegel von Ende Januar 2017 versehen.

Die MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenks vom 20.4.2017 ergab neben degenerativen Veränderungen u.a. eine dorsal verhakte Humeruskopf-Impressionsfraktur rechts bei Zustand nach Stromschlag. Die operative Versorgung erfolgte am 9.5.2017.

Die Beklagte veranlasste ein Erstes Rentengutachten bei Prof. Dr. B., welcher unter dem 1.1.2018 zu dem Ergebnis kam, dass aus unfallchirurgischer Sicht ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Trauma mit mittlerweile konsolidierter Humeruskopfläsion bei Zustand nach Schulterluxation mit weiterhin bestehenden Bewegungseinschränkungen und einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von derzeit 20 v.H. bestehe. Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. V. vom 17.4.2018 ein, wonach das vorbezeichnete Gutachten schlüssig sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.4.2018 die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen ab, weil es an der Unfallkausalität fehle. Allein wesentliche Ursache des Unfallereignisses sei eine eingebrachte Gefahr aus dem privaten Bereich gewesen.

Im Widerspruchsverfahren gab der Kläger an, das Radiogerät sei ordnungsgemäß betrieben und von der Firma C. mit einem Prüfstempel für den internen Gebrauch abgenommen worden. Der Inbetriebnahme des Radiogeräts sei durch die Freigabe des Prüfsiegels seitens des Arbeitgebers zugestimmt worden. Es sei für ihn nicht absehbar gewesen, dass dieser Unfall passiere; Eigenverschulden treffe ihn nicht. Zwischenzeitlich seien Radiogeräte dieses Typs europaweit verboten worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2018 zurück.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hiergegen Klage zum SG München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 12.4.2017 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle bereits der notwendige innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls. Radiohören sei im Fall des Klägers eine eigenwirtschaftliche, nichtversicherte Tätigkeit und gehöre nicht zu seinen arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger nach seinem Vortrag das Radiogerät ausschalten wollen, um zu einem Termin zu gehen. Der Unfall passierte folglich während der Beendigung der privaten Tätigkeit. Zudem fehle die erforderliche Unfallkausalität, weil eine eingebrachte Gefahr aus dem privaten Bereich die allein wesentliche Ursache des Unfallereignisses gewesen sei. Ohne das privat eingebrachte Radio hätte der Kläger keinen Stromschlag erlitten. Daran ändere die Tatsache nichts, dass das Gerät mit Zustimmung des Arbeitgebers benutzt worden sei. Durch die Überprüfung des Radioapparats durch den Arbeitgeber würde diesem nicht die private Gefahr genommen.

Gegen den am 16.10.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 22.10.2019 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Grundsätze der eingebrachten Gefahr träfen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zu. Es sei richtig, dass es sich bei dem schadensverursachenden Radiogerät um ein (ursprünglich) privates Gerät des Klägers gehandelt habe. Dieses Gerät sei jedoch im Auftrag des Arbeitgebers für den Betrieb am Arbeitsplatz des Klägers überprüft, abgenommen und freigegeben worden; das Gerät habe sogar ein entsprechendes Prüfsiegel bekommen. Durch die (regelmäßige) technische Sicherheitsprüfung werde den eingebrachten Geräten ihre private Gefahr genommen, da sie betrieblich integriert worden seien. Im Ergebnis stelle das hier schadensverursachende Radiogerät eine betriebliche Einrichtung dar, für deren Sicherheit der Arbeitgeber durch Billigung und regelmäßige Überprüfung die Verantwortung übernommen habe (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 11.5.1995 - 2 RU8/94).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2019 sowie den Bescheid vom 26. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 12. April 2017 als Arbeitsunfall festzustellen, sowie die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Unfallakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Er hat keinen Arbeitsunfall i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung der Bescheid vom 26.4.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.7.2018, mit dem die Beklagte das Ereignis vom 12.4.2017 nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 20/18 R - juris Rn. 8).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 12.4.2017 als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 9/18 R - juris Rn. 8 m.w.N.) voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil es an der erforderlichen Unfallkausalität fehlt. Die versicherte Tätigkeit hat den Unfall rechtlich nicht wesentlich verursacht.

Der als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Kläger erlitt in Form eines Stromschlages eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper. Dies führte u.a. zu einem Bruch des rechten Oberarmkopfes und damit zu einem Gesundheitserstschaden.

Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses - das Berühren der Antenne des Radiogeräts - stand entgegen der Rechtsauffassung des Vordergerichts auch in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit.

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - juris Rn. 11; Senatsurteil vom 19.12.2017 - L 3 U 418/16 - juris Rn. 38). Bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind. Typischerweise und regelmäßig unversichert sind höchst persönliche Verrichtungen, wie z.B. Essen, oder eigenwirtschaftliche, wie z.B. Einkaufen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - juris Rn. 14 m.w.N.). Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit in der Regel zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes (BSG, Urteil vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - juris Rn. 14). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (vgl. BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - juris Rn. 15; Senatsurteil vom 19.12.2017 - L 3 U 418/16 - juris Rn. 29; Kainz, NZS 2017, 625, 629).

In Rechtsprechung und Literatur ist gleichwohl anerkannt, dass nicht jede private Verrichtung während der versicherten Tätigkeit automatisch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes führt. Insbesondere bei einer nur unwesentlichen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit besteht der Versicherungsschutz fort (vgl. BSG, Urteil vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - juris; Senatsurteil vom 24.4.2007 - L 3 U 447/04 - juris; Becker, SGb 2012, 691, 696). Diese auf die Spruchpraxis des Reichsversicherungsamtes zurückzuführende Rechtsprechung bezieht sich zum ganz überwiegenden Teil auf die Zurücklegung des Weges von und zur versicherten Tätigkeit (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 31.7.1985 - 2 RU 63/84 - juris Rn. 15 m.w.N.), hat genauso aber ihre Geltung im betrieblichen Bereich (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - B juris; Eberhard, in LPK-SGB VII, 5. Aufl. 2018, Rn. 115; Holtstraeter, in K/K/W, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 8 SGB VII Rn. 12; G. Wagner, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 8 Rn. 57, Stand 26.5.2020).

Eine privaten Zwecken dienende, unwesentliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "ganz nebenher" erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles - ohne Bindung an feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungswerte (vgl. G. Wagner, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, § 8 Rn. 57, Stand 26.5.2020) - nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Verrichtung geführt haben, z.B. das Anzünden einer Zigarette (BSG, Urteil vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - juris) oder das Öffnen einer Flasche zum Trinken (Holtstraeter, in K/K/W, 6. Aufl. 2019, § 8 SGB VII Rn. 12). Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt.

Die insbesondere zur Wegeunfallversicherung ergangene neuere Rechtsprechung des BSG, wonach für die Handlungstendenz des Versicherten von der einzelnen Verrichtung auszugehen und für diese die kleinste beobachtbare Verhaltensweise in den Blick zu nehmen ist (vgl. stellv. BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - juris), hat nicht zur Folge, dass die Geringfügigkeit einer Unterbrechung als selbständiges, den Versicherungsschutz erhaltendes Merkmal durch die Rechtsentwicklung überholt wäre. Die Verneinung der auf die grundsätzlich versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgehend von der kleinsten beobachtbaren Verhaltensweise schließt es nicht aus, wegen der Geringfügigkeit der Unterbrechung weiterhin ausnahmsweise Versicherungsschutz zu bejahen (BSG, Urteil vom 7.5.2019 - B 2 U 31/17 R - juris Rn. 19 ff. - offen gelassen hat der 2. Revisionssenat, ob das Anhalten an einem Briefkasten, bei dem der Briefeinwurf ohne Verlassen des Fahrzeugs möglich ist, noch als geringfügige Unterbrechung bewertet werden kann; Ricke, in KassKomm, § 8 SGB VII Rn. 44, Stand Juli 2020; Keller, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 38, Stand Juni 2018; Spitzlei, NZS 2020, 609, 612; die Aufgabe der Rechtsfigur diskutiert dagegen Lauterbach/Schwerdtfeger, SGB VII, § 8 Rn. 474 a, Stand Januar 2018; kritisch auch Köhler, SGb 2020, 379, 382 ff.).

Hiervon ausgehend war der Kläger bei einer Verrichtung, die in sachlichem Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit stand, als er die Antenne des Radiogeräts berührte und einen Gesundheitsschaden erlitt. Der Kläger wollte von seinem Schreibtisch, wo er einer betrieblichen Tätigkeit nachging, zu einer im Hause stattfindenden Besprechung, als er - noch auf seinem Bürostuhl sitzend - nach hinten fasste und das auf dem Fensterbrett stehende Radiogerät zum Zweck des Ausschaltens berührte. Dieses Berühren war eine unerhebliche private Verrichtung, die den Versicherungsschutz nicht unterbrach, weil sie offenkundig nur nebenbei und während der Arbeit erfolgte, zu keiner Entfernung vom Arbeitsplatz führte und vergleichbar dem Anzünden einer Zigarette fast keine Zeit in Anspruch nahm. Der subjektive Wunsch des Klägers, sein Radiogerät auszuschalten, setzte also keine neue objektiv beobachtbare Handlungssequenz in Gang, die sich zeitlich wie räumlich klar und erheblich von dem versicherten Vorgang "Arbeiten" abgrenzen lässt (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 7.4.2019 - B 2 U 31/17 R - juris Rn. 20 f.). Letztlich handelt es sich um ein vom Versicherungsschutz umfasste Fallgestaltung, in der die versicherte und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind (vgl. Senatsurteil vom 24.4.2007 - L 3 U 447/04 - juris Rn 24; Schlaeger, jurisPR-SozR 15/2017 Anm. 3 mit Nachw. zur Rspr. des BSG).

Wollte man demgegenüber davon ausgehen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt gleichzeitig einer versicherten und einer nicht versicherten Verrichtung nachging - etwa weil er schon im Begriffe war aufzustehen -, wäre der innere Sachzusammenhang gleichfalls gewahrt. Denn bei einer dann vorliegenden gemischten Tätigkeit (zur Unterscheidung zwischen gemischter Tätigkeit, gemischter Handlungstendenz und geringfügiger Unterbrechung vgl. Keller, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 23 ff., Stand Juni 2018) bedarf nicht der (bestehende) sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit, sondern die Unfallkausalität der besonderen Klärung (vgl. BSG, Urteil vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - juris Rn. 22 f.). Deren Prüfung unterliegt aber auch im Falle einer gemischten Tätigkeit den allgemeinen Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - juris Rn. 23; Ricke, in KassKomm, § 8 SGB VII Rn. 44a, Stand Juli 2020) und würde zu keinem anderen Ergebnis als dem nachstehend gefundenen führen.

Zu Recht hat das SG entschieden, dass vorliegend die Unfallkausalität nicht gegeben ist, weil die versicherte Tätigkeit den Unfall rechtlich nicht wesentlich verursacht hat.

Die Prüfung der Unfallkausalität hat grundsätzlich zweistufig zu erfolgen (st.Rspr., vgl. stellv. BSG, Urteil vom 7.5.2019 - B 2 U 34/17 R - juris Rn. 24). Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung sowohl objektiv als auch rechtlich wesentlich verursacht haben. Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung mithin voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Ob die versicherte Verrichtung eine Ursache für die festgestellte Einwirkung war, ist eine rein tatsächliche Frage. Auf der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung ist zu prüfen, ob die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass eine versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven (Mit-)Verursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - juris Rn. 20). Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität einer genaueren Betrachtung bedarf, sind die Fälle einer möglichen inneren Ursache, einer gemischten Tätigkeit, einer unerheblichen Unterbrechung oder einer eingebrachten Gefahr, in denen neben die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine weitere, nicht versicherten Zwecken zuzurechnende Ursache hinzutritt (vgl. BSG, Urteile vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - juris Rn. 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris Rn. 13). Eine eingebrachte Gefahr ist, im Gegensatz zu einer solchen aus dem Verhalten des Versicherten, eine von einem Gegenstand aus dem privaten Lebensbereich ausgehende Gefahr, wobei unerheblich ist, ob deren Vorhandensein dem Versicherten im Zeitpunkt des Unfallereignisses bekannt war oder nicht (Keller, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 290d, Stand Juni 2018). Bei Auswirkung einer solchen Gefahr bedarf es lebenspraktischer Überlegungen sowie einer juristischen Wertentscheidung, ob diese im Verhältnis zur versicherten Tätigkeit die allein wesentliche Ursache des Unfallereignisses ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn sich die eingebrachte Gefahr während einer - wie hier - geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit verwirklicht (Keller, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 290d, Stand Juni 2018; vgl. auch Wietfeld, in BeckOK Sozialrecht, § 8 SGB VII Rn. 135, Stand 1.3.2020).

