LG Hamburg, Urteil vom 25.06.2020 - 327 O 445/19
Fundstelle
openJur 2020, 74022
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an ihrem jeweiligen Geschäftsführer (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000.-; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs damit zu werben, Versicherungsnehmer/innen in Versicherungsangelegenheiten unabhängig zu beraten, solange keine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsberater erteilt wurde, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen KJR 11, 12, 13 dargelegt wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Unterlassung werblicher Angaben.

Die Klägerin ist als Versicherungsmakler tätig und berät Kunden bundesweit im Versicherungsbereich. Sie verfügt über eine Gewerbeerlaubnis nach § 34d Abs. 1 Ziff. 2 GewO und ist in das Vermittlungsregister nach § 11a GewO als Versicherungsmakler eingetragen (Anlage KJR 1).

Die Beklagte ist eine GbR bestehend aus H. und D. K. H. K. verfügt über gewerbsrechtliche Zulassungen als Versicherungsvertreter nach § 34d Abs. 1 GewO (Anlage KJR 2) und Finanzanlagenvermittler nach § 34f Abs. 1 GewO (Anlage KJR 3) und als Immobiliendarlehensvermittler nach § 34i Abs. 1 GewO (Anlage KJR 4). D. K. verfügt über gewerbsrechtliche Zulassungen als Versicherungsvertreter nach § 34d Absatz 1 GewO (Anlage KJR 5), als Finanzanlagenvermittler nach § 34f Abs. 1 GewO (Anlage KJR 6) und als Immobiliendarlehensvermittler nach § 34i GewO (Anlage KJR 7). Die Beklagte selbst hat keine Erlaubnis als Versicherungsberaterin oder Finanzanlageberaterin.

Die Klägerin wendet sich gegen die Angaben „Finanzberater“ (vgl. Anlagen KJR 8, 9, 11) und „unabhängige Beratung“ (vgl. Anlagen KJR 11, 12, 13) im Internetauftritt der Beklagten als Wettbewerbsrechtsverletzung.

Die Klägerin ließ die Beklagte deswegen und wegen weiterer Verhaltensweisen mit Schreiben vom 22.10.2019 abmahnen (Anlage KJR 15). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 30.10.2019, gab eine - die hier gegenständlichen Äußerungen nicht erfassende - Teilunterlassungsverpflichtungserklärung ab und beglich alle Kosten (Anlage K 16).

Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin die erfolglos abgemahnten Ansprüche weiter.

Sie behauptet, die Verwendung der Begriffe Finanzberater und unabhängige Beratung durch die Beklagte sei irreführend, da die Gesellschafter der Beklagten als Versicherungsvertreter (§ 34d Abs. 1, 1 Alt. 2 GewO) - anders als ein Versicherungsmakler - „im Lager“ der Versicherer stehen würden, denn die Zurechnung des Verhaltens des Vertreters zur Versicherung erfolge über §§ 164 BGB, 278 BGB. Mehrfach-Vertreter könnten zwar für verschiedene Versicherungen tätig sein. Anders der Versicherungsberater (§ 34d Abs. 2 GewO), der seine Vergütung nicht vom Versicherer, sondern vom Versicherungsnehmer als Beratungshonorar erhalte. Die Begriffe dürften nicht vermischt werden. Darüber hinaus erwecke der Begriff des „Beraters“ den falschen Eindruck einer Honorartätigkeit im Lager des Verbrauchers. Deshalb sei auch der Begriff „unabhängig“ irreführend, wenn die Beklagte als Vertreterin im Lager der Versicherungen stehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) als Finanzberater ohne Erlaubnis nach § 34h GewO aufzutreten, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen KJR 8, 9, 11 dargelegt wurde;

und/oder

b) damit zu werben, Versicherungsnehmer/innen in Versicherungsangelegenheiten unabhängig zu beraten, solange keine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsberater erteilt wurde, wenn dies geschieht, wie in den Anlagen KJR 11, 12, 13 dargelegt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezweifelt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, jedenfalls für den Antrag zu a). In der Sache meint sie, dass der Begriff „Finanzberater“ gesetzlich weder definiert noch dem Honorar-Finanzanlagenberater vorbehalten sei. Nach dem Duden sei ein Finanzberater ein Berater oder Vertreter in finanziellen Angelegenheiten. Im Finanzdienstleistungsbereich träten unter diesem Begriff die unterschiedlichsten Marktteilnehmer auf (vgl. Anlage B 3). Die Beklagte sei auch unabhängig, da sie - dies ist unstreitig - Mehrfachagentin mit einer Vielzahl von Versicherern und Finanzanbietern sei und zwischen diesen frei wählen könne. Keine dieser Versicherungen sei an der Beklagten beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2020 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet (1.) und unterlag im Übrigen der Abweisung (2.).

