LG Flensburg, Urteil vom 25.09.2020 - 3 O 88/16
Fundstelle
openJur 2020, 74349
  • Rkr:

1. Ein Eisenbahnunternehmen haftet bei einem nationalen Transport von Kraftfahrzeugen auf einem Shuttle-Autozug gemäß Anhang I Art. 36 Abs. 1 und Art. 47 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Fahrgastrechte-VO) grundsätzlich verschuldensunabhängig für Schäden, die im Obhutszeitraum am Kraftfahrzeug eines Fahrgastes entstehen.

2. Der Haftungsausschluss nach Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. a Fahrgastrechte-VO umfasst nicht die mit der Beförderung auf einem offenen Wagen verbundene besondere Gefahr (Anschluss an BGH, Urteil vom 12.12.2013 - I ZR 65/13, zu Art. 36 § 3 Buchst. a CIV).

3. Der Haftungsausschluss nach Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. b Fahrgastrechte-VO umfasst nicht die Beschädigung eines auf Weisung von Mitarbeitern des Eisenbahnunternehmens rückwärts transportierten Fahrzeugs, die darauf beruht, dass das Fahrzeug serienmäßig konstruktiv nicht für einen Rückwärtstransport geeignet ist; in diesem Fall folgt die besondere Gefahr der Beschädigung nicht aus der natürlichen Beschaffenheit des Fahrzeugs, sondern aus der von den Mitarbeitern des Eisenbahnunternehmens getroffenen Entscheidung, das Fahrzeug nicht vorwärts, sondern rückwärts zu transportieren.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.866,82 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 sowie weitere 337,07 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 42 % und die Beklagte zu 58 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,

für den Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs bei dem Transport auf dem Autozug nach Sylt.

Der Kläger ist Eigentümer des Pkw Range Rover Typ Sport SDV 6 / TDV 6 FAP, eines Geländewagens / SUV. Zur serienmäßigen Ausstattung des Fahrzeugs gehört ein Heckspoiler.

Die Beklagte betreibt den "Sylt-Shuttle" Autozug zwischen Niebüll und Westerland (Sylt). Bei dem Transport werden Fahrzeuge auf den Doppelstockeinheiten in Fahrtrichtung des Zuges vorwärts, auf den Einstockeinheiten in Fahrtrichtung des Zuges rückwärts transportiert. An den Zufahrten des Terminals wiesen Schilder am 25.10.2015 u.a. auf Folgendes hin:

"... Eine Beförderung Ihres Fahrzeuges ist auf der gesamten Strecke rückwärts möglich (Beförderung auf Einstockeinheiten), hierauf sind von Ihnen alle Sicherheitsvorkehrungen einzurichten. ...Es gelten die Bedingungen und Preise des Sylt-Shuttle-Tarifs.Die Tarifbestimmungen können Sie hier im Terminal oder im Internet unter www.bahn.de/syltshuttle einsehen."

In den Tarifbestimmungen "Sylt Shuttle-Tarif" Nr. 635 des Tarifverzeichnisses, Fassung vom 01.01.2014, heißt es u.a.:

"...A 17 Haftung und Schadensabwicklung ansonsten ...17.1 Für die Haftung aus er Beförderung von Kraftfahrzeugen ansonsten gelten die Bestimmungen der CIV in der Fassung des Anhangs I zur Verordnung (EG) 1371/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr. ...17.5 Aus anderen Rechtsgründen haftet die DB Fernverkehr AG grundsätzlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ... Außer in Fällen von Vorsatz, grober Fahrlässigkeit oder der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten ist die Haftung für Sachschäden gegenüber jedem Reisenden auf einen Höchstbetrag von 1.000 € beschränkt. ..."

