VG Gießen, Urteil vom 06.04.2011 - 8 K 41/11.GI
Fundstelle
openJur 2020, 73938
  • Rkr:

Fortführung der Rechtsprechung zur Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband (VG Gießen, U.v. 16.12.2010 - 8 K 68/09.GI -, juris und U. v. 28.04.2010 - 8 K 1712/09.GI -, juris).

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 15.04.2009 (WBV-RE-2009/5294) wird hinsichtlich des "Kopfanteils pro Mitglied Umlage 2010" in Höhe von 595,-- EUR aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 20.04.2009 (WBV-RE-2009/5491) wird hinsichtlich des "Ha-Anteil 2010 je Fläche" in Höhe von 1.068,74 EUR und hinsichtlich des "Ha-Anteil 2011 je Fläche" in Höhe von 1.469,51 EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 35 % und der Beklagten 65 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der verstorbene Ehemann der Klägerin betrieb eine Landwirtschaft. Die Klägerin ist seine Rechtsnachfolgerin. Sie wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Verbandsbeiträgen durch den Beklagten.

Der Ehemann der Klägerin unterzeichnete eine "Eintrittserklärung" (ohne Datum), die an den "Lahn-Dill-Kreis vertreten durch den Wasser- und Bodenverband Lahn-Dill und Umgebung" adressiert war. Diese Erklärung hat folgenden Wortlaut: " Hiermit trete ich mit meinem Betrieb dem Wasser- und Bodenverband zum 01.01.96 bei. Meine derzeitige landwirtschaftliche Fläche beläuft sich auf --- ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Ich werde bei der Satzungsfindung mitwirken. Meine Rechte und Pflichten entnehme ich der zum 01.01.96 in Kraft tretenden Satzung".

Der Beklagte wurde im Jahre 1996 errichtet. Der Maschinenring Lahn-Dill/ Gießen e.V. wandte sich mit Schreiben vom 11.01.1996 an den Landrat des Lahn-Dill-Kreises und beantragte "die Genehmigung zur Gründung eines Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill u.U." Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises erläuterte mit Schreiben vom 30.01.1996, welche Unterlagen der Aufsichtsbehörde vorzulegen seien, um ein Verfahren zur Errichtung eines Wasser- und Bodenverbandes einzuleiten. Der Maschinenring Lahn-Dill/ Gießen antwortete mit einem Schreiben, welches das Datum des "11.02.1995" trägt und mit dem - so der Inhalt des Schreibens - ein Plan des Unternehmens sowie eine Liste derjenigen Mitglieder vorgelegt wurde, die dem zu gründenden Verband beitreten wollten.

Mit Schreiben vom 22.04.1996 beauftragte der Landrat des Lahn-Dill-Kreises die Wetzlarer Neue Zeitung und die Dill-Zeitung mit dem Abdruck seiner öffentlichen Bekanntmachung vom selben Tage über die beantragte Errichtung eines Wasser- und Bodenverbandes in allen im Lahn-Dill-Kreis erscheinenden Ausgaben. Unter dem Datum des 07.05.1996 lud die Aufsichtsbehörde im Wege der öffentlichen Bekanntmachung zur Gründungsverhandlung am 24.05.1996 ein. Die Bekanntmachung hatte folgenden einleitenden Text: "Die Beteiligten bei der Errichtung des Wasser- und Bodenverbands Lahn-Dill werden hiermit zur Gründungsverhandlung (Zeit und Ort) eingeladen." Die Bekanntmachung wurde am 09.05.1996 in der Wetzlarer Neuen Zeitung, der Dill-Zeitung und der Dill-Post veröffentlicht. Des Weiteren wurden unter dem Datum des 07.05.1996 alle Personen angeschrieben, die auf einer Liste des Maschinenrings vom 07.05. (ohne Jahresangabe) verzeichnet waren. Auf dieser Liste war auch der Name des Ehemanns der Klägerin aufgeführt. Das Schreiben hatte (auszugsweise) folgenden Wortlaut:"...nach den hier eingereichten Unterlagen haben Sie Antrag auf Mitgliedschaft in dem zu gründenden Wasser- und Bodenverband Lahn-Dill gestellt und sind somit Beteiligter im Sinne des Wasserverbandsgesetzes."

