OLG Hamburg, Beschluss vom 15.06.2020 - 3 W 32/20
Fundstelle
openJur 2020, 75221
  • Rkr:

1. Apotheker wissen um die Unterschiede zwischen Rohstoffen, Rezepturarzneimitteln und Fertigarzneimitteln. Die werbliche Angabe, ein Gericht habe einem Apotheker per einstweiliger Verfügung die Abgabe eines Mittels untersagt, erweckt daher bei Apothekern nicht den unzutreffenden Eindruck, Gegenstand des Verfügungsverbots sei die Abgabe des Mittels durch den Hersteller des Mittels an den Apotheker, wenn im werblichen Umfeld deutlich wird, dass der Hersteller das Mittel als „Rohstoff“ bzw. als „Ausgangsstoff“ in den Verkehr bringt und dass Gegenstand des Verbotes die Abgabe des Produktes durch den Apotheker an Endkunden ohne Veränderung der Wirksubstanz oder ohne die Durchführung wesentlicher Herstellungsschritte ist.

2. Da eine Abmahnung - anders als ein Eilverfahren - nicht nur auf eine vorläufige, sondern auf eine endgültige Erledigung abzielt, entspricht deren Gegenstandswert dem Streitwert der Hauptsache. Im einstweiligen Rechtsschutz ist davon nach § 51 Abs. 4 GKG ein Abschlag vorzunehmen, der regelmäßig mit 20 % zu bemessen ist.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 7. April 2020, Az. 327 O 91/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert wird für das Erlassverfahren - insoweit in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg vom 7. April 2020 - sowie für das Beschwerdeverfahren auf jeweils € 240.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 7. April 2020 ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht und mit der zutreffenden Begründung zurückgewiesen.

Der Antragstellerin stehen die geltend gemachten auf Unterlassung gerichteten Verfügungsansprüche nach §§ 3, 3a, 5, 8 UWG, § 3 HWG nicht zu. Die in der konkreten Verletzungsform gemäß der Anlage 1 angegriffenen Werbeaussagen stellen sich nicht als irreführend dar, weil sie bei den angesprochenen Fachkreisen keine Fehlvorstellungen hervorrufen. Die Anzeige stellt die Umstände des mit der einstweiligen Verfügung vom 23. Januar 2020 ausgesprochenen Verbots vielmehr zutreffend dar.

Soweit die Antragstellerin mit dem Antrag zu 1) ein Verbot der Überschrift „Hamburger Gericht untersagt Apotheker per einstweiliger Verfügung die Abgabe von ABC. Opiumtinktur“ begehrt, weil dadurch der unzutreffende Eindruck erweckt werde, Gegenstand des Verfügungsverbots sei die Abgabe des Produkts „ABC.“ der Antragstellerin und nicht das vom Apotheker hergestellte Rezepturarzneimittel, vermag dies nicht zu überzeugen. In dem Schreiben wird gleich mehrfach zutreffend darauf hingewiesen, dass es in dem Verbot um die Abgabe des Produkts der Antragstellerin „ohne Veränderung der Wirksubstanz“ durch den Apotheker geht. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wissen die angesprochenen Apotheker um die Unterschiede zwischen Rohstoffen, Rezepturarzneimitteln und Fertigarzneimitteln, sodass sie die in der Werbung dargestellten Zusammenhänge ohne Weiteres einordnen können. Dass die Überschrift den Zusatz „ohne Veränderung der Wirksubstanz“ nicht enthält, ist unproblematisch, weil die Überschrift auch ohne diesen Zusatz keine falsche Aussage trifft. In Fällen, in denen das Produkt der Antragstellerin durch den Apotheker lediglich umgefüllt wird, wird nämlich unabhängig von der rechtlichen Einordnung faktisch das Produkt der Antragstellerin (unverändert) abgegeben. Im Zusammenspiel mit dem erläuternden Fließtext erscheint die von der Antragstellerin behauptete Fehlvorstellung vor diesem Hintergrund fernliegend.

Der Verkehr wird entgegen dem Vortrag der Antragstellerin den angegriffenen Aussagen auch nicht entnehmen, dass die Abgabe des Produkts der Antragstellerin verboten worden wäre, weil es einer arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfe. Die (mit dem Antrag zu 2 angegriffene) unstreitig zutreffende Aussage, dass das Produkt der Antragstellerin im Unterschied zu D. nicht über eine Zulassung als Arzneimittel verfüge, führt nicht dazu, dass die angesprochenen Apotheker annehmen könnten, dass das Produkt auch als Rohstoff nicht verkehrsfähig wäre. Wie bereits angesprochen, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass Apotheker die Unterschiede zwischen Rohstoffen, Rezepturarzneimitteln und Fertigarzneimitteln kennen. In dem Schreiben wird mehrfach darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin die Opiumtinktur als „Rohstoff“ bzw. als „Ausgangsstoff“ in den Verkehr bringt. Der Verkehr wird deshalb entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht annehmen, dass die Antragstellerin ihr Produkt unrechtmäßig in den Verkehr bringe oder die Rechtmäßigkeit zumindest zweifelhaft sei.

Dies gilt auch für die mit dem Antrag zu 3 angegriffene Textpassage:

„Nach Auffassung der Pn. A/S handelt es sich bei 'ABC.' daher um ein für den Verbraucher bereits fertig hergestelltes, zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel, wenn die Wirksubstanz vom Apotheker nicht verändert wird oder wesentliche Herstellungsschritte durchgeführt werden.

Aus diesem Grund hat die Pn. A/S einstweilige Verfügungen gegen mehrere Apotheker erwirkt. Das Landgericht Hamburg ist der Auffassung von Pn. A/S gefolgt und hat am 23. Januar einem Apotheker untersagt, die von der M. GmbH vertriebene Opiumtinktur ohne Veränderung der Wirksubstanz als Arzneimittel an Endkunden abzugeben, wenn und solange für die abgegebene Opiumtinktur keine Arzneimittelzulassung erlangt worden ist“.

Diese Passage enthält gleich zweimal den Hinweis darauf, dass Gegenstand des Verbotes die Abgabe des Produktes durch den Apotheker ohne Veränderung der Wirksubstanz ist. Die dargestellten Zusammenhänge sind zutreffend und nicht geeignet, die von der Antragstellerin behaupteten o. g. Fehlvorstellungen hervorzurufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 3 ZPO. Der Senat hat dabei den von der Antragstellerin in der Abmahnung genannten Streitwert von € 300.000,00 zugrunde gelegt. Da eine Abmahnung - anders als ein Eilverfahren - nicht nur auf eine vorläufige, sondern auf eine endgültige Erledigung abzielt, entspricht deren Streitwert dem Streitwert der Hauptsache. Im einstweiligen Rechtsschutz ist dagegen nach § 51 Abs. 4 GKG ein Abschlag vorzunehmen, den der Senat regelmäßig mit 20 % bemisst.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte