LAG Hamm, Urteil vom 20.02.2020 - 5 Sa 1313/19
Fundstelle
openJur 2020, 75374
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 Ca 425/19
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.07.2019 - Aktenzeichen 4 Ca 425/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung.

Der 53 Jahre alte, verheiratete Kläger, ist seit dem 02.01.1992 bei der Beklagten als Produktionshelfer beschäftigt. Er erzielt eine durchschnittliche Vergütung in Höhe von 4.606,73 Euro brutto monatlich.

Die Beklagte ist ein Zulieferungsbetrieb für Automobilhersteller. Sie beschäftigt ständig mehr als 10 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist gewählt.

Hauptauftraggeberin der Beklagten war bis 31.03.2019 die W-Gruppe. Für diese entwickelte und produzierte die Beklagte eine besonders leichte Hintersitzlehnenstruktur ebenso wie spezielle Sitzwannen. Ca. 75 % der Produktionsmitarbeiter waren mit Aufträgen für die W-Gruppe beschäftigt, ebenso betrugen die mit ihr erzielten Umsätze mehr als 75 % der Gesamtumsätze der Beklagten. Die W-Gruppe hatte zum 31.03.2019 ihre gesamte Kundenbeziehung zur Beklagten gekündigt. Ein gerichtliches Vorgehen der Beklagten gegen die W-Gruppe bezüglich eines späteren Ausstiegs bzw. einer Verschiebung des Kündigungstermins blieb erfolglos.

Aus diesem Grund lud die Beklagte den Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss sowie die Schwerbehindertenvertretung zu einer ersten Information am 24.09.2018 ein. Mit Email vom 05.10.2018 übersandte sie dem Betriebsrat die Informationen betreffend die personellen Maßnahmen, über die im Interessenausgleich verhandelt werden sollte. Es wurde ein Entwurf eines Interessenausgleichs mit 3 Anlagen (Organigramm alt, Organigramm neu und Maßnahmenliste) für weitere Verhandlungen übersandt.

Am 16.10.2018 fand diesbezüglich eine Sitzung statt. Nachdem ein neuer Verhandlungstermin nicht gefunden werden konnte, leitete die Beklagte am 18.10.2018 ein Einigungsstelleneinsetzungsverfahren ein. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 02.11.2018 (Az.: 2 BV 19/18) wurde die Einigungsstelle eingesetzt, die hiergegen seitens des Betriebsrats eingelegte Beschwerde wurde am 07.12.2018 durch das Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 13 TaBV 80/18) zurückgewiesen.

Außerhalb des Einigungsstellenverfahrens fand am 22.10.2018 eine weitere Verhandlung zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat statt, anlässlich derer diesem Änderungen mitgeteilt wurden. Zudem verhandelten die Betriebsparteien am 07.11.2018 und 22.11.2018 ergebnislos. Am 02.11.2018 ließ die Beklagte dem Betriebsrat zudem das Schreiben "Unterrichtung nach § 17 KSchG" nebst Anlagen (erneut Entwurf Interessenausgleich und Sozialplan, Maßnahmenliste) zukommen und wies auf die Notwendigkeit zum Ausspruch der Kündigungen noch im November hin.

Am 15.01.2019 sowie 24.01.2019 tagte die Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Einigungsstellenvorsitzenden sowohl zum Interessenausgleich als auch Sozialplan. In diesem Zusammenhang hatte die Beklagte dem Betriebsrat mit Anschreiben vom 11.01.2019 die Verhandlungsunterlagen zum damaligen Verhandlungsstand zukommen lassen, wobei die Einzelheiten des Zugangs hier zwischen den Parteien streitig sind. Der hierbei überreichte Entwurf vom 11.01.2019 enthält unter der Ziffer III. 5 folgende Regelung:

"5. Kündigungsanhörungen

Die Arbeitgeberin hat gegenüber dem Betriebsrat die Anhörungsverfahren zu den beabsichtigten Kündigungen der betroffenen Arbeitnehmer, die in der Maßnahmeliste (Anlage 3) namentlich gesondert genannt sind, am 05.10.2018 mit Korrekturen am 22.10.2018 und 11.01.2019 eingeleitet. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat sind sich einig, dass der Betriebsrat die für betriebsbedingte Kündigungen der betroffenen Arbeitnehmer erforderlichen Informationen erhalten hat, die Arbeitnehmer in der anliegenden Maßnahmeliste mit der richtigen für sie in Betracht kommenden Maßnahme bezeichnet sind (Änderungskündigungen mit Ä und Beendigungskündigungen mit k), die Arbeitgeberin die nach §§ 102 ff. BetrVG erforderlichen Informationen dem Betriebsrat erteilt sind und der Betriebsrat dazu vollständig angehört ist und die dort genannten personellen Maßnahmen erforderlich sind. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat sind sich einig und stellen ausdrücklich klar, dass die dieser Vereinbarung beigefügten Anlagen keine Namenslisten i.S.des § 1 Abs. 5 KSchG darstellen."

Am 25.01.2019 sandte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten an den Anwalt des Betriebsrats die für sie unterschriftsreife Version des Interessenausgleichs vom 24.01.2019 (Anlage BC 20 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24.04.2019). Diese endgültige Version enthält die Regelung zur Betriebsratsanhörung, die zuvor unter Ziffer III.5 aufgeführt war, nicht mehr. Auch wenn der Interessenausgleich in der Einigungsstelle nicht unterschrieben worden war, näherten die Beteiligten sich jedoch so weit an, dass jedenfalls die Beklagte eine Unterschrift bis zum 29.01.2019 erwartete. Sie setzte dem Betriebsrat sodann eine Frist zur Unterzeichnung des Interessenausgleichs bis zum 29.01.2019 um 10:00 Uhr und erklärte, sie werde die Verhandlungen für gescheitert erklären, wenn der Interessenausgleich bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch den Betriebsrat unterzeichnet sei. Eine Unterzeichnung durch den Betriebsrat erfolgte nicht.

Unter dem 29.01.2019 erstattete die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt die Massenentlassungsanzeige. Diese ging bei der Agentur für Arbeit am 29.01.2019 ein (Anlage BC 27 zum Schriftsatz der Beklagten vom 24.04.2019).

Mit Schreiben vom 29.01.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31.08.2019. Gegen diese wandte sich der Kläger mit der am 19.02.2019 bei Gericht eingegangenen Klage.

Der Kläger hat das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes, die Stilllegung der Produktion zum 31.03.2019, des Wegfalls der Arbeitsaufgaben des Klägers, sowie die Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl bestritten ebenso wie das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige und die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens gem. § 17 KSchG.

Insbesondere hat der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG bestritten, hier unter anderem den Eingang eines Entwurfs eines Interessenausgleichs vom 11.01.2019 in den Briefkasten des Betriebsrats ebenso wie die Anlage "Gesamtpersonalliste mit allen Informationen nach §§ 102 ff., 111 BetrVG, und 15, 17 KSchG, sowie, dass diese Anlage alle Sozialdaten der klagenden Partei und alle persönlichen Daten aller Mitarbeiter enthalten habe. Weiterhin das Überreichen sämtlicher Unterlagen an den Betriebsratsvorsitzenden am 05.10.2018 und die Anhörung des Betriebsrates zu seiner konkreten Kündigung.

Er hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratsanhörung sei jedenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt. Auch bei Abschluss eines Interessenausgleichs sei der Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung zu hören. Dies gelte erst recht, wenn kein Interessenausgleich abgeschlossen, sondern lediglich Verhandlungen hierüber geführt worden seien. Die Beklagte habe die Personen, Kündigungsgründe und Termine in ihren Anhörungen auch hier genauso detailliert darzustellen, wie bei jeder sonstigen Einzelkündigung. Dass die Beklagte dies getan habe, lasse sich weder dem Vortrag der Beklagten noch den beigefügten Anlagen entnehmen. Ein individuelles Anhörungsschreiben gebe es nicht. Der Betriebsrat habe keine Kenntnis über den Grund des Wegfalls seines Arbeitsplatzes und mangelnde anderweitige Einsetzbarkeit gehabt. Die entsprechende Unternehmerentscheidung sowie deren Kausalität für den Wegfall seines Arbeitsplatzes seien dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden. Da es auf die soziale Auswahl und mehrere Arbeitnehmer ankomme, seien auch die hierfür wesentlichen Gesichtspunkte anzugeben gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.01.2019 aufgelöst werden wird.

2. Die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu Ziffer 1) nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Produktionshelfer weiter zu beschäftigen.

3. Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 die Beklagte zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs gem. § 113 BetrVG zu verurteilen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 83.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise hat sie beantragt,

die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auszuschließen.

