OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2020 - OVG 3 B 38.19
Fundstelle
openJur 2020, 74031
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, begehren ein Visum zur Familienzusammenführung mit ihrem im Bundesgebiet lebenden Sohn bzw. Bruder K. A. Bei den 1959 und 1973 geborenen Klägern zu 1) und zu 2) handelt es sich um die Eltern, bei dem 2006 geborenen Kläger zu 3) um den Bruder des K. A. Der am 1. Januar 2001 in Syrien geborene K. A. reiste im Oktober 2015 gemeinsam mit seinem später zum Vormund bestellten Onkel in das Bundesgebiet ein und beantragte am 18. März 2016 Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkannte ihm mit Bescheid vom 14. September 2016 den subsidiären Schutzstatus zu. Die Beigeladene erteilte K. A. eine ab dem 2. Mai 2017 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative AufenthG, die jeweils verlängert wurde.

Anfang November 2018 beantragten die Kläger bei dem Generalkonsulat der Beklagten in Erbil Visa zur Familienzusammenführung mit dem im Bundesgebiet lebenden Sohn bzw. Bruder K. A. Der Kläger zu 1) habe in Hasaka im Staatsdienst gearbeitet; der älteste Sohn der Kläger zu 1) und 2) befinde sich im Masterstudiengang an der Universität Damaskus, zwei weitere Kinder absolvierten dort ihren Bachelor in Medizin bzw. Zahnmedizin. Die Kläger seien aufgrund der Konflikte zwischen den kurdischen Milizen und der syrischen Armee aus Hasaka geflohen. Der jetzt im Bundesgebiet lebende K. A. und der Kläger zu 3) hätten ihren Schulbesuch nicht fortsetzen können. Deshalb sei K. A. seinem Onkel anvertraut worden, um ihm in Deutschland eine bessere berufliche Zukunft zu ermöglichen. Die Kläger zu 1) und 2) hätten ihn nicht begleitet, weil die anderen Söhne ihr Universitätsstudium fortgesetzt hätten. Seit der Flucht des Sohnes K. A. lebten sie in ihrem Haus in Hasaka; die drei studierenden Söhne wollten Syrien wegen des Studiums nicht verlassen. Ihr eigenes Leben werde in Syrien nicht ernsthaft bedroht. Der im Bundesgebiet lebende Sohn, um den sie sich sehr sorgten, benötige jedoch den Beistand seiner Eltern. Nachdem die Beigeladene ihre Zustimmung versagt hatte, lehnte das Generalkonsulat die Anträge auf Erteilung von Visa mit Bescheiden vom 18. Dezember 2018 ab. Die zuständige Ausländerbehörde habe die erforderliche Zustimmung im Hinblick auf die bevorstehende Volljährigkeit des im Bundesgebiet lebenden K. A. versagt.

Mit ihrer am 22. Januar 2019 erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt und im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Versagung der Visa gegen Unionsrecht verstoße. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2019 abgewiesen und einen Anspruch der Kläger zu 1) und 2) gemäß § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG mit der Begründung verneint, dass der im Bundesgebiet lebende K. A. bereits volljährig sei. Weitere Ansprüche seien nicht ersichtlich. Damit habe auch die Klage des Klägers zu 3) keinen Erfolg.

Mit ihrer von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung machen die Kläger im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geltend, dass der Anspruch der Kläger zu 1) und zu 2) auf Familienzusammenführung trotz der Volljährigkeit ihres Sohnes fortbestehe. Insoweit könne für subsidiär Schutzberechtigte nichts anderes gelten als für Flüchtlinge. Den Klägern könne weder die Dauer des Asylverfahrens noch die Dauer des Visumverfahrens zugerechnet werden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juni 2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Erbil vom 18. Dezember 2018 zu verpflichten, ihnen Visa zum Familiennachzug zu ihrem im Bundesgebiet lebenden Sohn bzw. Bruder zu erteilen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind.

Gründe

Der Senat kann über die Berufung der Kläger gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil zutreffend entschieden, dass die Versagung der begehrten Visa zum Familiennachzug durch die Beklagte rechtmäßig ist, weil die Kläger darauf keinen Anspruch haben, § 113 Abs. 5 VwGO.