Nachweise über einen Versand des Schreibens oder über einen Zugang bei den Empfängern sind nicht vorhanden.

Die Gründungsverhandlung wurde durchgeführt und deren Ablauf protokolliert. Der Ehemann der Klägerin ist nicht als Teilnehmer der Gründungsverhandlung verzeichnet. Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises genehmigte die auf der Gründungsverhandlung beschlossene Satzung, die im Staatsanzeiger Nr. 24/1996, S. 1866 ff. veröffentlicht wurde.

Nach § 2 dieser Satzung wurden folgende Aufgaben des Beklagten festgelegt:

"1. Ausbau einschließlich naturnahem Rückbau und Unterhaltung von Gewässern,

2. Bau und Unterhaltung von Anlagen in und an Gewässern,

3. Herstellung und Unterhaltung von ländlichen Wegen und Straßen,

4. Herstellung, Betrieb und Unterhaltung von Gemeinschaftsanlagen im Rahmen von Flurbereinigungsmaßnahmen und der Dorferneuerung,

5. Beschaffung, Betrieb und Unterhaltung von Maschinen zur überbetrieblichen Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen der Verbandsmitglieder,

6. Verbesserung landwirtschaftlicher sowie sonstiger Flächen einschließlich der Regelung des Bodenwasser- und Bodenluftverbandes,

7. Herstellung und Betrieb von Anlagen zur Be- und Entwässerung,

8. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft und Beratung zur Fortentwicklung von Gewässer-, Boden- und Naturschutz,

9. Vermittlung des überbetrieblichen Arbeitskräfte- und Maschineneinsatzes von und an Mitglieder zur Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und zur Landschaftspflege,

10. Herrichtung und Erhaltung von Flächen, Anlagen und Gewässern zum Schutz des Naturhaushaltes und des Bodens in Form von Landschaftspflege- und Kommunalarbeiten durch den Verband oder seine Mitglieder,

11. Betrieb von Kompostierungsanlagen und Verwertung von Bioabfällen und kommunalen Klärschlämmen sowie die Wiederverwertung von organischen Reststoffen im Zusammenhang mit der Durchführung von Verbandsaufgaben,

12. Ausbringung von Bioabfall-Komposten und Klärschlämmen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen,

13. Organisation/Durchführung gemeinschaftlicher Transporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Betriebsmitteln, Komposten und Klärschlämmen,

14. Organisation der Vermittlung landwirtschaftlicher Betriebsmittel an Mitglieder,

15. Förderung und Überwachung der vorstehenden Aufgaben."

Nach § 3 dieser Satzung waren Mitglieder des Verbandes "die jeweiligen Berechtigten der im Mitgliederverzeichnis aufgeführten Grundstücke und Anlagen (dingliche Verbandsmitglieder), Personen, denen der Verband im Rahmen seiner Aufgaben Pflichten abnimmt oder erleichtert, Körperschaften des öffentlichen Rechts, andere Personen, wenn die nach Landesrecht zuständige Behörde sie zulässt."

Mit Bescheiden vom 15.04.2009 und 20.04.2009 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin jeweils einen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 1.190,-- EUR sowie 3.607,-- EUR fest, der ausweislich der Angaben in den Bescheiden für nicht gedeckte Aufwendungen nach der Beitragsordnung 2009 erhoben wurde (Bl. 3, 4 der Gerichtsakte). Die Klägerin legte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18.05.2009 gegen die vorgenannten Bescheide Widerspruch ein (Bl. 5 der Gerichtsakte), und zwar gegen den Bescheid vom 15.04.2009 hinsichtlich des "Kopfanteils pro Mitglied 2010" in Höhe von 500,-- EUR sowie gegen den Bescheid vom 20.04.2009 hinsichtlich des "Ha-Anteil 2010 je Fläche" in Höhe von 898,10 EUR und des "Ha-Anteil 2011 je Fläche" in Höhe von 1.234,89 EUR Widerspruch ein, den er mit Schriftsatz vom 05.11.2009 begründete (Bl. 7 f. der Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 22.03.2010 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Widerspruch bis zum 03.04.2010 zu bescheiden und kündigte nach Ablauf der Frist Untätigkeitsklage an.