Der Kläger hat beantragt,

den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Aufgrund des Wegfalls des Auftrags der Kundin W habe sie die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Betriebsteil, der ausschließlich für W produziert habe, zum 31.03.2019 stillzulegen und von den ca. 460 Mitarbeitern ca. 166 Mitarbeiter incl. Azubis verteilt auf Verwaltung und Produktion im Betrieb zu behalten, mit der Vorgabe, möglichst das Know-How im Unternehmen zu halten. Die unternehmerische Entscheidung sei dahingehend getroffen worden, sich von allen Produktionshelfern zu trennen, soweit es sich nicht um Betriebsratsmitglieder handele. Deren Aufgaben würden zukünftig von den Maschinenbedienern mit erledigt werden. Hinsichtlich der Produktionshelfer sei daher eine Sozialauswahl auch entbehrlich, bezogen auf die anderen Berufsgruppen sei eine ordnungsgemäße Sozialauswahl nach Punkten vorgenommen worden.

Der bei ihr gewählte Betriebsrat sei ordnungsgemäß i.S.v. § 102 BetrVG angehört.

Sie hat behauptet, sie habe am 11.01.2019 ein Anschreiben folgenden Inhalts

"Sehr geehrter Herr B, sehr geehrtes Betriebsratsgremium

Anbei der korrigierte IA sowie die überarbeitete SP-Liste für den BR.

Einzige nennenswerte Änderungen sind die Folgenden:

Zwei neue Kündigungen erfolgen, die bisher nicht geplant waren:

Statt Ü, N muss A, S-Q gekündigt werden.Neu ist auch die Kündigung von L, N1 und T N2.

1 Ä und mehre K werden infolge neuen Sonderkündigungsschutzes nicht ausgesprochen.

Soweit Sonderkündigungsschutz im Mai ausläuft, werden die hier geplanten Kündigungen auf Mai verschoben und erst nach Ablauf des Schutzes ausgesprochen.

1 Eigenkündigung erspart eine Kündigung für einen dauerhaften Sonderkündigungsgeschützen (C, U)."

sowie den Interessenausgleich, in dem die beabsichtigte Kündigung, der Arbeitswegfall, die unternehmerische Entscheidung sowie die Sozialauswahl aufgeführt seien, in den hausinternen Postkasten des Betriebsrats eingeworfen.

Es sei eine Anlage überschrieben mit "Gesamtpersonalliste mit allen Informationen nach §§ 102 ff., 111 BetrVG und 15, 17 KSchG für die personellen Maßnahmen (ordentliche und außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist) die ab Ende Januar 2019 innerhalb von 30 Tagen (soweit Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte betroffen sind oder Elternzeitler allerdings erst nach Vorlage der behördlichen Zustimmung) erfolgen soll" beigefügt gewesen. Diese habe alle Sozialdaten der klägerischen Partei und alle persönlichen Daten aller Mitarbeiter insbesondere Tätigkeit, Berufsgruppe, Eintrittsdatum, Geburtsdatum, Alter zum Kündigungszeitpunkt 29.01.2019, Kündigungsfrist, Familienstand, Kinderfreibetrag, Schwerbehinderung, sonstiger Sonderkündigungsschutz, Punkte in Summe und für die einzelnen Merkmale (Alter, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Unterhaltspflichten), beabsichtigte Maßnahme für den betroffenen Mitarbeiter, wenn zu kündigen dann "K", enthalten. Ebenfalls beigefügt gewesen sei der Ausdruck der Exeldatei "SP neue Berechnungsliste Stand 11.01.2019". Aus dieser habe sich ebenfalls ergeben, dass sie im Januar 2019 die Kündigungen habe aussprechen wollen. Hierin enthalten seien auch die Sozialdaten aller Mitarbeiter einschließlich ihrer Tätigkeiten. Damit und unter Hinzuziehung auch der sonstigen Ausführungen der Geschäftsführung und der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in den Interessenausgleichsverhandlungen sowie den dem Betriebsrat bekannten betrieblichen Verhältnissen und den Ausführungen im Interessenausgleich seien für den Betriebsrat erkennbar die Vergleichsgruppen festgelegt und die beabsichtigten Entlassungen dargestellt.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe am 15.01.2019 in der Einigungsstelle gegenüber dem Betriebsrat geäußert, dass die Kündigungen nun im Januar erfolgen müssten entweder mit oder mit gescheitertem Interessenausgleich. Im Anschluss an diese Erklärung seien die Betriebsparteien alle Punkte des Interessenausgleichs durchgegangen, so auch den Punkt III. 5. Der Betriebsrat habe daher zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Beklagte hier vom Einleiten einer Kündigungsanhörung nach § 102 BetrVG ausgegangen sei. Er habe die Gelegenheit gehabt, sich hiermit auseinander zu setzen. Letztlich habe der Betriebsrat später entschieden, die stärkste Form der Stellungnahme - eine Zustimmung - nicht abzugeben und habe erklärt, er wolle die Ziffer 5 nun doch verändert haben, weil alles was nach Zustimmung zur Kündigung aussehen könne, gelöscht werden müsse. Bereits zuvor am 05.10.2018 habe sie dem Betriebsratsvorsitzenden einen Entwurf des Interessenausgleichs, die Anlage 3 SP Maßnahmenplanliste Stand 05.10.2018, Organigramm Stand 04.10.2018 und Organigramm mit geplantem Stand ab April 2019, Bedarf Maschinenführer Presswerk, Sozialplanentwurf, SP Bepunktung mit Organigrammverweis und Sozialauswahl und Abfindung, Kopie der Arbeitsstunden für Januar bis September 2018 übergeben und damit die Betriebsratsanhörung eingeleitet. Die Kündigungen seien im Oktober 2018 nicht ausgesprochen worden, weil der Interessenausgleich zu diesem Zeitpunkt nicht unterzeichnet worden und die Verhandlungen noch nicht gescheitert gewesen seien.

Der Betriebsrat habe zudem aus den vorherigen Verhandlungen zum Abschluss eines Interessensausgleichs, insbesondere der Verhandlungen vom 22.10.2018, in welchem die Betriebsparteien Punkt für Punkt den Interessenausgleich, der dem vom 11.01.2019 entsprochen habe, durchgegangen seien, sowie aus den weiteren Verhandlungen vor der Agentur für Arbeit unter anderem am 07.11.2018 und 22.11.2018 über den Interessenausgleich und Sozialplan und die dortigen Informationen, Kenntnisse über die unternehmerische Entscheidung, den Arbeitswegfall, die betriebsbedingten Gründe für die Kündigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses sowie die getroffene Sozialauswahl gehabt. Damit hätten dem Betriebsrat ab dem 12.01.2019 alle Informationen zur beabsichtigten Kündigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses vorgelegen.

Seit Beginn der Informationen und Verhandlungen habe sie erklärt, dass die Kündigungen so schnell als möglich ausgesprochen werden sollten. Bei den Terminen am 24.09.2018, 22.10.2018 und 22.11.2019 habe sie deutlich gemacht, dass man eigentlich im Oktober 2018 kündigen wolle, weil die Auslauflöhne ansonsten gegen den Sozialplantopf gerechnet werden müssten. Im Termin am 22.11.2018 habe sie gesagt, dass der Oktober ja vorbei sei, man aber hoffen würde, im Dezember 2018 mit dem Interessenausgleich fertig zu sein und kündigen zu können. Die schnelle Kündigungsabsicht sei auch in dem Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle über den Interessenausgleich wiederholt worden. Im Verhandlungstermin vor dem LAG Hamm habe sie die Hoffnung geäußert, dass die Betriebsratsseite es ermögliche, dass die Kündigungen noch im Dezember 2018 ausgesprochen werden könnten. Als dann endlich am 15.01.2019 erstmals die Einigungsstelle getagt habe, habe sie unter Hinweis auf die Dringlichkeit des Ausspruchs der Kündigungen darauf gedrungen, dass zuerst über den Interessenausgleich verhandelt werde. Sie habe deutlich gemacht, dass die Kündigungen nun aber im Januar 2019 erfolgen müssten, ein weiteres Zuwarten sei nicht möglich, aber man könne noch in den Folgetagen über einzelne Maßnahmen beraten. Es sei erklärt worden, dass die Kündigungen auch dann ausgesprochen würden, wenn die Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan scheitern.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Arbeitgeber müsse keine "Glocke klingeln" und rufen, dass er nun eine Kündigungsanhörung mache, wenn jedenfalls aus den Umständen und der Gesamtschau erkennbar sei, dass eine Kündigungsanhörung laufe, weil dem Betriebsrat alle maßgeblichen Informationen vorlägen und ihm eine unbedingte Kündigungsabsicht mitgeteilt worden sei. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit gebiete es, bei Zweifeln nachzufragen, weshalb Missverständnisse nicht zu ihren Lasten gingen. Es sei hier für den Betriebsrat unverkennbar gewesen, dass er nach § 102 BetrVG angehört worden sei.