Nach diesen Maßstäben hat das Vordergericht zutreffend den Ursachenzusammenhang zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis verneint. Vorliegend war die eine naturwissenschaftliche Ursache für die Schulterverletzung das private Berühren des aus dem nicht beruflichen Lebensbereich eingebrachten Radios. Eine weitere naturwissenschaftliche Ursache war die Arbeitssituation, wonach sich der Kläger wegen einer anstehenden Besprechung veranlasst sah, sein Büro zu verlassen und das Radiogerät auszuschalten. Indes wurden die betriebsbedingten Umstände durch die privat veranlasste Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zum Zwecke des Ausschaltens des Radiogeräts so weit zurückgedrängt, dass sie keine wesentliche Bedingung für den Unfall waren. Der eingetretene Gesundheitsschaden war entscheidend dadurch bedingt, dass nur durch das defekte, private Radiogerät das Erleiden eines Stromschlages überhaupt möglich war. Anhaltspunkte dafür, dass der versicherten Ursache ein hinreichend gewichtiger Verursachungsteil zugerechnet werden könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Etwas anderes folgt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers auch nicht daraus, dass das Radiogerät im Auftrag des Arbeitsgebers für den Betrieb am Arbeitsplatz überprüft, zur Benutzung freigegeben und einer regelmäßigen technischen Sicherheitsprüfung zugeführt wurde. Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund von Unfallverhütungsvorschriften verpflichtet ist, die Betriebssicherheit elektrischer Betriebsmittel und zwar auch privat eingebrachter Geräte regelmäßig zu prüfen (DGUV Vorschrift 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel" in der Fassung von Januar 1997 i.V.m. DIN VDE 0701-0702), resultiert hieraus keine betriebliche Gefahr, für die die Beklagte einstandspflichtig ist. Denn es gibt keinen Rechtsgrundsatz dergestalt, dass die Beklagte eine Garantenstellung hinsichtlich sämtlicher Gefahrenquellen hat, die in örtlichem oder zeitlichem Zusammenhang mit den betrieblichen Gegebenheiten stehen (Senatsurteil vom 12.10.2010 - L 3 U 501/08 - juris Rn. 30). An dieser Rechtsprechung, die auch in der Literatur Zustimmung erfahren hat (vgl. Keller, in Hauck/Noftz, SGB VII, § 8 Rn. 45a, Stand Juni 2018), hält der erkennende Senat fest. Neue Gesichtspunkte, die zu ihrer Korrektur Anlass geben könnten, sind aus dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich. Soweit er unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 11.5.1995 (2 RU8/94 - juris) meint, dass das hier schadensverursachende Radiogerät sich zu einer betrieblichen Einrichtung gewandelt habe, für deren Sicherheit nunmehr der Arbeitgeber durch Billigung und regelmäßige Überprüfung die Verantwortung übernommen habe, übersieht er, dass das BSG im vorbenannten Urteil im Gegenteil entschieden hat, dass das Betrachten von Fernsehsendungen ohne Hinzutreten wesentlicher betrieblicher Gründe als eine private, eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Handlung zu bewerten ist und zwar selbst dann, wenn der Unternehmer darin ohne wesentliches betriebliches Interesse einwilligt, ja sogar auch, wenn er das aus reiner Gefälligkeit finanziell unterstützt. Die Erlaubnis zum Betrieb des unfallverursachenden Radiogeräts am Arbeitsplatz des Klägers mag sich (allein) für diesen als gefällige Annehmlichkeit dargestellt haben, war aber keine für die nachhaltige Verwirklichung betrieblicher Interessen gebotene Notwendigkeit. Insoweit unterscheidet sich die Fallkonstellation hier von derjenigen, die dem Urteil des 2. Senats des BSG vom 11.5.1995 zugrunde lag. Dort hatte der Arbeitgeber den Betrieb privater Fernsehgeräte in einer Schaltwarte zur Auflockerung stupider und ermüdender Beobachtungstätigkeiten in den Spät- und Nachtschichten genehmigt, um negativen betrieblichen Auswirkungen entgegenzuwirken; die Maßnahme sollte es einer Vielzahl von Beschäftigten ermöglichen, die geschuldete Arbeitsleistung mit weniger Aufwand an Energie zu erbringen. Von solchen Erwägungen kann vorliegend keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).