Gemäß § 6 Abs. 3, § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG kann den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative AufenthG besitzt, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der im Bundesgebiet lebende Sohn der Kläger zu 1) und zu 2) ist nicht mehr minderjährig, denn er hat am 1. Januar 2019 vor der Klageerhebung das 18. Lebensjahr vollendet.

Bei einem verwaltungsgerichtlichen Streit um die Erteilung eines Visums nach § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG richtet sich die Beantwortung der Frage, ob ein Ausländer im Sinne dieser Vorschrift minderjährig ist, nach dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zwar ist der Wortlaut der Regelung insoweit offen und lässt grundsätzlich verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu. Der Sinn und Zweck der Vorschrift und ihr systematischer Zusammenhang ergeben jedoch, dass der im Ermessen der Beklagten stehende Anspruch der Eltern auf Nachzug zu ihrem im Bundesgebiet lebenden - subsidiär schutzberechtigten - Kind untergeht, wenn das bei der Visum-Antragstellung noch minderjährige Kind im Laufe des Verwaltungsverfahrens oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens volljährig wird. Insofern gilt hier anderes als beim Nachzug der Eltern zu einem minderjährigen Kind gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG, dem im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2019 - OVG 3 B 1.19 - juris; den Nachzugsanspruch gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG hingegen ebenfalls verneinend BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9/12 - juris Rn. 17; vgl. ferner die EuGH-Vorlage des BVerwG, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 C 9/19 - juris).

Der Sinn und Zweck des durch das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten vom 12. Juli 2018 (BGBl I S. 1147) eingeführten § 36a AufenthG gebietet, dass ein Nachzug der Eltern zu ihrem bereits im Bundesgebiet lebenden Kind nur so lange zu gewähren ist, wie deren Sorgerecht besteht und das Kind daher des Beistandes seiner personensorgeberechtigten Eltern bedarf. Die Regelung dient nicht eigenständigen Interessen der Eltern am Zusammenleben mit dem volljährig gewordenen Kind, sondern soll ein minderjähriges Kind schützen, wenn sich noch kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Dies verdeutlicht auch der Wille des Gesetzgebers, die Vorschrift auf den Schutz der Kernfamilie zu beschränken (vgl. BT-Drs. 19/2438, S. 22), zu der volljährige Kinder grundsätzlich nicht mehr zählen. Ferner war beabsichtigt, mit der besonderen Ausgestaltung des § 36a AufenthG den Anreiz, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls auf die gefährliche Reise in die Bundesrepublik Deutschland vorgeschickt werden, weiter zu reduzieren (vgl. BT-Drs. 19/2438, S. 3 und S. 15). Diesem Ziel widerspricht es, wenn der Anspruch der Eltern auf ermessensfehlerfreie Entscheidung trotz der Volljährigkeit ihres Kindes fortbesteht.

Ferner zeigt der systematische Zusammenhang mit anderen aufenthaltsrechtlichen Regelungen, dass die vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung erreichte Volljährigkeit einem Elternnachzug gemäß § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegensteht. Die Argumente, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 36 Abs. 1 AufenthG entwickelt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9/12 - juris), lassen sich insoweit unabhängig von der Frage, ob sie beim Elternnachzug zu Flüchtlingen weiterhin Bestand haben können, auf den Elternnachzug zu subsidiär schutzberechtigten Kindern gemäß § 36a AufenthG übertragen.

Ist das Kind bereits vor der Einreise der Eltern volljährig geworden, können diese nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet keine "reguläre" Aufenthaltserlaubnis (mehr) erlangen, weil weder § 36a AufenthG noch eine sonstige Vorschrift ein von dem Aufenthaltsrecht des Kindes unabhängiges Aufenthaltsrecht der Eltern normiert. Ein derartiges Aufenthaltsrecht ist lediglich unter ganz besonderen - restriktiven - Umständen wie z. B. nach § 22 Satz 1 AufenthG oder nach § 36 Abs. 2 AufenthG möglich und verlangt neben der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen entweder das Vorliegen völkerrechtlicher oder dringender humanitärer Gründe oder einer außergewöhnlichen Härte. Je nach der Situation im Herkunftsland der Eltern dürfte allenfalls ein humanitäres Bleiberecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen eines Abschiebungshindernisses in Betracht kommen, das jedoch bereits einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt und in der Regel zunächst die Erteilung von Duldungen gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG erfordert. Auf die Möglichkeit der Eltern, im Bundesgebiet einen Asylantrag zu stellen, kommt es aufenthaltsrechtlich nicht an (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - OVG 3 S 98.16 - juris Rn. 6 ff.).