Ein Widerspruchsbescheid erging nicht.

Die Klägerin hat am 11.01.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, der verstorbene Ehemann als Rechtsvorgängerin der Klägerin sei nicht Gründungsmitglied des Beklagten gewesen, ebenso wenig die Klägerin. Weder der verstorbene Ehemann der Klägerin noch sie selbst hätten die Geräte des Beklagten genutzt. Sie, die Klägerin, und ihr verstorbener Ehemann hätten jedoch einen Mulcher vom Beklagten käuflich erworben. Für die Umlagen 2010 und 2011 gebe es keine Rechtsgrundlage.

Die Klägerin beantragt,

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 20.04.2009 (WBV-RE-2009/5491) und vom 15.04.2009 (WBV-RE-2009/5294) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, seine Gründung im Jahre 1996 sei ordnungsgemäß und rechtswirksam erfolgt und der Kläger sei Mitglied bei ihm, dem Beklagten, geworden.

Mit Beschluss vom 05.04.2011 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Regierungspräsidiums Gießen sowie auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 16.12.2008 im Verfahren 8 K 68/09.GI verwiesen.

Gründe

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere konnte sie in der Form der Untätigkeitsklage erhoben werden, weil über den Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden war (§ 75 VwGO).

Die Anfechtungsklage ist teilweise begründet. Die Beitragsbescheide des Beklagten sind, soweit gegen sie Widerspruch eingelegt worden ist (Bescheid vom 15.4.2009 hinsichtlich 500,-- EUR "Kopfanteil pro Mitglied Umlage 2010"; Bescheid vom 20.04.2009 hinsichtlich 898,10 EUR und 1.234,89 EUR" Ha-Anteil 2010 je Fläche" und Ha-Anteil 2011 je Fläche") einschließlich der jeweiligen Mehrwertsteuer rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S.1 VwGO). Bezüglich des mittels Widerspruch nicht angegriffenen Teils der Bescheide (Bescheid vom 15.04.2009 hinsichtlich 500,-- EUR "Kopfanteil pro Mitglied 2009"; Bescheid vom 20.04.2009 hinsichtlich 898,10 EUR "Ha-Anteil 2009 je Fläche") ist die Klage unbegründet; die Bescheide sind insoweit in Bestandskraft erwachsen.

Soweit die Klage begründet ist, gilt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin durch hoheitlichen Bescheid Beiträge zu verlangen. Denn der Ehemann der Klägerin war nicht Mitglied des Beklagten geworden. Hierzu hat das erkennende Gericht mit Urteil vom 16.12.2010 im Verfahren 8 K 68/09.GI Folgendes ausgeführt:

"Nach § 28 Abs. 1 WVG sind (nur) die Verbandsmitglieder verpflichtet, dem Verband Beiträge zu leisten, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Verbandsmitglieder sind die Beteiligten, die der Errichtung des Verbandes zugestimmt haben oder die zur Mitgliedschaft herangezogen worden sind, sowie deren jeweilige Rechtsnachfolger (§ 22 S. 1 WVG).

Der Kläger ist unstreitig nicht im Sinne des § 9 WVG zu einer Mitgliedschaft bei dem Beklagten herangezogen worden. Er hat aber auch nicht als Beteiligter der Errichtung des Verbandes zugestimmt. Hierzu hätte es einer Feststellung durch die Aufsichtsbehörde bedurft, dass der Kläger Beteiligter im Sinne des Wasserverbandsgesetzes ist. Eine solche Feststellung ist nicht erfolgt.

Beteiligte im Sinne des Wasserverbandsgesetzes sind die nach § 4 WVG als Verbandsmitglieder in Betracht kommenden Personen, wenn sie von der Aufsichtsbehörde als Beteiligte festgestellt worden sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WVG). Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass der Akt der Feststellung für die Erlangung der Beteiligtenstellung konstitutiv ist. Der Kläger hat deshalb durch die Unterzeichnung einer "Eintrittserklärung" und die darin gemachte Aussage, dem Wasser- und Bodenverband zum 01.01.1996 beizutreten, nicht die Stellung eines Beteiligten erlangt. Dieser Erklärung kann für den vorliegenden Zusammenhang lediglich eine Bereitschaftsbekundung des Klägers entnommen werden, als noch festzustellender Beteiligter bei der Errichtung des Verbandes mitwirken zu wollen. Seiner Erklärung entsprechend ist der Kläger auch in das Verzeichnis der Personen aufgenommen worden, die Beteiligte werden sollten (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 WVG).

Nach der Regelung des § 13 Abs. 1 S. 1 WVG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 WVG sind die Beteiligten durch die Aufsichtsbehörde für das Errichtungsverfahren festzustellen. Dies bedeutet, dass jedem, der Beteiligter des Verbandes werden will oder soll, durch Verwaltungsakt seine Beteiligtenstellung bekanntzugeben ist. Denn die Feststellung der Beteiligteneigenschaft hat förmlich zu erfolgen (Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993, Rdnr. 97). Dies ist bezogen auf den Kläger nicht geschehen.

Die erforderliche förmliche Feststellung der Beteiligteneigenschaft kann nicht - wie vom Beigeladenen angenommen - dadurch ersetzt werden, dass die Aufsichtsbehörde das Errichtungsvorhaben zur Gründung des Verbandes sowie Zeit und Ort der Auslegung der hierzu notwendigen Errichtungsunterlagen sowie den Termin zur Verhandlung über die Errichtung öffentlich bekanntmacht. Begründet hat der Beigeladene seine Auffassung damit, dass zu den Errichtungsunterlagen auch ein Verzeichnis derjenigen gehöre, die Beteiligte werden sollten (Bl. 57 der Gerichtsakte).

Vorliegend spricht gegen eine solche Annahme bereits, dass die entsprechende Bekanntmachung nicht gemäß den Vorgaben des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz - HWVG - (GVBl. I 1995, 503) durchgeführt worden ist. Nach § 5 Abs. 3 HWVG erfolgt die öffentliche Bekanntmachung eines Errichtungsvorhabens sowie der Zeit und des Ortes der Auslegung der Errichtungsunterlagen in den Gemeinden, Landkreisen oder kreisfreien Städten, auf die sich der Verband erstrecken soll, in einer örtlich oder im Kreisgebiet verbreiteten, mindestens einmal wöchentlich erscheinenden Zeitung oder in einem Amtsblatt. Obwohl das als Teil der Errichtungsunterlagen ausgelegte Verzeichnis derjenigen, die Beteiligte eines Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill und Umgebung werden sollten, auch zahlreiche in den Landkreisen Gießen und Limburg-Weilburg ansässige Personen und sogar zwei Personen aus Rheinland-Pfalz (56477 Rennerod und 56478 Homberg)) auswies (Bl. 86 bis 102 der Gründungsakte), erfolgte eine Veröffentlichung der Bekanntmachung durch die damals handelnde Aufsichtsbehörde - den Landrat des Lahn-Dill-Kreises - ausschließlich in Zeitungen, die nur im Lahn-Dill-Kreis verbreitet sind (Bl. 65f. der Gründungsakte).

Darüber hinaus ist die erfolgte öffentliche Auslegung der Errichtungsunterlagen in der Zeit vom 24.04. bis 24.05.1996 grundsätzlich nicht geeignet, die förmliche Feststellung der Beteiligten im jeweiligen Einzelfall zu ersetzen. Zwar gehört zu den auszulegenden Errichtungsunterlagen auch ein Verzeichnis derjenigen, die Beteiligte werden sollen (§ 11 Abs. 2 S. 2 WVG, vgl. auch §14 Abs. 1 Satz 3 WVG). Schon dieser Wortlaut des Gesetzes weist aber darauf hin, dass es sich hier um Personen handelt, deren Beteiligteneigenschaft noch nicht festgestellt ist. Das Verzeichnis dient nur dazu, die für eine Mitgliedschaft vorgesehenen Personen aufzulisten.