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG liegen vor, soweit die Beklagte damit wirbt, Versicherungsnehmer/innen in Versicherungsangelegenheiten unabhängig zu beraten (Klagantrag 1 b.).

Die Klägerin ist gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG als Mitbewerber der Beklagten aktivlegitimiert. Die Einstufung von Unternehmen als „Mitbewerber” beruht definitionsgemäß auf der Substituierbarkeit der Waren oder Dienstleistungen, die sie auf dem Markt anbieten (EuGH GRUR 2007, 511 Rn. 28 - De Landtsheer). Ein gewisser Grad der Substitution zwischen Waren oder Dienstleistungen kann insbesondere dann angenommen werden, wenn diese in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können. Diese Voraussetzungen sind hier ohne weiteres erfüllt. Beide Parteien beraten Kunden im Versicherungsbereich.

Gegenstand des Klageantrags 1b.) ist das Verbot, sich unter Bezugnahme auf die konkreten Darstellungen im Internet (Webseite, Facebook, Google) als unabhängig zu bezeichnen, weil hierdurch der falsche Eindruck erweckt werde - so die Klägerin zum Klagegrund - dass die Beklagte rechtlich im Lager des Kunden tätig sei, während sie als Mehrfachagentin tatsächlich im rechtlichen Lager des Versicherers stehe.

Die in Rede stehenden Äußerungen sind geeignet, Verbraucher über die Eigenschaften des Unternehmens zu täuschen. Die Angaben „unabhängiger Versicherungsagent“, „unabhängige Spezialisten“ und „unabhängige Vermittler“ sind irreführend, da dadurch eine rechtliche Unabhängigkeit suggeriert wird, die in Versicherungsangelegenheiten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. „Unabhängig“ bedeutet aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, zu dem auch die Mitglieder der Kammer gehören, dass der Vermittler allein dem Versicherungsnehmer gegenüber vertraglich verpflichtet ist und in dessen Interesse rechtlich unabhängig tätig werden kann. Diese Erwartung wird jedoch enttäuscht, wenn - wie hier - der Vermittler vom Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen beauftragt ist und für die Versicherung tätig wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vermittler von einer oder 100 Versicherungen beauftragt worden ist, denn er steht bei Abschluss des Versicherungsvertrags, für den sich der Versicherungsnehmer am Ende entscheidet, im Lager der Versicherung.

2. Soweit sich die Klägerin gegen die Verwendung des Begriffs „Finanzberater“ wendet, ist die Klage dagegen unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere liegt keine Irreführung vor.

Der Durchschnittsverbraucher versteht unter einem Finanzberater nach dem Wortlaut eine Person, die in Finanzangelegenheiten eine Beratung vornimmt. Unter diesen weit zu verstehenden Begriff fällt auch die Beklagte, die im Versicherungsbereich bei der Auswahl der Versicherung ihre Kunden berät.

Dafür, dass der angesprochene Verkehr wegen der Berufsbezeichnungen in § 34h GewO (Honorar-Finanzanlagenberater) und § 34d (Versicherungsvermittler/Versicherungsberater) diesen Begriff einschränkend auslegt und mit bestimmten Erwartungen verbindet, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. So gibt es nach dem Sprachgebrauch diverse Berufsbezeichnungen, die unter den Begriff Finanzberater fallen können, wozu u. a. Versicherungsvertreter und Immobiliendarlehensvermittler zählen (vgl. auch Wikipedia, Stichwort: Finanzberater). Auch die von der Beklagtenseite als Anlage B 3 vorgelegten Auszüge aus dem Internet sprechen dafür, dass der Begriff Finanzberater praktisch uferlos verwendet wird. Insofern ist nicht ersichtlich, dass der Verkehr einer Fehlvorstellung unterliegt, wenn sich die Beklagte als Finanzberaterin bezeichnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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