Diesem Ergebnis steht höherrangiges Recht nicht entgegen. Dies gilt zunächst in Bezug auf Unionsrecht. Die Kläger zu 1) und 2) können sich insbesondere nicht auf die zu Art. 10 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berufen, die allein den Elternnachzug zu minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen betrifft (vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - juris). Die Familienzusammenführungsrichtlinie ist ungeachtet kritischer Stimmen im Schrifttum (vgl. z. B. Bast, in: ZAR 2018, 42, 45) auf den Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen zu einem subsidiär Schutzberechtigten gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. c) nicht anwendbar (so ausdrücklich EuGH, Urteil vom 13. März 2019 - C-635/17 - juris Rn. 33 f.; Urteil vom 7. November 2018 - C-380/17 - juris Rn. 33). Unabhängig davon lassen sich subsidiär Schutzberechtigte wegen der Definition in Art. 2 lit. b) nicht als Flüchtling im Sinne von Art. 10 Abs. 3 lit. a) der Familienzusammenführungsrichtlinie ansehen.

Angesichts dieser eindeutigen unionsrechtlichen Regelung zu Lasten subsidiär Schutzberechtigter können die Kläger auch nichts zu ihren Gunsten daraus ableiten, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Zuerkennung subsidiären Schutzes unter den einheitlichen unionsrechtlichen Status des internationalen Schutzes fallen (vgl. Art. 2 lit. a) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - Qualifikationsrichtlinie). Beide Schutzformen stimmen trotz einer bereits zum Teil erfolgten (vgl. z. B. Art. 20 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie) und einer weiterhin angestrebten Angleichung nicht vollständig überein und sind dementsprechend in den unionsrechtlichen Vorschriften zum Aufenthalts- und Asylrecht unterschiedlich ausgestaltet (vgl. neben dem bereits genannten Art. 3 Abs. 2 lit. c) der Familienzusammenführungsrichtlinie z. B. auch Art. 24 und Art. 25 der Qualifikationsrichtlinie).

Die in Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Aufrechterhaltung des Familienverbandes, die für alle international Schutzberechtigten gilt, greift hier nicht ein. Sie erfordert, wie die Definition des Familienangehörigen in Art. 2 lit j) der Qualifikationsrichtlinie zeigt, dass sich die Familienmitglieder bereits im Mitgliedstaat befinden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - OVG 3 S 106.16 - juris Rn. 10). Gemessen daran lässt sich auch aus den Erwägungsgründen 18 und 19 der Qualifikationsrichtlinie, die eine Berücksichtigung des Kindeswohls und eine Erweiterung des Begriffs der Familienangehörigen fordern, sowie aus Art. 20 Abs. 5 der Qualifikationsrichtlinie, der sich nur auf die Umsetzung der Richtlinie bezieht, nichts Gegenteiliges ableiten (nicht zu folgen daher Kupffer, in: JAmt 2019, 547, 550).

Es bedarf schließlich aufgrund der unterschiedlichen nationalen Regelungen für den Elternnachzug zu Flüchtlingen und zu subsidiär Schutzberechtigten in § 36 Abs. 1 und § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch keiner Klärung durch den EuGH, wie der Begriff der Minderjährigkeit in § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu verstehen ist. Der EuGH wäre nur dann zuständig, wenn sich der deutsche Gesetzgeber - aus freien Stücken - in § 36a AufenthG an Art. 10 Abs. 3 lit. a) der Familienzusammenführungsrichtlinie orientiert hätte (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 7. November 2018 - C-380/17 - juris Rn. 34 f.). Das ist jedoch ganz offensichtlich nicht der Fall.

Nach alledem besteht in Bezug auf die Familienzusammenführung von Eltern mit subsidiär schutzberechtigten Kindern unionsrechtlich ein Spielraum der Mitgliedstaaten, den der Deutsche Bundestag mit der Normierung des § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht überschritten hat.