Die förmliche Einzelfeststellung der Beteiligteneigenschaft ist hingegen zur Überprüfung der vom Gesetz aufgestellten Anforderungen für eine Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband vorgesehen. In dem der Entscheidung über die Beteiligtenstellung zugehörigen jeweiligen Verwaltungsverfahren ist nämlich festzustellen, ob es sich um eine Person handelt, die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 WVG Verbandsmitglied werden kann. Bejahendenfalls ist sodann des Weiteren die auf diese Person entfallende Stimmenzahl unter Anwendung des sogenannten Vorteilsprinzips (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 WVG) festzulegen (§ 13 Abs. 1 S. 2 WVG).

Die Kompetenz zur Prüfung dieser Voraussetzungen und zur Bestimmung der Mitgliedseigenschaft und der Angabe der Stimmenzahl steht ausschließlich der Aufsichtsbehörde zu, wohingegen das Verzeichnis von einem oder mehreren der (noch) festzustellenden Beteiligten vorgelegt wird (§ 11 Abs. 1 WVG) und von der Aufsichtsbehörde nur öffentlich auszulegen ist. Mit der bloßen Auslage geht jedoch keine Prüfung der Beteiligteneigenschaft einher. So kann auch die Stimmenzahl eines Beteiligten dem Verzeichnis derjenigen, die Beteiligte werden sollen, nicht entnommen werden. Dieses Verzeichnis muss nur Name und Anschrift der potentiellen Beteiligten enthalten (§ 11 Abs. 2 Satz 2 WVG). Dementsprechend weist das vom Landrat des Lahn-Dill-Kreises ausgelegte Verzeichnis auch nur Namen und Anschrift der darin genannten Personen aus (Bl. 86 bis 102 der Gründungsakte).

Die öffentliche Bekanntmachung der Einladung zur Gründungsverhandlung (Bl. 75 ff. der Gründungsakte) kann ebenfalls nicht die Feststellung der Beteiligteneigenschaft ersetzen. Denn diese Bekanntmachung richtete sich an die Beteiligten, ohne zu sagen, wer diese sind.

Auch das Einladungsschreiben vom 07.05.1996 (Bl. 72 der Gründungsakte) ersetzt im vorliegenden Fall die fehlende Feststellung nicht. Insoweit ist bereits nicht nachweisbar, dass ein solches Schreiben an den Kläger, der vorträgt, dieses nicht erhalten zu haben, überhaupt versandt wurde. Darüber hinaus enthält das mit "Einladung zur Gründungsverhandlung" betitelte Schreiben weder nach Form noch Inhalt eine dieses Schreiben als Verwaltungsakt qualifizierende Regelung zur Feststellung der Beteiligteneigenschaft anhand der aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben.

Offengelassen werden kann, ob eine Teilnahme an der Gründungsverhandlung und die rügelose Zustimmung zur Gründung des Beklagten auf dieser Versammlung das Fehlen der Feststellung der Beteiligteneigenschaft zu heilen vermag. Denn der Kläger hat an der Gründungsverhandlung am 24.05.1996 nicht teilgenommen. Der Kläger ist auf der Anwesenheitsliste nicht verzeichnet und war nach seinem Bekunden bei der Gründungsverhandlung auch nicht anwesend. Ebenfalls offenbleiben kann, ob in Anbetracht der aufgezeigten Mängel im Errichtungsverfahren der Beklagte wirksam errichtet worden ist. Denn darauf kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht an.

Der Kläger ist schließlich auch nicht nach Gründung des Beklagten dessen Mitglied geworden.

Ein Mitgliedschaftsverhältnis ist weder durch das Führen des Klägers in einer Mitgliederliste des Beklagten noch durch das Erheben wie auch das Zahlen von Beiträgen durch den Kläger an den Beklagten entstanden.