Schon bei Einleitung der Beteiligungsverfahren habe sie durch Überreichen des ersten Entwurfs des Interessenausgleichs und der gleichzeitig ersten Vorlage der Gesamtpersonalliste mit allen Sozialdaten deutlich gemacht, dass sie sämtlich notwendigen Verfahren habe verbinden wollen. Sie habe den Betriebsrat durch Übergabe des Interessenausgleichs gebeten, sein Einverständnis zur Kündigung des Klägers zu erklären indem sie ihn aufgefordert habe, den Interessenausgleich vom 11.01.2019, der eine Unterschriftzeile für den Betriebsrat vorgesehen habe und in Ziffer III.5 eine ausdrückliche Bestätigung zum Anhörungsverfahren enthalte, abzuschließen.

Mit Urteil vom 16.07.2019 hat das Arbeitsgericht dem Kündigungsfeststellungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hierzu hat es ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates. Die Beklagte habe das Anhörungsverfahren hinsichtlich der streitgegenständlichen Kündigung vom 29.01.2019 nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG eingeleitet und damit auch nicht die Frist zur Stellungnahme des Betriebsrats von einer Woche i.S.v. § 102 Abs. 2 BetrVG in Gang gesetzt. Da die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch den Arbeitgeber den Zweck habe, den Betriebsrat zu einer Stellungnahme zu der beabsichtigten Kündigung binnen einer Woche zu veranlassen sei erforderlich, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Stellungnahme zu einer konkreten Kündigungsabsicht auffordere. Anderenfalls sei weder der Beginn des Anhörungsverfahrens und damit einhergehend das Ende des Anhörungsverfahrens durch Ablauf der Frist zur Stellungnahme eindeutig feststellbar. Eine ausdrückliche Aufforderung an den Betriebsrat, zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen, sei nur dann nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen könne, dass er damit den Zweck verfolge, seiner Anhörungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu genügen. Wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls die vom Arbeitgeber erklärte Kündigungsabsicht und auch die mitgeteilten Kündigungsgründe nicht ohne Weiteres als Einleitung des Anhörungsverfahrens aufgefasst werden könnten, müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat über die Mitteilung der Kündigungsabsicht und der Kündigungsgründe hinaus eindeutig zu erkennen geben, dass er das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG einleiten wolle. Unklarheiten bzw. Missverständnisse gingen zu Lasten des Arbeitgebers.

Eine derartige Aufforderung zur Stellungnahme sei weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt. Der Betriebsrat habe zu keinem Zeitpunkt deutlich erkennen können, dass und wann die Beklagte den Zweck verfolgt habe, ihrer Anhörungspflicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG zu genügen. Sie habe selbst mehrere Termine für die Einleitung eines Anhörungsverfahrens genannt, so den 05.10.2018, den 22.10.2018 und den 12.01.2019 durch Einwurf des Entwurfs eines Interessenausgleichs am Abend des 11.01.2019. Hierdurch sei nicht hinreichend deutlich gemacht worden, dass jetzt die einwöchige Frist zur Stellungnahme nach § 102 BetrVG beginnen solle. Schließlich solle das Anhörungsverfahren am 15.01.2019 durch Mitteilung der unbedingten Kündigungsabsicht während der Einigungsstellenverhandlung eingeleitet worden sein. Wenn das Anhörungsverfahren nach eigener Einlassung der Beklagten über drei Monate während der gesamten Zeit, in der die Betriebsparteien Verhandlungen über einen Interessenausgleich geführt hätten, gedauert habe, habe es der Mitteilung eines konkreten Zeitpunkts des Beginns der Frist zur Stellungnahme gem. § 102 Abs. 2 BetrVG bedurft, da der Betriebsrat nur dann die Möglichkeit von seinem Recht zur Stellungnahme bzw. von seinem Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 5 BetrVG Gebrauch machen könne. Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung greife vorliegend nicht, da dort dem Betriebsrat deutlich mitgeteilt worden sei, dass er gem. § 102 Abs. 1 BetrVG zu einer Kündigung angehört wurde und nur das Zurückweisungsrecht mangels Vollmachtvorlage fraglich gewesen sei. Der Betriebsrat habe auch dem beigefügten Begleitschreiben mangels dahingehenden Hinweises nicht entnehmen können, dass eine Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG eingeleitet werden solle. Der Betriebsrat habe auch nicht aufgrund des Inhalts des Interessenausgleichs oder der Überschrift von mit überreichten Anlagen davon ausgehen müssen, dass aktuell eine Anhörung zu einer Kündigung i.S.v. § 102 BetrVG erfolgen sollte. Für diesen müsse ohne Weiteres deutlich erkennbar sein, dass es sich um eine solche Anhörung handelt. Der Normzweck würde unterlaufen, wenn der Betriebsrat gehalten wäre, Nachforschungen anzustellen oder sämtliche Unterlagen erst dahingehend auszulegen, ob sich darin versteckte Hinweise finden, dass möglicherweise eine Anhörung im Sinne von § 102 BetrVG vorliegen solle. So habe auch die Beklagte selbst mit Schreiben vom 02.11.2018 ausdrücklich gegenüber dem Betriebsrat erklärt, dass es sich um eine Unterrichtung nach § 17 KSchG für den Ausspruch von Kündigungen im November 2019 handeln solle.

Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sei nicht aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans erfolgt.

Zwar könne das Verfahren nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden. Dieses bedeute aber nicht, dass in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zugleich die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zu den auszusprechenden Kündigungen zu sehen wäre. Dass und welche Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden sollten, müsse hinreichend klargestellt sein. Für den Betriebsrat sei nicht deutlich geworden, dass die Beklagte die Einigungsstellenverhandlung am 15.01.2019 und die hier geführten Gespräche über den Interessenausgleich gleichzeitig als Anhörungstermin i.S.v. § 102 BetrVG nutzen wollen habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den hierfür überreichten Unterlagen. Dass sich in den Entwürfen des Interessenausgleichs, die die Beklagte dem Betriebsrat am 05.10.2018 und 11.01.2019 überreicht hat, unter Ziffer III.5 die Klausel finde, dass sie gegenüber dem Betriebsrat die Anhörungsverfahren zu den beabsichtigten Kündigungen am 05.10.2018 mit Korrekturen am 22.10.2018 und 11.01.2019 eingeleitet habe reiche hierfür nicht aus. Naheliegend sei vielmehr gewesen, dass die Übergabe des Entwurfs des Interessenausgleichs zur Vorbereitung der am 15.01.2019 abgehaltenen Einigungsstellensitzung mit dem Verhandlungsgegenstand "Interessenausgleich" erfolgt ist, und nicht der Bitte um Zustimmung zur Kündigung diente, weil darin unter anderem auch die Ziffer III.5 enthalten gewesen sei. Die Beklagte führe in dieser Klausel gleich drei Daten, nämlich den 05.10.2018, 22.10.2018 und 11.01.2019 auf, zu denen sie die Betriebsratsanhörung eingeleitet haben wolle. Dass und wann die Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG zu laufen begonnen haben soll, ginge daraus nicht hervor. Vielmehr handele es sich um eine typische Klausel zur Betriebsratsanhörung in einem Interessenausgleich, auf den sich die Betriebsparteien einigen könnten, um das Beteiligungsverfahren abzuschließen. Eine derartige Einigung sei von der Beklagten im Einigungsstellenverfahren angestrebt, und deshalb in den Entwurf des Interessenausgleichs aufgenommen worden. Sie sei im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht zustande gekommen, so dass der Betriebsrat folglich auch nicht bestätigt habe und nicht habe bestätigen wollen, dass das Anhörungsverfahren abgeschlossen ist.