Schließlich widerspricht es weder menschenrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Vorgaben, den Elternnachzug im Sinne von § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu versagen, wenn das bereits im Bundesgebiet lebende Kind während des Verwaltungsverfahrens oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens volljährig geworden ist (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - 2 BvR 1758/17- juris Rn. 16, wonach das Erlöschen des Anspruchs auf Elternnachzug nach § 36 Abs. 1 AufenthG verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden ist).

Zwar schützen sowohl Art. 8 Abs. 1 EMRK als auch Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur die Kernfamilie (so aber Kluth, in: ZAR 2018, 375, 376), sondern auch die Beziehungen zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2005 - 1 BvR 817/05 - juris Rn. 15). Da sich ein individueller Anspruch auf Familiennachzug im Bundesgebiet aber weder unmittelbar aus Art. 8 Abs. 1 EMRK noch aus Art. 6 Abs. 1 GG ableiten lässt (vgl. nur EGMR, Urteil vom 23. Februar 2016 - 68453/13 - NVwZ-RR 2017, 938 Rn. 79; BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - juris Rn. 96; dazu auch Nußberger, in: NVwZ 2013, 1305, 1310), obliegt die konkrete Ausgestaltung der den Nachzug regelnden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften allein dem Gesetzgeber. Er durfte den Nachzug der Eltern zu ihrem volljährig gewordenen Kind in § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG jedenfalls deshalb ausschließen, weil für diesen Personenkreis bei besonderer Schutzbedürftigkeit aufgrund weiterer Regelungen ein Familiennachzug - wenn auch nur in Ausnahmefällen - möglich bleibt. So eröffnen insbesondere § 36 Abs. 2 und § 22 Satz 1 AufenthG in bestimmten (Härte-)Fällen eine Familienzusammenführung zwischen den Eltern und einem volljährigen Kind. Auch der Gesetzgeber hat in § 36a Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausdrücklich festgestellt, dass die §§ 22, 23 AufenthG unberührt bleiben. Dies genügt den verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben, wonach das von dem Gesetzgeber verfolgte öffentliche Interesse an der Steuerung und Begrenzung des Familiennachzugs zu der hohen Zahl der im Bundesgebiet lebenden subsidiär Schutzberechtigten und das private Interesse dieses Personenkreises an einem Familienleben im Bundesgebiet zum Ausgleich gebracht werden müssen. Hierbei ist vor allem auch zu berücksichtigen, dass die Beziehungen zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern regelmäßig weniger schutzbedürftig sind als die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Kernfamilie (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 1 B 26/19 - juris Rn. 13). Aspekte des Kindeswohls sind hier regelmäßig nicht mehr ausschlaggebend.

In der fehlenden gesetzlichen Gleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigen in § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG und Flüchtlingen in § 36 Abs. 1 AufenthG liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sich § 36a Abs.1 Satz 2 AufenthG innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraumes hält und sachlich gerechtfertigt ist. Nichts anderes gilt, wenn man § 36 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 10 Abs. 3 lit. a) der Familienzusammenführungsrichtlinie zutreffend dahingehend auslegt, dass ein Elternnachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden Flüchtling nicht versagt werden darf, obwohl dieser während des Visumverfahrens oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens volljährig geworden ist. Der aufenthaltsrechtliche Status subsidiär Schutzberechtigter, der sich unionsrechtlich von dem Status eines Flüchtlings unterscheidet, verlangt auch verfassungsrechtlich keine vollständige Anpassung an den aufenthaltsrechtlichen Status von Flüchtlingen. Der Aufenthalt eines subsidiär Schutzberechtigten im Bundesgebiet ist prinzipiell von dem weiteren Bestand der Notsituation im Herkunftsstaat abhängig. Dem Status eines subsidiär Schutzberechtigten kommt daher - anders als dem Status eines Konventionsflüchtlings - von seiner Konzeption her eine gewisse Vorläufigkeit zu (so auch Hailbronner, Aufenthaltsrecht, Kommentar, § 36a Rn. 13 und 15).