Denn eine Aufnahme des Klägers bei dem Beklagten nach Gründung ist nur nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 WVG möglich. Hiernach hat Anspruch auf Aufnahme als Verbandsmitglied in einen bestehenden Verband, wer einen Vorteil aus der Durchführung der Verbandsaufgaben zu erwarten oder wer Maßnahmen des Verbandes zu dulden hat. Dem Anspruch auf Aufnahme entspricht eine verbandsseitige Verpflichtung zur Aufnahme (Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993, Rdnr. 152). Die Aufnahme ergeht im Einzelfall durch Verwaltungsakt und begründet unmittelbar die Mitgliedschaft (vgl. Löwer, in Achterberg/Püttner/Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 12, Wasserverbandsrecht, Rdnr.86). Zuständig für die Entscheidung über die Aufnahme ist der Verbandsvorstand (§ 23 Abs. 1 S. 2 WVG); die Verbandsversammlung ist zuvor anzuhören <§ 25 Abs. 1 lit. a) WVG>.

Ein förmlicher Bescheid des Beklagten über eine Aufnahme des Klägers existiert nicht; ebenso wenig sind Unterlagen über ein (förmliches) Aufnahmeverfahren vorhanden. Das gesetzlich ausgestaltete Aufnahmeverfahren verlangt für die Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses zwingend einen dahingehenden Vorstandsbeschluss. Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Vorstand des Beklagten jemals einen Beschluss über eine Aufnahme des Klägers getroffen hat. Beschlüsse des Vorstandes sind in einer Niederschrift festzuhalten; eine Niederschrift, die eine Aufnahme des Klägers dokumentiert, ist nicht vorhanden. Es gibt auch keine sonstigen Hinweise, dass ein derartiger Beschluss gefasst worden ist.

Der Beschluss über eine Aufnahme kann auch nicht durch ein anderes Handeln des Beklagten, wie insbesondere durch das Erheben von Beiträgen, ersetzt werden. Die Aufnahme in einen Wasser- und Bodenverband ist mit weitreichenden Konsequenzen für das künftige Mitglied verbunden, insbesondere hinsichtlich dessen Haftung. Bei einer Entscheidung über die Aufnahme in einen bestehenden Wasser- und Bodenverband ist vom dafür zuständigen Verbandsvorstand deshalb sorgfältig zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllt sind. Diese notwendige Prüfung ist mit dem Beschluss über die Aufnahme vorzunehmen und ihm vorbehalten, weshalb es ausgeschlossen ist, einen förmlichen Aufnahmebeschluss für entbehrlich zu erachten.

Nach alledem bleibt festzustellen, dass eine Mitgliedschaft des Klägers beim Beklagten rechtswirksam nicht begründet worden ist, obwohl die Verfahrensbeteiligten selbst jahrelang vom Bestehen einer solchen Mitgliedschaft ausgegangen sind.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, im Fall einer nicht wirksam begründeten öffentlich-rechtlichen Mitgliedschaft des Klägers zu ihm, dem Beklagten, bestehe eine schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Kläger und ihm, dem Beklagten, als Personenverband einer BGB-Gesellschaft und dies habe eine Beitragspflicht gemäß §§ 705, 706 BGB zur Folge, wie sie in der Beitragsordnung niedergelegt sei. Dem steht entgegen, dass sich der Kläger im Streitfall gegen hoheitlich erlassene Beitragsbescheide wendet. Ob dem Beklagten gegebenenfalls als BGB-Gesellschaft zivilrechtliche Ansprüche zustehen, die er einklagen könnte, ist im Rahmen der hier zu beurteilenden öffentlich-rechtlichen Anfechtungsklage nicht zu prüfen."

An diesen Ausführungen ist festzuhalten; sie gelten auch im vorliegenden Streitfall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Maß des jeweiligen Unterliegens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin war für notwendig zu erklären. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da er keinen Antrag gestellt hat (§§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 2 VwGO).

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 4.797,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 GKG.

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