In der Vergangenheit wurde der Kläger mit seinem Fahrzeug auf dem Autozug mehrfach auf den Doppelstockeinheiten in Fahrtrichtung vorwärts befördert. Am 25.10.2015 wurde der Kläger von Mitarbeitern der Beklagten erstmals auf eine Mitfahrt auf einer Einstockeinheit verwiesen. Das Fahrzeug des Klägers wurde dementsprechend in Fahrtrichtung des Zuges rückwärts transportiert. Während der Fahrt riss der Heckspoiler vom Fahrzeug des Klägers und rutschte über das Dach des Fahrzeugs hin- und her. Hierdurch wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt. Ursache und Umfang des Schadens sind zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 28.10.2015 (Anlage K3, Blatt 19 der Akte) lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens ab. Daraufhin beauftragte der Kläger die XXX Ingenieurbüro XXX mbH mit der Erstellung eines Schadengutachtens, hierfür zahlte er 757,44 €.

Der Kläger behauptet, der Autozug sei mit einer deutlich über 100 km/h liegenden Geschwindigkeit gefahren. Dies und der Umstand, dass sein Fahrzeug rückwärts gegen die Fahrtrichtung des Zuges transportiert worden sei, hätten den Abriss des werksseitig ordnungsgemäß angebrachten und mangelfreien Heckspoilers verursacht. Hierdurch sei ihm ein Schaden in Höhe von 7.052,75 € entstanden. Diesen beziffert der Kläger wie folgt: Ausweislich eines vorgerichtlich eingeholten privaten Sachverständigengutachtens belaufe sich der Reparaturschaden auf 5.819,31 € brutto. Hinzuzurechnen seien die Sachverständigenkosten in Höhe von 757,44 € und eine Entschädigung für einen Nutzungsausfall für vier Reparaturtage in Höhe von 476,00 €. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden wegen einer schuldhaften Verletzung des Beförderungsvertrags, wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB und wegen der Betriebsgefahr nach Anhang I Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Fahrgastrechte-VO).

Nachdem der Kläger eine zwischenzeitliche Erhöhung der Klage auf 11.806,44 € im Übrigen zurückgenommen hat, beantragt er zuletzt

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.052,75 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als anteilige Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten weitere 376,52 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass der Autozug mit einer deutlich über 100 km/h liegenden Geschwindigkeit gefahren sei - tatsächlich betrage die maximale Geschwindigkeit der Züge 100 km/h, darüber hinaus würden sie abgeregelt. Sie meint, eine Haftung für die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers sei gemäß Anhang I Art. 36 Abs. 3 der Fahrgastrechte-VO, welche auch über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in den zwischen den Parteien geschlossenen Beförderungsvertrag einbezogen seien, ausgeschlossen. Hierzu trägt die Beklagte vor, sämtliche Pkw und SUV seien in der Weise ausgelegt, dass sie schadenfrei mit einer Geschwindigkeit bis zu 100 km/h rückwärts befördert werden könnten. Dies gelte auch für das Fahrzeug des Klägers. Dass sich der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs bei der Fahrt gelöst habe, könne deshalb nur auf einem technischen Defekt der Spoilerbefestigung beruhen. Dann aber sei die Beschädigung des Fahrzeugs auf einen "Mangel der Verpackung" zurückzuführen, wofür sie nicht hafte. Wenn demgegenüber der Heckspoiler mangelfrei befestigt gewesen sein sollte, sei die Beschädigung auf die "natürliche Beschaffenheit des Reisegepäcks" zurückzuführen - auch hierfür hafte die Beklagte nicht.

Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, im Falle einer Haftung dem Grunde sei sie allenfalls zu einer Entschädigung in Höhe der Wertminderung des Reisegepäcks verpflichtet, nicht aber zum Ersatz weiterer Schäden. Die Beklagte bestreitet eine Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs in Höhe der vom Kläger vorgetragenen Reparaturkosten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschluss vom 23.11.2016 (Blatt 153 der Akte), abgeändert durch Beschluss vom 06.10.2017 (Blatt 227 der Akte), Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.B 24.06.2019 Bezug genommen. Der Sachverständige hat sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung am 14.09.2020 erläutert und ergänzt; insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Blatt 409 der Akte) Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist in dem erkannten Umfang begründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 6.109,38 € gemäß Art. 11, Anhang I Artt. 36, 42 und 47 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Fahrgastrechte-VO).

