OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.05.2020 - 7 U 163/19
Fundstelle
openJur 2020, 74975
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 05.07.2019 (Az.: 3 O 876/18) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.450,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte deliktische Schadensersatzansprüche nach dem Kauf eines - ausgestattet mit einem durch die Beklagte hergestellten Motor der Baureihe "EA 189" - Gebrauchtfahrzeuges VW Tiguan im September 2016 geltend. Zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges hatte der Kläger vom sog. "VW-Abgasskandal" Kenntnis. Auch wurde ihm durch den Verkäufer mitgeteilt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Motor der Baureihe "EA 189" ausgestattet ist, wobei die Problematik durch ein Softwareupdate zu beseitigen sei und die NOX-Werte im Anschluss daran in Ordnung sein würden. Das Softwareupdate wurde - der entsprechenden Vorgabe des Kraftfahrtbundesamtes Motoren dieses Typs entsprechend - im Dezember 2016 installiert.

Mit dem angefochtenen Urteil des Einzelrichters, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie aus § 826 BGB schon deshalb nicht zu, weil er zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges Kenntnis sowohl von der Dieselproblematik als auch vom Einbau des hiervon betroffenen Motors der Reihe "AE 189" gehabt habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klagebegehren weiterverfolgt. Er macht insbesondere geltend, bei der installierten Software handele es sich um ein Thermofenster, das entgegen der Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes wiederum eine unzulässige Abschaltvorrichtung enthalte und dazu führe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die vorgegebenen Grenzwerte nicht einhalte. Die sittenwidrige Schädigung dauere daher an bzw. liege in der Verwendung dieses unzulässigen Thermofensters im Rahmen des aufgespielten Softwareupdates erneut.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.450,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 17.09.2016 bis zur Rechtshängigkeit und seither 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der FIN ........... zu zahlen,

festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 11.12.2018 mit der Rücknahme des in Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet,

die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die Zurückweisung der Berufung beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Das Rechtsmittel ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 ZPO). Da auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 bis 4 ZPO erfüllt sind, kann die Berufung im Beschlusswege zurückgewiesen werden.

Zur Begründung der Entscheidung verweist der Senat auf die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in dem Hinweisbeschluss vom 20.04.2020.

1.

Zu Recht ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass dem Kläger ungeachtet des grundsätzlichen Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, von denen auch der Senat im Zusammenhang mit der Verwendung einer unzulässigen Abschaltvorrichtung im Motortyp EA 189 durch die Beklagte grundsätzlich ausgeht (vgl. Senat, Urt. v. 19.02.2020, 7 U 4/19; Urt. v. 15.05.2020, 7 U 49/19), Schadensersatzansprüche nach den genannten Anspruchsgrundlagen hier deshalb nicht zustehen, weil er zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges Kenntnis sowohl vom sog. "Dieselskandal" als auch von der Betroffenheit des erworbenen Fahrzeuges davon hatte. Unstreitig hatte der Kläger Kenntnis vom sog. "VW-Abgasskandal". Bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO vor dem Landgericht im Termin vom 16.05.2019 gab der Kläger des Weiteren an, ihm sei beim Kauf im September 2016 mitgeteilt worden, dass ein "entsprechender Motor EA 189" eingebaut worden sei und die Software durch ein Update ausgetauscht werden könne (Bl. 940 d.A.). Hieraus ergibt sich - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - die Kenntnis des Klägers sowohl von der Problematik der VW-Dieselmotoren dieser Baureihe als solcher, als auch davon, dass das von ihm zu erwerbende Fahrzeug mit einem davon betroffenen Motortyp ausgestattet ist. Hat der Käufer aber im Zeitpunkt des Erwerbs derart Kenntnis von der bestehenden Problematik, kommt allein aufgrund des Verwendens und Inverkehrbringens dieses Motortyps mit der (zunächst) unzulässigen Abschaltvorrichtung kein Schadensersatzanspruch aus den genannten Anspruchsgrundlagen mehr in Betracht, da es sowohl am Erregen eines entsprechenden Irrtums als auch an einer sittenwidrigen Handlungsweise fehlt.

2.

Soweit der Kläger darauf abheben will, das aufgespielte Softwareupdate enthalte wiederum - nunmehr in Gestalt eines unzulässigen Thermofensters - eine unzulässige Abschaltvorrichtung, womit die sittenwidrige Schädigung sowie die Täuschung fortdauerten bzw. erneut vorlägen, vermag der Kläger damit aus den bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 20.04.2020 dargestellten Gründen, auf die Bezug genommen wird, nicht durchzudringen.

Die Ausführungen in dem Schriftsatz des Klägers vom 18.05.2020 geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Denn auch nach diesem Vortrag bleibt es dabei, dass die Beklagte zu dem Software-Update durch das Kraftfahrtbundesamt aufgefordert worden ist. Dem Hinweis kann auch nicht entgegen gehalten werden, es sei unerheblich, ob das Kraftfahrtbundesamt ein Thermofenster mit der Freigabe des Software-Updates nicht als unzulässige Abschalteinrichtung angesehen habe, da die Frage, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, eine seitens der Gerichte zu beantwortende Rechtsfrage sei. Eine solche Sichtweise übersieht, dass mit der Genehmigung dieses Softwareupdates und der Aufforderung durch das Kraftfahrtbundesamt, dieses aufzuspielen, eine Sittenwidrigkeit allein aufgrund des Aufspielens dieses Softwareupdates ebenso wie eine Täuschung ausscheidet. Es kommt gerade nicht (mehr) darauf an, ob es sich bei dem behaupteten Thermofenster aufgrund des Softwareupdates um eine Abschalteinrichtung handelt. Denn für das Urteil der Sittenwidrigkeit genügt nicht jedweder Verstoß, sondern es muss sich im Einklang mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers und der darauf aufbauenden Rechtsprechung um "Auswüchse", das heißt um "Extremfälle" handeln (BGH NJW 1994, 128,129: mit den "Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung" unvereinbares Verhalten), die ein Eingreifen des als ergänzende Vorschrift vorgesehenen § 826 BGB rechtfertigen, weil das übrige Instrumentarium nicht wirkt (BeckOK BGB/Förster, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 826 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen). Ein solches Verhalten liegt bei der Beklagten jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn sie sich mit ihrem weiteren Verhalten an Vorgaben einer staatlichen Stelle hält und - wie hier aufgrund der Kenntnis des Klägers zum Erwerbszeitpunkt - eine sittenwidrige Schädigung oder zum Schadensersatz verpflichtende Täuschung allein aufgrund des ursprünglichen Inverkehrbringens des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges nicht mehr in Betracht kommt.

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.