Auch seien die Verhandlungen über den Interessenausgleich über den 12.01.2019 und auch über den 15.01.2019 hinaus weiter fortgeführt worden. Stünden bei einer beabsichtigten Betriebsänderung noch Verhandlungen über einen Interessenausgleich gemäß § 112 BetrVG aus, stehe typischerweise noch nicht fest, ob die beabsichtigte Maßnahme tatsächlich und zum genannten Datum durchgeführt werde. Deshalb liege in der Überreichung einer Liste mit von beabsichtigten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmern während der Verhandlungen über einen Interessenausgleich keine Mitteilung nach § 102 BetrVG. Diese gelte insbesondere, wenn der Arbeitgeber vorliegend mehrfach zum Ausdruck bringe, die Kündigungen erst nach Abschluss des Interessenausgleichs aussprechen zu wollen. Diesen Eindruck hat die Beklagte dem Betriebsrat bei Betrachtung der weiteren Umstände des Einzelfalles vermittelt. Allein aufgrund der Äußerung der Beklagtenvertreterin im Termin vom 15.01.2019 habe der Betriebsrat nicht wissen müssen, dass in dieser Äußerung eine Anhörung zu Kündigungen ohne Interessenausgleichs liegen solle, während eigentlicher Sinn des Termins die Verhandlung über einen solchen war. Eine nicht offenkundige sondern nur versteckte Einleitung einer Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG entspreche nicht dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hagen Bezug genommen.

Gegen dieses am 28.07.2019 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 20.08.2019 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie mit am 20.09.2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Gegen dieses ihr am 24.08.2019 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 02.09.2019 eingelegten Berufung, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.11.2019 mit am 22.11.2019 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Hier hat sie vorgetragen, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass eine ausdrückliche Aufforderung zur Stellungnahme an den Betriebsrats nicht nur in bestimmten Ausnahmefällen nicht erforderlich, sondern die Regel sei, dass der Betriebsrat dieses automatisch aus der Mitteilung der Kündigungsabsicht schließt und es nur in Ausnahmefällen zu aufklärungsbedürftigen Unklarheiten kommen könne. Bei einem "Regel"-Anhörungsverfahren erwarte niemand, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat wörtlich und ausdrücklich sage, dass er nun die Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kündigung habe, eine Frist laufe und was die Folgen eines Ablaufs der Frist seien. Hierauf müsse der Betriebsrat selbst kommen, dafür werde er auch regelmäßig geschult. Dieses sei nicht mehr Arbeitgebersphäre, sondern Betriebsratssphäre. Kündigungsanhörungen gehörten zum Standardrepertoire und Basiswissen eines jeden Betriebsratsmitglieds. Im vorliegenden Fall sei sogar auf § 102 BetrVG hingewiesen worden, da die mit Schreiben vom 11.01.2019 überreichte aktualisierte Gesamtpersonalliste als solche "mit allen Informationen nach §§ 102ff, 111 BetrVG und 15, 17 KSchG.." überschrieben worden sei. Da in dem mit überreichten Entwurf eines Interessenausgleiches in Kapitel III.5 unter der fett gedruckten Überschrift "Kündigungsanhörung" und mit dem Hinweis "§§ 102 ff. BetrVG" in Fettdruck im Fließtext mitgeteilt worden sei, dass mit eben dem vorliegenden Schreiben vom 11. Januar 2019 der Arbeitgeber das Anhörungsverfahren zu den beabsichtigten Kündigungen einleite, ergebe sich bei verständiger Würdigung, dass bereits hiermit das Anhörungsverfahren eingeleitet worden sei.

Bereits das Schreiben vom 11.01.2019 sei als ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 BetrVG zu werten. Sollte dies entgegen der Auffassung der Beklagten vom Gericht anders gesehen werden, wäre dieses spätestens durch die Äußerungen am 15.01.2019 geschehen, da die Verhandlungsführerin Rechtsanwältin Birnbaum für die Arbeitgeberseite die eindeutige Aussage, dass die beabsichtigten Kündigungen gegenüber den in der vorliegenden Mitarbeiterliste mit "K" gekennzeichneten Mitarbeitern in jedem Fall im Januar 2019 ausgesprochen würden, und zwar unabhängig davon, ob bis Ende Januar 2019 ein Interessenausgleich abgeschlossen worden sei oder die Verhandlungen gescheitert seien, weshalb nicht erklärlich sei, weshalb das Arbeitsgericht im Urteil ausführe, dass sich u.a. aus der Erklärung der Prozessbevollmächtigen der Beklagten nicht ergebe, dass man auch zu einer Kündigung ohne Interessenausgleich anhören wolle (und nicht nur zu einer mit).

Durch ihre Erklärung habe sie auch deutlich gemacht, dass unabhängig vom Inhalt vorheriger Verhandlungen und der Tatsache, dass weiterhin ein Interessenausgleich habe versucht werden sollen, diese beiden Verfahren ganz bewusst und für alle Beteiligten deutlich erkennbar getrennt worden seien. Der Betriebsrat habe damit am 15.01.2019 von der verbindlichen und von keiner Bedingung mehr abhängigen Kündigungsabsicht des Arbeitgebers, auf jeden Fall im Januar die in der Liste gekennzeichneten Personen zu kündigen, gewusst. Dies genüge für die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch den Arbeitgeber. Einer ausdrücklichen Aufforderung zur Stellungnahme oder gar eines Hinweises auf die nunmehr laufende Frist habe es nicht mehr bedurft. Etwas anderes könne auch nach der vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten Rechtsprechung anhand der dort entschiedenen Fälle nur dann gelten, wenn besondere Umstände dieses begründeten, also ein Regel-Ausnahmeverhältnis gegeben sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Zu Unrecht vermenge das Arbeitsgericht die Mitteilung des Kündigungswillens in früheren Terminen mit demjenigen im Januar 2019. Der Betriebsrat habe immer gewusst, dass die Beklagte schnell kündigen würde, sobald die Einigungsstelle getagt hat, deswegen habe er ja versucht, das so lange wie möglich hinauszuzögern. Aus diesem Grund sei es nach den vorangegangenen Kündigungsanhörungen nicht zu deren Ausspruch gekommen. Im Januar 2019 habe endlich die Einigungsstelle getagt und die Beklagte sei nicht mehr darauf angewiesen gewesen, auf den Abschluss eines Interessenausgleichs zu warten, um den Nachteilsausgleichsanspruch zu vermeiden. Eben deswegen habe sie in der Verhandlung vom 15.01.2019 ausdrücklich erklärt, die Kündigungen nunmehr im Januar 2019 aussprechen zu wollen, jedoch nicht mehr abhängig gemacht vom Abschluss des Interessenausgleichs, sondern auf jeden Fall, mit oder ohne Interessenausgleich.

Die im Januar 2019 neu eingeleitete Anhörung für Kündigungen im Januar 2019 habe im Schreiben der Beklagten vom 11.01.2019 und jedenfalls in den dazu ergänzend gegebenen Erklärungen im Verhandlungstermin vom 15.01.2019 gelegen. Es habe sich um eine neue Anhörung zu den für Januar beabsichtigten Kündigungen gehandelt und nicht um ein Daueranhörungsverfahren seit Oktober. Es sei lediglich nicht sinnvoll und auch nicht erforderlich gewesen, im Januar alle bereits zuvor an den Betriebsrat übermittelten Informationen noch einmal neu zu übergeben, weswegen auf bereits mit früheren Anhörungsschreiben übergebene Informationen unter gesondertem Ausweis der zwischenzeitlich eingetretenen Detailänderungen Bezug genommen worden sei. Es habe auch keine unübersichtliche wechselnde "Flut von Unterlagen" gegeben. Geändert worden sei nur der Entwurf des Interessenausgleichs, der dem jeweiligen Verhandlungsstand angepasst worden sei und außerdem Details in der Mitarbeiterliste, wenn Änderungen von Sozialdaten einzelner Personen bekannt geworden seien (z.B. durch vom Arbeitnehmer nachgemeldete Kinder, GdB o.ä.) oder weil einzelne Kündigungen wegen Eigenkündigungen einiger Arbeitnehmer entbehrlich geworden seien. Weder die Maßnahme als solches noch der Stellenabbaubedarf hätten sich hierdurch geändert. Die Situation habe sich im Januar 2019 ganz anders dargestellt, als vorher. Allein dieses sei dargestellt worden durch die Vorgeschichte.

Die Einleitung des Anhörungsverfahrens ergebe sich auch aus der zunächst im Interessenausgleichsentwurf enthaltenen Klausel III.5, deren Aufnahme in der Rechtsprechung des BAG ausdrücklich empfohlen werde. Wenn mit Abschluss des Interessenausgleichs das Verfahren klar abgeschlossen sei, dann sei es mit Unterbreitung des Entwurfs und Erörterung der Klausel klar eingeleitet, denn ab da habe der Betriebsrat Kenntnis von dem entsprechenden Ansinnen des Arbeitgebers. Dass die Klausel auf Betreiben des Betriebsrates gestrichen worden sei, ändere daran nichts. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klausel nur habe gelten sollen, wenn der Interessenausgleich abgeschlossen wird. Auch wenn die Klausel nicht automatisch bedeute, dass das Anhörungsverfahren vollständig und umfassend durchgeführt ist, gelte das, was dort geschrieben stünde, nämlich die tatsächlich erfolgte Einleitung. Wenn bei dem Betriebsrat hierzu gleichwohl Unsicherheit geherrscht habe, sei er verpflichtet gewesen, nachzufragen, ob nun das Anhörungsverfahren beginnt. Die Unsicherheit des Betriebsrates habe angesichts der eindeutigen Ausführungen der Bevollmächtigten der Beklagten - wenn überhaupt - nur darin bestanden haben können, ob ein von den Interessenausgleichsverhandlungen getrenntes Anhörungsverfahren laufe. Dieses habe der Betriebsrat erfragen können - und müssen.

Auch stelle die treuwidrige Verweigerung der Unterschrift auf dem zuletzt unterschriftsreifen und verhandelten Interessenausleich keine vertrauensvolle Zusammenarbeit seitens des Betriebsrats dar, so dass sich der Betriebsrat im Hinblick auf sein Recht nach § 102 BetrVG so behandeln lassen müsse, als habe er zugestimmt, unterzeichnet und als würde ein Interessenausgleich vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.07.2019 zum Az.: 4 Ca 425/19 im Hinblick auf den Tenor in Ziffer 1 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, die Berufung sei schon nicht zulässig, da nicht erkennbar sei, inwieweit sich diese mit dem Urteil auseinandersetze. So fehle die nach § 520 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO erforderliche Bezeichnung der Umstände, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe. Auch aus dem Berufungsvorbringen ergebe sich nicht, von welchem Tag als Beginn der Anhörung nach § 102 BetrVG die Beklagte selbst ausgehe, ob der 11.01.2019 oder der 15.01.2019 als entscheidender Tag anzusehen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie angesichts dieses Umstandes der Betriebsrat diesen habe erkennen können. Aus der Formulierung in III.5 des Entwurfes eines Interessenausgleiches könnten rechtliche Schritte nicht hergeleitet werden; dieses wäre allenfalls nach einer erfolgten Unterschrift möglich. Auch spreche der Inhalt der Klausel eher gegen als für die Auslegung der Beklagten. Er verteidigt im Übrigen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das Urteil des Arbeitsgerichtes.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.

II. Die Berufung ist zulässig.

Sie hat sich ausreichend mit der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts auseinandergesetzt, sie habe die Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht mit der für den Betriebsrat erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit eingeleitet. Sie hat den Entscheidungsgründen nicht lediglich ihre abweichende rechtliche Würdigung entgegengesetzt, sondern hat ihre Auffassung unter Darlegung der ihrer Meinung nach entscheidenden Tatsachen und Auswertung der ihrer Meinung nach einschlägigen Rechtsprechung im Einzelnen begründet. Ob ihr Vorbringen schlüssig ist, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit.

III. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Kündigungsfeststellungsantrages stattgegeben. Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur fehlerhaften Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Berufungsbegründung gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:

1) Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert daran, dass die Anhörung des Betriebsrates der Beklagten vor Ausspruch der vorliegenden Kündigung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, da die Stellungnahmefrist für den Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht in Gang gesetzt wurde, weshalb diese nicht zu laufen begann und die Kündigung somit nicht nach Beteiligung des Betriebsrates, sondern ohne dessen Beteiligung im Sinne des § 102 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG ausgesprochen wurde.

a) Der Arbeitgeber ist gem. § 102 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, den Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Die fehlende oder fehlerhafte Anhörung begründet die Unwirksamkeit einer gleichwohl ausgesprochenen Kündigung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

Die Kündigung kann wirksam erst dann ausgesprochen werden, wenn nach einer ordnungsgemäßen Einleitung des Anhörungsverfahrens die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG ohne Stellungnahme des Betriebsrates abgelaufen ist oder sich dieser vor Ablauf dieser Frist abschließend zu der Kündigung geäußert hat (BAG, Urteil vom 03.04.2008, 2 AZR 965/06, NZA 2008, 807 f. m.w.N.).

Zur Einleitung des Anhörungsverfahrens gehört, dass der Arbeitgeber einen Kündigungsentschluss fasst und diesen unter Angabe von Tatsachen so beschreibt, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Die Mitteilung stellt, wenn nicht eine Willenserklärung, dann zumindest eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung dar (BAG 13.12.2012, 6 AZR 348/11, NZA 1995, 672 f).

Das Anhörungsverfahren ist nicht formalisiert. Es muss nicht schriftlich eingeleitet werden. Eine mündliche Einleitung reicht aus (BAG 13.12.2012 a.a.O. Rd. 76).

Der Arbeitgeber muss jedoch deutlich machen, dass er das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG einleiten will. Eine ausdrückliche Aufforderung an den Betriebsrat, er möge zu der Kündigungsabsicht Stellung nehmen, ist dann nicht erforderlich, wenn er der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, dass dieser damit den Zweck verfolgt, seiner Anhörungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu genügen (BAG 07.12.1979, 7 AZR 1063/77, Rd. 19). Dabei ist maßgebend, wie der Betriebsrat die Erklärung des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände verstehen musste. Es ist der objektive Erklärungswert der Mitteilung festzustellen (BAG 07.12.1979 a.a.O. Rd. 20; HWK/Ricken, 8. Auflage, § 102 BetrVG, Rd. 19). Der Betriebsrat muss erkennen können, dass er zu einer bestimmten Kündigung Stellung nehmen soll. Das ist schon wegen des Beginns der Frist nach § 102 Abs. 2 BetrVG von entscheidender Bedeutung.

Unklarheiten des Einleitungsverfahrens gehen grundsätzlich zu Lasten des Arbeitgebers (LAG Hamm 09.12.1976, 8 Sa 1098/76, DB 1977, 1515; Seitz in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Betriebsratsanhörung, Rz. 31; Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmeier, 29. Aufl. 2018, § 102 Rz. 22).

Hat sich der Arbeitnehmer rechtzeitig iSv. §§ 4, 6 KSchG auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG berufen, ist es Sache des Arbeitgebers, im Prozess die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats darzulegen und ggf. zu beweisen. Das betreffende Vorbringen des Arbeitgebers hat das mit der Sache befasste Gericht grundsätzlich selbst dann auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, wenn der Arbeitnehmer ihm im weiteren Verlauf des Prozesses nicht nochmals entgegengetreten ist (BAG, Urteil vom 20.06.2013, 2 AZR 546/12, juris, Rn. 45; BAG 24.05.2012, 2 AZR 206/11, juris, Rn. 49).

Der Arbeitgeber ist auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs und selbst bei Vereinbarung einer Namensliste verpflichtet, den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG zu einer beabsichtigten Kündigung anzuhören. Die Betriebsratsanhörung unterliegt insoweit keinen erleichterten Anforderungen. Allerdings muss der Arbeitgeber die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses und der Sozialauswahl zugrunde liegende Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs bekannt sind, im Anhörungsverfahren nicht erneut mitteilen. Das Verfahren nach § 102 BetrVG kann mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden (BAG, Urteil vom 28.06.2012, 6 AZR 682/10, NZA 2012, 1090 f m.v.N.).

Die Möglichkeit, beide Verfahren zu verbinden, bedeutet nicht, dass in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich (mit Namensliste) zugleich die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zu sehen ist. Die Einleitung des Anhörungsverfahrens unter Beachtung der in § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG umschriebenen Erfordernisse ist auch in diesem Fall Aufgabe des Arbeitgebers. Es ist stets erforderlich, dass er den Betriebsrat um die Stellungnahme zu einer konkreten Kündigung ersucht. Sollen Interessenausgleich und Betriebsratsanhörung miteinander verbunden werden, ist dies schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen. Außerdem ist es dann zweckmäßig, dass die Betriebsparteien im Interessenausgleich zum Ausdruck bringen, mit der Unterzeichnung des Interessenausgleichs solle auch das Anhörungsverfahren hinsichtlich sämtlicher auszusprechender Kündigungen abgeschlossen sein (BAG 20.05.1999, 2 AZR 532/98, juris, Rz. 11). Das Anhörungsverfahren unterliegt dabei keinen erleichterten Anforderungen (BAG 28.06.2012, 6 AZR 682/10, Rz. 63; BAG, 20.05.1999 a.a.O., Rz. 12).

Erforderlich ist stets ein aktueller Kündigungsentschluss. Eine Einleitung des Anhörungsverfahrens ist z. B. nicht gegeben, wenn künftige Entwicklungen, die zu einer Kündigung führen könnten, noch nicht abzusehen sind. Die Einleitung ist allerdings grundsätzlich bereits möglich, wenn noch eine Einigung über einen Interessenausgleich aussteht und die Kündigung danach erklärt werden soll, es sei denn, der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat verdeutlicht, dass eine betriebsbedingte Kündigung erst nach Einigung über Interessenausgleich und Sozialplan erfolgen soll. Weicht er nach Abschluss des Anhörungsverfahrens von seiner Erklärung ab und erklärt die Kündigung vor Abschluss des Sozialplans, hat er eine andere Kündigung erklärt als die, zu der der Betriebsrat angehört wurde (BAG 27.11.2003, 2 AZR 654/02, Rz. 30).

b) Danach ist die Frist zur Stellungnahme gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorliegend nicht für den Betriebsrat erkennbar in Gang gesetzt worden. Eine Nachfragepflicht des Betriebsrates, ob durch die Vorlage des Entwurfs eines Interessenausgleiches diese Frist in Gang gesetzt werden sollte, bestand entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.

aa) Eine eigenständige, auf den Kläger bezogene Anhörung zu der konkret für ihn beabsichtigten Kündigung ist unstreitig nicht erfolgt.

bb) Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten im Begleitschreiben zu dem übersandten Interessenausgleich, wonach nunmehr die Anhörung zu den darin aufgeführten beabsichtigten Kündigungen erfolgt, ist ebenfalls nicht erfolgt. In diesem ist lediglich aufgeführt, dass der überarbeitete Interessenausgleich sowie eine überarbeitete Sozialdatenliste beigefügt ist. Insbesondere werden Änderungen bezüglich einzelner, namentlich genannter ArbeitnehmerInnen aufgeführt. Abgesehen davon, dass auch bezüglich dieser ArbeitnehmerInnen nicht angegeben wird, aufgrund welcher konkreten Umstände bei Beachtung welcher Sozialauswahl die Wahl auf diese gefallen ist oder sich Änderungen ergeben haben, so dass die Auskunft in Bezug auf § 102 Abs. 1 BetrVG gemessen an den Erfordernissen der Informationspflicht nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht ausreichend wäre, ergibt sich auch nicht, dass - nunmehr - zu diesen ArbeitnehmerInnen das Beteiligungsverfahren nach § 102 BetrVG eingeleitet werden sollte, zumal diese Unterlagen erkennbar als vorbereitende Unterlagen für den am 15.01.2019 anberaumten Termin zur Verhandlung eines Interessenausgleiches übersandt worden waren.

cc) Dem steht auch nicht entgegen, dass die übersandte Gesamtpersonalliste als solche "mit allen Informationen nach §§ 102 ff, 111 BetrVG und 15, 17 KSchG" überschrieben war.

Die Beklagte beruft sich zwar im vorliegenden Verfahren darauf, dass die zunächst ggf. miteinander verbundenen Verfahren bezüglich der Kündigungsanhörung und der Interessenausgleichsverhandlungen für den Betriebsrat erkennbar nunmehr getrennt geführt worden seien. Woraus sich dieses in Anbetracht des am 15.01.2019 anstehenden Verhandlungstermins zu einem Interessenausgleich ergeben sollte, ist aber für die Kammer nicht ersichtlich. Dieses gilt insbesondere vor dem Ablauf der seit Oktober 2018 andauernden Verhandlungen der Betriebsparteien, die jeweils unter dem Aspekt geführt wurden, dass Kündigungen baldmöglichst, aber erst nach Verhandlungen über einen Interessenausgleich ausgesprochen werden sollten. Die Beklagte selbst verweist darauf, dass der Ausspruch von Kündigungen vor Interessenausgleichsverhandlungen zur Vermeidung von Nachteilsausgleichsansprüchen nicht erfolgen sollte. Am 11.01.2019 waren aber noch keine Verhandlungen geführt worden. Dass an diesem Tag durch die Übersendung der Unterlagen mehr beabsichtigt war, als dem Betriebsrat diejenigen Unterlagen zu übersenden, auf deren Grundlage die Verhandlungen geführt werden sollten, war für diesen nicht erkennbar. Hier hätte es im konkret zu entscheidenden Fall vor dem Hintergrund des konkreten Verfahrensablaufs einer deutlichen Erklärung der Beklagten bedurft, dass trotz des erst noch anstehenden Verhandlungstermins bereits mit der Übersendung der Unterlagen zur Terminsvorbereitung - im Vorgriff - das Anhörungsverfahren für die von ihr - nunmehr - beabsichtigten Kündigungen eingeleitet wird.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den von Beklagtenseite zitierten Entscheidungen.

Soweit das BAG in einer frühen Entscheidung konstatiert hat, es bedürfe keiner ausdrücklichen Aufforderung zur Stellungnahme an den Betriebsrat ist der Beklagten zuzustimmen, dass dann, wenn der Arbeitgeber eine konkrete Kündigungsabsicht für einen konkreten Arbeitnehmer unter Darlegung der für ihn konkret geltenden Kündigungsgründe an den Betriebsrat mitteilt, dieser aufgrund seiner vorhandenen (Schulungs-)Kenntnisse erkennen muss, dass es sich um eine Anhörung zu einer Kündigung handelt und er hierzu die nach § 102 BetrVG geregelten Rechte und Pflichten hat.

Dieses setzt aber - wie oben dargestellt - voraus, dass der Arbeitgeber eine konkrete Kündigungsabsicht mitgeteilt hat. So war in dem der Entscheidung des BAG zugrunde liegenden Lebenssachverhalt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei dem Ausspruch der zu diesem Zeitpunkt noch zulässigen mündlichen Kündigung anwesend und soll spontan seine Zustimmung zur Kündigung erklärt haben. Somit bot dieser Fall keine Veranlassung, über die Frage, wie dem Betriebsrat die konkrete Kündigungsabsicht vorher deutlich gemacht werden muss, um die Stellungnahmefrist in Gang zu setzen, weitergehende Ausführungen zu machen. Deutlich ausgeführt wurde aber bereits hier, dass gerade die Mitteilung des Arbeitgebers über die Kündigungsabsicht diese Aufforderung entbehrlich macht; diese - konkrete - Mitteilung ist damit unentbehrlich.

In der weiteren von der Beklagten zitierten Entscheidung (BAG, Urteil vom 07.12.1979, 7 AZR 1063/77, juris) ging es um einen leitenden Angestellten, den beide Betriebsparteien als solchen betrachteten, weshalb der Betriebsrat die Mitteilung, dass diesem gekündigt wird, nicht als Beteiligung verstand. Die Kündigung war mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsbeteiligung unwirksam, da der Arbeitnehmer tatsächlich kein leitender Angestellter war. Das BAG hat hierzu ausgeführt, "eine ausdrückliche Aufforderung an den Betriebsrat, zu der beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen, ist in der Regel nur dann nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen kann, daß er damit den Zweck verfolgt, seiner Anhörungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu genügen" (a.a.O., Rz. 19).

Weiter hat es ausgeführt, dass sich dann, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat den zu kündigenden Arbeitnehmer für einen leitenden Angestellten halten, aus der Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat eindeutig ergeben müsse, ob er den Betriebsrat nach § 105 BetrVG nur unterrichten oder nach§ 102 Abs. 1 BetrVG zu der beabsichtigten Kündigung (vorsorglich) auch anhören will. Da es darauf ankomme, wie der Betriebsrat die Mitteilung des Arbeitgebers verstehen konnte, müsse der Arbeitgeber in Zweifelsfällen klarstellen, dass er vom Betriebsrat nicht nur bestätigt haben will, der zu kündigende Arbeitnehmer sei leitender Angestellter, sondern dass er vorsorglich auch eine Stellungnahme des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG zu der beabsichtigten Kündigung erwartet. Eine Erkundigungspflicht des Betriebsrates wurde nicht als gegeben angesehen. Vielmehr wurde ausgeführt, dass wegen dieses in den Verantwortungsbereich der Arbeitgeberin fallenden Fehlers bei der Anhörung nach § 102 BetrVG das Schweigen des Betriebsrats zur beabsichtigten Kündigung nicht als abschließende Stellungnahme habe gewertet werden können (a.a.O., Rz. 20).

Auch bei Unklarheit über die Frage, ob ein Arbeitnehmer leitender Angestellter sei, genüge es, wenn der Betriebsrat der Mitteilung des Arbeitgebers entnehmen könne, dass damit auch ein Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG eingeleitet werden soll. Dabei sei nach dem objektiven Erklärungswert der Mitteilung festzustellen, ob der Betriebsrat zumindest vorsorglich nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört werden solle. Die Erklärung des Kündigenden gegenüber dem Betriebsrat sei deshalb im Einzelfall auszulegen (a.a.O., Rz. 20). Vor dem Hintergrund des gegebenen Sachverhaltes hat es sodann eine ordnungsgemäße Einleitung des Anhörungsverfahrens verneint.

Eben dieses hat auch das Arbeitsgericht in nach Auffassung der Kammer zutreffender Weise vorgenommen und ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass das Anhörungsverfahren im konkreten Fall gerade nicht wirksam eingeleitet ist.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die bereits seit Oktober 2018 andauernden Verhandlungen der Parteien dabei berücksichtigt, wie die am 11.01.2019 übersandten Unterlagen und enthaltenen Angaben aus Sicht des Betriebsrates zu verstehen seien, denn erst hieraus erhellt sich, dass aus Sicht des Betriebsrates eben gerade kein Lebenssachverhalt vorliegt, der ihn hätte veranlassen können, davon auszugehen, im Gegensatz zu dem bisherigen Verfahren, bei dem die Interessenausgleichsverhandlungen und das Kündigungsverfahren parallel geführt wurden und sich bedingten, was die Beklagte ja auch jetzt noch insoweit einräumt, als sie selbst ausgeführt hat, dass jedenfalls im Jahr 2018 die Gefahr möglicher Nachteilsausgleichsansprüche vermieden werden sollten, somit keine Kündigungen ohne Verhandlungen über einen Interessenausgleich ausgesprochen werden sollten und ja auch nicht ausgesprochen worden sind, obwohl die Beklagte bereits im Jahr 2018 die aus ihrer Sicht gegebene Dringlichkeit der Kündigungen betont hatte, nun von einem losgelösten Anhörungsverfahren auszugehen.

Insoweit hatte sich die Sachlage bis zum Termin am 15.01.2019 in keiner Weise verändert. Dass die Beklagte dieses zum Zeitpunkt 11.01.2019 anders gesehen hat, hätte daher deutlich gemacht werden müssen. Insofern liegt im Streitfall gerade kein von der Beklagten sogenannter Regelfall vor, bei dem der Betriebsrat eine konkrete Kündigungsanhörung erhält und sich für ihn die weiteren Handlungen selbst ergeben müssen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten herangezogenen weitern Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2013 (BAG, Urteil vom 25.04.2013, 6 AZR 49/12, Rn. 139, juris). Die Ausführungen in der genannten Entscheidung und den als Zitat benannten weiteren Entscheidungen beziehen sich auf die Frage, ob eine Zurückweisung der Betriebsratsanhörung nach § 174 BGB mangels Vollmachtsnachweises zulässig ist und verneinen ein abstrakt schützenswertes Interesse des Betriebsrates daran, sicher zu sein, dass die Stellungnahmefrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen beginnt. Dieses betrifft eine andere Sachlage. Bei den vom BAG entschiedenen Sachverhalten lagen jeweils unstreitig konkrete Kündigungsanhörungen vor, streitig war nur, ob die übermittelnde Person ihre Berechtigung hierzu nachweisen musste. Vorliegend bestand an der Bevollmächtigung der Vertreterin der Beklagten kein Zweifel. Vielmehr bleibt offen, ob eine konkrete Kündigungsanhörung vorliegen sollte.

Die vorgenannte Entscheidung wurde auch vor dem Hintergrund der zu beachtenden vertrauensvollen Zusammenarbeit getroffen (a.a.O., Rz. 138), worauf die Beklagte selbst hinweist. Dass diese nicht gewahrt wäre, wenn der Betriebsrat - vertrauensvoll - davon ausgeht, dass auch bei der Vorlage eines neuen Entwurfes für einen Interessenausgleich und auch bei Beachtung des Einleitungssatzes der Gesamtpersonalliste auch im neuerlichen Verfahren Interessenausgleich und Kündigungsanhörungen parallel laufen werden, ist für die Kammer nicht erkennbar.

dd) Etwas anderes gilt auch nicht bei Beachtung der Ziffer III.5 des Entwurfes des Interessenausgleichs.

Zu Recht verweist die Beklagte zwar darauf, dass es sich bei der von der Beklagten im Entwurf eines Interessenausgleich verwendeten Formel um die auch vom BAG angeregte Formel zur Vereinfachung des Verfahrens und der Vermeidung eines Parallelverfahrens handelt.

Allerdings verweist die Beklagte zunächst selbst darauf, dass ein Gleichlauf von Interessenausgleich und Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG von ihr jedenfalls ab 11.01.2019 gar nicht mehr gewollt war. Schon vor diesem Hintergrund hätte sie die -nunmehr gewünschte - voneinander getrennte Handhabung deutlich machen müssen.

Zum anderen hat das BAG auch in dem Fall einer Verbindung und Verwendung der Klausel ausgeführt, dass selbst bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nach § 102 BetrVG eine Betriebsratsanhörung erforderlich ist. Die gesetzlichen Regelungen in § 1 Abs. 5 KSchG a.F. und § 102 BetrVG dienten unterschiedlichen Zwecken; § 1 Abs. 5 KSchG stelle dabei mehr auf das betriebliche Gesamtkonzept, § 102 BetrVG auf die Einzelfallbetrachtung ab. Vereinbarten die Betriebspartner (etwa im Hinblick auf das Angebot einer hohen Sozialplandotierung) einen Interessenausgleich mit Namensliste, so lasse dies nicht notwendigerweise darauf schließen, daß auch die Einzelbetrachtung jeder Kündigung, die § 102 BetrVG sicherstellen soll, in ausreichender Weise stattgefunden habe. Dieses mache keine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren notwendig.

Es sei vielmehr zulässig und meist sogar zweckmäßig, dass beide Verfahren zusammengefasst würden, damit der Betriebsrat gleichzeitig mit dem Abschluss des Interessenausgleichs auch zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung nehmen könne. Die Möglichkeit, beide Verfahren miteinander zu verbinden, bedeute jedoch nicht, dass in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich mit Namensliste zugleich die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG zu den auszusprechenden Kündigungen zu sehen wäre. Die Einleitung des Anhörungsverfahrens unter Beachtung der in § 102 Abs. 1 BetrVG umschriebenen Erfordernisse sei Aufgabe des Arbeitgebers. Dazu sei stets erforderlich, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat um die Stellungnahme zu einer konkreten Kündigungsabsicht ersuche. Sollten deshalb Interessenausgleich und Betriebsratsanhörung miteinander verbunden werden, so sei dies schon bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen. Außerdem sei es dann zweckmäßig, dass die Betriebspartner im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck brächten, mit der Unterzeichnung des Interessenausgleichs solle auch das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG hinsichtlich sämtlicher auszusprechender Kündigungen abgeschlossen sein (BAG, Urteil vom 20.05.1999, 2 AZR 532/98, juris, Rz. 11).

Hieraus ergibt sich bereits, dass eben gerade bei Verwendung dieser Klausel ein Abschluss des Beteiligungsverfahrens nach § 102 BetrVG erst mit Unterzeichnung des Interessenausgleiches durch den Betriebsrat als gewollt anzusehen ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Erklärung als die abschließende des Betriebsrates dahingehend zu verstehen sein soll, dass er im Rahmen des Beteiligungsverfahrens nach § 111 BetrVG alle für die Anhörung nach § 102 BetrVG notwendigen Erklärungen erhalten hat - und damit eine gesonderte Anhörung zu den einzelnen Kündigungen nicht erforderlich ist. Das Verfahren nach § 102 BetrVG wird damit zwischen den Betriebsparteien qua Vereinbarung "streitlos" gestellt.

Wenn die Klausel, in Abweichung von der bisherigen Verfahrensweise anders hätte verstanden werden sollen, wäre es insbesondere in Anbetracht der vorangegangenen Verhandlungen an der Beklagten gewesen, dieses deutlich zu machen.