Art. 3 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der UN-Kinderrechtskonvention verhilft der Berufung der Kläger ebenso wenig zum Erfolg. Ein unmittelbarer Rechtsanspruch lässt sich diesen Regelungen ohnehin nicht entnehmen, denn die konkrete Ausgestaltung des Familiennachzugs obliegt, wenn sie nicht unionsrechtlich determiniert ist, dem nationalen Gesetzgeber (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 16/12 - juris Rn. 24). Soweit das Kindeswohl angemessen berücksichtigt werden muss, ist dies hier geschehen, weil der Anspruch auf Elternnachzug erst mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes erlischt.

Der hier vertretenen Auslegung steht schließlich nicht entgegen, dass die nachzugswilligen Eltern den Verlust ihres Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung aus § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht steuern können, weil die Dauer des Visumverfahrens und eines sich ggf. daran anschließenden Verwaltungsstreitverfahrens in der Regel ihrem Einfluss entzogen ist. Der nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Rechtsschutz kann bei drohendem Zeitablauf wegen bevorstehender Volljährigkeit - ähnlich wie im Fall des § 36 Abs. 1 AufenthG als Folge des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. April 2013 (- 10 C 9/12 - juris) - zwar nicht durch Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO, wohl aber im Wege einstweiliger Anordnung gemäß § 123 VwGO erreicht werden. Dass § 36a AufenthG als Ermessensvorschrift ausgestaltet ist, dürfte der wirksamen Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nicht im Wege stehen. Eine ermessensfehlerhafte Versagung des Visums kann bei dem drohenden Verlust des Rechts aus § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG im Einzelfall nicht nur zu einer Verpflichtung zur Neubescheidung, sondern auch zur - vorläufigen - Verpflichtung, das begehrte Visum zu erteilen, führen, wenn sich allein auf diese Weise der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sichern lässt (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 22. Dezember 2000 - 13 S 2540/99 - juris Rn. 5 f.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 159 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 123 Rn. 50). Zudem kann das bei der Minderjährigkeit zu berücksichtigende Kindeswohl (vgl. auch § 36a Abs. 2 Satz 3 AufenthG) eine Ermessensreduzierung zur Folge haben.

Soweit sich das vorläufige Rechtsschutzverfahren im Einzelfall mit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierigen Fragen konfrontiert sieht (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Juli 2016 - OVG 3 B 18.15 - juris Rn. 22), ist dies bei der von dem Gericht vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Ferner steht es Art. 19 Abs. 4 GG nicht entgegen, dass durch den Verweis auf Eilrechtsschutz eine höchstrichterliche Klärung bedeutsamer Rechtsfragen erschwert wird. Eine divergierende Rechtsprechung ist aufgrund der alleinigen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Berlin und des OVG Berlin-Brandenburg in Visumverfahren kaum zu erwarten.

Die Voraussetzungen der §§ 22 Satz 1, 36 Abs. 2 AufenthG liegen hier offensichtlich nicht vor. Insoweit haben die Kläger auch im Berufungsverfahren keine Gründe vorgetragen, die die Annahme dringender völkerrechtlicher oder humanitärer Gründe bzw. einer außergewöhnlichen Härte rechtfertigen. Sie haben vielmehr angegeben, dass ihnen in Syrien keine Gefahr für Leib oder Leben droht und dass ihre erwachsenen Söhne dort bleiben möchten, um ihr Studium fortzusetzen. Der im Bundesgebiet lebende volljährige Sohn K. A., der in Begleitung eines Onkels in das Bundesgebiet gekommen ist, kann hier ein eigenständiges Leben führen und ist nicht zwingend auf die Unterstützung durch seine Eltern angewiesen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9/12 - juris Rn. 23).

Steht den Klägern zu 1) und zu 2) kein Anspruch auf Familiennachzug zu, kann auch der Kläger zu 3) als ihr minderjähriger Sohn kein derartiges Visum beanspruchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage zu, ob der Anspruch der Eltern auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 36a Abs. 1 Satz 2 AufenthG untergeht, wenn das im Bundesgebiet lebende, subsidiär schutzberechtigte Kind zwar noch nicht bei der Beantragung des Visums durch die Eltern, jedoch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung volljährig ist.

BeschlussDer Wert des Verfahrensgegenstandes wird für die zweite Rechtsstufe auf 15.000 Euro festgesetzt.