a) Auf den Transport des Klägers und seines Fahrzeugs am 25.10.2015 finden die Regelungen der Fahrgastrechte-VO Anwendung (Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Fahrgastrechte-VO), die zuungunsten des Fahrgastes auch nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können (Art. 6 Abs. 1 Fahrgastrechte-VO). Die Haftung der Beklagten als Eisenbahnunternehmen für die Beschädigung das Fahrzeugs des Klägers als Fahrgast richtet sich dabei nach den Bestimmungen über die Haftung für Reisegepäck (Anhang I Art. 47 Fahrgastrechte-VO).

b) Gemäß Anhang I Art. 36 Abs. 1 Fahrgastrechte-VO haftet der Beförderer grundsätzlich u.a. für den Schaden, der durch Beschädigung des Reisegepäcks in der Zeit von der Übernahme durch den Beförderer bis zur Auslieferung entsteht. Die Voraussetzungen dieser verschuldensunabhängigen Haftung liegen hier vor: Das Fahrzeug des Klägers wurde während der Beförderung auf dem Autozug dadurch beschädigt, dass der Heckspoiler abriss und über das Dach des Fahrzeugs hin- und herrutschte.

c) Diese Haftung ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht nach Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. a und b Fahrgastrechte-VO ausgeschlossen:

aa) Ein solcher Haftungsausschluss folgt zunächst nicht aus Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. a Fahrgastrechte-VO. Danach ist der Beförderer von der Haftung befreit, soweit die Beschädigung aus der mit einem Mangel der Verpackung oder deren Fehlen verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist.

(1) Ein Mangel der Verpackung, hier des Fahrzeugs, liegt nicht vor. Dies wäre der Fall, wenn der Heckspoiler mangelhaft, etwa vorgeschädigt, am Fahrzeug des Klägers befestigt gewesen wäre. Für ihre dahingehende Behauptung ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts iSd. § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass der Heckspoiler der Fahrzeugs unmittelbar vor dem Abriss serienmäßig mangelfrei und ohne Vorschädigungen am Fahrzeug befestigt war. Der Sachverständige Dipl.-Ing. B, an dessen Qualifikation das Gericht aufgrund langjähriger Zusammenarbeit keine Zweifel hat, hat nachvollziehbar und überzeugend sowohl schriftlich ausgeführt als auch mündlich erläutert, dass Ursache des Abrisses des Heckspoilers allein die durch die Rückwärtsbewegung entstandene Windbelastung gewesen sei und keine Vorschädigung der Befestigung des Heckspoilers. Entgegen des Vortrags der Beklagten werde eine Luftanströmung rückwärts mit Geschwindigkeiten im Bereich von 100 km/h und höher bei der Fahrzeugentwicklung nicht geprüft. Als Folge des Rückwärtstransports von Kraftfahrzeugen auf den Einstockwagen des Autozugs und der dadurch erzeugten Strömungsbelastung seien im Fall einer ungünstigen Witterung unter Verstärkung der Fahrtwindbelastung Beschädigungen zwangsläufig. So sei es bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug gewesen: Art, Umfang, Verlauf und Verteilung der Beschädigungen an den begutachteten Befestigungspunkten des Heckspoilers, insbesondere die Bruchausbildungen über die Dicke des Kunststoffmaterials, wiesen auf eine Überlastung des Heckspoilers von hinten unten hin - dieses Schadensbild und das Ausweichen des Bauteils durch Drehung seien nur durch Windbelastung erklärlich. Die genaue Untersuchung des Schadensbildes der Befestigungspunkte lasse zudem erkennen, dass der Heckspoiler zum Zeitpunkt des Schadenseintritts vollständig und ordnungsgemäß befestigt gewesen sei; zudem seien ansonsten charakteristische Anzeichen von Dauerbrüchen und damit für Vorschädigungen nicht vorhanden, weshalb ein Mangel der Befestigung als Schadensursache auszuschließen sei. Damit ist ein Mangel der Verpackung, hier des Fahrzeugs, iSd. Anhangs I Art. 36 Abs. 3 Buchst. a Fahrgastrechte-VO als Schadensursache nicht festzustellen.

(2) Die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers ist auch nicht aus der mit dem Fehlen einer Verpackung verbundenen besonderen Gefahr entstanden. Bei einem wie hier vereinbarungsgemäß erfolgten Transport von Fahrzeugen auf offenen Eisenbahnwagen fehlt es zwar naturgemäß an einer Verpackung des Fahrzeugs. Dies wird von der Regelung in Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. a Fahrgastrechte-VO aber nicht umfasst. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass eine an sich vorgesehene Verpackung des Gutes entweder vollständig fehlt oder mangelhaft ist. Der hier vorliegende Fall, dass das Gut üblicherweise nicht verpackt wird und von einer fehlenden Verpackung deshalb keine besondere Gefahr ausgeht, fällt dagegen nicht in ihren Anwendungsbereich (BGH, Urteil vom 12.12.2013 - I ZR 65/13, juris Rn. 19 zu Art. 36 CIV).

bb) Ein solcher Haftungsausschluss folgt aber auch nicht aus Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. b Fahrgastrechte-VO. Danach ist der Beförderer von der Haftung befreit, soweit die Beschädigung aus der mit der natürlichen Beschaffenheit des Reisegepäcks verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist. Dies war hier ebenfalls nicht der Fall.

Der Bundesgerichtshof hat zu dem gleichlautenden Haftungsausschluss des Art. 36 § 3 Buchst. b CIV ausgeführt, dass Kraftfahrzeuge, die auf einem Autoreisezug befördert werden, regelmäßig keine Verpackung haben müssen, weil das Gefährdungspotential bei einem derartigen Transport nicht höher sei als bei einer Benutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr, weshalb dann auch keine besondere Gefahr aus der natürlichen Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs im Sinne von Art. 36 § 3 Buchst. b CIV gegeben sein könne (BGH aaO Rn. 20). Ähnlich liegt der Fall hier. Zwar wurde vorliegend, worauf die Beklagte im Ausgangspunkt zutreffend auch hinweist, das Fahrzeug rückwärts transportiert. Damit wurde das Fahrzeug gerade nicht so benutzt wie im Straßenverkehr - der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die rückwärtige Windanströmung bei Transportgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h und bei entsprechenden Witterungsverhältnissen 150-190 km/h betragen könne, worauf Pkw mit einer Serienausstattung üblicherweise nicht geprüft würden. Gerade die werksseitige konstruktive Ausgestaltung des Heckspoilers an dem Fahrzeug des Klägers sei für eine Rückwärtsanströmung ungünstig, weil dieser beim Rückwärtstransport eine tiefe "Tasche" bilde und keine Luftspalte aufweise, so dass Beschädigungen beim Rückwärtstransport und ungünstigen Witterungsverhältnissen zwangsläufig zu erwarten seien. Die serienmäßige konstruktive Ausführung und damit die "natürliche Beschaffenheit" des Fahrzeugs sind deshalb für einen solchen Transport bei ungünstigen Witterungsverhältnissen nicht geeignet. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt dies aber nicht, um die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses zu bejahen. Dieser setzt zudem voraus, dass die Beschädigung gerade aus der mit der natürlichen Beschaffenheit verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist. Dies war hier nicht der Fall. Die besondere Gefahr der Beschädigung folgt nämlich nicht aus der konstruktiven Beschaffenheit des Fahrzeugs des Klägers als solche, sondern aus der von den Mitarbeitern der Beklagten getroffenen Entscheidung, dieses Fahrzeug nicht vorwärts, sondern rückwärts zu transportieren. Erst diese Entscheidung hat die besondere Gefahr der Beschädigung bei einem Rückwärtstransport geschaffen. Die in Anhang I Art. 36 Abs. 3 Buchst. b Fahrgastrechte-VO vorausgesetzte Besonderheit der Schädigungsgefahr liegt deshalb nicht im Fahrzeug, sondern in der genannten Entscheidung der Mitarbeiter der Beklagten begründet. Dieser Fall wird von dem Haftungsausschluss aber nicht umfasst.

d) Gemäß Anhang I Artt. 47, 42 Abs. 1 Fahrgastrechte-VO hat die Beklagte dem Kläger ohne weiteren Schadenersatz eine Entschädigung zu zahlen, die der Wertminderung des Fahrzeugs entspricht. Die Wertminderung ist dabei mangels anderweitiger Anhaltspunkte unter Berücksichtigung erforderlicher Reparaturkosten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dies bedeutet, dass die vom Sachverständigen in seinem Gutachten ermittelten Reparaturkosten und übrigen Schäden den maßgeblichen Betrag ausmachen, da in diesem Umfang das Fahrzeug als wertmäßig gemindert anzusehen ist (so AG Dortmund, Urteil vom 30.03.2011 - 427 C 9900/07, juris Rn. 23 zu § 42 CIV, nicht beanstandet von BGH aaO). Der Kläger begehrt hier den Ersatz fiktiver Reparaturkosten auf Gutachtenbasis, weil die Reparatur bislang jedenfalls nicht vollständig durchgeführt worden ist. Diese Reparaturkosten, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne Umsatzsteuer, beziffert der Sachverständige auf 4.683,38 €. Zudem verbleibe auch im Fall einer Reparatur ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs in Höhe von 950,00 €. Das Gericht folgt dieser sachverständigen Beurteilung. Unter Berücksichtigung einer Reparaturdauer von vier Tagen errechnet sich zudem ein Nutzungsausfall von 476,00 €. Insgesamt ist die Wertminderung somit auf 6.109,38 € zu schätzen. Soweit in Nr. 17.5 der Tarifbedingungen der Beklagten die Haftung für Sachschäden gegenüber jedem Reisenden auf einen Höchstbetrag von 1.000 € beschränkt ist, ist diese Beschränkung im Anwendungsbereich der Fahrgastrechte-VO gemäß Art. 6 Fahrgastrechte-VO unwirksam.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des außergerichtlichen Schadengutachtens der XXX Ingenieurbüro XXX GmbH iHv. 757,44 € gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB sowie auf Erstattung seiner vorgerichtlichen, nicht auf die Kosten des Rechtsstreits anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 337,07 €.

a) Der Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Entschädigung gemäß Anhang I Artt. 47, 42 Abs. 1 Fahrgastrechte-VO "ohne weiteren Schadenersatz" zu zahlen ist. Der Ersatzanspruch nach Anhang I Artt. 47, 36, 42 Abs. 1 Fahrgastrechte-VO schließt nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 11 Fahrgastrechte-VO weitergehende Ersatzansprüche aus nationalem Recht nicht aus.

b) Die Kosten des außergerichtlichen Schadengutachtens der XXX Ingenieurbüro XXX GmbH stellen einen Verzögerungsschaden des Klägers dar. Mit Schreiben vom 28.10.2015 (Anlage K3, Blatt 19 der Akte) lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens ernsthaft und endgültig ab, sie befand sich seitdem gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug. Daraufhin durfte der Kläger davon ausgehen, dass er seinen Schadensersatzanspruch streitig werde durchsetzen müssen, und hierzu ein Schadengutachten beauftragen. Gleiches gilt für die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung seines Schadensersatzanspruchs, weshalb auch die vorgerichtlichen, nicht auf die Kosten des Rechtsstreits anrechenbaren Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen sind. Aufgrund des Umstands, dass der Kläger aber nur einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.109,38 € hat, errechnen sich diese ausgehend von einem entsprechenden Gegenstandswert auf 337,07 €.

3. Ob der Kläger gegen die Beklagte auch vertragliche oder deliktische Ansprüche hat, bedarf keiner Entscheidung. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, ob die Tarifbestimmungen "Sylt Shuttle-Tarif" wirksamer Vertragsbestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Beförderungsvertrags geworden sind. Rechtsfolge sämtlicher in Betracht kommenden Ansprüche wäre nach § 249 BGB nämlich der Ersatz des Schadens, den der Kläger bereits gemäß Art. 11, Anhang I Artt. 36, 42 und 47 Fahrgastrechte-VO beanspruchen kann.

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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