Insoweit führt gerade die Verwendung und Mitteilung dieser Klausel dazu, dass eine beabsichtigte getrennte Verfahrensweise nicht kenntlich gemacht sondern das Gegenteil vermittelt wurde.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Beklagte bereits unter dem 05.10.2018 sowohl eine Gesamtpersonalliste mit den relevanten Arbeitnehmerdaten als auch ebenfalls schon einen Entwurf zum Abschluss eines Interessenausgleichs übersandt hatte, in dessen Ziffer III.5. Regelungen zur Einleitung des Anhörungsverfahrens zu den beabsichtigten Kündigungen, zunächst ohne Datum, enthalten sind. Auch hier war aufgeführt, der Betriebsrat sei "vollständig angehört". Unter dem 02.11.2018 hat sie sodann ein Schreiben mit der Überschrift "Unterrichtung nach § 17 KSchG" gleichzeitig mit einem Entwurf eines Interessenausgleichs übersandt, in dem ebenfalls die Regelungen zu Ziffer III.5 enthalten sind. In dem mit Schreiben vom 11.01.2019 übersandten weiteren Entwurf eines Interessenausgleichs findet sich dieselbe Regelung, diesmal versehen mit Daten. Allerdings ergibt die Klausel, dass die Beklagte davon ausgegangen war, das Anhörungsverfahren sei mit nachfolgenden Korrekturen bereits am 05.10.2018 eingeleitet worden. Damit ergibt sich bereits aus der verwendeten Klausel selbst die dauerhafte Verzahnung des - nach den Angaben in der Klausel - seit 05.10.2018 andauernden Verfahrens bis zum Januar 2019 und der erst nach Unterschrift des Interessenausgleichs als abgeschlossen anzusehenden Beteiligung des Betriebsrates zu beiden Beteiligungsverfahren. Selbst aus der Klausel geht hervor, dass das Verfahren nicht am 11.01.2019 eingeleitet, sondern lediglich ergänzende Angaben gemacht wurden; die Einleitung selbst ist auf den 05.10.2018 datiert. Dazu, dass die Beklagte gleichwohl vor dem Hintergrund einer erst zu erfolgenden Interessenausgleichsverhandlung keine Kündigungen ohne diese aussprechen wollte und dies auch nicht getan hat, ist bereits ausgeführt. Wenn die Beklagte dieses bezogen auf den Zeitpunkt 11.01.2019 anders handhaben hätte wollen, wäre dieses von ihr zu kommunizieren gewesen. Aus den Unterlagen ergab sich dieses nicht.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ergibt diese Regelung nämlich gerade nicht, dass losgelöst von der erst noch durchzuführenden Interessenausgleichsverhandlung - nunmehr direkt - ein Anhörungsverfahren eingeleitet werden sollte. Vielmehr hatte sie damit zu erkennen gegeben, dass erst mit Unterzeichnung eines Interessenausgleichs mit den dargestellten Passagen sowohl durch sie als auch den Betriebsrat ein Verfahren nach § 102 BetrVG als durchgeführt und abgeschlossen angesehen werden soll. Kommt es nicht zur Unterzeichnung eines Interessenausgleichs mit der darin enthaltenen Erklärung der Betriebsparteien, dass im Rahmen der Mitteilungen zum Interessenausgleich alle erforderlichen Informationen nach §§ 102 ff BetrVG an den Betriebsrat erteilt sind, besteht diese Einigkeit nicht und ist das Verfahren nicht als vollständig erfüllt streitlos gestellt. Ein Hinweis oder eine eindeutige Erklärung dahingehend, dass das Verfahren zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs und die Anhörung nach § 102 BetrVG bei fehlender Unterzeichnung des Interessenausgleiches voneinander losgelöst durchgeführt werden sollen und das Verfahren nach § 102 BetrVG hiermit eingeleitet sein soll, ergab sich für den Betriebsrat daraus gerade nicht.

ee) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der von der Beklagten vorgetragenen Erklärungen ihrer Verhandlungsführerin im Einigungsstellentermin vom 15.01.2019, wobei die Kammer den von der Beklagten behaupteten Inhalt als gegeben unterstellt.

Selbst wenn diese hier geäußert hat, dass die Kündigungen in jedem Fall Ende Januar ausgesprochen werden, auch wenn bis dahin kein Interessenausgleich zustande gekommen sein sollte, ergibt sich keine andere Beurteilung.

Dass in diesem Termin das Anhörungsverfahren konkret mündlich eingeleitet worden wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht. Dieses stünde auch im Widerspruch zu dem übrigen Vorbringen, wonach die Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits durch die Übergabe der mit Schreiben vom 11.01.2019 übersandten Unterlagen erfolgt sein soll. Genügte diese aber nach den obigen Ausführungen nicht, um eine Einleitung des Anhörungsverfahrens zu gewährleisten, so hätte es eines dann mündlich erteilten Hinweises bedurft, dass die Beklagte in den überreichten Unterlagen eine hinreichende Information nach § 102 BetrVG als gegeben ansieht und auf Grundlage dieser Unterlagen - nunmehr - die Beteiligung nach § 102 BetrVG einleitet. Dabei war zu beachten, dass die Klausel in III.5 des Interessenausgleichentwurfes eine einvernehmliche Regelung und damit eine übereinstimmende (Rechts)Tatsachenfestlegung beinhaltete, die allein durch die Mitteilung, es werde Ende Januar 2019 auch ohne vorliegenden Interessenausgleich gekündigt, nicht in eine einseitige Erklärung der Beklagten umzudeuten war. Selbst wenn diese Erklärung so getätigt wurde, würde damit keine Einleitung eines Anhörungsverfahrens begründet. Dieses gilt umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt noch ausreichend Zeit für eine gesonderte Anhörung nach § 102 BetrVG bestand.

Dass der Auffassung der Beklagten zu einer wirksamen Einleitung des Anhörungsverfahrens nicht zu folgen ist, ergibt sich schon daraus, dass sie selbst auch zuletzt noch angibt, das Verfahren sei am 11.01.2019 jedenfalls aber im Zusammenhang mit der Erklärung der Verhandlungsführerin am 15.01.2019 eingeleitet worden, woraus sich erschließt, dass eine Fristberechnung für das Ende der möglichen Stellungnahmefrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sich nicht ermitteln ließe. Dieses gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine weitere Verhandlung am 24.01.2019 stattfand und eine weitere für den 29.01.2019 geplant war und zunächst noch die Regelung in III.5 des Entwurfes eines Interessenausgleiches über den 15.01.2019 hinaus enthalten war. Diese wurde erst aufgrund der Sitzung vom 24.01.2019 entfernt. Sowohl am 24.01.2019 als auch am 29.01.2019 wäre die einwöchige Stellungnahmefrist aber längst abgelaufen gewesen, gleich ob der 11.01.2019 oder der 15.01.2019 zugrunde zu legen gewesen wäre.

c) Der Betriebsrat hat auch die Unterzeichnung des Interessenausgleichs nicht treuwidrig unterlassen und damit die Durchführung des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG auch nicht treuwidrig verhindert.

Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung (BAG, Beschluss vom 12.03.2019, 1 ABR 42/17, juris) trägt diese Überlegung nicht.

Im dort entschiedenen Fall war die Geltendmachung eines Mitbestimmungsrechtes als unzulässige Rechtsausübung betrachtet worden, da der Betriebsrat durch boykottähnliches Verhalten eine Umsetzung von Dienstplänen im Krankenhausbereich nahezu unmöglich gemacht und sodann einen Unterlassungsanspruch gegenüber der Arbeitgeberin hinsichtlich des gleichwohl erfolgten Einsatzes von ArbeitnehmerInnen geltend gemacht hat. In dieser besonderen Situation wurde diese Entscheidung getroffen. Das BAG hat in dieser Entscheidung auch ausgeführt, dass wegen der Besonderheiten des durch die Wahrnehmung strukturell gegensätzlicher Interessen gekennzeichneten Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine solche unzulässige Rechtsausübung jedoch nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt (a.a.O., Rz. 45).

Ein solcher ist vorliegend erkennbar nicht gegeben. Zum einen ist der Verlust des Anspruches auf Geltendmachung eigener Rechte aufgrund unzulässiger Rechtsausübung nicht gleichzustellen mit einer von der Beklagten unterstellten fiktiven Zustimmungspflicht des Betriebsrates. Diesem war es unabhängig von den vorangegangenen Verhandlungen ebenso wie der Beklagten unbenommen, das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen feststellen zu lassen. Die Beklagte wurde dadurch im Gegensatz zum vom BAG entschiedenen Fall auch nicht in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, da es ihr unbenommen blieb, entweder eine eigenständige Anhörung nach § 102 BetrVG durchzuführen oder deutlich zu machen, dass diese - nunmehr - durchgeführt wird.

Alles was durch die Handlung des Betriebsrates entfiel, war die Bestimmung der (Rechts)Tatsachenfestlegung, wonach die Anhörung zu allen erforderlichen Teilbereichen vollständig und inhaltlich korrekt erfolgt ist. Hierzu war der Betriebsrat auch unter keinem Aspekt verpflichtet. Einen Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit nach § 2 BetrVG stellt dieses nicht dar.

Danach erweist sich die Kündigung der Beklagten bereits aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG als unwirksam. Auf die Frage, ob die Kündigung aus anderen Gründen unwirksam sein könnte, kam es nicht an.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

V. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

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